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Staatsbürgerschaft und irreguläre Migration | Senegal | bpb.de

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Staatsbürgerschaft und irreguläre Migration

Felix Gerdes

/ 4 Minuten zu lesen

Die Staatsbürgerschaft im Senegal ist im Gesetz No. 61-70 vom 7. März 1961 geregelt, welches seither mehrere Änderungen erfahren hat. Der Senegal erkennt vier Prinzipien des Erwerbs der Staatsbürgerschaft an: Abstammung, Einheirat von Frauen, Aufenthalt und Dekret des Staatspräsidenten.

Sofern sie dies nicht ablehnen, erhalten weibliche Ausländer, die einen Senegalesen heiraten, automatisch die senegalesische Staatsbürgerschaft. Ist ein ausländischer Mann mit einer Senegalesin verheiratet, kann er nach fünf Jahren Aufenthalt im Land auf Antrag hin eingebürgert werden. Ansonsten muss ein Kandidat für die Einbürgerung mindestens zehn Jahre seinen Hauptwohnsitz im Senegal haben. Naturalisierte Senegalesen haben allerdings für die ersten zehn Jahre gravierende Einschränkungen ihrer staatsbürgerlichen Rechte hinzunehmen. Während dieser Zeit kann die eingebürgerte Person sich nicht für politische Ämter zur Wahl stellen, kein Ministeramt übernehmen und nicht im öffentlichen Dienst angestellt werden. Des Weiteren ist sie für fünf Jahre für die Ausübung einer Reihe freier Berufe gesperrt. Diese Bestimmungen sind 1984 und 1989 verschärft worden. Zudem ist die Einbürgerungspraxis restriktiv. Lediglich 592 Personen wurden in 30 Jahren auf einen Antrag hin eingebürgert, wobei es sich vor allem um tendenziell finanzkräftige Franzosen und Libanesen gehandelt zu haben scheint.

Der Senegal akzeptierte lange keine doppelten Staatsbürgerschaften, in der behördlichen Praxis werden diese jedoch inzwischen anerkannt. Schwierigkeiten stellen sich vor allem dann ein, wenn der Zweitstaat keine andere Staatsbürgerschaft duldet. Dies bedeutet beispielsweise für Migranten senegalesischer Abstammung mit deutscher Staatsbürgerschaft erhöhte Probleme, eine wirtschaftliche Existenz im Senegal aufzubauen.

Irreguläre Migration

Die Migration aus dem Senegal ist zu großen Teilen dem Bereich der "irregulären Migration" zuzuordnen. Dabei reist nur ein geringer Teil der Migranten illegal in Europa ein. Die weitaus meisten erhalten aufgrund von Geschäfts- oder Touristenvisa Einlass und werden erst mit Überschreitung der darin festgelegten maximalen Aufenthaltsdauer zu irregulären Migranten. Diese Form der Migration ist relativ teuer: Zu den Flugkosten von etwa 900 Euro kommen beispielsweise Kautionszahlungen für den Erhalt eines Geschäftsvisums von etwa 1.500 Euro. Wird dem Migranten das Visum versagt, gibt es die Möglichkeit, dieses über Zwischenhändler besorgen zu lassen. Die Kosten der Reise belaufen sich dann auf über 5.000 Euro.

Aufgrund dieser hohen Reisekosten haben sich diverse alternative Migrationswege entwickelt. Migranten, die den Landweg benutzen, verdienen sich das Geld hierfür oft durch Arbeiten auf der Wegstrecke. Zwei wichtige Routen verlaufen quer durch die Sahara. In den frühen 2000ern nutzten etwa 80 % der damals 65.000 bis 80.000 Transsahara-Migranten die Ostroute über Agadez (Niger) an die libysche Mittelmeerküste. Von hier aus setzten kleine Fischerboote (pateras) nach Italien über, insbesondere auf die Insel Lampedusa. Die alternative Westroute verläuft von Agadez über Nordwestalgerien nach Nordmarokko. Der Seeweg von dort nach Spanien war bereits ab ca. 2000 aufgrund verstärkter Kontrollen weniger bedeutend geworden. Entsprechend erhöhte sich die Zahl der (versuchten) Grenzüberquerungen in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Im September 2005 versuchten mehrere Tausend Migranten, die Grenzzäune zu überwinden. Hierbei gab es 14 Todesopfer. Die Migrationsrouten verlagerten sich daraufhin an die marokkanische Atlantikküste, von wo auf die Kanarischen Inseln übergesetzt wurde. Infolge intensivierter Kontrollen legten die Boote zunehmend von weiter südlich gelegenen Plätzen aus ab. Zunächst wurde die mauretanische Küste ein bedeutender Ausgangspunkt der Migration nach Europa, dann die des Senegal. Inzwischen beginnt die Fahrt zum Teil in Guinea-Bissau.

