Stark machen! – So lautete das Motto des Thüringer Landeskongresses politische Bildung, der am 30. Oktober in Gera stattfand. Eingeladen hatte die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in Kooperation mit der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung. Etwa hundert Akteure der politischen Bildung, hauptsächlich aus Thüringen, kamen dafür zusammen. Das Ziel des Tages: sich gegenseitig mit neuen Ideen, Impulsen und Methoden zu stärken, ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Empowerment zu erleben.
Anne Vaupel-Meier, Leiterin Bildung und Vermittlung im Grenzmuseum Schifflersgrund, eröffnete die Veranstaltung als Moderatorin und führte durch das vielseitige
Prof. Dr. Christine Zeuner hielt den ersten Impulsvortrag, um erste Einblicke in aktuelle Debatten aus Wissenschaft und Praxis zu geben. (© Foto: Unger/Vojacek)
Prof. Dr. Christine Zeuner hielt den ersten Impulsvortrag, um erste Einblicke in aktuelle Debatten aus Wissenschaft und Praxis zu geben. (© Foto: Unger/Vojacek)
Die einführende Keynote „Politische Erwachsenenbildung unter Druck: Verlust des Politischen?“ von Prof. Dr. Christine Zeuner (HSU Hamburg) gab Einblick in aktuelle Debatten aus Wissenschaft und Praxis. Hierbei wurde die besondere Rolle des Politischen in der politischen Bildung betont, in der Mündigkeit und Emanzipation auf den Prinzipien des Demokratischen als Ideal bauen. Die Zunahme rechtspopulistischer Positionen sowie der Verlust eines gemeinsamen, einheitlichen Demokratieverständnis führen zu einem politischen und gesellschaftlichen Krisenmodus. Die zunehmende „Feuerwehrfunktion“ der politischen Bildung, als schnelle und effektive Reaktion auf vergangene Versäumnisse, setzt dabei die verschiedenen Organisationen, wie auch die Zivilgesellschaft, unter Druck.
Deutlich wurde gemacht, dass die politische Erwachsenenbildung im sozialen Nahraum, wie beispielsweise in der Arbeitswelt, eingebettet werden muss, um Teilhabe zu ermöglichen. Im Kontext der sich wandelnden Gesellschaft kommt der politischen Bildung eine besondere Mittlerposition zu, so Zeuner, die das politische Bewusstsein stärken und neue Räume für Diskussionen und Möglichkeiten des Utopischen geben kann. Die besondere Herausforderung hierbei liegt darin, Vertrauen zu geben, in einer Zeit, in der das Vertrauen in politische Institutionen zunehmend schwindet, so Vaupel-Meier im Anschluss an die Keynote.
1.1 Workshop: „Räume statt Zielgruppen: Ein Perspektivwechsel in der politischen Bildung“
Am Vormittag fand der Workshop „Räume statt Zielgruppen: Ein Perspektivwechsel in der politischen Bildung“ mit Nathalie Bock von der Externer Link: John-Dewey-Forschungsstelle für die Didaktik der Demokratie (TU Dresden) statt. Der Workshop setzte sich kritisch mit dem in der politischen Bildung verbreiteten Zielgruppenansatz auseinander. Dieser Ansatz, der beispielsweise von „politikfernen Gruppen“ oder „jungen Erwachsenen im ländlichen Raum“ spricht, kann zwar helfen, Angebote zu strukturieren, verstärkt zugleich Zuschreibungen und kann Teilhabe eher erschweren als fördern.
Stattdessen wurde die Perspektive auf Räume gelenkt: Auf Orte, an denen Menschen sich begegnen, den Alltag und gemeinsame Erfahrungen teilen. Politische Bildung müsse, so die leitende These, nicht darauf warten, dass Menschen zu ihr kommen, sondern könne aktiv in bestehende Sozialräume hineinwirken. Anhand von Beispielen wurde gezeigt, wie politische Bildung in Supermärkten, im Sportvereinen, bei Dorffesten, in der Feuerwehr oder auch in Hundeschulen stattfinden kann. Entscheidend sei dabei die Zugänglichkeit dieser Orte: Häufig fehlen Räume nicht, sie sind lediglich nicht für alle gleichermaßen offen nutzbar. Ein wichtiger Punkt war zudem die Situation in ländlichen Räumen, in denen politische Vielfalt oft eingeschränkt ist, da dort weniger Angebote existieren und rechtsradikal geprägte Gruppierungen eigene Räume etablieren. Ziel politischer Bildung sei es daher auch, Räume zurückzugewinnen und gemeinschaftlich neu zu gestalten.
