Als im BerIin im Dezember 2017 wütende Teilnehmer einer Demonstration eine selbstgemalte Fahne mit einem Davidstern verbrannten, rückte der Antisemitismus erneut in den Blick der Öffentlichkeit. Denn so offen tritt die Judenfeindschaft eher selten in Erscheinung. Umso stärker blüht ein latenter Antisemitismus im Verborgenen, in Andeutungen, Codes, Vergleichen. So spricht manch ein Globalisierungskritiker von "einflussreichen Kreisen an der Ostküste" – und appelliert damit an alte, antijüdische Vorurteile über eine angeblich verschworene Gemeinschaft.
Im Alltag äußert sich ein neuer Antisemitismus, oft verpackt als "Antizionismus" oder als Wunsch, "mit der Vergangenheit abzuschließen". In der Einleitung zu seinem Buch "Der ewige Antisemit" stellte der Publizist Henryk M. Broder fest: "Der moderne Antisemit leugnet nicht den Holocaust, sondern benutzt ihn als Argument gegen die Juden."
Das Dossier gibt Einblicke in die Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus. Es untersucht seine Wandlungen und hilft, ihn zu entlarven.
Beate Küpper, Andreas Zick
Antisemitische Einstellungsmuster in der Mitte der Gesellschaft
75 Jahre nach der Shoah tritt Antisemitismus wieder offener in Erscheinung. Das verweist auf ein gesellschaftspolitisches Klima, in dem derartige Einstellungen gedeihen können. In welchen Bevölkerungsgruppen sind antisemitische Einstellungen verbreitet, welche Formen treten besonders häufig in Erscheinung?

Bernadette Edtmaier
Antisemitismus in Österreich seit 1945
Obwohl Jüdinnen und Juden nur noch eine sehr kleine Minderheit in Österreich ausmachen, sind antisemitische Einstellungen in der Bevölkerung durchaus verbreitet. Ein Blick in die Geschichte der letzten Jahrzehnte machen Wandel und Kontinuität des Antisemitismus sichtbar.

Nonna Mayer
Antisemitismus in Frankreich
In Frankreich lebt mit rund einer halben Million die größte jüdische Gemeinschaft Europas. Seit einigen Jahren sind französische Juden mit einer wachsenden Zahl antisemitischer Attacken konfrontiert, Tausende sind mittlerweile nach Israel emigriert. Wie hat sich der Antisemitismus dort in den vergangenen Jahren entwickelt?
Mikołaj Winiewski, Dominika Bulska
Antisemitismus in Polen
Antisemitismus in Polen ist auf den ersten Blick irritierend, da es sich um einen "Antisemitismus ohne Juden" zu handeln scheint. Um dieses Phänomen zu verstehen, bedarf es eines Blickes in die Geschichte der polnisch-jüdischen Beziehungen sowie die psychologischen Funktionen, die antisemitische Einstellungen erfüllen.
Thomas Haury
"Antizionismus" in der frühen DDR
Wo liegen die ideologischen Ursachen für die antisemitische Wendung, welche die SED-Spitze Anfang der 1950er Jahre vollzog? Wie konnte sich nur sieben Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus in der sich als sozialistisch und antifaschistisch verstehenden DDR ein antisemitischer "Antizionismus" in Propaganda und Repressionen äußern?

Michael Butter
Antisemitische Verschwörungstheorien in Geschichte und Gegenwart
Nicht alle Verschwörungstheorien sind antisemitisch, aber Antisemitismus ist gegenwärtig immer konspirationistisch aufgeladen. Die enge Verknüpfung von Antisemitismus und Verschwörungstheorien ist Gegenstand dieses Beitrags und soll von seiner historischen Genese bis in unsere Gegenwart hinein beleuchtet werden.

Jan Rathje, Rocío Rocha Dietz
Antisemitismus im Internet und den sozialen Medien
Das Internet und soziale Netzwerke haben die Verbreitung und Radikalisierung von Antisemitismus milieuübergreifend befördert. Das bleibt nicht ohne Folgen: Alle (mutmaßlichen) Täter antisemitisch motivierter Terroranschläge der letzten Jahre waren in antisemitischen Online-Communities aktiv und verbreiteten selbst antisemitische Verschwörungsmythen.

Michael Höttemann
Sekundärer Antisemitismus
Der sekundäre Antisemitismus ist weder zweitrangig noch weniger problematisch als der traditionelle oder moderne Antisemitismus. Es handelt sich hierbei auch nicht allein um ein psychologisches Phänomen, wie das häufig verwendete Synonym "Schuldabwehrantisemitismus" nahelegt. Treffender ist es, ihn als Antisemitismus nach Auschwitz zu bezeichnen.

