Integrationspolitik
Entwicklung
Die bis zur Jahrhundertwende aufrechterhaltene Maxime, Deutschland sei kein Einwanderungsland, blockierte die Entwicklung einer konzeptgeleiteten Interner Link: Integrationspolitik. Stattdessen delegierte der Staat die Integrationsarbeit lange Zeit an Wohlfahrtsverbände und ignorierte kritische Stimmen aus Wissenschaft und Politik, die bereits in den 1970er Jahren auf die Dringlichkeit einer aktiven Integrationsförderung hinwiesen. So forderte der erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Heinz Kühn (SPD), bereits 1979, die faktische Einwanderungssituation anzuerkennen, Einbürgerungserleichterungen auf den Weg zu bringen und Integrationsförderung zu betreiben. Integration wurde aber erst im Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat, als staatliche Aufgabe festgeschrieben. In diesem Rahmen wurde das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFI) zum Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und mit der Steuerung von Maßnahmen zur Integrationsförderung betraut. Dazu zählen beispielsweise die mit dem Zuwanderungsgesetz eingeführten Integrationskurse.
Grundsatz
Die Integrationspolitik folgt dem Grundsatz des Förderns und Forderns. Zuwanderer stehen einerseits in der Pflicht, Deutschkenntnisse zu erwerben und die Grundwerte der deutschen Gesellschaft, insbesondere die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung, zu respektieren. Andererseits ist die deutsche Gesellschaft gefordert, "Zuwanderern einen durch Chancengleichheit und Gleichbehandlung gekennzeichneten Zugang zu allen wichtigen Bereichen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu gewährleisten, indem bestehende Barrieren erkannt und abgebaut werden".
Neben der strukturellen Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt sowie der Bedeutung ausreichender Sprachkenntnisse als "Schlüssel zur Integration" wird seit einigen Jahren wieder verstärkt der Aspekt der kulturellen Integration in den Vordergrund der Integrationsdebatten gerückt. Ein Beispiel ist die vom deutschen Kulturrat angestoßene "Initiative kulturelle Integration", die im Mai 2017 Externer Link: 15 Thesen zu kultureller Integration und Zusammenhalt vorgestellt hat. Verstärkendes Moment für diese Entwicklung war die hohe Interner Link: Fluchtzuwanderung im Jahr 2015, die zu Diskussionen um eine "Belastungsgrenze" und den Zusammenhalt der Gesellschaft geführt hat. In diesem Rahmen hat auch die alle paar Jahre wieder aufkeimende Debatte um eine Interner Link: (deutsche) "Leitkultur" wieder Aufschwung erhalten.
Integrationsgipfel und Islamkonferenz
Im Jahr 2006 wurden sowohl der seitdem einmal jährlich im Kanzleramt stattfindende Integrationsgipfel
Zu den Erfolgen der Islamkonferenz zählen vor allem das Finden von Lösungen zur Einführung islamischen Religionsunterrichts an Schulen sowie die Etablierung von bislang fünf Interner Link: Zentren für Islamische Theologie, an denen islamische Religionslehrer, Theologen und Imame ausgebildet werden. Auch die Erkenntnis, dass aufgrund der rund viereinhalb Millionen Muslime
Anerkennung von Qualifikationen
Eine bessere Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern wird durch das am 1. April 2012 in Kraft getretene "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen" (kurz: Anerkennungsgesetz) angestrebt. Es soll "die Praxis der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen einheitlicher, transparenter und effektiver gestalten".
Integrationsgesetz 2016
Interner Link: 2015 lag der Fokus politischer Bemühungen zunächst auf der unmittelbaren Bewältigung der hohen Fluchtzuwanderung: der Registrierung, Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten. Die Behörden auf kommunaler, Länder- und Bundesebene waren auf eine derart hohe Zahl Asylsuchender nicht eingestellt gewesen, was zu teilweise chaotischen Zuständen führte. Nachdem sich diese Situation etwas beruhigt und sich die Zuwanderung neu einreisender Schutzsuchender vor allem durch die Schließung der Grenzen entlang der sogenannten "Balkanroute" und das Interner Link: EU-Türkei-Abkommen deutlich abgeschwächt hatte, rückten im Interner Link: Jahr 2016 Fragen der Interner Link: Integration der langfristig in Deutschland verbleibenden Geflüchteten in den Vordergrund der Debatten.
Im August trat ein Externer Link: Integrationsgesetz in Kraft. Anders als sein Titel vermuten lässt, bildet es kein Gerüst für eine umfassende Integrationspolitik, sondern beinhaltet technische Detailregelungen, die sich vor allem der Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden mit guter Bleibeperspektive und anerkannten Flüchtlingen widmen.