In einem ergänzenden Interview berichtete die Teilnehmende Carolin Göbel (Landvolkbildung Thüringen e.V.) aus der praktischen Arbeit mit Frauen und Jugendlichen im ländlichen Raum. Politisches Interesse sei durchaus vorhanden, entsprechende Angebote der politischen Bildung werden aber häufig nicht wahrgenommen. Die soziale Verbundenheit auf dem Land sei ein großer Vorteil, werde jedoch selten durch langlebige, akzeptierte Bildungs- oder Begegnungsangebote gestützt. Als Entwicklungsimpuls benannte sie den Wunsch nach Bürgerbefragungen, um tatsächliche Bedürfnisse sichtbarer zu machen und Angebote daran auszurichten.
Der Workshop machte deutlich, dass politische Bildung neue Wirkräume eröffnen kann, wenn sie die Menschen dort abholt, wo sie bereits sind, im Alltag, in vertrauten sozialen Gefügen und gemeinsamen Räumen.
1.2 Workshop: „Lego® Serious Play® – Demokratie im ländlichen Raum gestalten“
Abstrakte Begriffe, wie Demokratie oder Verantwortung, führen oft zu vagen, theoretischen Diskussionen, in denen vieles ungenau bleibt und eventuell zu Missverständnissen führt. Doch was passiert, wenn wir diese abstrakten Konzepte spielerisch greifbar machen und visualisieren können?
Im Workshop „Lego® Serious Play® – Demokratie im ländlichen Raum gestalten“ konnten die Teilnehmenden eine dafür geeignete Methode theoretisch und angewandt kennenlernen. Simone Rieth von Externer Link: RIETHWERK führte die kreative Methode des Lego® Serious Play® ein, die Beteiligung und Dialog fördert. Die Teilnehmenden visualisierten individuell mit Lego®-Bausteinen ihr Verständnis von Demokratie und kamen anschließend darüber ins Gespräch. Eine erregte und belebte Stimmung erfüllte schnell den Workshopraum, in dem neue Perspektiven, Widersprüche und mögliche Konflikte diskutiert wurden.
Der große Vorteil der Methode, so Simone Rieth, sei, dass man Modelle von abstrakten Ideen und Konzepten baut und sie dadurch sichtbar und begreifbar und vor allem auch besprechbar macht. Dadurch ist es möglich, schnell in ein angeregtes Gespräch zu kommen. Durch die Orientierung am gebauten Objekt entstehen auch seltener Missverständnisse oder leere Diskussionen, da sich alle auf etwas konkret Sichtbares beziehen können. Auch Menschen, die sich sonst eher zurückhalten oder nicht gern lange äußern, finden über das Modell einen guten Zugang und können sich aktiv einbringen.
Im Fazit zeigte sich: Demokratie muss und kann Brücken bauen, sie bleibt in Bewegung und muss geschützt werden. Die Teilnehmenden formulierten Botschaften wie „Demokratie ist ein Gewinn“, „Gesetzgebung mit Herz“ und „Maul aufmachen!“ bei undemokratischem Verhalten. Die Teilnehmenden hatten nicht nur die Möglichkeit, eine neue Methode politischer Bildung kennenzulernen, sondern erlebten auch, wie spielerisches Denken zu ernsthafter Reflexion führen kann.
1.3 Workshop: „Council - einander zuhören und verstehen“
Zeitgleich führte Lea Hinze im Workshop „Council - einander zuhören und verstehen” praxisorientiert das Format des Council ein. Der Workshop fand im Auftrag von Externer Link: „Thüringen zusammen - Brückenbau im ländlichen Raum” (℅ Lösungslabor e.V.) statt. Das Projekt Thüringen zusammen verfolgt das Ziel, gesellschaftlichen Zusammenhalt insbesondere in ländlichen Räumen Thüringens zu stärken und setzt dabei auch auf neue Formen des Dialogs untereinander.
