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Podiumsdiskussion "Moscheen als Orte der Prävention?" | bpb.de

Podiumsdiskussion "Moscheen als Orte der Prävention?" Vollständige Podiumsdiskussion

von: cine plus Media Service GmbH & Co. KG für bpb.de

Moscheegemeinden stehen in der Radikalisierungsprävention in einem großen Spannungsfeld. Auf der einen Seite wird von ihnen gefordert, aktiver Präventionsarbeit zu leisten, da sie über niedrigschwellige Zugänge zu Jugendlichen und ihren Familien verfügen können. Auf der anderen Seite stehen sie selbst schnell im Verdacht islamistische und politische Ziele zu verfolgen. In Folge dessen wird der Einbindung von Moscheen in die Präventionsarbeit oft skeptisch entgegengetreten. Welcher Weg sollte also eingeschlagen werden: Einbindung oder Ausgrenzung? Welche Rolle kommt den Moscheegemeinden zu? Und auf welcher Grundlage kann die Präventionsarbeit von muslimischen Verbänden und Moscheevereinen erfolgen? Über dieses Spannungsfeld diskutierten wir mit Dr. Lale Akgün (Autorin, Köln), Pinar Çetin (Beratungsstelle Bahira, Berlin), Eren Güvercin (Alhambra Gesellschaft, Köln) und Samy Charchira (Universität Osnabrück) unter Moderation von Marfa Heimbach.

Inhalt

Moscheegemeinden mit ihrer seit Jahren steigenden Zahl, ihrer Verortung im kommunalen Bereich und ihren vielfältigen Angeboten verfügen sie über wichtige Zugänge zu Jugendlichen und ihren Familien. Mit ihren Projekten und Programmen erreichen Moscheen in Deutschland mehr als 150.000 Menschen pro Woche. Inzwischen erkennt man sie auch als einen wichtigen Partner im Kampf gegen religiös begründeten Extremismus an.

Tatsächlich haben sich in jüngerer Zeit muslimische Verbände und auch einzelne Vereine auf die Fahnen geschrieben, Präventionsarbeit gegen Radikalisierung und Diskriminierung zu betreiben. In diesem noch neuen Arbeitsfeld sammeln die Akteure erste Erfahrungen. Dabei stehen die Moscheegemeinden und muslimischen Verbände in einem großen Spannungsfeld. Auf der einen Seite wird gefordert, sie sollten aktiver in der Präventionsarbeit sein. Auf der anderen Seite stehen sie schnell selbst im Verdacht islamistische, politische Ziele zu verfolgen. Das Misstrauen gegenüber Moscheegemeinden ist groß. Und in der Tat erregen einzelne Verbände mit ihren – vermuteten oder tatsächlichen – Verbindungen zu islamistischen Kreisen großes Aufsehen. Auch Auslandsfinanzierungen und die Einflussnahme ausländischer Staaten – wie beispielsweise Saudi-Arabiens oder der Türkei – auf unterschiedliche Moscheegemeinden disqualifizieren sie in vielen Kreisen als Gesprächspartner.

Dies sorgt dafür, dass der Einbindung von Moscheen in die Präventionsarbeit oft skeptisch entgegengetreten wird. Welcher Weg sollte also eingeschlagen werden: Einbindung oder Ausgrenzung? Wie kann das gegenseitige Misstrauen muslimischer Verbände und (Sicherheits-)Behörden überwunden werden? Für muslimische Gemeinden gleicht das Engagement in der Präventionsarbeit oft einer Stigmatisierung. Dadurch gäbe man zu, dass es in der Gemeinde Probleme mit Radikalisierung gibt. Wie kann man dem entgegenwirken? Und es stellt sich generell die Frage nach dem Zweck und der Wirksamkeit von Präventionsarbeit in Moscheegemeinden. Welche Rolle kommt ihnen zu? Und auf welcher Grundlage kann oder soll die Präventionsarbeit von Verbänden und Vereinen erfolgen?

