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Irreguläre Migration | Brasilien | bpb.de

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Irreguläre Migration

Sabrina Stelzig

/ 4 Minuten zu lesen

Seit der Verschärfung der Einreisemöglichkeiten in den 1990er Jahren versuchen viele Brasilianer, illegal in die USA zu gelangen. Zunächst reisen sie als Touristen nach Mexiko, um dann mit Hilfe von Schleppern in Bussen oder zu Fuß die Grenze nach Texas zu überqueren.

Irreguläre Migration aus Brasilien

Viele Brasilianer zahlen dafür Beträge von bis zu 8.000 US-Dollar an mexikanische oder US-amerikanische Schlepper. Die Zahl der an der Grenze zu den USA festgenommenen Brasilianer wurde 2005 mit bis zu 2.000 Personen monatlich beziffert. Angesichts dieser Zahlen richtete der brasilianische Kongress 2006 eine Untersuchungskommission mit der Aufgabe ein, die Situation und Rechte der in den USA illegal Eingereisten und Verhafteten zu untersuchen.

Auch nach Europa, besonders nach Portugal, ist es in den letzten zehn Jahren zu vermehrter irregulärer Einwanderung gekommen. Portugal und Brasilien verhandelten 2003 bei einem Staatsbesuch des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva über ein Legalisierungsprogramm für illegal in Portugal lebende Brasilianer. Innerhalb von fünf Jahren sollten etwa 30.000 von ihnen einen regulären Aufenthaltsstatus erhalten. Vorausgesetzt wurde eine Einreise nach 2001 und ein gültiger Arbeitsvertrag. Eine komplizierte Bürokratie und das Fehlen der für den Vorgang notwendigen Dokumente der Migranten führten dazu, dass bis 2008 von der angestrebten Gesamtzahl nur rund zwei Drittel legalisiert wurden.

Illegale und irreguläre Einwanderung

Die regionale irreguläre Zuwanderung wird vor allem von zwei Zuwanderergruppen bestimmt: Zum einen überqueren Arbeitsmigranten auch ohne Papiere in der Folge des Mercosur-Abkommens die Grenzen in den Gebieten zwischen Brasilien und seinen Nachbarstaaten (vgl. "Regionale Migration"). Zum anderen treibt der bürgerkriegsähnliche Konflikt in Kolumbien jährlich an die 2.000 Menschen über die Grenzen im nordwestlichen Teil Brasiliens.

Ähnlich hoch lag die Zahl der Afrikaner, die in Folge des Bürger- und des Unabhängigkeitskrieges in Angola (1975 bis 2002) geflohen und in Brasilien irregulär eingereist sind. Ihre Zahl wurde Anfang der 1990er Jahre auf über 15.000 geschätzt (vgl. Flucht und Asyl). Aber auch aus anderen afrikanischen Staaten wie Nigeria kommt es zur unerlaubten Einreise auf dem Seeweg.

1998 wurde unter dem damaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso das Gesetz zur Regelung von illegaler Zuwanderung (Nr. 7.685 von 1988) durch ein neues Amnestiegesetz (Nr. 9.675) geändert. Während einer Frist von 90 Tagen erhielten im selben Jahr 40.000 Ausländer eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung von bis zu zwei Jahren, mit der Möglichkeit zur Verlängerung um denselben Zeitraum, bis hin zum permanenten Aufenthaltsstatus. Die größten Gruppen, die von dieser Amnestie profitierten, waren Bolivianer (ca. 14.000), Chinesen (ca. 9.900) und Libanesen (ca. 3.100), gefolgt von Südkoreanern, Peruanern, Uruguayern und Argentiniern mit je einer vierstelligen Zahl. Obwohl Afrikaner den größten Teil irregulär eingereister Migranten ausmachen dürften, profitierten nur 435 Personen aus Angola (9. Stelle) und 225 aus Nigeria (13. Stelle) von der Amnestie. Kritiker bemängeln, dass insgesamt nur sehr wenige Immigranten regularisiert werden. Darüber hinaus ist die gängige Praxis der Abschiebung von Kindern ein Gegenstand der Kritik im Zusammenhang mit der Regelung irregulärer Migration.

Menschenhandel

Brasilien ist eines der von Menschenhandel am stärksten betroffenen Länder der Erde. Es ist ein sehr häufiges Herkunftsland von Frauen und Kindern, die sexuell ausgebeutet werden. Frauen werden mit falschen Angeboten innerhalb des Landes in andere Regionen, in Nachbarländer oder nach Westeuropa, Japan, in die Vereinigten Staaten und den Mittleren Osten gelockt und dort zur Prostitution gezwungen. Zwischen dem Sextourismus in den Küstenstädten Brasiliens und dem Handel mit Frauen besteht ein enger Zusammenhang. Kinder werden auch als Haushaltshilfen versklavt. Männer werden vor allem für landwirtschaftliche Arbeit gehandelt und in den Bundesstaaten Amazonas, Mato Grosso und Pará unter sklavenähnlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen.

Nach Angaben des jährlich erscheinenden Berichts über Menschenhandel des US Department of State arbeiteten 2006 an die 70.000 Brasilianerinnen als Prostituierte im Ausland, viele von ihnen als Opfer von Menschenhandel, und 25.000 meist männliche Personen als Zwangsarbeiter in der brasilianischen Landwirtschaft.

Die strafrechtliche Verfolgung von Zwangsarbeit stellt noch immer ein großes Problem bei der Bekämpfung von Menschenhandel in Brasilien dar. Laut Gesetz wird der Handel von Personen zum Zwecke sexueller Ausbeutung mit sechs bis zehn Jahren Haft bestraft. Zwangsarbeit wird durch die brasilianische Verfassung ebenfalls verboten und kann mit Gefängnisstrafe geahndet werden, wird bisher jedoch kaum verfolgt.

Obwohl die Regierung in den letzten Jahren zunehmend bemüht ist, den internen und internationalen Menschenhandel zu ahnden und gezielt gegen Zwangsarbeit vorzugehen, kommen die von der Lula-Regierung proklamierten Maßnahmen zur Eliminierung von Sklavenarbeit und Kinderprostitution nur schleppend voran. Im Oktober 2006 hatte Präsident Lula da Silva einen nationalen Aktionsplan gegen alle Formen der Ausbeutung und für eine staatliche Koordinierung zur Bekämpfung von Menschenhandel initiiert und entsprechende Finanzmittel bereitgestellt. 2006 wurden über hundert Einsätze in entlegenen Gebieten am Amazonas durchgeführt, um Zwangsarbeit aufzudecken.

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