Das Format des Council bietet hierfür einen sicheren Raum, es versteht sich bewusst als andere Gesprächsform und möchte Raum für echtes Zuhören schaffen. Council steht dabei im Kontrast zur konfrontativen Diskurskultur – Teilnehmende sollen durch Achtsamkeitsübungen bewusst ihr Nervensystem regulieren und frei aus der Ich-Perspektive sprechen können. Im Kreis sitzend können die Teilnehmenden hintereinander durch das Weitergeben eines Redegegenstandes zu Wort kommen. Unterbrochen wird niemand. Auch normative Aussagen sollen vermieden werden, vielmehr geht es um das Begreifen der Meinungen durch persönliche Biografien und Erfahrungen. Neben dem konkreten Ausprobieren wurden im Workshop auch mögliche Risiken der unbegrenzten Redezeit oder der Umgang mit extremen Positionen diskutiert.
Council, das mit „zu Rate sitzen“ übersetzt werden kann, orientiert sich an traditionellen, egalitären Gemeinschaftsformen weltweit, die ohne hierarchische Leitung auskommen und auf jahrtausendealte kulturelle Praktiken des Miteinanders verweisen. Das Ziel des Council ist nicht, zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen oder eine Entscheidung zu treffen. Im Mittelpunkt steht der Wille, eine umfassende Ansicht von der Pluralität von Meinungen und Einschätzungen zu einem strittigen, gesellschaftlichen Thema zu erhalten.
1.4 Workshop: „Mut-Muskel-Workshop“
Im Rahmen des Landeskongresses fand der Workshop „Mut-Muskel“ mit Sophia und Lenn von den Externer Link: Radikalen Töchtern statt. Die Radikalen Töchter motivieren seit 2019 Jugendliche und junge Erwachsene mit interaktiven Methoden zu mehr politischer Teilhabe. Ausgehend von aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimakrise, Rechtsextremismus und Politikverdrossenheit betonen sie, dass es neue Ideen und Zugänge braucht. Vor allem aber braucht es Mut. In ihren Workshops trainieren sie daher gemeinsam mit den Teilnehmenden den sogenannten „Mutmuskel“ und vermitteln dabei Ansätze der Aktionskunst und des künstlerischen Aktivismus. Ziel des Workshops war es, die Teilnehmenden dazu zu befähigen, sich als politisch handlungsfähige Subjekte zu begreifen und eigene Emotionen, insbesondere Wut, als Ressource für Veränderungsprozesse zu nutzen.
Der Vormittag begann mit einem politischen Speed-Dating. Durch zunächst alltäglich wirkende Fragen wurde herausgearbeitet, dass das Private immer auch politisch ist. Die Übung diente dazu, politische Dimensionen im eigenen Alltag sichtbar zu machen und ein Gefühl für die Perspektiven und Erfahrungen der Gruppe zu gewinnen. Darauf aufbauend erklärten die Workshopleitenden theoretische Perspektiven zur Aktionskunst und zur Bedeutung persönlicher Haltungen im gesellschaftlichen Kontext.
Am Nachmittag rückte die praktische Umsetzung in den Mittelpunkt: Die Teilnehmenden setzen sich damit auseinander, welche Themen, Herausforderungen oder Missstände sie persönlich angehen und verändern möchten. Unter dem Motto „Dein MUT-Thema“ wurde erarbeitet, wie Wut als oft unterdrückte, aber bedeutende Emotion in konstruktiven Mut übersetzt werden kann. Im Anschluss entwickelten die Gruppen kleine Aktionskunstblitzkonzepte, in denen ihre Anliegen nonverbal dargestellt wurden. Diese kreativen Performances machten politische Wünsche sichtbar, ohne dass sie sprachlich begründet werden mussten. Die Präsentationen wurden gemeinsam reflektiert und mit dem zuvor erarbeiteten Mutbegriff verknüpft.
