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Dokumentation: Über die Lage in der Ukraine: Pressekonferenz von Präsident Andrzej Duda nach der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, 2. März 2022 | bpb.de

Dokumentation: Über die Lage in der Ukraine: Pressekonferenz von Präsident Andrzej Duda nach der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, 2. März 2022 Polen-Analyse Nr. 290

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Auf einer Pressekonferenz am 2. März verurteilte der polnische Präsident Andrzej Duda den russischen Überfall auf die Ukraine und rief dazu auf, alle Geflüchteten, die aus der Ukraine kommen, zu unterstützen.

Andrzej Duda, Präsident der Republik Polen, spricht am ukrainisch-polnischen Grenzübergang in Korczowa zu Medienvertretern, während im Hintergrund Geflüchtete auf ihre Einreise nach Polen warten. (© picture-alliance/dpa, Kay Nietfeld)

Guten Tag, meine Damen und Herren,
gerade endete die Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates (Rada Bezpieczeństwa Narodowego  –RBN ), auf der die Lage in der Ukraine behandelt wurde, der russische Überfall auf die Ukraine, der Krieg, der dort jetzt herrscht. Und natürlich in diesem Zusammenhang auch die Situation in der Republik [Polen, d. Übers.], das Problem der Flüchtlinge, das heute zu unserem Alltag gehört. Alle diese Fragen haben wir im Detail besprochen. Natürlich hat sich der Rat zur Geheimhaltung verpflichtet, daher kann ich keine Einzelheiten bekanntgeben.

Dies kann ich aber sagen: Ich konnte allen Teilnehmern, den Vertretern der Regierung, dem Ministerpräsidenten, den Ministern für die sehr gründlichen, detaillierten Aussagen und Antworten auf alle gestellten Fragen danken. Und den Vertretern der parlamentarischen Opposition – das heißt insgesamt aller Fraktionen und Parlamentarierkreise – für die sehr konstruktive und sehr ernsthafte Einstellung und Herangehensweise danken. […]

Wir haben, wie gesagt, alle Fragen rund um die inneren Angelegenheiten detailliert besprochen, auf welche Art und Weise wir handeln. Im Übrigen sind alle Vertreter der Fraktionen und Parlamentarierkreise im Bereich der Flüchtlingshilfe tätig, dafür danke ich ebenfalls vielmals. Alle konnten sich zu diesem Thema äußern, denn sie kannten die Situation aus eigener Anschauung – das zum ersten.

Zum zweiten haben wir auch vorgestellt, wie es auf internationaler Ebene aussieht, wie unsere Gespräche mit unseren Partnern aussehen, wie diese Frage im Nordatlantikbündnis aussieht, wie es aussieht, was die Europäische Union betrifft. Ich habe die Vorsitzenden, die Abgeordneten, die – natürlich – zu unterschiedlichen politischen Gruppierungen, auch auf europäischer Ebene, gehören, gebeten, unter ihren Kollegen im Ausland Lobbyarbeit dafür zu betreiben, dass der Ukraine der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union zuerkannt wird, was auch [der ukrainische, d. Übers.] Präsident Wolodymyr Selenskyj offiziell beantragt hat sowie auch ich und neun Präsidenten dies in den letzten Tagen unterstützt haben. Ein entsprechender Brief wurde von mir und den Präsidenten in den letzten Tagen an die Europäische Kommission und den Europäischen Rat gerichtet.

Ich hoffe, dass das zugunsten der Ukraine erwogen wird. Das ist für die Ukraine und die Ukrainer heute, die für ihre Freiheit kämpfen, für den Fortbestand ihres Staates, von außerordentlicher Bedeutung, um ihre Moral zu stärken, so dass sie wissen, dass die Europäische Union bei ihnen ist, dass sie ja die prowestliche Richtung heute mit ihrem eigenen Blut verteidigen, wenn sie ihren Staat verteidigen, dass wir für sie offen sind. Ich meine, das ist sehr wichtig.

Ich will sehr deutlich unterstreichen: Polen hat nicht die Absicht, sich an dem Krieg zu beteiligen. Ich bitte Sie, diese Befürchtungen nicht zu haben, und ich bitte, auf solche Informationen, dass wir uns irgendwo dafür bereit machen würden, dass wir am Krieg teilnehmen wollen, dass irgendwer jetzt polnische Soldaten in den Krieg schicken wolle oder dass Polen die Absicht habe, polnisches Kriegsgerät in den Krieg zu schicken – ich bitte darum, auf solche Informationen nicht zu hören. Polnische Soldaten begeben sich keinesfalls in den Krieg und ich bin fest davon überzeugt, dass sie nicht werden kämpfen müssen.

Selbstverständlich, wenn wir unser Land werden verteidigen müssen, dann werden wir unser Land verteidigen. Aber es weist gleichermaßen nichts darauf hin, dass wir angegriffen werden sollen. Ich will das sehr deutlich unterstreichen. Wir sind Teil des Nordatlantikpaktes. Der Präsident der Vereinigten Staaten und der ganze Nordatlantikpakt erneuern jedes Mal beharrlich die Garantie des Artikel 5: Wenn ein Staat des Nordatlantikpaktes angegriffen wurde, bedeutet das de facto einen Weltkrieg. Also besteht eigentlich nicht die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Situation eintreten könnte – auch hier beruhige ich alle.

