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Integration | Israel | bpb.de

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Integration

Jan Schneider

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Mit dem Einwanderungsrecht korrespondieren die staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Integration. Historisch spielt auch hier die Jewish Agency eine bedeutende Rolle. Seit seiner Gründung im Jahr 1968 ist jedoch in steigendem Maße das Ministerium für die Aufnahme von Einwanderern zuständig.

Integrationsmaßnahmen sind auf jüdische Neuzuwanderer und ihre Familienangehörigen beschränkt und zielen auf eine schnelle, profunde und nachhaltige Eingliederung ab. Im regierungsamtlichen Sprachgebrauch wird daher am Begriff der "Absorption" festgehalten. Nach Jahrzehnten der Massenzuwanderung aus ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturräumen hat sich jedoch gezeigt, dass ein kulturell-identifikatorisches "Aufgehen" der Einwanderer in der neuen israelischen Gesellschaft nach dem US-amerikanischen Modell des Melting Pot nur äußerst bedingt als realistisches Konzept taugt. Im praktischen Sprachgebrauch ist daher "Absorption" mittlerweile weitgehend als gleichbedeutend mit "Integration" zu verstehen.

Neuzuwanderer und ihre Familien haben Anspruch auf eine Vielzahl materieller Integrationsleistungen (siehe Tabelle). Nicht nur aufgrund dieser Maßnahmen kann die Integration neu eingewanderter Juden als andauernde Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Gerade die Integration der Zuwanderer aus den vormals sowjetischen Staaten seit den frühen 1990er Jahren verlief in struktureller Hinsicht positiv, u. a. aufgrund ihres hohen Bildungsniveaus (60 % verfügen über einen tertiären Bildungsabschluss im Vergleich zu 40 % der ansässigen Bevölkerung; fast 12 % sind Ärzte oder Ingenieure) und ihrer hohen Erwerbsquote in den Herkunftsländern. Zwar waren sie zunächst stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Nach zehn Jahren in Israel haben sich die Beschäftigungsquoten aber nahezu angeglichen. Im schulischen Bereich wird sogar bisweilen von einem "Einwanderer-Paradoxon" gesprochen: Trotz schwächerer sozio-ökonomischer Ausgangsposition erzielen junge Immigranten im Durchschnitt gleich gute oder sogar bessere schulische Leistungen als die im Land geborenen Kinder und Jugendlichen. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei einem Teil der "russischen" Einwanderer die Integration nicht gelungen ist. Neben deutlich erhöhten Raten bei Drogen- und Alkoholabhängigen erregte in jüngster Zeit die Verhaftung von russischstämmigen Mitgliedern rechtsradikaler bzw. neonazistischer Gruppen erhebliches Aufsehen. Besonders im Bereich der kulturellen Identifikation ist die Integration oft gering. Hier tritt zusehends der plurale und multikulturelle Charakter der israelischen Gesellschaft mit deutlichen Differenzierungstendenzen zutage (siehe Abschnitt "Pluralisierung der Gesellschaft").

Wichtige Integrationsbeihilfen für neue Einwanderer

Art der BeihilfeForm der Beihilfe Dauer der Leistungsgewährung Dauer der Anspruchsberechtigung
Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Erstaufnahme"Integrationskorb" in acht TeilzahlungenHalbes JahrEin Jahr ab dem Datum der Alija
Beihilfe zum Erwerb eines HausstandesZoll-BewilligungEinmalig, in zwei TeilzahlungenVier Jahre ab dem Datum der Alija
Sprachkurs HebräischÜbernahme der Kurskosten (Teil des "Integrationskorbes")6 Monate, einmalige Zahlung18 Monate ab dem Datum der Alija
Reisekosten zur KursteilnahmeBis zu 6 MonateEin Jahr ab dem Datum der Alija
Garantiertes GrundeinkommenBis zu 6 Monate nach Auslaufen des "Integrationskorbes"Ein Jahr ab dem Datum der Alija
Unterbringung / WohnenWohngeld / Mietbeihilfe5 Jahre-
Unterbringung in SozialwohnungenEinmalig-
Hypothekenübernahme durch DarlehenEinmaligBis zu 10 Jahre ab dem Datum der Alija
Beschäftigung Garantiertes Einkommen bzw. Zulagen für ArbeitssuchendeBis zu 12 MonateEin Jahr ab dem Datum der Alija
Beihilfen für Kurse mit Abschluss, Schulungen und UmschulungenDauer der Kurse10 Jahre ab dem Datum der Alija
Studentenförderung Subvention der Studiengebühren, DarlehenBis zu drei StudienjahrenNach Maßgabe der zuständigen Stellen