Der Workshop verdeutlichte, wie persönliche Emotionen, politische Haltung und gemeinsames Handeln miteinander verwoben sind und wie Empowerment in der politischen Bildung gestärkt werden kann.
2.1 Workshop „Hilfestellungen für die Beantragung von Fördermitteln“ mit Markus Mehnert (Aktion Zivilcourage e.V.)
Am Nachmittag setzte sich Markus Mehnert von Externer Link: Aktion Zivilcourage e.V. im Workshop „Hilfestellungen für die Beantragung von Fördermitteln” mit grundlegenden Fragen der Projekt- und Vereinsfinanzierung auseinander. Ausgehend von der Situation vieler Initiativen, die über begrenzte Eigenmittel verfügen, wurden verschiedene Finanzierungsquellen vorgestellt. Von Mitgliedsbeiträgen und Spenden bis hin zu Förderprogrammen von Stiftungen und öffentlichen Institutionen.
Gemeinsam mit den Teilnehmenden wurden konkrete Fördermöglichkeiten herausgearbeitet und diskutiert sowie Finanzierungsmodelle zu verschiedenen Bildungsformaten erstellt. Dabei lag ein besonderer Schwerpunkt auf praktischen Hinweisen zur erfolgreichen Antragstellung, zur Dokumentation von Ausgaben sowie zum Umgang mit Fahrtkosten, Sachkosten und Honoraren. Der Workshop bot damit eine praxisnahe Einführung in die Förderlogik und vermittelte Orientierung für die Umsetzung eigener Projektideen.
2.2 Workshop „Schutzkonzepte bei Veranstaltungen“
Wie kann die Durchführung einer Veranstaltung politischer Bildung in Zeiten zunehmender Risiken und Aggressoren sicher gestaltet werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Workshops „Schutzkonzepte bei Veranstaltungen“, den Natalia Beck von Externer Link: Migranetz aus dem Projekt „Raus aufs Land – Antidiskriminierungsberatung in Thüringen 2.0“ und Liobov Andreeva von Externer Link: DaMOst aus dem Projekt „SEMO – Sicheres Engagement in Ostdeutschland für (post-)migrantische Organisationen“ gestalteten.
Nach der Einführung wurde deutlich, dass Schutzkonzepte Sicherheit ganzheitlich denken müssen. Sie berücksichtigen verschiedene Dimensionen – organisatorische, digitale und psychosoziale Sicherheit – ebenso wie die Sicherheit, die durch Allianzen entsteht. Dabei werden nicht nur Teilnehmende und Fachkräfte der politischen Bildung einbezogen, sondern auch die Sicherheit von Veranstaltungs- und Büroräumen mitgedacht. Im Mittelpunkt des Workshops stand die Entwicklung individueller Sicherheitskonzepte, die Gefährdungen und Risiken erkennen, Prävention ermöglichen und auf die eigene Praxis übertragbar sind. Die Teilnehmenden tauschten sich intensiv über eigene Erfahrungen und Problemfälle aus, etwa über Bedrohungslagen bei Trägern oder den Umgang mit Anfeindungen in ländlichen Räumen. In der Auswertung zeigte sich, dass viele den Workshop als hilfreich und praxisnah empfanden. Das Thema bleibt stets relevant, gerade angesichts der angespannten und teils prekären Arbeitssituationen vieler Trägerorganisationen. Schutzkonzepte sind damit nicht nur ein Sicherheitsinstrument, sondern auch ein Schritt hin zu Empowerment und professioneller Selbstfürsorge.
2.3 Workshop „Motzbude”
Wie können wir mit Menschen ins Gespräch kommen, die völlig anders denken als wir, ohne sofort in Abwehr, Wut oder Schweigen zu verfallen? Mo Asumang, Filmregisseurin, Moderatorin und Initiatorin des Externer Link: mo:lab e.V., lud im Workshop „MotzBude” dazu ein, genau das zu erproben. Ihr Ansatz: Ruhe bewahren, Zuhören und Gemeinsamkeiten außerhalb unterschiedlicher Meinungen zu finden.