Sina Arnold
Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft
Wenn von Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft die Rede ist, sind oft junge Menschen mit arabischem Migrationshintergrund gemeint. Dabei gerät durch eine solche Verengung die gesamtgesellschaftliche Dimension aus dem Blick. Entscheidend ist: Antisemitismus muss entgegengetreten werden, egal von wem er mit welcher Motivation ausgeht.
Julia Bernstein
Israelbezogener Antisemitismus an Schulen
Auch 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus ist Antisemitismus weiter ein Problem in Deutschland – auch an Schulen. Er manifestiert sich häufig mit einem Israelbezug und wird von vielen Lehrkräften nicht als Problem wahrgenommen oder gar als "legitime Kritik" verharmlost. Was ist israelbezogener Antisemitismus, wie stellt er sich an Schulen dar und wie sollten Lehrkräfte auf ihn reagieren?
Stephan Grigat
Flucht und Vertreibung von Juden aus den arabischen Ländern
Flucht und Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern waren nahezu total. Von den fast 900.000 in arabischen Ländern vor 1948 lebenden Juden sind heute nur wenige Tausend übriggeblieben. Doch außerhalb Israels findet dieses Thema in gegenwärtigen Debatten zum Nahen und Mittleren Osten nur selten Erwähnung.

Michael Brenner
Die Gefahr erkennt man immer zu spät
Wie haben die deutschen Juden den Antisemitismus nach dem Ersten Weltkrieg sowie den Regimewechsel 1933 wahrgenommen? Auch wenn sich die Gefahren immer erst aus der Rückschau richtig einschätzen lassen, stellt sich die Frage: "Wann erkennt man die Gefahr?"

Samuel Salzborn
Was ist moderner Antisemitismus?
Als kognitives und emotionales Weltbild bietet der moderne Antisemitismus ein allumfassendes System von Ressentiments und (Verschwörungs-)Mythen. Wie sind die Hintergrundbedingungen des modernen Antisemitismus zu begreifen und in welchen Dimensionen äußert er sich?
Karolin Schwarz
Antisemitismus, die extreme Rechte und rechter Terror im Netz
Das Internet bietet seit über 30 Jahren reichlich Raum für extrem rechte Akteure, sich global zu vernetzen und neue Sympathisanten für sich zu gewinnen. Bereits in den Kindertagen des heutigen, kommerziellen Internets, dem World Wide Web, begannen sie mit der Verbreitung antisemitischer Propaganda. Heute kommt dem Netz in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle zu.
Matthias Küntzel
Islamischer Antisemitismus
Die Bezeichnung "islamischer Antisemitismus" bezieht sich weder generell auf den Islam, noch pauschal auf Muslime. Stattdessen verweist dieser Begriff auf eine spezifische Ausprägung von Judenhass, die besondere Kennzeichen aufweist, besondere Konsequenzen nach sich zieht und deshalb auch gezielt zu bekämpfen ist – besonders innerhalb der muslimischen Welt.
Armin Pfahl-Traughber
Antizionistischer und israelfeindlicher Antisemitismus
In der Debatte, wann Kritik an Israel antisemitisch ist und was legitime von nicht-legitimer Kritik unterscheidet, herrscht oft Unklarheit. Daher sollen einschlägige Definitionen dargestellt, Differenzierungen entwickelt und Kontroversen kommentiert werden, um zu einer Versachlichung der Debatte beizutragen.
Tom David Uhlig
Antisemitismus im linken Spektrum
Antisemitismus ist kein integraler Bestandteil linker Weltbilder, aber ständiger Begleiter linkspolitischer Bewegungen. Besonders in drei Feldern schlägt er sich immer wieder durch: Kapitalismuskritik, Antiimperialismus und Vergangenheitspolitik.

Alexandra Kurth/Samuel Salzborn
Antisemitismus in der Schule
Antisemitismus ist nicht einfach eine Form von Diskriminierung neben anderen, nicht einfach ein Vorurteil wie viele andere. Auch wenn er oft mit anderen Diskriminierungsformen zusammen auftritt, unterscheidet er sich als Verbindung von Weltanschauung und Leidenschaft grundsätzlich von ihnen. Wie kann er in der Schule bekämpft werden?

Wolfram Stender
Aspekte antisemitismuskritischer Bildungsarbeit
Antisemitismuskritische Bildungsarbeit hat in Deutschland eine lange Tradition – und doch scheint kaum etwas schwieriger zu sein, als über Antisemitismus aufzuklären, meint der Soziologe Wolfram Stender. Er erklärt, was eine aktuelle, antisemitismuskritische Bildungsarbeit für ihn ausmacht.
Heiko Beyer
Zur Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland: Empirische Forschungsbefunde und methodische Probleme
Zahlreiche sozialwissenschaftliche Studien der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass sich Antisemitismus nicht nur in der extremen Rechten, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft findet. Umstritten ist allerdings, inwieweit damit auch auf rechtsextreme Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft geschlossen werden kann.
Aus der Mediathek
Jüdisch in Europa (1/2)
Eine Erkundungsreise mit Alice Brauner und Yves Kugelmann
In dem Arte-Zweiteiler begeben sich Yves Kugelmann und Alice Brauner auf eine Reise, um jüdisches Leben in Europa aufzuspüren. Sie thematisieren die kulturellen Wurzeln der Juden in Europa, ihren Alltag und ihr Selbstverständnis ebenso wie die Mythen und den Umgang mit ihnen.
Eine Erkundungsreise mit Alice Brauner und Yves Kugelmann
Ein Film von Ruth Beckermann

Monika Schwarz-Friesel
Aktueller Antisemitismus
Empirische Langzeitstudien zur Sprache der aktuellen Judenfeindschaft zeigen: in den vergangenen zehn Jahren ist die Tabuisierungsschwelle für Verbal-Antisemitismen gesunken. Insbesondere im Internet wird kontinuierlich judenfeindliches Gedankengut verbreitet – und zwar in alltäglichen, nicht extremistischen Diskursräumen.

