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50 Jahre "Fünf Wirtschaftsweise"

Redaktion

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Am 28. Februar 1964 haben die "Wirtschaftsweisen" ihre Arbeit aufgenommen. Fünf Mitglieder gehören dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an. In ihren Jahresgutachten analysieren die Wissenschaftler die Konjunktur und empfehlen wirtschaftspolitische Maßnahmen. 2013 war ihr Gutachten umstritten.

Der Sachverständigenrat bei der Vorstellung des Jahresgutachtens im November 2013. (© picture-alliance)

Die Regierung von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) rief den Sachverständigenrat - umgangssprachlich die "fünf Wirtschaftsweisen" genannt - zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unter Federführung von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU) ins Leben. Mit dem wissenschaftlichen Gremium sollte nach den Vorstellungen Erhards den vielen Einzelinteressen der Wirtschaftsakteure eine neutrale, wissenschaftlich fundierte Expertenmeinung gegenübergestellt werden - mit dem Ziel, zur "Versachlichung" von Konflikten und Entscheidungen beizutragen.

Am 28. Februar 1964 nahm das Gremium seine Arbeit auf. Im Laufe der 50-jährigen Geschichte des Rats haben sich die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen geändert, Aufgabe und Funktion des Gutachtergremiums sind im Großen und Ganzen aber gleich geblieben.

Zusammensetzung und Grundlagen der Arbeit

Der Sachverständigenrat ist politisch unabhängig und setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen, die über besondere wirtschaftswissenschaftliche Kompetenz und volkswirtschaftliche Erfahrung verfügen müssen. Im Sinne der Neutralität dürfen die Mitglieder weder Parlament, Regierung oder Verwaltung von Bund und Ländern angehören, noch Repräsentanten der Tarifparteien sein. Der Bundespräsident ernennt sie für einen Zeitraum von jeweils fünf Jahren auf Vorschlag der Bundesregierung, wobei im Rotationssystem jedes Jahr ein Mitglied ausscheidet.

Sachverständigenrat

Mitglied Im Rat seit
Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Vorsitzender März 2009, Vorsitzender seit März 2013
Prof. Dr. Peter Bofinger März 2004
Prof. Dr. Claudia M. Buch März 2012
Prof. Dr. Lars P. Feld März 2011
Prof. Volker Wieland, Ph.D. März 2013

Das Gremium selbst wählt einen Vorsitzenden für die Dauer von drei Jahren. Derzeit übernimmt diese Aufgabe Christoph Schmidt. Er ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und Professor für Wirtschaftspolitik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum. Den Sachverständigenrat unterstützen eine Geschäftsstelle, die beim Statistischen Bundesamt angesiedelt ist, sowie ein wissenschaftlicher Stab.

Jahresgutachten im November

Eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftsweisen ist es, die gesamtwirtschaftliche Lage und Entwicklung Deutschlands zu analysieren. Im Externer Link: Gesetz heißt es wörtlich: "Zur periodischen Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und zur Erleichterung der Urteilsbildung bei allen wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie in der Öffentlichkeit wird ein Rat von unabhängigen Sachverständigen gebildet".

Dabei sollen die Wirtschaftsweisen auch auf mögliche Fehlentwicklungen aufmerksam machen und Möglichkeiten aufzeigen, wie diese verändert werden können. Mitte November legt der Sachverständigenrat sein jährliches Interner Link: Jahresgutachten vor, zu dem die Bundesregierung laut Gesetz spätestens nach acht Wochen Stellung beziehen soll.

Gremium kritisiert "rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik"

Vorstellung des Jahresgutachtens 2013: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Ratsvorsitzenden Christoph M. Schmidt (l.). (© picture-alliance)

Im aktuellen Gutachten vom November 2013 nehmen die Wissenschaftler die wirtschaftspolitischen Pläne der Großen Koalition unter die Lupe, die zu diesem Zeitpunkt auch Bestandteil der Koalitionsverhandlungen waren. Unter dem Titel Externer Link: Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik warnen die fünf Wirtschaftsweisen vor einer "Verwässerung" der wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele der Agenda 2010. Demnach drohten die angestrebten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Großen Koalition die Reformfortschritte, die Deutschland in den vergangenen Jahren erzielen konnte, zunichte zu machen, so die Wirtschaftsexperten. "Die aktuelle wirtschaftliche Situation und die gute Position Deutschlands im Vergleich zu den Krisenländern des Euro-Raums scheinen bei vielen politisch Handelnden den Blick auf die großen zukünftigen Herausforderungen verstellt zu haben", heißt es in dem Bericht.

Die vergleichsweise gute wirtschaftliche Situation Deutschlands sei vor allem ein Resultat der Reformen der Agenda 2010, die nicht in Frage gestellt, sondern weiter vorangetrieben werden müsse, so das Urteil der Ökonomen. Diskutierte Maßnahmen wie die Mütterrente, die Aufstockung von niedrigen Renten oder Ausnahmen von der Rente mit 67 gingen überwiegend zu Lasten kommender Generationen. Das Gutachten war in der Öffentlichkeit umstritten: Wissenschaftler, Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter kommentierten die Aussagen kontrovers.

Reaktion der Bundesregierung

Am 12. Februar verabschiedete die Bundesregierung den Externer Link: Jahreswirtschaftsbericht 2014, der auch Bezug auf das Jahresgutachten des Sachverständigenrats nimmt. Laut Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) entwickelt sich die deutsche Wirtschaft weiterhin positiv. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr voraussichtlich um 1,8 Prozent steigen. Auch auf dem Arbeitsmarkt gibt es demnach positive Impulse: Die Erwerbstätigkeit soll laut Jahreswirtschaftsbericht 2014 um 240.000 Personen auf 42,1 Millionen steigen.

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