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Chronik: 7. bis 20. September 2021 | bpb.de

Chronik: 7. bis 20. September 2021

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Die Ereignisse vom 7. bis 20. September 2021 in der Chronik.

07.09.2021 Die Europäische Kommission beantragt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) finanzielle Sanktionen gegen Polen. Justizminister Zbigniew Ziobro sagt, das Vorgehen sei ein hybrider juristischer Krieg mit ökonomischen Implikationen, den die EU gegen Polen führe. Der Hintergrund ist, dass der EuGH Mitte Juli geurteilt hat, die Disziplinarkammer des Obersten Gerichtes (Sąd Najwyższy – SN) in Polen sei nicht EU-rechtskonform, so dass ihre Tätigkeit eingestellt werden muss. Polen hat das Urteil jedoch nicht vollständig umgesetzt, da die Erste Präsidentin des SN, Małgorzata Manowska, Anfang August angeordnet hat, dass die Disziplinarkammer noch alte Fälle abarbeiten soll.
08.09.2021 Ministerpräsident Mateusz Morawiecki äußert sich vorsichtig optimistisch, dass sich Polen und die Europäische Kommission über den polnischen Landesaufbauplan (Krajowy Plan Odbudowy) verständigen werden. Zurzeit hält die Europäische Kommission ihre Zustimmung zurück, die notwendig ist, damit Beihilfen aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie an Polen ausgezahlt werden können. In Aussicht steht eine Summe von 36 Mrd. Euro. In der vergangenen Woche signalisierte die Europäische Kommission, dass ihre Weigerung mit dem Konflikt zwischen der EU und Polen über die polnische Justizreform in Verbindung steht sowie damit, dass Polen den Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht in Zweifel zieht. Von Journalisten gefragt, ob er Probleme bei der Auszahlung der EU-Hilfsgelder befürchte, sagt Morawiecki, wenn in der Europäischen Union Recht und Rechtsstaatlichkeit herrschen, sollten keine Schwierigkeiten befürchtet werden.
09.09.2021 Der Senat lehnt die von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) initiierte Novelle des Rundfunk und Fernsehgesetzes, die sogenannte Lex TVN, mit 53 Nein-Stimmen bei 37 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen ab. Sie sieht vor, dass Mediengesellschaften mit Sitz in Polen nicht von Konzernen außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes kontrolliert werden sollen. Kritiker sehen darin einen Angriff auf den regierungskritischen Sender TVN, der zum US-amerikanischen Konzern Discovery Inc. gehört. Das Gesetz geht nun zurück an den Sejm, der es Anfang August verabschiedet hat.
11.09.2021 Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht sich bei ihrem Treffen mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in Warschau dafür aus, den Streit zwischen Polen und der Europäischen Kommission über die Justizreform in Polen im Dialog zu lösen. Politik sei mehr, als zu Gericht zu gehen, so Merkel. Zurzeit beschäftigen sich sowohl das polnische Verfassungstribunal (Trybunał Konstytucyjny – TK) als auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit verschiedenen Aspekten der umstrittenen Reform.
13.09.2021 Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak und Außenminister Zbigniew Rau nehmen in Riga (Lettland) an einem Treffen mit ihren Amtskollegen aus Estland, Lettland und Litauen teil. Man habe über gemeinsame Militärübungen gesprochen und darüber, wie man gemeinsam die eigene Sicherheit gewährleisten könne, so Błaszczak. Hintergrund ist der "hybride Konflikt ", den Belarus gegen seine westlichen Nachbarn begonnen hat, und das aktuell stattfindende russische Militärmanöver "Zapad-21 ", an dem u. a. belarussische Truppen teilnehmen.
14.09.2021 Witold Kozłowski, Marschall der Woiwodschaft Kleinpolen (województwo małopolskie), kündigt die Berufung eines Beauftragten und eines Rates für Gleichstellung und die Rechte der Familie an. Damit reagiere der Vorstand der Woiwodschaft auf die Mitteilung der Europäischen Kommission vom Juli 2021, dass EU-Gelder zurückgehalten werden können, wenn die Woiwodschaft nicht die sogenannte "Anti-LGBT Erklärung "aus dem Jahr 2019 zurücknimmt. Im August 2021 stimmte der Woiwodschaftslandtag (sejmik) gegen den Widerruf. Dem geplanten Rat sollen der Beauftragte für die europäischen Fonds, ein Koordinator für juristische Fragen, Vertreter der Fraktionen im sejmikund Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen für Gleichbehandlung sowie Familienrechte angehören.
14.09.2021 Piotr Pacewicz, Chefredakteur der online-Informationsplattform "OKO.press ", gibt bekannt, dass 30 Redaktionen einen Aufruf an die Regierung unterzeichnet haben, in dem gefordert wird, dass Medienvertreter Zugang zu den mit Ausnahmenzustand belegten Gebieten an der polnischen Grenze zu Belarus bekommen. Der Ausnahmezustand wurde Anfang September "zum Schutz der öffentlichen Ordnung "verhängt. Der Hintergrund ist, dass auf der belarussischen Seite der Grenze seit Wochen Flüchtlinge u. a. aus Afghanistan kampieren, die in die Europäische Union einreisen wollen. Sie wurden vom belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko dafür gezielt ins Land geholt. Polen spricht von einem "hybriden Krieg ", den Lukaschenko führt, um die Stabilität Polens, aber auch Litauens sowie der EU zu erschüttern.
