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Vorurteile, Differenzierung und Diskriminierung - sozialpsychologische Erklärungsansätze

Daniel Geschke

/ 11 Minuten zu lesen

Der Beitrag betrachtet Vorurteile, Differenzierung und Diskriminierung aus sozialpsychologischer Perspektive. Nach der Definition von verschiedenen Grundkonzepten werden Theorien zur Erklärung dieser Phänomene dargestellt.

Einleitung

Seit 1918 ist das Frauenwahlrecht in Deutschland gesetzlich verankert. Heutzutage würde es als diskriminierend empfunden, wenn mehr als die Hälfte der erwachsenen Menschen aufgrund ihres Geschlechts nicht an Wahlen teilnehmen dürfte. Denn inzwischen herrscht (zumindest bei diesem Thema) die von der Frauenbewegung erkämpfte Gleichberechtigung. Der Gedanke, dass eine Differenzierung nach Geschlecht Ausschlusskriterium für die Wahlteilnahme ist, erscheint uns heutzutage absurd. Trotzdem gibt es noch viele Gruppen wie etwa nicht volljährige Personen oder in Deutschland lebende Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die das Recht auf Wahlbeteiligung nicht haben. Das heißt, Differenzierungen zwischen verschiedenen sozialen Gruppen (wie nach Alter oder Staatsangehörigkeit) werden als legitime Gründe für verschiedenartige Rechte (hier in Bezug auf Wahlen) herangezogen und sind mehr oder weniger gesellschaftlicher Konsens. Die Sozialpsychologie beschäftigt sich mit der theoretischen und empirischen Analyse von Beziehungen zwischen sozialen Gruppen. Sie versucht zu beschreiben und zu erklären, welchen Einfluss die Mitgliedschaft in sozialen Gruppen auf das individuelle Erleben und Verhalten haben kann. Das wirft die Frage auf, welchen Beitrag die auf die Untersuchung einzelner Personen fokussierte Sozialpsychologie zum Verständnis von Vorurteilen, Differenzierung und Diskriminierung beitragen kann.

Eine (soziale) Gruppe ist im sozialpsychologischen Verständnis eine Ansammlung von Individuen, die sich selbst als Mitglieder derselben sozialen Kategorie wahrnehmen, ein bestimmtes Maß an emotionaler Bindung an diese Kategorie aufweisen und einen gewissen sozialen Konsens über die Beurteilung und ihre Mitgliedschaft in dieser Gruppe aufweisen. Das Konzept kann auf Kleingruppen ab zwei Mitgliedern (Familie, Skatrunde) bis hin zu Nationen oder Ethnien angewandt werden. Relevant ist, dass sich die jeweilige Person als Mitglied der Gruppe fühlt und auch von anderen dafür gehalten wird. Jeder Mensch ist gleichzeitig Mitglied verschiedener sozialer Gruppen (wie Thüringerin, Fahrradfahrer, Europäer, Frau, Sozialwissenschaftlerin).

Der Prozess der Zuordnung einzelner Objekte zu Objektklassen wird als Kategorisieren bezeichnet. Unsere Umwelt ist komplex und vielfältig. Um trotzdem innerhalb kürzester Zeit handlungsfähig zu sein, müssen wir die uns umgebenden Dinge und Personen schnell einordnen. Es ist daher sowohl funktional als auch unvermeidlich, sich ähnelnde Objekte Gruppen zuzuordnen. Menschen kategorisieren sowohl bei Gegenständen (wie Tisch und Stuhl sind Möbel, Trabant und Mercedes sind Autos) als auch bei "sozialen Objekten" (wie Jenaer und Erfurter sind Thüringer, Joggerinnen und Tischtennisspieler sind Sportler). Unumgänglich ist dieses "Schubladendenken" aufgrund der beschränkten kognitiven Kapazitäten: Das Gehirn kann nicht jeden einzelnen Umweltreiz individuell wahrnehmen.

