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Selenskyj wird Präsident der Ukraine

Redaktion

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Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Ukraine am 21. April hat sich der Schauspieler Selenskyj gegen Amtsinhaber Poroschenko durchgesetzt. Die ehemalige Ministerpräsidentin Tymoschenko war bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden.

Der Fernsehkomiker Wolodymr Selenskyj hat den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine gewonnen. (© picture-alliance/AP)

Zu den Präsidentschaftswahlen traten insgesamt 39 Kandidatinnen und Kandidaten an – so viele wie noch nie seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991. Den ersten Wahlgang am 31. März gewann nach den vorläufigen Ergebnissen der Schauspieler und Fernsehkomiker Wolodymyr Selenskyj mit 30,2 Prozent der Stimmen. Amtsinhaber Petro Poroschenko bekam 16 Prozent der Stimmen, gefolgt von der ehemaligen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko (13,4 Prozent).

Da im ersten Wahlgang keine/-r der Kandidat/-innen die absolute Mehrheit erhielt, fand am 21. April eine Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten – Selenskyj und Poroschenko – statt. Mit 73,2 Prozent der Stimmen konnte Polit-Neuling Selenskyj den zweiten Wahlgang klar für sich entscheiden und wird damit Präsident der Ukraine. Amtsinhaber Poroschenko kam in der Stichwahl nur auf 24,5 Prozent der Stimmen.

Die Wahlbeteiligung lag im Externer Link: ersten Wahlgang bei 62,9 Prozent, im Externer Link: zweiten Wahlgang bei 61,4 Prozent der Wahlberechtigten – und damit etwas höher als bei der letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2014.

Die Wahlen in der Ukraine standen unter dem Eindruck der sich nur langsam erholenden wirtschaftlichen Lage und des Interner Link: andauernden Krieges im Osten des Landes. Dieser wurde in einer Umfrage vor der Wahl von 49 Prozent der Befragten – noch vor staatlicher Korruption – als das größte Problem des Landes betrachtet. Fast 40 Prozent gaben an, davon ihre Wahlentscheidung abhängig machen zu wollen.

Der Amtsinhaber: Petro Poroschenko

Der amtierende Präsident Petro Poroschenko hat nach der Wahl seine Niederlage eingeräumt. Im ersten Wahlgang erreichte er 16 Prozent der Stimmen und zog somit als Zweitplatzierter in die Stichwahl ein. Darin unterlag er Selenskyj dann deutlich mit nur 24,5 Prozent der Stimmen.

Seine Wahl zum Präsidenten im Mai 2014 gewann er bereits im ersten Wahlgang mit 54,7 Prozent. Diese fand nur wenige Monate nach der "Euromaidan"-Revolution und der Absetzung des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch durch das ukrainische Parlament statt.

Der Amtsinhaber Poroschenko muss um seine Wiederwahl bangen. (© picture-alliance, ZUMA Press)

Die Bilanz von Poroschenkos Präsidentschaft fällt durchwachsen aus. Als größter Erfolg seiner Amtszeit gilt die Annäherung an die EU: Im Juni 2014 hat Poroschenko – als eine seiner ersten Amtshandlungen – den wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU unterzeichnet und damit eine der Hauptforderungen der Protestierenden auf dem Maidan erfüllt. Außerdem können ukrainische Staatsbürger seit Juni 2017 ohne Visum in die EU einreisen. Poroschenkos Kritiker warfen ihm im Wahlkampf Defizite und sogar Behinderung bei der Korruptionsbekämpfung vor. Besonders deutlich wurde dies in der Debatte um die verzögerte Einführung von Anti-Korruptionsgerichten – einer weiteren Kernforderung der Maidan-Aktivisten.

Im Wahlkampf setzte Poroschenko vor allem auf patriotische Positionen und inszenierte sich als Garant der nationalen Sicherheit.

Die Rivalin: Julija Tymoschenko

Lange Zeit galt Julija Tymoschenko als die aussichtsreichste Herausforderin von Poroschenko und führte die Umfragen an. Mit 13,4 Prozent der Stimmen hat sie den Einzug in die Stichwahl aber verfehlt. Sie war neben dem Amtsinhaber die bekannteste Bewerberin – als Anführerin der Orangen Revolution (2004) und als zweifache Ministerpräsidentin (2005; 2007-2010). Nach 2010 und 2014 trat sie bereits zum dritten Mal als Präsidentschaftskandidatin an.

Die ehemalige Ministerpräsidentin Tymoschenko trat bereits zum dritten Mal als Präsidentschaftskandidatin an. (© picture-alliance, ZUMA Press)

Tymoschenko versprach in ihrer Kampagne eine Verfassungsreform, mit der sie die Rechte des Parlaments stärken wollte. Zudem setzte sie einen Fokus auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vieler Menschen in der Ukraine. So kündigte sie im Fall ihres Wahlsieges eine Halbierung der Gaspreise an. Kritiker warfen ihr vor, sie betreibe damit "Sozial-Populismus".

Der Neueinsteiger: Wolodymr Selenskyj

Wolodymyr Selenskyj galt als die große Überraschung in diesem Wahlkampf. Einem breiten Publikum wurde Selenskyj durch eine Fernsehserie bekannt. Darin spielt er einen Geschichtslehrer, der unfreiwillig zum ukrainischen Präsidenten gewählt wird und einen aussichtslosen Kampf gegen die Oligarchen des Landes führt. Selenskyjs Partei heißt wie die Serie – "Diener des Volkes". Zeitgleich zum Wahlkampf wurde die dritte Staffel des Comedy-Formats beworben. Sie hatte in der Woche vor dem ersten Wahlgang Premiere im Fernsehen.

Inhaltlich blieben im Wahlkampf viele von Selenskyjs Positionen unklar, weil er sich vor seiner Kandidatur in keiner Weise politisch betätigt hat. Auch Interviews gab er er nur sporadisch. Im Wahlprogramm fanden sich neben Forderungen nach mehr direkter Demokratie auch ein ausdrückliches Bekenntnis zum Kampf gegen Korruption. Mit 30,2 Prozent der Stimmen ging er als Favorit in den zweiten Wahlgang, den er mit 73,2 Prozent der Stimmen gewann.

Hohe Bedeutung des Präsidentenamtes

Die Ukraine hat ein semipräsidentielles Regierungssystem – das bedeutet, dass es neben dem auf fünf Jahre gewählten Präsidenten auch einen Ministerpräsidenten gibt, der gemeinsam mit seinem Kabinett vom Vertrauen des Parlaments abhängig ist. Die Verfassung weist dem Präsidenten dabei wichtige Kompetenzen zu. Er schlägt dem Parlament die Mitglieder der Regierung zur Wahl vor. Außerdem kann er den Ministerpräsidenten und einzelne Minister auch ohne Zustimmung des Parlamentes entlassen. Unter bestimmten Bedingungen kann er auch das Parlament auflösen. Gleichzeitig soll das Parlament jedoch auch den Präsidenten kontrollieren. Das war in den vergangenen fünf Jahren jedoch nur selten der Fall, weil die Partei Poroschenkos auch die stärkste Fraktion im Parlament stellte. Selenskyj neue Partei "Diener des Volkes" ist derzeit noch nicht im Parlament vertreten. Im Herbst dieses Jahres finden auch aber auch Parlamentswahlen in der Ukraine statt.

Wahlberechtigte ohne Zugang zur Wahl

In den umkämpften sogenannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine, die von prorussischen Separatisten verwaltet werden, konnte nicht gewählt werden. Auch auf der von Russland annektierten Krim, die völkerrechtlich weiterhin als Teil der Ukraine betrachtet wird, hatte die ukrainische Regierung keine Möglichkeit, die Wahlen durchzuführen. Schätzungen zufolge hatten dadurch zwölf Prozent der ukrainischen Wahlberechtigten keinen Zugang zur Wahl.

In den sogenannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk und auf der von Russland annektierten Krim kann nicht gewählt werden. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Insgesamt hatten die kriegerischen Ereignisse seit 2014 zur Folge, dass sich die Ukraine von ihren engen Beziehungen zu Russland gelöst hat. Vor diesem Hintergrund ist auch ein im Februar vom Parlament verabschiedetes Verbot von russischen Wahlbeobachtern bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen zu sehen. Das Gesetz stieß auch bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf Kritik.

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