Dagegen ist in der Ukraine die Lage tatsächlich sehr schwierig – sie brauchen unsere Unterstützung sehr, sie brauchen unser Herz sehr. Für Herz und Unterstützung für sie danke ich allen, die das gewähren, außerordentlich. Ich bin dafür außerordentlich dankbar.

Ich will auch beruhigen, dass es keinen Beweis dafür gibt – denn es kamen solche Zweifel auf, dass Ausländer, die heute als Flüchtlinge aus der Ukraine zu uns kommen und keine ukrainischen Staatsbürger sind, sondern Bürger anderer Staaten, Indien und vieler anderer – Bürger aus 70 Staaten wurden bislang in der Menge der halben Million Flüchtlinge, die in unser Land kam, festgestellt – aber bei keinem von ihnen haben bisher unsere Grenzdienste festgestellt, dass einer aus Belarus kam.

Vielfach habe ich schon die Sorge gehört, dass sich die Migranten, die vor kurzem von den belarussischen Machthabern an die polnische Grenze getrieben wurden, nun in die Ukraine begeben und zusammen mit der Flüchtlingswelle nach Polen gehen würden. Wir haben keinen Beweis, dass das stattfindet. Bei der Überprüfung – und es ist eine sehr genaue Überprüfung – wurde so etwas kein einziges Mal festgestellt.

Es ist allerdings so – das gebe ich bekannt –, dass auf dem Gebiet der Ukraine, an den ukrainischen Universitäten zum Beispiel einige Zehntausend Studenten sind. Gerade gestern hat mich der Premierminister von Indien, mit dem ich sprach, informiert, dass sie 14.000 Studenten haben – ein Student aus Indien ist übrigens gestern in Charkiw [Ukraine, d. Übers.] infolge einer Explosion ums Leben gekommen – und diese jungen Menschen fliehen ganz einfach vor dem Krieg und treffen auf unserem Gebiet ein.

Ich bitte darum, sie mit aller Offenheit aufzunehmen, so wie wir alle anderen Flüchtlinge aufnehmen. Bitte keine Befürchtungen haben – diese Menschen brauchen auch Hilfe. Aus Indien kam ein Sondergesandter des Premierministers, der die Aktion koordiniert. Bereits gestern sind 400 indische Studenten ins Flugzeug gestiegen und nach Hause zurückgekehrt. Wir arbeiten hier mit anderen Regierungen zusammen, wir arbeiten mit den Botschaften zusammen.

Die Botschaften entsenden ihre Konsuln an die Grenze, damit sie koordinieren und ihre Bürger zusammenholen. So ist die Situation. Die Ukraine ist ein großes, ein riesiges Land, doppelt so groß wie Polen, es haben sich dort viele Menschen aus dem Ausland aufgehalten und wurden so Opfer des russischen Überfalls. Sie kommen zu uns, sie wollen ihr Leben retten. Helfen wir ihnen, seien wir ihnen gegenüber freundlich, gegenüber allen, die zu uns aus der Ukraine kommen.
Vielen Dank.

Herr Präsident, was ist mit dem Verteidigungsgesetz? [Gesetzesentwurf der Regierung, der u.a. höhere Verteidigungsausgaben und die Einführung eines freiwilligen Grundwehrdienstes vorsieht. Die Erste Lesung im Sejm steht kurz bevor. Außerdem ist die Aufstockung der Anzahl der Soldaten im Gespräch; d. Übers.] […]
[…] – natürlich hat niemand gesagt, dass man im Verlauf der parlamentarischen Arbeiten nicht diskutieren oder dass es nicht irgendwelche Vorschläge geben werde. Aber alle haben übereinstimmend gesagt, dass das Gesetz sehr notwendig ist, dass es selbstverständlich ist, dass wir unsere Sicherheit durch Vergrößerung des Potentials unserer Armee, auch durch Erhöhung der Mittel dafür, stärken müssen, damit die Armee bestmöglich, modern ausgestattet wird, damit sie in der Lage ist, Polen nötigenfalls zu verteidigen. Natürlich in langfristiger Perspektive, denn das ist ein Prozess, der fortwährend dauert.

Heute sind bei uns Bündnispartner präsent, die hier zum Schutz unserer Sicherheit stehen – unsere NATO-Partner, vor allem die US-amerikanischen Streitkräfte. Es ist [hier; d. Übers.] also sicher, aber ich möchte, dass wir die Polnischen Streitkräfte dahin bringen, dass wir unsere Sicherheit allein mit den Kräften unserer Armee garantieren können. Ich glaube, dass das Gesetz dabei hilft, dass sich dank dieses Gesetzes dieses Problem lösen lässt.

Es gab Stimmen, dass die Ausarbeitung dieses Gesetzes in der Weise notwendig sei, dass die Haltung der gesamten politischen Bühne einheitlich sei, das heißt unabhängig, wer die nächsten Wahlperioden regieren wird, dass der Modernisierungsplan, der Plan, die Sicherheit Polens zu erhöhen, ganz einfach systematisch und ruhig realisiert werde. […]

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate
Quelle: Prezydent Rzeczypospolitej Polskiej [Der Präsident der Republik Polen]. Externer Link: https://www.prezydent.pl/aktualnosci/wypowiedzi-prezydenta-rp/wystapienia/prezydent-apeluje-by-dzialac-na-rzecz-czlonkostwa-ukrainy-w-ue,49831 (abgerufen am 05.03.2022).

Fussnoten

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