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Arabischer Frühling und EU | bpb.de

Arabischer Frühling und EU

L. Bersch

Der A., in arab. Medien oft »Arabische Revolution« genannt, ist eine Serie von Massenprotesten in der arab. Welt, die im Dezember 2010 begann; geprägt wurde der Begriff von dem Politikwissenschaftler Marc Lynch von der George Washington University. Die Proteste sind eine Reaktion auf die Systemkrisen der arab. Staaten und richteten sich v. a. gegen Regierungsversagen und Korruption, hohe Arbeitslosigkeit, Armut und das Fehlen demokratischer Freiheiten. Die Entwicklung nahm in den einzelnen Ländern einen unterschiedlichen Verlauf: von einem raschen Austausch der Machtelite (Tunesien, Ägypten, Jemen) über Niederschlagung der Aufstände (Algerien) bis zum Bürgerkrieg (Syrien). Der unterschiedliche Verlauf des A. in den einzelnen Staaten erschwert eine einheitliche EU-Außenpolitik und brachte die bisherige europ. Politik in Misskredit. Vor allem in Nordafrika hatte die EU durch enge Kooperation mit den Autokraten und die Ausrichtung ihrer Mittelmeerpolitik auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die ursprüngliche Demokratisierungspolitik hatte sich zu einer technisch ausgerichteten Zusammenarbeit auf Regierungsebene entwickelt, etwa im Rahmen der »Union für das Mittelmeer«. Nach dem überraschenden Ausbruch des A. verhielten sich die EU und ihre Institutionen nicht einheitlich. Während das Europäische Parlament die Proteste unterstützte, agierte Catherine Ashton, die damalige EU-Außenbeauftragte und Chefin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), zurückhaltend. Die EU reagierte auf den sich noch im Prozess befindlichen A. mit einer Korrektur der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP), welche die »Unterstützung auf dem Weg zu vertiefter Demokratie« als Ziel verfolgt. Die EU sichert den Transitionsstaaten Handelserleichterungen zu und will Kredite in Höhe von 2,5 Mrd. € bereitstellen. Außerdem will sie nicht staatliche Akteure, v. a. die Zivilgesellschaft, wieder in die Kooperation einbinden und bei politischen Reformen unterstützen, z. B. durch die sog. Civil Society Facility. Es sollen außerdem Visabestimmungen liberalisiert und der Austausch von Studenten durch Stipendien stärker gefördert werden. Allerdings könnte die Neuausrichtung der EU-Politik gefährdet werden, sollten islamistische Parteien an die Macht gelangen.

Literatur

  • T. Behr: After the Revolution: The EU and the Arab Transition, Studie von Notre Europe, Paris 2012 (Download: www.notreeurope.eu).

  • A. Driss: The EU response to the Arab Uprising: A Show of Ambivalence, in: R. Alcaro/M. Haubrich-Seco (Hg.), Re-Thinking Western Policies in Light of the Arab Uprising; IAI Research Papers, Rom 2012 (Download: www.iai.it).

  • A. Echagüe u. a. (Hg.): Europe in the Reshaped Middle East, Madrid 2012 (Download: www.fride.org).

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: L. Bersch

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