Diese und weitere Fragen diskutieren die Gäste des Podiums:

  • Dr. Lale Akgün, Autorin, Köln
    Dr. Lale Akgün ist Autorin des 2018 erschienen Buches „Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime. Schluss mit der Vorherrschaft des konservativen Islams in Deutschland“. Sie studierte Medizin, Völkerkunde und Psychologie in Marburg und promovierte an der Universität zu Köln zum Thema „Zur Anwendung von nonverbalen Intelligenztests bei türkischen Grundschulkindern“. Von 2002-2009 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages und Stellvertretende Europa und Migrationspolitische Sprecherin sowie Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. Darüber hinaus ist sie Mitbegründerin der Initiative Säkularer Islam.

  • Pinar Çetin, Beratungsstelle Bahira, Berlin
    Pinar Çetin arbeitet beim Violence Prevention Network und leistete bis vor einem Jahr Präventionsarbeit in einer Moschee. Sie studierte Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und ist Diversitytrainerin sowie Dialogprozessbegleiterin. Für Multiplikatoren bietet sie Fortbildungen zum Thema „Muslimisches Leben“ an. Seit März 2015 arbeitet sie in der Beratungsstelle gegen Extremismus und Radikalisierung von muslimischen Jugendlichen für den Trägerverein Violence Prevention Network. In Berlin engagierte sie sich 15 Jahre lang ehrenamtlich in der Moscheegemeinde. Sie ist Mitgründerin und Vorsitzende der Deutschen Islam Akademie.

  • Eren Güvercin, Alhambra Gesellschaft, Köln
    Eren Güvercin studierte Rechtswissenschaften in Bonn und arbeitet als freier Journalist und Autor für verschiedene Medien, u.a. die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Deutschlandradio, WDR, taz und der freitag. 2012 erschien im Herder Verlag sein Buch „Neo-Moslems. Porträt einer deutschen Generation”. Güvercin ist Gründungsmitglied und im Beirat der Alhambra Gesellschaft e.V. sowie Mitglied im Beirat des Forums für offene Religionspolitik e.V. und Teil der Deutschen Islam Konferenz.

  • Samy Charchira, Universität Osnabrück
    Samy Charchira ist Diplom-Sozialpädagoge und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Studiengangs „Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft“ am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Er ist führender Experte im Themenfeld „muslimische Wohlfahrtspflege“ und in diesem Zusammenhang Sachverständiger bei der Deutschen Islam Konferenz. Des Weiteren ist er Mitbegründer des Präventionsprojektes „Düsseldorfer Wegweiser“ gegen gewaltbereiten Neosalafismus. Zu seinen letzten Publikationen gehört unter anderem „Möglichkeiten der Einbindung muslimischer Institutionen und Moscheegemeinden in die Radikalisierungsprävention“, in: Kärgel, Jana (Hg.): „„Sie haben keinen Plan B“. Radikalisierung, Ausreise, Rückkehr – zwischen Prävention und Intervention“ (2017).

  • unter Moderation von Marfa Heimbach, Islamwissenschaftlerin und Journalistin, Köln
    Marfa Heimbach ist Journalistin in Köln, wo sie Islamwissenschaften und Geschichte studierte. Zunächst arbeitete sie als wissenschaftliche Studienreiseleiterin im Iran, der Türkei, Syrien, Jordanien und Israel. Heute ist sie als Hörfunkautorin (u.a. ZeitZeichen) beim Westdeutschen Rundfunk in Köln sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Universität zu Köln tätig. Sie leitete verschiedene Projekte, beispielsweise „Dialogseminare mit Pfarrern und Imamen“, unter anderem für die Bundeszentrale für politische Bildung, die Christlich-Islamische Gesellschaft und das Zukunftsforum Islam. 2001 veröffentlichte sie die Monographie „Die Entwicklung der islamischen Gemeinschaften in Deutschland seit 1961“.

Mehr Informationen

  • Produktion: 10.09.2019

  • Spieldauer: 124 Min.

  • hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb

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