Stereotype, Vorurteile, Diskriminierung

Stereotype

sind positive und negative Eigenschaften und Verhaltensweisen, die mit bestimmten sozialen Kategorien oder Gruppen assoziiert werden. Sie können fremde soziale Gruppen ("Die Franzosen sind besonders romantisch") oder die eigene Gruppe ("Die Deutschen sind besonders gehorsam") betreffen. Sie sind automatisch, auch wenn sie häufig unzutreffend sind. Meist herrscht ein gewisser sozialer Konsens darüber, welche Eigenschaften mit welchen Gruppen assoziiert werden. Doch das Wissen darüber bedeutet nicht, dass die Stereotype auch wahr sind, wie eine über 49 verschiedene Kulturen angelegte Studie zeigte.

Vorurteile

sind herabsetzende Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen oder ihren Mitgliedern, die auf wirklichen oder zugeschriebenen Merkmalen von Mitgliedern dieser Gruppen beruhen. Sie treten zwischen (sozialen) Gruppen auf, umfassen eine (positive oder negative) Bewertung einer Gruppe, stellen eine verzerrte Wahrnehmung einer Gruppe dar und basieren auf wirklichen oder vorgestellten Gruppenmerkmalen. Demnach sind Vorurteile verzerrte Bewertungen eines sozialen Reizes, die kognitive (wie Stereotype), emotionale (wie Angst) und verhaltensmäßige Komponenten (wie Vermeidung) enthalten.

Diese Aspekte können auch unabhängig voneinander auftreten. So ist es denkbar, dass Menschen zwar vorurteilsvoll über eine bestimmte Gruppe denken und fühlen, aber trotzdem nicht so handeln. Im Alltag lassen sich verschiedene Arten von Vorurteilen beobachten. Die häufigsten finden sich gegenüber sozialen Gruppen, die anhand von Hautfarbe, Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung, politischer Orientierung oder sozialer Schicht definiert sind. Beispiele für verschiedene Arten weit verbreiteter Vorurteile (und die entsprechenden Zielgruppen) sind: Rassismus (andere Ethnien), Xenophobie (Fremde generell), Antisemitismus (Juden), Anti-Islamismus oder Islamophobie (Muslime), Sexismus (Frauen) oder Homophobie (Homosexuelle). Aber auch Blondinen, "Hartz-IV"-Empfänger, Psychologen, Politikerinnen oder auch Banker unterliegen häufig bestimmten Vorurteilen.

An sich sind Stereotype und Vorurteile kein Problem. Denn jeder darf denken und fühlen, was er oder sie möchte, auch wenn diese Bewertungen oder Empfindungen häufig nichts mit der spezifischen Person, die einem gegenübersteht, zu tun haben. Problematisch ist allerdings, dass negative Einstellungen auch die Grundlage für negatives Intergruppen-Verhalten bilden können: Sie können zu Abwertung und Diskriminierung von anderen Menschen allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen führen. So weist eine Untersuchung der Einstellung von Lehrpersonal darauf hin, dass Namen von Schülerinnen und Schülern wie Chantal, Mandy oder Kevin (die sozial schwachen Elternhäusern zugeordnet werden) eher mit Leistungsschwäche und Verhaltensauffälligkeit assoziiert werden, unabhängig von den tatsächlichen Schulleistungen der entsprechenden Kinder. Es besteht die Gefahr, dass diese Kinder schlechter bewertet, also diskriminiert werden.

Diskriminierung

ist, wenn Individuen oder Gruppen eine Gleichbehandlung, die sie sich wünschen, verwehrt wird. Die (unvermeidliche) soziale Kategorisierung ist Voraussetzung für Diskriminierung; sie liegt aber erst vor, wenn auch der Wunsch nach Gleichbehandlung verletzt wird: Ohne diesen Wunsch nach Gleichbehandlung wäre intergruppales Verhalten (Verhalten aufgrund von Gruppenmitgliedschaften) zwar differenzierend, aber nicht diskriminierend. Dass heutzutage vollzeitbeschäftigte Frauen in Deutschland im Durchschnitt für die gleiche Arbeit 23 Prozent weniger Lohn als Männer erhalten, ist ein Fall von Diskriminierung - vorausgesetzt, dass die Frauen (und/oder die Männer) diese Art der Ungleichbehandlung nicht wünschen. Solange es dagegen mehr oder weniger gesellschaftlicher Konsens ist, dass beispielsweise Jugendliche unter 18 Jahren (mit einigen Ausnahmen) nicht wählen dürfen, würde dies als Differenzierung des Rechts auf politische Beteiligung anhand des Kriteriums Alter gelten. Doch wenn sich der gesellschaftliche Konsens entsprechend verändert, könnte die als Differenzierung verstandene Ungleichbehandlung als Diskriminierung gewertet und könnten die entsprechenden Gesetze geändert werden.

