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Schwarze Künstlerinnen und Künstler in Zeiten der Globalisierung

Christiane Della

/ 6 Minuten zu lesen

Die Werke von bildenden Künstlerinnen und Künstlern sind spannend, unverzichtbar für die Schwarzen Menschen in diesem Land. Sie verleihen den Erfahrungen einer Generation Ausdruck, die sich bisher als vereinzelte geschichtslose Minderheit gesehen hat. Inzwischen sind Schwarze Künstler auf internationalen Events vertreten und haben ihren Platz in den Galerien gefunden.

Stephen Lawson, Skulptur "Reflecting Being" (© Stephen Lawson)

Kommunikation und Mobilität

Ausstellungen und Veranstaltungen der letzten 10 Jahre zeigen ein breiteres Spektrum von schwarzen Künstlerinnen und Künstlern als je zuvor. Ob in Malerei, Fotografie, Skulptur, Performance oder Video-Kunst – jedes Genre hat einzelne schwarze Protagonistinnen und Protagonisten. Sie sind auf internationalen Kunstevents vertreten und haben ihren Platz in den örtlichen Galerien. Sie werden angefragt als Kunstschaffende aus Afrika, Amerika oder der Karibik mitunter zu Themen wie: die Situation von Minoritäten, Multikulturalität, Identität.

Die Kommunikations- und Informationstechnologien ermöglichen einen nie dagewesenen Zugang zu Quellen. Künstler haben die Möglichkeit, in Austausch mit Kollegen zu treten und aktuelle Diskussionen zu verfolgen egal über welchen Winkel der Erde, sofern die technischen und ökonomischen Voraussetzungen, ausreichende Schulbildung und eine gewisse Technikbegeisterung gegeben sind.

Der fruchtbare Austausch hat in der westlichen Kunst in Form von Künstlerinnen- und Künstlergruppen sowie –kolonien Tradition. Er setzt neben Privilegiertheit ein hohes Maß an Reisefreudigkeit voraus. Für Künstler aus den Peripherien ist diese Mobilität schwer einzulösen, aber bislang ist das Reisen und Übersiedeln in die ökonomischen Zentren unabdingbar für eine Anerkennung auf dem transatlantischen Kunstmarkt. Eine steigende Anzahl von Künstlerinnen und Künstlern mit mehreren Identitäten, die Ihre Kunst vor dem Erfahrungshintergrund einer weltweiten Diaspora gestalten, hat diese Künstler zumindest weitestgehend von der einengenden Frage nach der Authentizität oder Ethnizität befreit.

Aufbruch in die kulturelle Anerkennung

Der westliche Drang nach Vereinnahmung hatte sich in der Kunst zunächst vornehmlich auf Anleihen aus der Formsprache von Objekten außereuropäischer Kulturen bezogen, auf japanische Zeichnungen oder afrikanische Plastiken. Er weitete sich über Sujets dieser Regionen bis hin auf Künstler selbst aus. Europäerinnen und Europäer begaben sich nun mit entsprechendem Kursangebot in die südliche Hemisphäre auf der Suche nach unverbrauchten Talenten. So erlangten einzelne afrikanische Künstler seit Anfang der 1960er Jahre als Stellvertreter der "Workshopkunst" internationale Bekanntheit. Im kulturell agilen Oshogbo (Duro Lapido Theater, Mbari Mbayo Klub) kamen junge Nigerianer zum Medium der Malerei und bald machten Jacob Afolabi, Rufus Ogundele und Twin Seven-Seven von sich reden. Initiiert und entdeckt für eine westliche Klientel (eine andere bot sich den Künstlern kaum), war die Auswahl der Werke maßgeblich an eine völkerkundliche Erwartungshaltung geknüpft.

Das einseitige Aufklauben vereinzelter Kunst aus der Peripherie herrschte noch auf der "documenta IX", wurde dort aber bereits als Aufbruch zu einer wahrhaftigeren Internationalität begrüßt. Zu den Künstlerinnen und Künstlern, die diesen neuen Flair über Kassel verbreiteten, gehörte der Bildhauer Mo Edoga. Seine Skulptur "Signalturm der Hoffnung" entstand während der "documenta IX". Heute ist Edoga wieder in den Schlagzeilen – als Opfer konservativer Borniertheit. Seine künstlerische Arbeit für seine Heimatstadt Mannheim wurde unlängst mit der Anfrage der CDU an den Gemeinderat diskreditiert, ob er denn deutscher Staatsbürger sei oder ob gegebenenfalls seine Aufenthaltsgenehmigung überprüft werde.