Flüchtlingshilfsorganisationen wie Pro Asyl, aber auch Migrationsexperten des Rats für Migration und des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration kritisierten das Gesetz. Die Wohnsitzauflage stünde im Widerspruch zur Freizügigkeit, die anerkannten Flüchtlingen nach der Interner Link: Genfer Flüchtlingskonvention gewährt werden müsse. Darüber hinaus sei ihr integrationspolitischer Nutzen zweifelhaft. Erfahrungen mit Ein-Euro-Jobs für deutsche Arbeitslose hätten zudem gezeigt, dass solche Beschäftigungsmaßnahmen häufig nicht in den regulären Arbeitsmarkt führten, weswegen die "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen" zu einer dauerhaften Prekarisierung von Flüchtlingen beitragen könnten. Schließlich sei das Integrationskursangebot in Deutschland nicht ausreichend. Daher dürfe man niemanden bestrafen, der aufgrund des mangelnden Angebots keinen solchen Kurs besuche.
Neben den bundespolitischen Integrationsmaßnahmen, findet Integrationspolitik im Mehrebenensystem auch auf Landes- und kommunaler Ebene statt. Alle Bundesländer haben Integrationskonzepte bzw. entsprechende Leitlinien erarbeitet.
Die integrationspolitischen Bemühungen in Deutschland werden positiv bewertet. Der Externer Link: Migrant Integration Policy Index (2015), der anhand von 167 Indikatoren die gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten von Migranten im Zeitverlauf untersucht, sieht Deutschland inzwischen in den TOP-10 der 38 untersuchten Länder.
Stand der Integration
In Deutschland lebende Menschen mit und ohne Migrationshintergrund haben, wie ein Blick auf verschiedene Statistiken zeigt, nicht die gleichen Teilhabechancen an zentralen gesellschaftlichen Bereichen wie Bildung, Arbeitsmarkt, Wohnen oder politischer Partizipation. Dies ist auch dem jahrelangen Nichtbetreiben einer kohärenten Integrationspolitik geschuldet, weshalb heute oft von der "nachholenden Integration" gesprochen wird. Deren Ziel ist es, die Versäumnisse vergangener Jahrzehnte und dadurch entstandene Integrationsdefizite aufzuarbeiten und zu reduzieren. Um den Fortschritt der Integration (verstanden als "Angleichung der Lebensverhältnisse der Personen mit Migrationshintergrund an die der Gesamtbevölkerung"
Bildungsbeteiligung
Menschen mit Migrationshintergrund haben dem Mikrozensus 2016 zufolge häufiger keinen Schulabschluss als Personen ohne Zuwanderungsgeschichte. Sie verfügen seltener über einen Hauptschulabschluss, aber genauso häufig über das Abitur wie Personen ohne Migrationshintergrund (vgl. Abbildung 5). Aufgrund der jüngeren Altersstruktur ist zudem ein größerer Teil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund noch in Ausbildung bzw. noch gar nicht im schulpflichtigen Alter als in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Nach Ergebnissen des Integrationsmonitorings der Länder hatten in der Altersgruppe der 25- bis unter 65-Jährigen Menschen mit Migrationshintergrund im Jahr 2015 häufiger keine Berufsausbildung abgeschlossen als Menschen ohne Migrationshintergrund (37,6 Prozent vs. 9,9 Prozent).
Demgegenüber lag der Anteil der Hochschulabsolventen in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund geringfügig höher als in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund (13,2 Prozent vs. 12,5 Prozent).
Arbeitsmarktintegration und Armutsgefährdung
2015 waren 64,6 Prozent der Bevölkerung mit Migrationshintergrund erwerbstätig, in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund waren es 76,3 Prozent.
Politische Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten
Bislang haben in Deutschland nur hier lebende EU-Bürger das Interner Link: Recht, an Kommunalwahlen teilzunehmen. Drittstaatsangehörige sind selbst dann von der Wahlbeteiligung ausgeschlossen, wenn sie bereits seit Jahrzehnten in Deutschland leben. Um ausländischen Staatsangehörigen dennoch Mitgestaltungsmöglichkeiten einzuräumen, haben viele Gemeinden Ausländer- bzw. Integrationsbeiräte geschaffen. In einigen Bundesländern ist die Einrichtung solcher Gremien in den Kommunalverfassungen gesetzlich verankert. Die Beiräte haben die Aufgabe, auf kommunaler Ebene die Interessen der ausländischen Einwohner zu vertreten. Ähnliche Organe gibt es in vielen Bundesländern auch auf Landesebene. Seit 1998 besteht zudem der Externer Link: Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat, ein Zusammenschluss der Landesarbeitsgemeinschaften der kommunalen Ausländerbeiräte und Ausländervertretungen.