Ursachen von Vorurteilen und Diskriminierung

Unter welchen Bedingungen gestalten sich die Beziehungen zwischen sozialen Gruppen harmonisch, wann konflikthaft? Nach der Realistischen Konflikttheorie hängt die Qualität der Intergruppenbeziehungen (intergruppale Einstellungen, Emotionen und Verhalten) vor allem davon ab, wie die jeweiligen Gruppen in Bezug auf ihre Gruppenziele zueinander stehen. In Feldexperimenten mit Kindergruppen in Ferienlagern wurde die Rolle sich widersprechender Gruppenziele belegt. Diese "negative Interdependenz" der Gruppenziele (wie bei Sportwettbewerben, bei denen nur eine Gruppe gewinnen kann) führte zu intergruppalem Wettbewerb und Konflikten, zu negativen Stereotypen und Abwertungen der anderen Gruppe und zur Aufwertung der eigenen Gruppe. Wenn dagegen beide Gruppen Ziele anstrebten, die sie nur durch die gemeinsame Anstrengung erreichen konnten, führte diese "positive Interdependenz" zu Kooperation, sozialer Harmonie und Freundschaft zwischen den Mitgliedern der beiden Gruppen. Später erwies sich, dass nicht nur tatsächlich vorhandene Zielkonflikte, sondern schon die bloße Wahrnehmung von "negativer Interdependenz" der Gruppenziele ausreicht, um Abwertung und Diskriminierung der "Anderen" zu verursachen.

Daran anknüpfend bietet die Integrierte Bedrohungstheorie einen weiteren Erklärungsansatz. Demnach rufen subjektive Wahrnehmungen von Bedrohungen der eigenen Gruppe durch andere Gruppen Vorurteile und diskriminierendes Verhalten hervor. Dabei wird zwischen Bedrohungen realistischer Ressourcen der eigenen Gruppe ("Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg") und Bedrohungen symbolischer Ressourcen (wie Normen, Werte und Moralvorstellungen der eigenen Gruppe) unterschieden. Je stärker derartige Bedrohungen der eigenen Gruppe wahrgenommen werden, was wiederum auch vom Kontext abhängt, desto negativer sind die Einstellungen und auch das Verhalten gegenüber den "Anderen".

Der Soziale Identitätsansatz zeigt dagegen, dass Phänomene wie die Abwertung von Mitgliedern anderer Gruppen und die Bevorzugung der eigenen auch dann auftreten, wenn die entsprechenden Gruppen künstlich sind - und für die Gruppenmitglieder eigentlich keine Bedeutung haben. Er beschreibt, wie und warum soziale Kategorisierungen und soziale Identität zu intergruppalen Einstellungen und Verhalten führen. Um dies zu belegen, wurden Versuchspersonen rein zufällig bestimmten Gruppen zugeordnet wie etwa anhand vermeintlicher Präferenzen für abstrakte Gemälde von Paul Klee oder Wassily Kandinsky. Im Anschluss an die willkürliche Kategorisierung als Klee- oder Kandinsky-Fans wurden die Untersuchungsteilnehmenden gebeten, kleinere Geldbeträge unter anderen Teilnehmenden zu verteilen. Im Ergebnis zeigte sich, dass den unbekannten Mitgliedern der eigenen künstlichen Gruppe mehr Geld zugewiesen wurde als den Mitgliedern der anderen. Obwohl sie die jeweiligen Gruppenmitglieder nicht kannten, nicht mit ihnen interagiert hatten, keine gemeinsame Geschichte, emotionale Bindung oder gemeinsame Ziele teilten, bevorzugten sie Mitglieder der eigenen Gruppe (Eigengruppenfavorisierung) und benachteiligten Mitglieder der anderen (Fremdgruppendiskriminierung). Dieses Ergebnis fand sich auch dann, wenn sie wussten, dass die Gruppeneinteilung willkürlich geschehen war. Ein zweiter Befund war, dass den Mitgliedern der eigenen Gruppe häufig nicht der maximal mögliche Geldbetrag zugewiesen wurde, sondern die Geldverteilung so geschah, dass sich die Unterschiede zugunsten der eigenen Gruppe und zuungunsten der anderen maximierten. Das Ziel der Teilnehmenden schien also nicht eine maximale Bevorzugung der eigenen Gruppe zu sein, sondern eine maximale Unterschiedlichkeit zwischen den Erträgen beider Gruppen (Differenzmaximierung). Aus diesen Beobachtungen ergaben sich vier Grundannahmen:

1. Soziale Kategorisierungen ordnen einen selbst und die Mitmenschen bestimmten sozialen Gruppen zu. Bei derartigen Kategorisierungsprozessen werden Unterschiede in der eigenen Gruppe als gering und Unterschiede zu fremden Gruppen als stark wahrgenommen. Selbstkategorisierung als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe kann zu "De-Personalisierung" führen, wodurch das Verhalten nicht mehr durch individuelle Normen und Werte, sondern vor allem durch Normen und Werte der Gruppe geleitet wird.

2. Aus der Gesamtheit der eigenen Gruppenmitgliedschaften ergibt sich die soziale Identität, die einen wichtigen Teil des Selbstkonzepts ausmacht. Aufbauend auf den vielen möglichen sozialen Kategorisierungen ist soziale Identität "der Teil unseres Selbstbilds, der sich aus unseren Mitgliedschaften in verschiedenen sozialen Gruppen speist, sowie die Bewertungen und Emotionen, die damit verknüpft sind", während sich personale Identität aus den individuellen Eigenschaften von Personen speist. Je nach Situation ist die persönliche oder die soziale Identität ausgeprägter; entsprechend wird zwischen interpersonalem und intergruppalem Verhalten unterschieden. Interpersonales Verhalten liegt vor, wenn sich zwei Menschen bei einer Begegnung als Individuen wahrnehmen und sich entsprechend individuell angepasst verhalten: So können sich beispielsweise Paula und Peter begegnen und als Einzelpersonen kennenlernen. In einem anderen Kontext kann dieses Verhalten aber auch intergruppal sein, also von den jeweiligen Gruppenmitgliedschaften der beiden beeinflusst: So könnte Peter den blauen Schal eines Fußballteams tragen und Paula den roten Schal eines rivalisierenden Clubs (als Symbole ihrer Mitgliedschaft in den jeweiligen Fangruppen), und obwohl sie sich als Einzelpersonen gegenüberstehen, würde sich ihr (vielleicht jetzt eher unfreundliches) Verhalten vor allem aus den jeweiligen sozialen Identitäten als Mitglieder der rivalisierenden Gruppen ergeben. Je nach den salienten sozialen Kategorien und Identitäten kann das Verhalten interpersonal oder intergruppal sein.

3. Menschen streben nach Informationen über sich selbst und ihre soziale Identität und führen deshalb soziale Vergleiche zwischen ihrer eigenen und anderen Gruppen durch. Da die soziale Identität ein wichtiger Bestandteil des Selbstkonzepts ist, haben Menschen generell das Bedürfnis nach einer positiven sozialen Identität. Deshalb wird eine positive Distinktheit (ein besseres Abschneiden der eigenen Gruppe im Vergleich zu fremden Gruppen) angestrebt. Demnach ist die Qualität der Intergruppenbeziehungen, die sich in Vorurteilen und Diskriminierung äußern kann, vor allem durch die wahrgenommenen Statusbeziehungen zwischen den jeweils subjektiv wichtigen, sozialen Gruppen bestimmt. Dabei sind generell positive und negative Vergleichsergebnisse möglich, die den Gruppenmitgliedern entsprechende Informationen zur Bewertung der eigenen sozialen Identität und damit für deren Selbstkonzept liefern.