Quelle: MOIA (2007)

Eine israelische Besonderheit sind die von der Jewish Agency gegründeten und verwalteten sogenannten Aufnahmezentren (merkazei klita). Diese einfachen Wohnsiedlungen für Neuzuwanderer wurden in den 1960er Jahren errichtet und verfügen über verschiedene Förderangebote. Dazu gehören etwa das Angebot eines hebräischen Sprach- und Integrationskurses (ulpan) unmittelbar vor Ort sowie ein formalisiertes Netzwerk zur beruflichen, schulischen, psychologischen und sonstigen Beratung. Das subventionierte Wohnen in den Aufnahmezentren ist jedoch in der Regel auf ein halbes Jahr beschränkt.

Während der israelische Staat in Bezug auf die Massenzuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion zu einem System der "direkten Aufnahme" überging, in dem die Einwanderer selbst über finanzielle Mittel und Freiheiten zur Organisation ihrer primären Integration verfügten, wurden die äthiopischen Juden nach ihrer Ankunft fast ausnahmslos institutionell untergebracht. Teilweise lebten bis zu 10.000 Menschen in den Aufnahmezentren, einige auch deutlich länger als ein Jahr. Hier durchliefen sie einen formalisierten und bürokratischen Integrationsprozess. Begründet wurde dies mit dem oftmals niedrigen Bildungsniveau und dem "Kulturschock" einer Migration aus der ländlich-vormodernen Gesellschaft Äthiopiens in das hochtechnisierte Israel, aus dem ein besonderes Schutz- und Hilfebedürfnis der äthiopischen Juden abgeleitet wurde. So erhalten äthiopischstämmige Jugendliche besondere schulische Förderung und haben für einen wesentlich längeren Zeitraum Anspruch auf Hochschulstipendien als andere Neueinwanderer.

Die Kehrseite dieser besonderen Förderung bei der Integration ist jedoch ein paternalistischer Umgang der Behörden mit den Zuwanderern. Außerdem wurden äthiopische Juden nicht wie die meisten Einwanderer vorbehaltlos nach dem Rückkehrgesetz in das staatliche und religiöse System aufgenommen. Mehrere Tausend mussten sich auf Veranlassung des Rabbinats einer bestimmten, teilweise als erniedrigend empfundenen Zeremonie unterziehen, um ihre Angehörigkeit zum Judentum zu begründen, da ihre frühen Vorfahren zum Teil zwangschristianisiert worden waren. Der religiös und bürokratisch gelenkte Aufnahmeprozess sowie das skeptische Verhalten der Bevölkerung, das auch rassistische Stereotype einschließt, führten dazu, dass gerade Äthiopier eine marginalisierte und bisweilen diskriminierte Einwanderergruppe darstellen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Haaretz, 11.9.2007; Spiegel Online, 9.9.2007.

  2. Vgl. Hertzog (1999).

  3. Es zeigen sich Parallelen zur Integration der – häufig als "Orientalen" bezeichneten – nicht-europäischstämmigen Juden in den 1950er und 1960er Jahren, die als gesellschaftliche Gruppe in sozio-ökonomischer Hinsicht bis heute benachteiligt sind; vgl. dazu Semyonov und Lewin-Epstein (2004).

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Dr. Jan Schneider leitet den Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Er ist Research Fellow am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und Redaktionsmitglied des Newsletters "Migration und Bevölkerung".