Stephen Lawson, Skulptur "Sankofa Collage". (© Stephen Lawson)

Die Foren gestalten

Schwarze Künstler und Theoretiker aus Afrika, Asien, Amerika, Europa, Künstler der Diaspora sind vitaler Bestandteil der Kunstszene. Sie mitbestimmen zunehmend bewusst den Rahmen, in dem sie präsentiert werden. Sie inszenieren selbst die Foren, in denen Kunst rezipiert, Fragestellungen und Perspektiven entwickelt werden.

Die Biennale in Havanna ist mit der Gründung von 1984 das älteste solcher Foren und versteht sich ganz explizit als Ort der Begegnung, des menschlichen Austauschs. Sie hat begonnen als Ausstellung lateinamerikanischer und karibischer Kunst, nahm dann verstärkt afrikanische und asiatische Künstlerinnen und Künstler auf und ist heute ohne nationale oder regionale Einschränkungen konzipiert. Rasheed Araeen hat mit der Ausstellung "The other Story" 1989 schwarze Künstlerinnen und Künstler der Nachkriegsgeneration Großbritanniens versammelt. Er dokumentiert im Katalog vorangegangene Aktionen und Ausstellungen, die bis Anfang der 1990er Jahre "Black Art" in Großbritannien formten.

Okwui Enwezors Arbeit als Kurator hat mit der zweiten Biennale in Johannesburg 1997, der Wanderausstellung "The Short Century" 2001 oder 2002 mit der "documenta IX" in Kassel Zeichen gesetzt. Auch die kleine Ausstellung "Quite as it's kept" erteilt dem Etikett Ethnokunst eine klare Absage. "Quite as it's kept" fand unter dem Kuratorium von David Hammons statt. Er brachte im Sommer 2002, parallel zur Documenta in Wien drei afrikanisch-amerikanische Künstlerinnen und Künstler zusammen. Ed Clark, Stanley Whitney und Denise Thomasos arbeiten abstrakt. In der intellektuellen Auseinandersetzung gewinnen die Werke ihre politische Bedeutung. Sie geben Hinweise auf die Geschichte der Sklaverei.

Die Rolle von Künstlern, Kunst und Kuratoren

Heute kann transatlantische Kunst nicht länger den Anspruch halten, die internationale Kunst zu sein. Dafür sorgt nicht zuletzt besagte Präsenz einer wachsenden Diaspora. Die Rolle schwarzer Künstlerinnen und Künstler wird im Zusammenhang mit der Globalisierungsdebatte von Kommentatoren als ästhetische Überblende von nicht-gelösten Herrschaftsstrukturen bekrittelt oder zaghaft als Möglichkeit der kulturellen Selbstbestimmung in Betracht gezogen.

Theoretiker von Frantz Fanon bis Edward Said sehen dort die Kunst. Auf diese positive Rolle setzten bereits Konzepte um die "Harlem Renaissance" oder die "Négritude" seit den 1930er Jahren. Kunst gibt hier den "l'art pour l'art"- Gedanken der klassischen Moderne auf. Dass Künstler ihre Arbeiten auch oder gerade aus der Analyse der historischen und kulturellen Voraussetzungen verstanden wissen wollen, entspricht nicht länger dem Werkbegriff westlicher moderner Kunst. Schwarze Künstlerinnen und Künstler in ihrer Vielfältigkeit haben keine Scheu, Bezug zu nehmen auf individuelle oder kollektive Erfahrungen, Stellung zu beziehen zu Geschichte oder Gegenwart. Schwarze Künstler und Kuratoren sind keine Garanten für das Ende von kultureller Ausgrenzung und sozialer Marginalisierung auf dem Kunstmarkt. Sie schaffen zunächst eine größere Durchlässigkeit für Künstler als Individuen, die beispielsweise vielfältige Selbstbilder und ein erweitertes kulturelles Gedächtnis erst ermöglichen.

Literatur

Akinbiyi, Akinbode: "Text und Fotografien", in: Fotonews 2 (1992).

Areen, Rasheed: The other Story: Afro-Asian artists in post-war Britain", London 1989.

Ders.: "Die Entstehung eines schwarzen Bewusstseins in der zeitgenössischen Kunst Großbritanniens", in: Grazer Kunstverein (Hrg.): Durch 8/9: Lotte oder die Transformation des Objekts, Graz 1990.