Das Workshopformat wurde durch Übungen praktisch erprobt und durch Ausschnitte aus Asumangs Dokumentarfilm
Diese ersten emotionalen Eindrücke dienten im Workshop als Ausgangspunkt, um zu reflektieren, wie Dialog auch unter schwierigen Bedingungen möglich bleibt. Ein zentraler Lernmoment war dabei, dass Dialog nicht vom Belehren, sondern vom Wille zu Verstehen lebt. Durch Strategien wie paradoxe Interventionen oder die Suche von Gemeinsamkeiten jenseits des Dissens wurde gezeigt, wie Gesprächsräume geöffnet und gehalten werden können. Es wurde deutlich, dass Dialogfähigkeit eine Haltung ist, die gelernt werden muss. So wurde das Projekt „MotzBude” als ein niedrigschwelliges Angebot erfahrbar, dass ein geschütztes Umgebungsfeld für Dialog gibt, in dem Frust und Abwehr in Verständigung gewandelt werden und das Miteinander im gesellschaftlichen Alltag neu erprobt werden kann.
Das bpb-Medienzentrum in den Gera Arcaden
Im Juni 2025 eröffnete die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ihr neues
Das Zentrum verfolgt zwei grundlegende Aufgaben: Zum einen dient es als öffentlich zugänglicher Präsentationsort der umfangreichen Publikationen der bpb. „Wir haben mehr als tausend Printmittel. Einen Ausschnitt davon, vor allem die aktuellen Publikationen, können wir hier zeigen“, erklärte Pascal Mauf. Besuchende können vor Ort stöbern, Materialien kennenlernen und mitnehmen, ein wichtiger analoger Zugang, der das große Online-Angebot ergänzt.
Zum anderen soll das Medienzentrum ein lebendiger Ort für politische Bildung sein. Ein Raum, in dem Austausch, Begegnung und gemeinsames Erleben stattfinden können. Pascal Mauf beschrieb es als einen Ort, „an dem man miteinander ins Gespräch kommen kann“, sei es durch Lesungen, Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen oder Workshops. Erste Formate fanden bereits an verschiedenen Orten in Gera statt, zum Beispiel im Metropolkino. Perspektivisch soll jedoch das neue Zentrum selbst stärker belebt werden und als sichtbarer Ankerpunkt in der Stadt sichtbar sein.
Der Standort in den Gera Arcaden bringt dabei Chancen und Herausforderungen mit sich. Einerseits treffen Menschen „zufällig“ auf die bpb, dabei kommen neugierige Fragen wie: ‚Was ist denn diese bpb?‘ Andererseits sind die räumlichen Möglichkeiten begrenzt. Umso wichtiger sei es, Formate klug anzupassen und flexibler in Gera präsent zu bleiben.
Für die Zukunft wünscht sich Pascal Mauf vor allem eins: Beteiligung. Die Menschen in der Stadt sollen das Medienzentrum nicht nur als Informationsort wahrnehmen, sondern als einen Platz, an dem sie selbst mitgestalten können. Eine Idee besteht darin, Schulklassen oder Gruppen einzuladen und thematische Regale zu kuratieren, etwa zum Klimawandel, Feminismus oder deutscher Geschichte. „Es ist uns wichtig, dass Menschen merken: Ich kann mich hier einbringen. Ich kann mitmachen und nicht nur konsumieren“, betonte er. Dabei soll das Medienzentrum zugleich ein Experimentierraum bleiben. Gera sei anders als Bonn oder Berlin: weniger Konkurrenzveranstaltungen, dafür besondere regionale Bedürfnisse und Themen. Genau das sieht Pascal Mauf als Chance, Menschen aus Gera, Thüringen und sogar darüber hinaus anzuziehen. Die Tatsache, dass Besuchende teils aus Erfurt oder Leipzig anreisen, zeigt bereits jetzt das Potenzial des Standorts. Auch künftig will die bpb Themen setzen, Debatten anstoßen und gleichzeitig auf die Lebensrealität vor Ort eingehen: „Wir müssen schauen, worüber Menschen reden wollen und auch mal Themen anbieten, über die bislang noch nicht gesprochen wird.“ Wichtig sei zudem die Zusammenarbeit mit regionalen Partnerinnen und Partnern, um politische Bildungen dauerhaft zu verankern.