Mirjam Fischer
Antisemitismus bei Muslimen
Mit der Verbreitung von antisemitischen Vorurteilen und Judenhass unter muslimischen Migranten befasste sich bereits die Expertenkommission der Bundesregierung. In der Wahrnehmung vieler Juden in Deutschland nimmt neben dem rechtspopulistischen auch ein religiös motivierter muslimischer Antisemitismus zu. Die empirische Datenlage ist aber dünn.

Ahmad Mansour
Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen
Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus findet in der muslimischen Community kaum Beachtung, sagt Ahmad Mansour. Weder auf religiöser, noch auf traditioneller und schon gar nicht auf politischer Ebene. Es sei ein pädagogisches Umdenken notwendig, um diese antisemitischen Tendenzen wirkungsvoll zu bekämpfen.

Philipp Gessler
Sekundärer Antisemitismus
Sekundärer Antisemitismus ist jede Art von Holocaust-Leugnung und -Relativierung. So bezeichnete die rechtsextreme NPD die Luftangriffe auf deutsche Städte im Zweiten Weltkrieg als "Bombenholocaust".
Debatte um Position Irans
Polemik: Israel muss weg!
Heißt es Baader-Meinhof-Gruppe oder -Bande? Ist ein Schießbefehl gleichzeitig auch ein Tötungsbefehl? Und ist Ahmadinedschad falsch verstanden worden, da er ja nur meinte, Israel solle von den Seiten der Geschichte verschwinden - nicht aber von der Landkarte? Henryk M. Broder mit einer Polemik.

Jochen Müller
Die Islamophobie und was sie vom Antisemitismus unterscheidet
Kann man "Islamophobie" und Antisemitismus vergleichen? Darum kreiste 2010 eine teilweise hitzig geführte Debatte. Jochen Müller erklärt einführend die Hintergründe und zeigt, wie sich Islamfeindschaft und Antisemitismus unterscheiden.

Juliane Wetzel
Wie erkennt man Antisemitismus?
Von rechts nach links, von christlich nach islamistisch: Der Antisemitismus ist gewandert. Das breite Spektrum antisemitischer Vorurteile wird jedoch oft nicht erkannt.

Debatte um Position Irans
Die umstrittene Rede Ahmadinedschads
Die umstrittene Rede Ahmadinedschads vom 26. Oktober 2005 in Teheran, Iran auf der Konferenz "Eine Welt ohne Zionismus", übersetzt von Eckart Schiewek/Sprachendienst des Deutschen Bundestages.

Debatte um Position Irans
Standpunkt: Ahmadinejads Mission
Erstmals seit dem "Dritten Reich" haben im Iran die Machthaber eines großen Landes den Antisemitismus, die Holocaust-Leugnung und die Absicht, ein UN-Mitgliedsland zu liquidieren, ins Zentrum ihrer Außenpolitik gerückt, meint Matthias Küntzel.
bpb-Pressemitteilung (25.10.2018)
„Weil ich hier leben will…“
Unter dem Titel "Weil ich hier leben will…" lädt der Jüdische Zukunftskongress vom 5. bis 8. November alle Interessierten ein, über die Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland und Europa zu diskutieren.
Dossier
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Als er 1945 endete, lag Europa in Trümmern. Über 60 Millionen Menschen waren tot. Wie konnte es soweit kommen? Und wie sollte es weitergehen mit einem Land, das den größten Zivilisationsbruch der Geschichte begangen hatte?
... begegnen!
Rassismus, Antisemitismus, Homophobie… Aspekte der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit begegnen uns in vielen Bereichen der Gesellschaft. Die "Begegnen-Reihe" soll in unterschiedlichen Formaten auf Aussagen und Handlungen vorbereiten, in denen Menschen ausgegrenzt und diskriminiert werden.
Mediathek
Antisemitismus, was ist das? Kurz erklärt auf bpb.de
Antisemitismus, was ist das? Kurz und leicht verständlich erklärt im Glossar des Dossiers Rechtsextremismus auf www.bpb.de. Getextet von Toralf Staud, Johannes Radke, Heike Kleffner und FLMH. Eingesprochen von Jungschauspielern/-innen.
Israel
Die Entwicklung Israels ist eine Erfolgsgeschichte: Seit seiner Gründung hat es Menschen aus über 120 Ländern in einen jüdisch-demokratischen Staat integriert. Aus einem landwirtschaftlich geprägten Land ist eine Hightech-Nation geworden.