Ders./Sardar Ziauddin/Sean Cubitt (Hg.): Third Text Reader on Art, Cultur and Theory, 2002.

Atkinson, Eduard (Hg.): Black dimensions in contemporary American Art, New York; Toronto; London 197.

Babias, Marius: Der Postkolonialismus der Multi-Identitäten. Externer Link: Artikel vom 09.10.2001 auf www.taz.de.

Bechtloff, Dieter (Hg.): Kunstforum International, Bd. 113: Outside USA II; Bd.122: Afrika-Iwalewa, Bianchi; Paolo; Köln 1993.

Beier, Ulli (Hg.): Neue Kunst in Afrika: Das Buch zur Ausstellung im Mittelrhein, Landesmuseum Mainz 1980.

Cook, Mercer/Stephen E. Henderson: The Militant Black Writer in Africa and in United States, Madison; Milwaukee; London 1996.

Dezernent für Kultur und Freizeit (Hg.): Interim 11: Mit Pinsel und Meißel: Zeitgenössische afrikanische Kunst, Frankfurt/M. 1991.

Doy, Gen: Black Visual Culture: Modernity and Post-Modernity, I.B. Tauris & Company 2000.

Eberhardt, Johanna: "Weißer Opel, schwarzer Künstler", in: Stuttgarter Zeitung online vom 04.11.2003 (nicht mehr im Netz).

Enwenzor, Okwui/Olu Oguibe (Hg.): African Art from Theory to the Marketplace, 1999.

Fuchs, Max: Kunst, Kultur, Ökonomie und Politik in Zeiten der Globalisierung: Aktuelle Theorien und ihre Bedeutung für die Kulturpolitik – Eine Skizze, Remscheid 2002.

Gayle, Addison (Hg.): The Black Aesthetic, Garden Cinty; New York 1971.

Initiative für Internationalen Kulturaustausch e.V. (Hg.): Schwarze Künstlerinnen und Künstler in der BRD heute: Dokumentation, Hildesheim 1995.

Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart (Hg.): Das so genannte Exotische: Zu einem internationalen Symposion, Stuttgart 1988.

Kojo Schrade, Daniel: Brother Beethoven, Ausstellungskatalog, München 2000.

LaDuke, Betty: Africa Through the Eye of Women Artists", Trenton; New Jersey 1991.

Lewis, Samella: Art: African American, New York u.a. 1978.

Mchunu, Vusi D. (Hg.): Isivivane: Journal of Letters and Arts in Africa and the Diaspora, Berlin 3/4 1991, Sonderband: Ilanga New African Images" Kassel; Berlin 1992.

Müller, Marie Elisabeth: "Chaos einer Blackbox: Das unübersetzbare Fremde: Die Documenta 11 in Kassel – und eine leise Ausstellung in Wien", in: Freitag 30, 19.07.2002.

Münnig, Norbert: Das Theater Schwarzamerikas: Von der Fremd- zur Selbstbestimmung, Frankfurt/M. u.a. 1989.

Oguibe, Olu: Die Vernetzung und das Schicksal der Nichtvernetzten, Heise Zeitschriften Verlag, 1999.

Said, E.W.: Kultur und Imperialismus: Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht, Frankfurt/M. 1993.

Städt. Galerie Regensburg (Hg.): Iwalewa: Charakter ist Schönheit: Afrikanische Kunst heute, Regensburg 1985.

Senghor, Leopold: Negritude und Humanismus, Düsseldorf; Köln 1967.

Ströter-Bender, Jutta: Zeitgenössische Kunst der 'Dritten Welt', Köln 1991.

The Studio Museum in Harlem (Hg.): Contemporary African Artists: Changing Tradition, New York 1990.

Wegner, Reinhard: Der Exotismus-Streit in Deutschland: Zur Auseinandersetzung mit primitiven Formen in der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 1983.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Olu Oguibe: Die Vernetzung und das Schicksal der Nichtvernetzten, Heise Zeitschriften Verlag, 1999.

  2. Siehe Marius Babias: Der Postkolonialismus der Multi-Identitäten.

Christiane Della studierte Kunstpädagogik in Frankfurt/Main. Seit 1987 ist sie Mitglied der "Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland" (ISD) und ehrenamtliche Mitarbeiterin an Projekten der Community (seit 2000 "Sankofa-Feriendorf"). Zu ihren weiteren Tätigkeiten zählt das Seminar und die Dokumentation "Schwarze Künstlerinnen und Künstler in der BRD heute".