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Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) | bpb.de

Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)

D. Wolf

Die Finanzmarkt- und Bankenkrise 2009 hat weltweit die Staaten zu erhöhten Haushaltsdefiziten gezwungen, um die Volkswirtschaften anzukurbeln und wichtige Banken vor dem Bankrott zu retten. Das gab Anlass zu massiven Spekulationen gegen einige Euroländer, allen voran Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. Diese Länder standen in der Gefahr, von den Märkten keine Kredite mehr zu bekommen oder aber horrende Zinsen dafür schultern zu müssen. Es bestand die Gefahr des Auseinanderbrechens des Euroraumes. Nachdem die Spekulationen trotz einer direkten Hilfe der EU-Staaten an Griechenland nicht aufhörten, sahen sich die EU-Staaten im Frühjahr 2010 gezwungen, ein überzeugendes Signal zu setzen. Dazu schnürten sie im Mai 2010 ein Rettungspaket aus vier Elementen:

1. der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), mit dem die 17 Euroländer Kredite in Höhe von 440 Mrd. € garantieren;

2. einem Kreditvolumen von 250 Mrd. €, das der Internationale Währungsfonds (IWF) bereitstellt;

3. einem Kreditvolumen von 60 Mrd. €, das die Europäische Kommission bereitstellt sowie

4. zusätzliche Interventionen der Europäischen Zentralbank am Markt für Staatsanleihen. Dieses Paket sollte die Märkte überzeugen, dass der Euroraum finanziell stabil bleibt.

Die E. als Kern des Rettungsschirms ist technisch eine in Luxemburg beheimatete Aktiengesellschaft, deren Kapital von den Euroländern garantiert wird. Dadurch erhielt sie das höchste Kreditrating (»AAA«). Sie gibt Anleihen an den Kapitalmärkten, wobei die Deutsche Finanzagentur als Dienstleister auftritt. Die erste Anleihe über 5 Mrd. € wurde von den Investoren im Januar 2011 gleich neunfach überzeichnet und im August 2012 gelang es dem E., sich am Markt zu Negativzinsen zu verschulden.

E.-Kredite kamen Irland, Griechenland, Portugal, Zypern und Spanien zugute. Im Gegenzug für Hilfskredite müssen die in Not geratenen Euroländer Spar- und Restrukturierungsmaßnahmen zusagen. Nach dem Auslaufen des EFSF stand mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eine auf Dauer eingerichtete Nachfolgeinstitution zur Verfügung.

Der E. zog erhebliche Kritik auf sich. Liberale Wirtschaftswissenschaftler warfen ihm vor, den schwachen Staaten einen Anreiz zur weiteren Verschuldung zu geben, weil ja im Zweifel andere helfen müssten. Auch verlagere der Schirm das Risiko auf den Steuerzahler, weil Staaten damit nicht Bankrott gehen könnten. Bei einem solchen Bankrott würden die privaten Investoren aber das Risiko und die Kosten tragen müssen. Dem halten andere entgegen, dass ein Staatsbankrott kein Problem löse, sondern nur das ganze Finanzsystem in Gefahr bringe. Wenn in der Finanzkrise 2009 schon Banken gerettet werden mussten, nur um das System zu sichern, dann gelte das um so mehr für Staaten, die ja auch für die soziale Sicherheit ihrer Bürger verantwortlich seien. Außerdem dürfe es nicht teilweise panischen Finanzmärkten überlassen bleiben, ob Staaten für zahlungsfähig gehalten würden.

Internet

Literatur

  • T. Kunstein/W. Wessels: Die Europäische Union in der Währungskrise: Eckdaten und Schlüsselentscheidungen, in: Integration Jg. 34, H. 4/2011, S. 308-322.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: D. Wolf

Fussnoten

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