Im Jahr 2006 versuchten mehrere Tausend Migranten, die Kanarischen Inseln zu erreichen, wobei ein großer Teil der Überfahrten von senegalesischen Fischern durchgeführt wurde. Im Laufe des Jahres erreichten etwa 32.000 Migranten die Inselgruppe. Im Vorjahr waren es lediglich 4.800 gewesen. Eine Überfahrt auf der äußerst gefährlichen Passage kostet durchschnittlich 620 Euro. Im Jahr 2006 wurden 1.167 Leichen ertrunkener Migranten geborgen , zudem gelten mehrere Tausend Personen als vermisst. Der Anteil der Senegalesen an den Migranten wurde auf etwa 50 % geschätzt.

Senegalesische Migranten in Europa

Italien Frankreich Spanien Deutschland
Offiziell 49.700
(2003)
39.000
(1999)
10.200
(2004)*
2.000-3.000
(1993-2003)**
Gesamt (Schätzungen)65.000-75.000***60.000****k.A.2.500-4.000**

Quellen:
*OECD (2006): International Migration Outlook: Annual report. Paris; Die Angaben zu Spanien beziehen sich auf die Kategorie "Foreign Labour", die weiteren auf die Kategorie "Foreign Born". Da Spanien erst kürzlich zu einem wichtigen Zielland von Senegalesen wurde, dürfte die Verzerrung aufgrund der Verwendung dieser ungleichen Kategorien unbedeutend sein.
** Marfaing (2003);
***Berechnung des Autors nach Angaben von Fall (2003);
****Diatta und Mbow (1999)

Der Anteil der ohne Aufenthaltsstatus in Europa lebenden Senegalesen ist kaum zu beziffern. Ein großer Teil erlangt jedoch mittelfristig einen legalen Aufenthaltsstatus. Die anfängliche Verschleierung der Herkunft verhindert oft eine schnelle Abschiebung, da kein Aufnahmeland zu identifizieren ist. Eine Alternative kann das Leben in der Illegalität im engeren Sinne, d. h. ohne Meldung bei den Behörden, sein. Ein weit verbreiteter Weg zur Erlangung eines legalen Aufenthaltsstatus ist die Heirat mit einer Europäerin – der Frauenanteil an der irregulären Migration von Senegalesen ist marginal. Aber auch von den Legalisierungen des Aufenthaltsstatus irregulärer Migranten in Italien (1990 und 1994) und Spanien (700.000 Legalisierungen 2004/05) konnten Migranten in ganz Europa profitieren. Italien hatte für 2006 erneut eine Quote von 517.000 Aufenthaltslegalisierungen festgelegt. Eine Aufenthaltslegalisierung ermöglicht den Erhalt eines Schengen-Visums zur Reise in weitere EU-Länder. Dieses begünstigt die hohe Mobilität der senegalesischen Population in Europa, die vielfach saisonale Bedürfnisse des europäischen Arbeitsmarkts bedient.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Fall (2003).

  2. Details einer entsprechenden Gesetzesänderung waren nicht nachzuvollziehen. Laut telefonischer Auskunft der senegalesischen Botschaft in Berlin vom 25.06.2007 werden doppelte Staatsbürgerschaften im Senegal anerkannt. Vgl. auch Marfaing (2003).

  3. Siehe das Interview mit P. D. Tall in: Organisation internationale pour les migrations (2007): Senegal-Migrations, Bulletin d'Information No. 4, S. 2.

  4. Für weitere Information siehe "Migration und Bevölkerung" Ausgabe 9/2005.

  5. Siehe BBC (2007).

  6. Siehe Organisation internationale pour les migrations (2007): Senegal-Migrations, Bulletin d´Information, No. 2: S. 5. Vor wenigen Jahren lagen die Preise noch deutlich höher, bei 875-1.500 Euro (Marfaing 2005).

  7. Die Angaben stammen von der spanischen Menschenrechtsorganisation Associación pro Derechos Humanos de Andalucía (Externer Link: http://www.apdha.org).

  8. Siehe Johnson (2006).

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