Das Medienzentrum Gera möchte damit nicht nur ein Ort des Wissens sein, sondern ein Raum für Begegnung, Auseinandersetzung und gemeinsames Gestalten.
Abschlussgespräch
Im abschließenden Gespräch, moderiert von Anne-Vaupel Meier, rückten aktuelle Herausforderungen und neue Perspektiven in der politischen Bildung in Thüringen noch einmal deutlich in den Fokus. Franziska Wittau, Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, betonte eingangs die besondere Belastung, unter der viele Trägerorganisationen derzeit arbeiten: politische Spannungen, steigende Unsicherheiten und Arbeitsbedingungen, die oft von Prekarität und fehlender Planbarkeit geprägt sind. Dennoch sei politische Bildung gerade jetzt unverzichtbar – als Ort der Orientierung, des Dialogs und des demokratischen Miteinanders. Die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen sieht sich hier in der Rolle der Impulsgeberin und Impulsmoderatorin, sowie Partnerin und Lotsin.
Zentral wurde im Gespräch über die räumliche Dimension politischer Bildung diskutiert. Anstatt ausschließlich zielgruppenorientiert zu denken, wurde betont, wie wertvoll lokale Räume für politische Begegnungen sein können. So können spontane und niedrigschwellige Gespräche im Alltag entstehen. Beispiele wie die „Bratwurst-Debatte“ machten deutlich, dass politische Bildung dort wirken kann, wo Menschen sich ohnehin begegnen. Aufgabe sei es daher, solche Diskursräume wahrzunehmen und zu gestalten, bevor sie von anderen besetzt werden. Diese Aufgabe könne nur gemeinsam mit den lokalen Organisationen des Netzwerks gestemmt werden, so Franziska Wittau.
Die Resonanz auf die Workshops zeigte, dass ein großes Interesse an neuen Methoden existiert und neue Ansätze gerne ausprobiert werden. Methoden wie Lego® Serious Play® oder dialogorientierte Ansätze eröffnen kreative und innovative Zugänge, um Konflikte zu verstehen, handlungsfähig zu werden und gegenseitig zu empowern. Aber auch Herausforderungen wie Finanzierung und Schutzkonzepte stellen einen großen Bedarf an Methoden und Strategien dar. Besonders beim Thema Schutzkonzepte wurde spürbar, wie stark sich verschiedene Projekte und Organisationen mit Gefährdungen, emotionaler Anspannung und fehlenden Absicherungen konfrontiert sehen.
Ein wiederkehrender Gedanke des Gesprächs lautete, dass politische Bildung vor allem eine Arbeit an der Haltung ist: Kritikfähigkeit, Ambiguitätstoleranz und die Bereitschaft, Konflikte auszuhalten, gelten als zentrale Kompetenzen in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft.
Zum Abschluss wurde betont, was politische Bildung langfristig stärkt: Allianzen und solidarische Bündnisse. Die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen möchte ab dem nächsten Jahr regelmäßig runde Tische im Netzwerk anbieten, um auch langfristig im Austausch und Diskurs zu bleiben.
Der Landeskongress in Gera machte deutlich, wie vielfältig, kreativ und widerstandsfähig politische Bildungsangebote sind. In Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung und zunehmender Polarisierung wird politische Bildung zu einer zentralen Ressource demokratischer Selbstbehauptung. Der klare Wunsch nach mehr Austausch, sowie stabilen und solidarischen Allianzen prägte den Ausgang des Landeskongress „Stark machen! - Politische Bildung zusammen weiter denken” in Gera. Der Blick nach vorne zeigt: Politische Bildung kann weiter gedacht, gemeinsam gestaltet, und es können neue Wege gewagt werden. Der Kongress endete damit nicht nur als Moment der Reflexion, sondern als Auftakt für weitere Kooperationen, mutige Projekte und ein gestärktes Miteinander.