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Maduro folgt Chávez | Hintergrund aktuell | bpb.de

Maduro folgt Chávez

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Am Sonntag (14. April) hat Venezuela einen Nachfolger für den Anfang März verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez gewählt. Der bisherige Übergangspräsident Nicolás Maduro ist neues Staatsoberhaupt Venezuelas. Er setzte sich knapp gegen seinen Herausforderer Henrique Capriles Radonski durch. Die Opposition will das Wahlergebnis wegen zahlreicher Unstimmigkeiten bei Abstimmung und Auszählung nicht anerkennen.

Der neue Staatspräsident Venezuelas: Nicolás Maduro. (© picture-alliance)

Erst im Oktober 2012 war Chávez für eine vierte Amtszeit gewählt worden. Seit der populäre Staatschef im März 2013 infolge eines Krebsleidens verstarb, ist Nicolás Maduro Interimspräsident Venezuelas. Chávez selbst hatte ihn im vergangenen Dezember als Wunschkandidaten für seine Nachfolge präsentiert. Maduro war lange Zeit Außenminister und zuletzt Vizepräsident des Landes. De facto führte er die Amtsgeschäfte bereits seit Ende vergangenen Jahres, als sich der Gesundheitszustand des 58 Jahre alten Chávez zunehmend verschlechterte.

Unterstützt wurde Maduro, ebenso wie sein Vorgänger, von dem Bündnis "Gran Polo Patriótico", das von der "Partido Socialista Unido de Venezuela" geleitet wird und dem viele weitere Gruppierungen und Parteien, wie die "Partido Comunista" angehören.

Knapper Sieg für Maduro

Der neue Präsident Nicolás Maduro ging als klarer Favorit in die Wahl. Sein Sieg fiel jedoch knapper als erwartet aus: Mit 50,66 Prozent der Stimmen haben die Venezolaner Maduro für die kommenden sechs Jahre zum Staatspräsidenten gewählt. 49,07 Prozent stimmten für Herausforderer Capriles. Das Ergebnis fiel damit sehr knapp aus.

Die Opposition konnte ihr Ergebnis zwar um beinahe fünf Prozentpunkte gegenüber der Wahl im Vorjahr verbessern, es ist jedoch die dritte Wahlniederlage in nur sechs Monaten. Die Wahlbeteiligung sank gegenüber der Wahl im Oktober leicht von 80 auf 78 Prozent.

Capriles spricht von Umstimmigkeiten während der Wahl und der Auszählung der Stimmen und fordert eine Neuauszählung der Stimmen.

Das System Chávez

Maduro nennt sich "Sohn" und "Jünger" von Chávez und will dessen "Bolivarische Revolution" (der Name bezieht sich auf den südamerikanischen Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar) fortsetzen. Dabei kann er auf die breite Unterstützung der "Chavistas", den Anhängern des verstorbenen Präsidenten, zählen.

Der von Chávez propagierte "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" hat in den vergangenen Jahren wesentlich zur Veränderung Venezuelas beigetragen. Dazu gehören etwa die Verstaatlichung ganzer Industriebereiche und die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der armen Bevölkerungsmehrheit. So ist einem Bericht der Wirtschaftskommission der UN für Lateinamerika und die Karibik zufolge der Anteil der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Bevölkerung seit 1999 von 48,6 Prozent auf 29,5 Prozent im Jahr 2011 zurückgegangen. Die Studie zeigt zudem, dass der Gini-Index Venezuelas den niedrigsten Wert in Lateinamerika aufweist. Der Index gibt den Grad der Ungleichheit der Einkommensverteilung in einem Land an.

Daher erfährt die Politik Chávez vor allem von den finanziell Schwächsten Venezuelas starke Unterstützung. Chávez versprach ihnen Zugang zu Bildung und ein großflächig angelegtes Sozialprogramm, darunter eine medizinische Grundversorgung, die in Teilen auch bereits umgesetzt wurde. Finanziert werden diese Projekte vor allem aus den Erlösen des Öl-Exports Venezuelas, die die Hälfte des Staatshaushalts ausmachen.

Allerdings kämpft Venezuela mit einer Reihe von Problemen, die sich im Zuge der globalen Wirtschaftskrise verschärft haben: Die Inflation liegt mit knapp 30 Prozent auf Rekordniveau. Chávez Sozialprogramm für die ärmeren Teile der Bevölkerung stagniert aufgrund sinkender Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Auch die Elektrizitäts- und Wasserversorgung ist mangelhaft.

Hugo Chávez kündigte in seiner 14-jährigen Amtszeit die bis dahin für Venezuela charakteristische Konsens- und Proporzdemokratie auf. Die traditionellen Parteien verloren immer mehr an Einfluss. Das Zweikammersystem wurde zugunsten eines Einkammerparlaments umgebaut. Außerdem stärkte Chávez die Exekutive auf Kosten der Legislative. In Venezuela herrscht daher heute eine stark eingeschränkte Gewaltenteilung. Die problematische Menschenrechtssituation in dem südamerikanischen Land ist eine Folge dieser Entwicklung.

"Amnesty International", "Human Rights Watch" und andere Menschenrechtsorganisationen betonen seit Jahren, dass Angriffe auf Oppositionelle sowie gegen kritische Journalisten und Medien seit der Amtsübernahme von Chávez extrem zugenommen haben. Politisch motivierte Anklagen gegen Regierungskritiker seien an der Tagesordnung. Auf der jährlich p0ublizierten "Rangliste der Pressefreiheit" der "Reporter ohne Grenzen" lag Venezuela 2012 auf Platz 117 von insgesamt 179 Staaten.

Abkehr vom Sozialismus?

Der Kandidat der Opposition: Henrique Capriles Radonski. (© picture-alliance)

Die Opposition, die sich im "Tisch der demokratischen Einheit" zusammengefunden hat, schickte bei der Wahl erneut den Juristen Henrique Capriles Radonski von der bürgerlichen Partei "Primero Justicia", in das Rennen um die Staatsspitze. Der ehemalige Parlamentspräsident und Gouverneur des Bundesstaats Miranda hatte bereits bei der letzten Wahl gegen Chávez verloren. Zu seinem Bündnis gehören sozialdemokratisch orientierte Parteien wie "Por la Democracia Social" oder die "Acción Democrática". Ebenso unterstützten konservative und christlich-soziale Parteien, wie die "Comité de Organización Política Electoral Independiente", den Präsidentschaftskandidaten.

Der 40-Jährige Capriles propagierte im Wahlkampf eine Abkehr von Chávez "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Er wollte die Beziehungen zu Russland, China und Iran überprüfen und das Land modernisieren. Während ihm seine politischen Gegner vorwarfen, die konservative, US-treue Elite Venezuelas zu repräsentieren, bezeichnete er sich als links-liberal und nannte das brasilianische Wirtschafts- und Sozialmodell ein Vorbild für Venezuela.

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