15.09.2021 Die Pressesprecherin von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), Anita Czerwińska, gibt bekannt, dass der Politische Ausschuss der PiS einen Beschluss verabschiedet hat, in dem Polens Mitgliedschaft in der Europäischen Union bekräftigt sowie seine staatliche Souveränität unterstrichen wird. Die PiS widerspreche damit den von der Opposition in Umlauf gebrachten Gerüchten, dass die PiS einen "Polexit "anstrebe. In dem Beschluss wird außerdem die Notwendigkeit der Reformierung der EU festgestellt. Zu diesem Ziel hat die PiS bereits Kontakt zu anderen Mitte-Rechts-Parteien in verschiedenen EU-Mitgliedsländern aufgenommen.
15.09.2021 Bundesaußenminister Heiko Maas stellt in Berlin das Konzept für den "Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen "vor, wo an das von den Deutschen verursachte Leid der Polen während des Zweiten Weltkrieges erinnert werden soll. Das gemeinsame Erinnern und die Vermittlung von historischem Wissen sowie Begegnungen von Deutschen, Polen und den europäischen Nachbarn sollen im Mittelpunkt stehen. Der stellvertretende Außenminister Szymon Szynkowski vel Sęk sagt auf einer Pressekonferenz, dass polnische Experten und Betroffene bei den vorbereitenden Arbeiten bisher nicht ausreichend beteiligt worden seien. Sie sollten bei den kommenden Schritten berücksichtigt werden.
17.09.2021 Am zweiten Tag seines offiziellen Besuches wird Senatsmarschall Tomasz Grodzki in Berlin von Bundesratspräsident Reiner Haseloff empfangen. Zusammen mit einer Delegation nimmt Grodzki an einer Plenarsitzung teil. Grodzki sagt vor dem Bundesrat, der Senat der Republik Polen, in dem die Opposition die Mehrheit hat, setze sich intensiv dafür ein, dass Polen im Kreise der westlichen Zivilisation bleibe, was vor dem Hintergrund der einstigen Zugehörigkeit zum sowjetischen Block von besonderer Bedeutung sei. Er informiert über die Gründung einer deutsch-polnischen Gruppe im Senat.
18.09.2021 In seiner Rede auf dem Parteitag der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) in Płońsk fordert Parteichef Donald Tusk eine Verfassungsänderung. In Anlehnung an die bestehende Regelung, dass das Parlament mit Zweidrittelmehrheit Kompetenzen der Regierung einer internationalen Organisation oder Organ übertragen kann, spricht sich Tusk dafür aus, in die Verfassung aufzunehmen, dass auch für die Auflösung eines solchen Vertrags eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. So könne verhindert werden, dass das Regierungslager von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) den Austritt Polens aus der Europäischen Union beschließt.
19.09.2021 Der Grenzschutz teilt mit, dass auf polnischem Gebiet an der Grenze zu Belarus drei Leichen gefunden wurden. Es handele sich mutmaßlich um illegale Migranten, so Anna Michalska, Unterleutnant des Grenzschutzes. Die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen aufgenommen. An der Grenze zwischen Belarus und Polen kampieren seit Wochen Flüchtlinge u. a. aus dem Nahen Osten und Afghanistan, die der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko gezielt ins Land geholt und an die Westgrenze gebracht haben soll. Polen und Litauen verweigern den Einlass, Belarus will sie nicht zurücknehmen. In Polen gilt seit Anfang September der Ausnahmezustand im Grenzstreifen.
20.09.2021 Auf einer Pressekonferenz gibt Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bekannt, dass die drei am Vortag im polnischen Grenzgebiet zu Belarus tot aufgefundenen Personen mutmaßlich an Unterkühlung und Erschöpfung gestorben sind. Weitere geschwächte Personen seien in Krankenhäuser in der Nähe gebracht worden. Zurzeit kampieren Flüchtlinge u. a. aus dem Nahen Osten und Afghanistan auf belarussischer Seite. Polen, Litauen und die Europäische Union gehen davon aus, dass der belarussische Staatspräsident Alexander Lukaschenko sie gezielt ins Land geholt hat, damit sie die Grenze zur EU übertreten können. Die EU-Staaten verweigern die illegale Einreise und Belarus nimmt sie nicht zurück. Morawiecki sagt, seit August habe es an der polnisch-belarussischen Grenze mehr als 7.000 Versuche illegaler Grenzübertritte nach Polen gegeben.
20.09.2021 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verpflichtet Polen zu Strafzahlungen in Höhe von 500.000 Euro pro Tag an die Europäische Kommission, da Polen den Braunkohleabbau im Tagebauwerk Turów trotz einer von Tschechien im Februar eingereichten Klage sowie Antrag auf einstweilige Verfügung und einer entsprechenden Anordnung des EuGH am 21. Mai nicht eingestellt hat. Tschechien sieht den Zugang zum Grundwasser im Raum Liberec durch den Tagebau gefährdet. Turów liegt in der Woiwodschaft Niederschlesien (województwo dolnośląskie) im Dreiländereck und gehört zum Energiekonzern PGE, dessen Anteile mehrheitlich vom polnischen Staat gehalten werden.

Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf Externer Link: http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link "Chronik" lesen.

Fussnoten

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