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Grußwort zur Vorstellung des Themen und Materialien Bandes zur "Polizei im Nationalsozialismus" | Presse | bpb.de

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Grußwort zur Vorstellung des Themen und Materialien Bandes zur "Polizei im Nationalsozialismus"

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Sehr geehrte Damen und Herren,

bis heute werden die Verbrechen der Polizei im NS-Staat in der Öffentlichkeit weitgehend der Gestapo zugeschrieben. Dabei wissen wir heute, dass auch die reguläre Kriminal- und Ordnungspolizei maßgeblich in die NS-Verbrechen involviert waren. Die Täter in den Reihen der Polizei waren in der Mehrheit weder überzeugte Nationalsozialisten noch reine Befehlsempfänger. Sie hatten durchaus Handlungsoptionen, aber nur wenige von ihnen verweigerten sich den verbrecherischen Befehlen. Das heißt, das NS-Regime konnte sich bis zu seinem Untergang auf die Polizei stützen, denn alle Sparten der deutschen Polizei waren am Terror gegen die politischen und weltanschaulichen Gegner des NS-Staats beteiligt. In Osteuropa beging die deutsche Polizei massenhaft Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, sie war maßgeblich am Mord an den europäischen Juden beteiligt, aber auch an der Verfolgung von Widerstandsgruppen gegen das nationalsozialistische Besatzungsregime und der Verschleppung von Zivilisten zur Zwangsarbeit für die deutsche Kriegswirtschaft. Auf die Frage, warum und unter welchen Bedingungen Menschen generell zu Massenmördern werden, gibt es verschiedene Antworten. Die neuen sozialpsychologischen Erklärungsmodelle führen hier allgemeine gesellschaftliche Werte und die jeweiligen situativen Aspekte des Mordens ins Feld. Und die Konstellationen, in denen Menschen zu Massenmördern werden, sind - das zeigen vielfältige Beispiele auch aus der jüngsten Vergangenheit - durchaus wiederholbar.

Doch die Verbrechen, von denen wir hier und heute sprechen, verübten Polizisten, die mehrheitlich in der Weimarer Republik - mithin einem demokratischen Rechtsstaat - ausgebildet wurden. Wie und warum das möglich war, ist eine Frage, die für die politische Bildung essentiell ist, wenn wir eine Wiederholung der Geschichte zumindest in der Bundesrepublik Deutschland ausschließen wollen. Wir müssen die Wirkmechanismen innerhalb des NS-Regimes analysieren und verstehen, um ähnliche Entwicklungen bereits im Keim zu ersticken.

Nicht nur Polizeibeamte müssen sich daher mit der Geschichte ihres Berufsstands auseinandersetzen, um sich der Bedeutung des Rechtsstaates und ihrer besonderen Rolle und auch persönlichen Verantwortung innerhalb unserer demokratischen Grundordnung bewusst zu werden. Dieses dunkle Kapitel der deutschen Polizeigeschichte im 20. Jahrhundert zeigt nämlich in aller Deutlichkeit, dass Machtapparate ohne die strikte Verpflichtung auf den Rechtsstaat unkontrollierbar sein können und dann im schlimmsten Fall aus dem "Freund und Helfer" ein Massenmörder werden kann. Auch die Bürgerinnen und Bürger sollten die organisatorischen Strukturen dieses komplexen und unübersichtlichen Apparats im NS-Staat verstehen und über grundsätzliche Fragen nach dem Verhalten von Menschen in einer Diktatur nachdenken. Sie dafür zu sensibilisieren und zu aktiver Teilhabe in unserer Gesellschaft anzuregen, ist eine wichtige Aufgabe der politischen Bildung!

2013 steht im Zeichen der Bundestagswahl. Wir stehen vor großen gesellschaftlichen Veränderungen und müssen uns aktiv engagieren, denn eine lebendige Demokratie braucht aktive Demokraten. Eine Herausforderung ist der wachsende Rechtsextremismus. Darauf müssen wir als bpb aufmerksam machen und es müssen Strategien dagegen entwickelt werden, die von der Gesellschaft mitgetragen werden. Der neue Themen und Materialien-Band kann hier einen Beitrag als praktische Hilfe im Umgang mit dem gegenwärtigen Rechtsextremismus leisten und eine entscheidende Ergänzung sein zur Arbeit der bpb im Bereich der historisch-politischen Bildung sowie der Präventionsarbeit gegen Rechts.

Er fügt sich thematisch außerdem ein in die Ergebnisse der 4. Internationalen Konferenz zur Holocaustforschung, die die bpb im Januar in Berlin gemeinsam mit der Humboldt-Universität und der Universität Flensburg ausgerichtet hat. Elke Gryglewski von der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz konnten wir nicht nur dort erneut als wichtige Referentin für die Konferenz gewinnen, sondern auch für den vorliegenden Themen und Materialien-Band als Autorin – neben Wolf Kaiser von der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz und Thomas Köhler vom Geschichtsort Villa ten Hompel.

Mit dieser Expertise und in Kooperation mit der Hochschule der Polizei sind Unterrichtsmaterialien entstanden, welche die Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus in ihrer Komplexität zeigt – und auf aktuellstem Wissens- und Forschungsstand.

Ich danke der Innenministerkonferenz für den wichtigen Auftrag zu diesem Projekt, den Kooperationspartnern für die Zusammenarbeit und den Autorinnen und Autoren.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten