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bpb-Expertenchat: Ist Europa demokratisch genug? | Themen | bpb.de

bpb-Expertenchat: Ist Europa demokratisch genug?

Im Mai steht die Wahl des Europäischen Parlaments (EP) an. Gerade im Zusammenhang mit der Schuldenkrise monierten Kritiker, dass nur ein kleiner Kreis von Experten und Bürokraten die wichtigen Entscheidungen in der Europäischen Union getroffen habe. Hat die EU also ein Demokratiedefizit? Das Protokoll unseres Chats vom 10. April.

Moderator: Herzlich willkommen beim Expertenchat der Bundeszentrale für politische Bildung zur Frage "Ist Europa demokratisch genug?" mit Claudia Wiesner und Michael Efler.
PD Dr. Claudia Wiesner arbeitet derzeit als Vertretungsprofessorin für Vergleichende Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der vergleichenden politischen Kultur- und Demokratieforschung und der vergleichenden Forschung zum EU-Mehrebenensystem.
Dr. Michael Efler koordiniert die Lobby- und Europaarbeit des Vereins "Mehr Demokratie" e.V. und ist Leiter seines Berliner Büros. Seine Schwerpunkte sind direkte Demokratie sowie die Demokratisierung der EU.

Liebe Nutzerinnen und Nutzer, bevor der Chat startet, hier noch Antworten auf häufig an uns gestellte Fragen.
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Ihre Fragen werden von den Moderatoren an die Experten weitergeleitet.
Uns erreicht häufig eine große Zahl von Fragen. Wir können den Experten nicht alle stellen, dafür bitten wir um Verständnis!
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Und nun viel Spaß beim Chat, der um 14.30 Uhr startet! Stellen Sie jetzt Ihre Fragen, wir freuen uns auf Ihre Beiträge!

Moderator: So, es ist jetzt 14:30 Uhr. Hier im Chat begrüße ich Dr. Claudia Wiesner und Dr. Michael Efler. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und die Fragen unserer Chatterinnen und Chatter beantworten. Gleich die erste Frage an unsere Gäste: Wie sieht es aus, wollen wir starten?
Dr. Claudia Wiesner: Ja.
Dr. Michael Efler: Ja.
Moderator: Vor dem Chat hatten die Nutzerinnen und Nutzer bereits die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu bewerten. Unsere Experten werden gleich die TOP 3-Fragen aus dem Pre-Chat beantworten. Aber vorher wollen wir Sie beide um eine kurze Antwort auf die Frage dieses Chats bitten: Frau Wiesner und Herr Efler: Ist die EU demokratisch genug?
Dr. Claudia Wiesner: Kommt drauf an, was man anschaut: 1) Nach den Regeln des Lissabonner Vertrags: JA. 2) Mit Blick auf Bürgerbeteiligung und Interesse der Bürger: NEIN. 3) Mit Blick auf die Regelungen zum Umgang mit der Finanzkrise: IM GEGENTEIL.
Dr. Michael Efler: Nein. Es gibt keine EU-weiten Volksbegehren- oder Volksentscheide, obwohl ein Großteil der für Deutschland geltenden Gesetze mittlerweile aus den EU-Institutionen kommt. Das EU-Parlament ist zwar in seiner Bedeutung gewachsen, hinkt aber immer noch hinter den anderen Institutionen (Kommission, Rat) hinterher. Außerdem krankt die EU an zu viel Zentralismus und Regelungswut.
Dr. Claudia Wiesner: Aber: Erstens stimmt das nach Lissabon so nicht mehr und Volksbegehren gibt es in der Bundesrepublik gar nicht!
Dr. Michael Efler: "Two wrongs don’t make a right." Nur weil es in Deutschland keine direkte Demokratie gibt, macht dies die EU nicht demokratischer. Zu den anderen Aspekten kommen wir ja noch.

Moderator: Und nun kommen wir zu den Fragen aus dem Pre-Chat, die die meisten Stimmen erhalten haben. Hier die TOP 1 Frage aus dem Pre-Chat:
piet: Was bringen alle Reformen für das Europaparlament, wenn am Ende die wesentlichen Entscheidungen von den Regierungschefs ausgeklüngelt werden?
Dr. Michael Efler: Das ist ein großes Problem. Gerade bei der Euro-Rettung fallen zentrale Entscheidungen ohne parlamentarische Kontrolle (von Bürgerkontrolle ganz zu schweigen). Allerdings betrifft dies längst nicht alle Politikbereiche. Mehr Rechte für das EU-Parlament sind auf jeden Fall sinnvoll. Bei Themen wie z.B. ACTA wurden sie auch bereits ausgeübt.
Dr. Claudia Wiesner: Auch hier kommt es wieder sehr darauf an, welche Entscheidungen man betrachtet. Das Regelverfahren in der Gesetzgebung ist heute die Mitentscheidung von Parlament und Rat – und im Rat sitzen die Minister, nicht die Regierungschefs. Die Regierungschefs entscheiden allerdings weiter über die großen Linien der EU-Politik, und auch über die Eurokrisenpolitik, das stimmt.

Moderator: Dann kommen wir zur Top 2-Frage aus dem Pre-Chat:
Jan26: Die Mitgliedsstaaten erleben einen schleichenden Souveränitätsverlust, den die Regierungen selbst ohne jede Abstimmung mit den Souveränen, also ihren Bürgern, forcieren. Werden die Regierungen, wie in der BRD zu Art. 146 GG, argumentieren: Reine Teilnahme an den (Europa-)Wahlen ist als prinzipielle Zustimmung zu dieser Praxis zu werten? Ist das Konzept der Staatssouveränität verloren?
Anm. der Red.: Der Interner Link: Art. 146 GG im Wortlaut.
Dr. Michael Efler: Dagegen wehren wir uns. Wir fordern Volksabstimmungen über alle weiteren Übertragungen von Souveränitätsrechten auf die Europäische Union. Einen Europäischen Bundesstaat durch die Hintertür darf es nicht geben. Wenn die Politik dies weiterhin konsequent verweigert, wird irgendwann das Bundesverfassungsgericht ein Stop-Schild setzen müssen.
Dr. Claudia Wiesner: Staatssouveränität ist nicht gleich verloren, nur weil sie ihre Rolle verändert! Wesentlicher ist es, dass die Verluste an demokratischer Regelungskompetenz auf Ebene der Nationalstaaten durch Gewinne an demokratischer Regelungskompetenz auf EU-Ebene ausgeglichen werden – und das war in der Tendenz in den letzten Jahrzehnten der Fall, wenn auch nachholend.

Moderator: ... und hier die Top 3-Frage aus dem Pre-Chat:
biggy37: Warum werden EU-weite gesellschaftliche Konflikte oft häufig zwischen nationalen Regierungen ausgetragen und nicht zwischen europäischen Parteien?
Dr. Claudia Wiesner: Auch da würde ich unterscheiden: Die nationalen Regierungen tragen meines Erachtens nicht direkt gesellschaftliche Konflikte aus. Sie handeln im Interesse ihrer Staaten, und es wäre falsch, das direkt mit dem gesellschaftlichen Interesse gleichzusetzen – auch wenn sie sicherlich dieses repräsentieren (oder repräsentieren sollen). Es wäre allerdings interessant, für diese Konflikte mehr direkte Arenen zu schaffen – z.B. durch Austausch in der politischen Öffentlichkeit über Grenzen hinweg und durch Repräsentanz im Europäischen Parlament.
Dr. Michael Efler: Weil ein echtes europäisches Bewusstsein und eine echte europäische Öffentlichkeit noch unterentwickelt sind und die Staaten noch eine dominierende Rolle haben. Dies sieht man z.B. auch an den Wahlplakaten der Parteien, die sich teilweise gar nicht konkret auf europapolitische Fragen beziehen. Wirklich europäische Parteien gibt es auch noch nicht, genauso wenig wie ein europäisches Wahlrecht.

Moderator: Und hier eine aktuelle Frage:
F. G.: Mehr Volksentscheide bedeuten doch nicht mehr Demokratie, oder? Wäre eine Stärkung des Europäischen Parlaments zulasten der nationalen Parlamente mehr Demokratie? Oder angesichts der geringen EU-Wahlbeteiligung sogar weniger demokratisch, da weniger legitimiert?
Dr. Claudia Wiesner: Auch hier kommt es wieder darauf an – wie man Demokratie definiert. Demokratie muss nicht per se direkte Demokratie sein. Eine Stärkung des Europäischen Parlaments bedeutet mehr repräsentative Demokratie – also in jedem Fall auch "mehr Demokratie". Allerdings sollte und muss eine Stärkung des EP nicht notwendigerweise auf Kosten der nationalen Parlamente gehen! Im Gegenteil – diese können und sollten auch stärker in EU-Entscheidungen eingebunden werden. Last but not least: Die Sache mit der Wahlbeteiligung ist auch in der Politikwissenschaft umstritten. Was bedeutet eine geringe Wahlbeteiligung? Manche argumentieren, dass dies gerade in stabilen Demokratien der Fall ist, weil Bürger sagen "ist doch alles ok wie es ist"...
Dr. Michael Efler: Für mich und wohl auch die große Mehrheit der Bürgerinnen bedeutet die Möglichkeit, über Sachfragen auf dem Wege einer Volksabstimmung zu entscheiden, auf jeden Fall ein mehr an Demokratie. Eine Stärkung des EP fände ich schon erstrebenswert, wenn es eine kluge Kompetenzaufteilung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten gibt. In einem gewissen Rahmen würde ich auch den nationalen Parlamenten Einflussmöglichkeiten auf die EU-Politik geben. Und ja: Die geringe Wahlbeteiligung ist ein Legitimationsproblem.

Moderator: Und noch eine Frage, die uns eben erreicht hat:
Petra: Warum kann das Europäische Parlament nicht auf EU-Ebene die gleichen Rechte bekommen wie der Bundestag in Deutschland?
Dr. Michael Efler: Langfristig halte ich dies durchaus für machbar. Dies würde aber deutliche Veränderungen des gesamten EU-Systems bedeuten, z.B. die Wahl einer EU-Regierung. Allerdings sollte der besondere Charakter des EP, nämlich die wechselnden Mehrheiten und die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, bei allen Reformen möglichst nicht verloren gehen.
Dr. Claudia Wiesner: Kann es theoretisch – da spricht nichts dagegen. Dass es sie bisher nicht hat, hat verschiedene Gründe. Erstens: Die EU-Verträge werden in der Tat von den nationalen Regierungschefs wesentlich mit entschieden (erst nach ihrem OK können sie in den Mitgliedstaaten ratifiziert werden), auch wenn sie neuerdings in Konventen unter Beteiligung von Parlamentariern des EP und der nationalen Parlamente ausgehandelt werden. Zweitens: Man muss sehen, dass nicht alle EU-Staaten parlamentarische Systeme sind wie die Bundesrepublik. Das heißt, dass auch nicht in allen Mitgliedstaaten die Parlamente so viele Rechte haben wie der Bundestag. Und auch das EU-System ist nicht parlamentarisch, sondern entspricht eher einem semi-präsidentiellen System, wie wir es z.B. in Frankreich haben.

Moderator: Dazu passen zwei Fragen aus dem Pre-Chat:
Marian: Währe es nicht sinnvoll, wenn wir von mehr Demokratie in der EU reden, das EP mit einem Gesetzesinitiativrecht auszustatten?
Dr. Claudia Wiesner: Ganz klares JA!
Dr. Michael Efler: Volle Unterstützung von meiner Seite. Es ist absurd und vordemokratisch, dass das EP nur auf Vorschläge der Kommission reagieren kann.
Monique: Prof. Wessels sagt im Interview: "Das Parlament ist neben dem Rat gleichberechtigter Gesetzgeber." Für Dr. Efler muss es erst noch "bei allen Fragen gleichberechtigter Gesetzgeber werden". Was stimmt denn nun?
Dr. Michael Efler: Erstens hat das Europäische Parlament kein Initiativrecht. Es kann nach wie vor nur auf Vorschläge der Kommission reagieren. Zweitens ist die Zustimmung des EP für einen Rechtsakt nicht zwingend erforderlich. Wenn sich das Parlament zu einem von der Kommission vorgelegten und vom Rat gebilligten Vorschlag nicht äußert bzw. diesen nicht mit Mehrheit seiner Mitglieder ablehnt, tritt er dennoch in Kraft. Auch der Haushalt kann ohne die Zustimmung des Parlaments in Kraft treten. Und drittens gibt es immer noch Bereiche (Außen- und Sicherheitspolitik und einige weitere Politikfelder), in denen das Parlament überhaupt nichts mitzuentscheiden hat.
Dr. Claudia Wiesner: Das EP ist im Prinzip gleichwertiger Gesetzgeber. Allerdings nicht in allen Politikbereichen. Aber siehe oben: Das ist auch nicht bei allen nationalen Parlamenten der Fall. Wenn Sie mich fragen: Ich hätte gerne eine parlamentarische EU – aber das sehen lange nicht alle Bürger der EU so! In Finnland z.B., wo ich bis vor kurzem gearbeitet habe, würde diese Idee nicht von allen geteilt.

Moderator: Dazu eine weitere Live-Frage:
Fleuop:Wie könnte die Verbindung zwischen EU-Parlament und EU-Kommission enger gestaltet werden?
Dr. Claudia Wiesner: Ganz klar: Die Kommission sollte eine EU-Regierung werden, die auf einer parlamentarischen Mehrheit basiert. Dazu gibt es wahrscheinlich in diesem Jahr den ersten Schritt, da nun der Kommissionspräsident nach der parlamentarischen Fraktion mit der Mehrheit der Stimmen bei der EP-Wahl nominiert wird. Aber das sollte auch für alle anderen Kommissar/innen gelten. Allerdings: Damit würde das EP sehr viel stärker auf die Logik von Regierung und Opposition orientiert, die sich Herr Efler z.B. gar nicht wünscht... :-)
Dr. Michael Efler: Das EU-Parlament könnte das Recht bekommen, nicht nur den Kommissionspräsidenten, sondern auch jeden einzelnen Kommissar vorzuschlagen und zu wählen. Das würde allerdings zu Lasten der Mitgliedsstaaten gehen. Eine EU-Regierung sehe ich in der Tat eher kritisch.

Moderator: Und eine weitere Live-Frage:
Fleuop: Was halten Sie von einer Direktwahl des Kommissions-Präsidenten oder der gesamten EU-Kommission?
Dr. Claudia Wiesner: Ehrlich gesagt: GAR NICHTS!!! Direktwahlen, vor allem wenn es daneben noch Parlamentswahlen gibt, führen nur dazu, dass die Arbeit im Parlament und die Mehrheiten dort weniger und nicht mehr Einfluss auf die Entscheidungen haben. Das würde also weniger, nicht mehr Macht für das EP bedeuten. Und: Direkt gewählte Regierungschefs gerieren sich gerne als Sonnenkönige (wie z.B. die französischen Präsidenten).
Dr. Michael Efler: Gar nichts. Direkte Demokratie sollte auf Sachentscheidungen, nicht auf Personalentscheidungen ausgerichtet sein (außer bei Bürgermeistern). Ein direkt gewählter Kommissionspräsident würde außerdem eher zu Lasten des Parlamentes gehen. Außerdem ist mir der Vorschlag zu sehr am US-Modell angelehnt. Anm. der Redaktion: Im Wahlsystem der Vereinigten Staaten wird der Präsident indirekt von den Wählerinnen und Wählern gewählt und nicht aus der Mitte des Parlaments wie z.B. in Deutschland. Mehr Informationen zum US-Parteien- und Wahlsystem finden Sie hier: Interner Link: Link

Moderator: Und noch eine Frage aus dem Pre-Chat:
K. T.: Ähnlich wie beim Bundesverfassungsgericht in Deutschland werden viele politische Fragen an die Justiz ausgelagert, s. die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Müssen diese Diskussionen nicht politisch statt juristisch geklärt werden?
Dr. Michael Efler: Das kann man sich zwar wünschen, aber in einem rechtsstaatlichen System ist die justizielle Kontrolle politischer Entscheidungen elementar. Übrigens würden direktdemokratische Verfahren in einigen Fällen dazu führen, dass politische Streitfragen nicht von Gerichten entschieden werden müssen.
Dr. Claudia Wiesner: Ganz klar: JA, müssen sie. Der Politik, was der Politik ist – und der Justiz die Rechtsprechung, nicht die Politikgestaltung. Das handhabt der EuGH allerdings in der Tat anders, und das führt zu einem Legitimitätsproblem. Denn wenn Gerichte Politik gestalten, indem sie Regelungen interpretieren und damit faktisch demokratisch legitimierte Entscheidungen verändern oder deren Auslegung so stark beeinflussen, dass der Charakter verändert wird, ist das eine Übergriffigkeit der Justiz. Ähnlich übergriffig handelt übrigens die EZB und vor allem auch die Troika.

Moderator: Hier noch eine Frage zu einem anderen Aspekt:
Annika: Wie kann in einem so bevölkerungs- und länderreichen Verbund wie der EU überhaupt gewährleistet werden, dass einerseits jede Stimme annähernd gleich viel zählt und andererseits die Interessen von kleineren Ländern und Minderheiten nicht unter den Tisch fallen?
Dr. Claudia Wiesner: Ganz ehrlich: Ich habe viel darüber nachgedacht, aber mir ist kein Königsweg eingefallen. Denn die kleinen Staaten – nicht nur die Regierungen, sondern auch die Bürger – haben Sorge, dass sie gegenüber den großen fünf oder sechs Staaten untergehen. Damit muss man sie berücksichtigen und das bedeutet zwangsläufig, dass sie z.B. im EP prozentual mehr Gewicht haben, als die großen Staaten. Wollte man das ändern, bräuchte man 2.000 oder 3.000 Abgeordnete im EP, das damit nicht mehr handlungsfähig wäre. Deshalb führt meines Erachtens kein Weg an einem System vorbei, das hier Ausgleiche schafft. Aber wiederum: Auch das ist in anderen föderalen Systemen genauso.
Dr. Michael Efler: Das ist in der Tat nicht ganz einfach. Das geht nur, indem den ganz kleinen Staaten über ihren mathematischen Anteil hinaus Mindestsitze im EP garantiert werden. Ansonsten: siehe Antwort von Frau Wiesner.
Moderator: Ist das denn Ihrer Meinung nach jetzt schon umgesetzt?
Dr. Claudia Wiesner: Im Prinzip ja – z.B. hat ein kleines Land wie Malta mit 4 Sitzen weit mehr, als ihm nach der reinen Bevölkerungszahl "zustehen" würde, Spanien dagegen weniger.

Moderator: Und noch eine Frage aus dem Pre-Chat:
malte: Ist nicht das größte Demokratiedefizit der EU, dass einige der Mitgliedsstaaten nicht demokratischen Standards genügen?
Dr. Michael Efler: Die Demokratisierung der EU würde natürlich leichter fallen, wenn alle Mitgliedsstaaten hohe demokratische Standards hätten, keine Frage. Parlamentarische und/oder direkte Demokratie sind aber in den meisten Mitgliedsstaaten besser ausgebaut als auf EU-Ebene. Aber das größte Demokratiedefizit ist dies sicherlich nicht.
Dr. Claudia Wiesner: Nicht unbedingt das größte – aber ein großes. Und es gibt leider keine ausreichenden Sanktionsmechanismen für den Umgang mit Regierungen wie der ungarischen, der rumänischen oder der bulgarischen. Auch Italien unter Berlusconi war so ein Fall. Das heißt aber nicht, dass man das hinnehmen muss. Die Kommission tut hier tatsächlich was sie kann – mehr im Übrigen als die meisten Regierungschefs im Rat.

Moderator: Hier eine Frage zu einem weiteren wichtigen Thema:
Max R: Zeigt nicht das Urteil des BVerfG bezüglich der 3-Prozent-Klausel bei der Europawahl, dass die einzig direkt gewählte supranationale Institution wenig Bedeutung erhält? Wie funktionsfähig kann das EP in Zukunft noch sein?
Dr. Michael Efler: Nein, im Urteil ist darauf verwiesen worden, dass das EP im Unterschied zum Bundestag keine Regierung wählt. Das Gericht hat die gestiegene Bedeutung des EP klar anerkannt. Die Funktionsfähigkeit des EP ist aber nicht gefährdet, dafür gibt es überhaupt keine Anzeichen. Schon jetzt gibt es mehr als 160 Parteien im Europäischen Parlament.
Dr. Claudia Wiesner: Die 5-Prozent-Hürde ist tatsächlich ein sehr deutsches Phänomen, geboren aus unserer historischen Erfahrung in der Weimarer Zeit. Eine stabile Demokratie verkraftet auch Splitterparteien. Und zudem: Im Sinne einer Angleichung der nationalen Wahlsysteme zur EP-Wahl ist der Wegfall zu begrüßen, denn andere Staaten haben das auch nicht.

Moderator: … und noch eine aktuelle Frage:
Autos:Wie soll bei einer immer weiteren Vergrößerung der EU eine Identitätsbildung im Hinblick auf eine europäische Gesellschaft möglich sein?
Dr. Michael Efler: Eine europäische Identität kann nur langsam wachsen. Eine europäische Verfassung könnte z.B. identitätsstiftend wirken. Ohne Bürgerbeteiligung und demokratische Mitbestimmung wird die EU nicht in die Herzen der Bürger gelangen.
Dr. Claudia Wiesner: Hier ist wirklich die Frage, von was für einer Identität man spricht – und welche man möchte! Man sollte sich davor hüten, direkte Vergleiche mit nationalen Identitäten zu ziehen. Erstens, weil Nationen nicht auf echten Gegebenheiten beruhen, sondern "vorgestellte Gemeinschaften" sind (vgl. Benedict Anderson) und zweitens weil eine europäische Nation ganz sicher kein wünschenswertes Ziel ist: Oder sollte man statt für ein "Vaterland" für "Europa" in den Krieg ziehen wollen? Was wir in der EU brauchen, ist aber eine Einigkeit über gemeinsame politische Werte und Ziele. Und diese hängt nicht unbedingt an der Größe allein, sondern am Interesse füreinander und an der Kommunikation über Grenzen hinweg. Und die wird stärker!

Moderator: … und noch eine Frage aus dem Pre-Chat:
Julian:Wie demokratisch bleibt Europa? Wenn bei der Europawahl rechtspopulistische Parteien gewinnen und mit ihren Parteifreunden in nationalen Parlamenten für die Einschränkung von Freiheitsrechten sind – schafft sich dann die Demokratie selbst ab? Oder gibt es deswegen die (undemokratische) Möglichkeit, dass sich die nationalen Regierungen über das EU-Parlament hinwegsetzen können?
Dr. Michael Efler: Rechtspopulistische Parteien – wen auch immer man dazuzählt – werden bei der Europawahl sicher nicht die Mehrheit gewinnen, von daher schafft sich die Demokratie nicht selbst ab. Außerdem sind Wahlergebnisse nun mal zu respektieren. Nationale Regierungen haben sich in der Vergangenheit über das EU-Parlament hinweggesetzt, das hatte aber nichts mit rechten Parteien zu tun.
Dr. Claudia Wiesner: Demokratie bedeutet einfach immer, auch anderslautende Meinungen zuzulassen – oder mit Rosa Luxemburg gesprochen: Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden. Die braucht natürlich Grenzen, wie es sie in Deutschland z.B. mit dem Tatbestand der Volksverhetzung gibt. Aber ich glaube, dass Demokratie auch extreme Meinungen verkraftet. Und zudem: Rechtspopulisten könnten bei der EP-Wahl stärker werden – aber die Mehrheit werden sie sicher nicht gewinnen.

Moderator: Und noch eine Live-Frage:
Blumen22:Kann man in der EU Regierung überhaupt noch von Gewaltenteilung sprechen?
Dr. Claudia Wiesner: Also, man kann mit dem Lissabonner Vertrag zunehmend von Gewaltenteilung sprechen! Die Rollen der Institutionen haben sich mit jeder Vertragsänderung ausdifferenziert, es ist besser, nicht schlechter geworden. Aber, und da stimme ich dem kritischen Zugang zu: Es muss noch besser werden.
Dr. Michael Efler: Die Gewaltenteilung in der EU wird durchbrochen, weil nationale Minister auf EU-Ebene Gesetze mitbeschließen. Deshalb fordern wir die Ersetzung der Ministerräte durch eine zweite Parlamentskammer, die von den nationalen Parlamenten besetzt wird.

Moderator: Wir müssen nun leider schon zur letzten Frage im Chat kommen:
kunz: Wer von ihnen geht eine Wette darauf ein, dass tatsächlich einer der beiden Spitzenkandidaten Kommissionspräsident wird?
Dr. Michael Efler: Ich.
Dr. Claudia Wiesner: Ich. Und ich freue mich über jeden der beiden: Sie sind zwei überzeugte Europäer! Allerdings glaube ich, dass Angela Merkel mit am stärksten zögern wird...

Moderator: Wollen Sie beide noch ein kurzes Schlusswort an die Chaterinnen und Chatter richten?
Dr. Claudia Wiesner: Bitte: Gehen Sie zur Europawahl und nehmen Sie am besten noch fünf Freunde mit! Die EU wird nur demokratischer, wenn Bürgerinnen und Bürger sie demokratischer machen und die Demokratie mit Leben füllen!
Dr. Michael Efler: Gehen Sie zur Europawahl! Setzen Sie sich für eine demokratischere EU ein, Externer Link: z.B. hier

Moderator: Das waren 60 Minuten bpb-Expertenchat. Vielen Dank an die Nutzerinnen und Nutzer für die vielen Fragen, die wir aus Zeitgründen leider nicht alle beantworten konnten.

Vielen Dank auch an Dr. Claudia Wiesner und Dr. Michael Efler, dass Sie sich die Zeit für die Nutzer genommen haben. Die beiden Experten werden versuchen, die Fragen, die im Chat nicht zum Zug gekommen sind, in den nächsten Tagen zu beantworten. Das Transkript dieses Chats können Sie dann in Kürze auf bpb.de nachlesen. Das Chat-Team wünscht allen noch einen schönen Tag.

Nachträglich beantwortete Fragen:

FBNutzerin: Ist ein Unterschied zwischen der staatlichen, repräsentativen, nationalen Demokratie und der globalisierten, übernationalen auf EU-Ebene zu spüren? Ich denke, dass ein Unterschied besteht, und es ist fraglich, ob diese übernationale Demokratie den Dimensionen der staatlichen näher kommt oder als solche empfunden wird.
Dr. Michael Efler: Ja, ich denke, dass es große Unterschiede in Bezug auf das Bewusstsein für regionale, nationale oder internationale Fragen gibt. Ich stelle immer wieder fest, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger wenig für internationale/europäische Frage interessieren, ob wohl diese Ebene ungemein bedeutsam ist.
Dr. Claudia Wiesner: Es besteht natürlich erstens praktisch ein Unterschied, und zweitens wird dieser auch als solcher erlebt – allerdings weiß ich nicht, ob man es als wünschenswert bezeichnen sollte, dass die übernationale Demokratie wirklich staatsähnlich wird. Ich denke eher, dass sich eine spezifische supranationale Demokratie weiter entwickeln wird und sollte.

G. Lenzen: Bei den nationalen Abstimmungen über den Rettungsschirm und die Hilfskredite waren viele Abgeordnete von der Komplexität des Themas (nachvollziehbar) überfordert. Zudem musste in kürzester Zeit eine Entscheidung gefällt werden. Wie kann man so etwas vermeiden? Denn es ist ein diskutables Demokratieverständnis, wenn nicht informierte Parlamentarier mal schnell auf Parteilinie gebracht werden.
Dr. Michael Efler: Ja, das ist ein Dilemma. Ich habe dafür keine Patentlösung. Immerhin gibt es u.a. dank des Bundesverfassungsgerichtes jetzt überhaupt die Pflicht, dass der Bundestag allen wesentlichen Schritten in Bezug auf die Euro-Rettung zustimmen muss.
Dr. Claudia Wiesner: Ja, das stimmt im Grundsatz. Ich glaube allerdings, dass man Abgeordnete nicht unterschätzen sollte: Bei angemessener Vorbereitung der Thematik können solche Entscheidungen mindestens durch die jeweiligen Fachleute in den Fraktionen gut vorbereitet werden – so wie Entscheidungen in anderen, ebenfalls sehr spezifischen und komplexen Politikbereichen auch. Und man kann auch erwarten, dass bei einer gewissen Dringlichkeit auch Parlamentarier sich relativ schnell einarbeiten. Bei den Entscheidungen zur Eurokrise war es ja nur selten eine Frage von Stunden - und Tage sollten ausreichend sein. Das heißt: Die Regierung muss die Abgeordneten schnell und umfassend informieren und ihnen mehrere Tage Zeit geben, um die Entscheidung vorzubereiten - und dann halte ich das für völlig angemessen und vertretbar.

J. R. : Hallo Herr Dr. Efler, wie soll denn ein "Konvent zur demokratiepolitischen Reform des EU-Vertrages" aussehen? Wer genau trifft sich da und entscheidet was?
Dr. Michael Efler: Die Konventsmitglieder werden direkt von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Der Konvent beschäftigt sich mit Zukunft und Aufgaben der EU, insbesondere ihrer demokratischen Verfasstheit. Bürgerinnen und Bürger können dem Konvent Vorschläge unterbreiten, vorausgesetzt die Vorschläge sind mindestens von zehntausend Menschen unterzeichnet worden. Es braucht ausreichend Zeit für sorgfältige Beratungen. Über das vorgelegte Ergebnis gibt es Volksabstimmungen in allen Mitgliedsländern am selben Tag. Siehe auch:Externer Link: http://www.mehr-demokratie.de/eu_buergerkonvent.html

mark: Wird eigentlich das Subsidiaritätsprinzip eingehalten?
Dr. Michael Efler: Längst nicht immer. Die EU-Institutionen sind bekannt dafür, ihre Regelungsbereiche bis an die Grenze des vertraglich Erlaubten und manchmal auch darüber hinaus auszudehnen. Deshalb wurden im Vertrag von Lissabon auch einige Beschränkungen aufgenommen. Es gibt auch erst ein sog. Frühwarnsystem zur Subsidiaritätskontrolle. Dieses ist aber in der Praxis nur sehr schwer handhabbar aufgrund der hohen Hürden.
Dr. Claudia Wiesner: Das kommt wie immer drauf an, wohin man schaut – aber im Prinzip wird es wahrscheinlich weit weniger eingehalten, als es möglich wäre.

FBNutzerin: Direkte Demokratie ist m.E. auch nicht die Lösung für alles (siehe letzter Entscheid in der Schweiz). Sollte die Frage vielleicht nicht eher die sein, ob die Demokratie wie sie in den Nationalstaaten etabliert ist, hinderlich ist für die Erfindung einer nach-nationalen Demokratie, die wir brauchen, um das Projekt Europa weiter voranzubringen?
Dr. Michael Efler: Direkte Demokratie ist natürlich nicht die Lösung für alles, das behauptet auch niemand (nicht einmal Mehr Demokratie e.V. :-) ). Aber ohne direktdemokratische Elemente können die Parlamente und Regierungen nicht effektiv kontrolliert werden. Dies braucht es dringend auch auf EU-Ebene. Ich glaube nicht, dass die nationalstaatliche Demokratie hinderlich ist für die "Erfindung einer nach-nationalen Demokratie". Aus meiner Sicht wird es noch sehr lange darum gehen, die mitgliedsstaatliche Demokratie zu vertiefen und die EU weiter zu demokratisieren. Warum soll nicht beides zusammen gehen?
Dr. Claudia Wiesner: Ich würde das jetzt nicht gegeneinander stellen wollen! Nationalstaatliche Demokratie, wenn sie gut funktioniert, ist ganz klar zu begrüßen und nicht zu überwinden. Das hindert uns aber nicht daran, oder es sollte und nicht hindern, supranationale Demokratie auszubauen.

I. Z. :In einer Demokratie braucht es ein Mindestmaß an Konsens, damit alle Beteiligten mit den Entscheidungen leben können. Denken Sie, dass dieses Mindestmaß gegeben ist (arme gegen reiche Länder; Sonderrolle England)?
Dr. Michael Efler: Ich denke, dass es einen gewissen Grundkonsens in Bezug auf grundlegende Werte, Menschenrechte, Demokratie gibt. Sobald es konkreter wird, gehen die Vorstellungen aber noch sehr weit auseinander, gerade bei sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen.
Dr. Claudia Wiesner: Derzeit kann man das wahrscheinlich mindestens als strittig ansehen. Allerdings werden – und wesentlich aus diesem Grund – auch nur wenige umverteilungsrelevante Entscheidungen durch die EU getroffen!

J. R. : Eine Regierung ist durch Input (demokratische Wahl) und durch Output (gute Entscheidungen) legitimiert. Nach welchen Output-Kriterien kann die EU-Politik bewertet werden, z. B. beim Rettungsschirm oder bei der Jugendarbeitslosigkeit?
Dr. Michael Efler: Mehr Demokratie e.V. fühlt sich eher für die Inputseite zuständig.
Dr. Claudia Wiesner: Nun ja, zum Beispiel durch genau diese! Aber Spaß beiseite: Bei der Frage des Outputs geht es ja darum, dass die Regierten sich von den Entscheidungen der Regierenden gut vertreten fühlen. Insofern müssen tatsächlich die Regierten entscheiden, welche Output-Kriterien sie dabei zugrunde legen.

Demos: Was halten Sie von der Position des Politikwissenschaftlers Michael Greven, die normative Idee der Demokratie in Bezug auf die EU aufzugeben, weil die Umsetzung an der komplexen europäischen Realität scheitert?
Dr. Michael Efler: Das finde ich gefährlich. Die Idee der Demokratie sollte nicht grundsätzlich aufgegeben werden, weil die Realität so komplex ist. Richtig ist aber, dass nationalstaatliche Demokratiekriterien nicht eins zu eins auf die EU-Ebene übertragen werden können.
Dr. Claudia Wiesner: Gar nichts – obwohl ich ihn sehr geschätzt habe.

Fleuop: Sollten die Entscheidungen der EU-Kommission stärker an die nationalen Parlamente rückgebunden werden?
Dr. Michael Efler: Die EU-Kommissare werden ja durch die Mitgliedsstaaten benannt, und zwar durch die Regierungen. Hier könnte vielleicht eine Mitsprache der nationalen Parlamente eingebaut werden. Allerdings ist es auch eine Option, dass das EU-Parlament zukünftig die einzelnen Kommissare wählt (und nicht nur en bloc bestätigt wie jetzt). Die konkrete Entscheidungsfindung der Kommission sollte aus Gewaltenteilungsgründen – über die jetzigen Verfahren hinaus – nicht weiter parlamentarisiert werden.
Dr. Claudia Wiesner: Ganz klares Ja!

Fleuop: Wie könnte eine stärkere politische Deliberation in einer europäischen Öffentlichkeit gefördert werden? Kann das Internet hier eine gesonderte Rolle spielen?
Dr. Michael Efler: Die EU-Politik leidet nicht an zu wenig Dialog, Konsultationen etc. Es mangelt an echten bürgerschaftlichen Mitbestimmungselementen. Diese würden automatisch eine stärkere Deliberation und eine stärkere europäische Öffentlichkeit nach sich ziehen. Das Internet ist hier unumgänglich, dies zeigen schon die Erfahrungen mit der Europäischen Bürgerinitiative.
Dr. Claudia Wiesner: Meine eigenen Forschungsergebnisse zeigen hier, dass sich europäische Öffentlichkeit aus dem Interesse für das entwickelt, was jenseits des eigenen nationalen Gartenzauns passiert (Claudia Wiesner: „Demokratisierung der EU durch nationale Europadiskurse?“ Nomos 2014). Das kann auch über das Internet erfolgen, ich sehe es aber nicht als das alleinige Wundermittel an.

Chris: Was sagen Sie zu dem Argument von Wolfgang Streeck, dass die EU so konzipiert ist, dass neoliberale Konzerninteressen leicht durchzusetzen sind, während es Bürgern immer schwerer fällt sich zu beteiligen, woraus eine Politikverdrossenheit hervorgeht, die wieder den Konzerninteressen nützt?
Dr. Michael Efler: Da ist etwas dran. Die Institutionen der EU (Verträge, EZB, Kommission, tendenziell auch der EuGH) sind durchaus neoliberal geprägt, die fehlende europäische Öffentlichkeit in Kombination mit mangelnder Transparenz erleichtert das Vorantreiben von konzernfreundlicher Politik wie derzeit z.B. beim EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP.
Dr. Claudia Wiesner: Dem Argument von Wolfgang Streeck stimmte ich im Kern völlig zu – leider, denn das ist ein großes Problem!

Kathiiie: Wäre für eine ausgeprägte europäische Demokratie nicht ein noch viel weitreichenderes Informationssystem/-angebot nötig?
Dr. Michael Efler: Das glaube ich nicht. Es mangelt nicht an Leitfäden, Broschüren, Informationszentren, Veranstaltungen etc. über die EU.
Dr. Claudia Wiesner: Tatsächlich sind die Informationsangebote der EU bereits wirklich sehr gut. Das gilt auch für die Informationsrechte der Bürger und die Serviceangebote. Die Menschen müssen sie nur nutzen!

AndiLatte: Wie beurteilen Sie die Ansicht, dass ein stärkeres Europaparlament auch eine Stärkung von regionalen Instanzen (z. B. Bundesländer, Kommunen) erfordert, da man sonst den regional unterschiedlichen Problemen nicht gerecht wird?
Dr. Michael Efler: Ich schlage ein Zwei-Kammer-System für das Europäische Parlament vor. Die erste Kammer ist das jetzige EP, das wie bisher direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird. Die zweite Kammer könnte sich aus Vertretern der nationalen Parlamente zusammensetzen, oder die nationalen Parlamente wählen entsprechende Vertreterinnen und Vertreter. Die zweite Kammer hätte insbesondere die Interessen der Regionen und Kommunen zu wahren und auch die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu kontrollieren.
Dr. Claudia Wiesner: Dem stimme ich im Grundsatz zu.