4. Falls diese sozialen Vergleiche zu negativen Ergebnissen führen, können verschiedene Strategien zur Verbesserung der eigenen sozialen Identität eingeschlagen werden. In Abhängigkeit von den Kontextbedingungen (Gruppenstatus, Stabilität und Legitimität der Gruppenunterschiede, Möglichkeiten des Gruppenwechsels) ist eine erste Strategie die der individuellen Mobilität durch Wechsel zur statushöheren Gruppe. So sind beispielsweise viele Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR seit 1989 in den Westen Deutschlands umgesiedelt. Ursache ist nicht nur, dass sie sich dort bessere Bedingungen für ihr persönliches Fortkommen erhofften, sondern vielleicht auch eine positivere soziale Identität als "Bundesbürger" statt als gefühlte "Deutsche zweiter Klasse". Eine zweite mögliche Strategie ist die des kollektiven sozialen Wandels, wobei durch sozialen Wettbewerb eine Angleichung oder Umkehrung der Statusbeziehung angestrebt wird. Beispiele sind die Frauen-, Schwulen- oder Lesbenbewegungen, die für Gleichberechtigung gekämpft haben und Erfolge im Kampf gegen Vorurteile und Diskriminierung verzeichnen konnten. Das Gegenstück sind Versuche der Zementierung des (ungleichen) Status quo durch statushöhere Gruppen, die sich in Vorurteilen und Diskriminierung von Mitgliedern statusniederer Gruppen äußern können.

Neben diesen Versuchen, den Gruppenstatus zu ändern, gibt es auch verschiedene Möglichkeiten der kognitiven Umdeutung der Situation durch Veränderung der Vergleichsparameter. So kann man eine neue Vergleichsdimension finden ("Wir Raucher mögen ja nicht so sportlich sein wie die Nichtraucher, aber dafür sind wir viel sozialer"), die Vergleichsdimension durch Umkehrung der Bewertungsrichtung neu interpretieren ("Sportlich ist wer raucht und trinkt, und trotzdem seine Leistung bringt") oder eine neue Vergleichsgruppe finden, die einen sozialen Vergleich "nach unten" ermöglicht ("Im Vergleich zu Alkoholsüchtigen sind wir Raucher doch eigentlich ziemlich sportlich").

Ausblick

Menschen ordnen sich je nach Situation bestimmten sozialen Kategorien zu. Diese Selbstkategorisierung bildet die Grundlage der sozialen Identität. Weil es dem Selbstwert dienlich ist, wird versucht, positive Distinktheit der eigenen Gruppe herzustellen. Je nach Kontext ergeben sich verschiedene Handlungsstrategien zur Erreichung einer zufriedenstellenden sozialen Identität. Unter wahrgenommener Bedrohung der eigenen sozialen Identität (wie durch Zielkonflikte, realistische und symbolische Bedrohungen, negativen Gruppenstatus) können verschiedene Mechanismen und Handlungsstrategien zu negativen Einstellungen gegenüber einzelnen Mitgliedern anderer Gruppen führen.

Bislang ist es verschiedenen sozialen Gruppen gelungen, gesellschaftliche Diskurse über ihre Ungleichbehandlung mit zu bestimmen und sich gleiche Rechte und gleichberechtigt(er)en Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen zu erkämpfen. Andererseits gibt es auch heute noch (für Frauen, aber auch andere soziale Gruppen wie Migranten, Menschen mit Behinderungen, Ältere) viele diskriminierende Ungleichbehandlungen. Deshalb gilt es für die Betroffenen (und alle an Gleichberechtigung Interessierten), die Unangemessenheit der Diskriminierung ihrer Gruppen zu thematisieren, um einen sozialen Wandel hin zu einer Welt ohne unfaire Ungleichbehandlungen aufgrund von Gruppenmitgliedschaften zu ermöglichen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Henry Tajfel/John C. Turner, The social identity theory of intergroup behavior, in: Stephen Worchel/William G. Austin (eds.), Psychology of intergroup relations,Chicago 1986, S. 7-24.

  2. Vgl. Antonio Terracciano et al., National Character Does Not Reflect Mean Personality Trait Levels in 49 Cultures, in: Science, (2005) 310, S. 96-100.

  3. Vgl. Todd. D. Nelson, The psychology of prejudice, Needham Heights, MA 2002, S. 3 und S. 11.

  4. Vgl. Lydia Knaak/Laura Dodot, Im Namen der Gerechtigkeit, Diplomarbeit, Universität der Bundeswehr München, 2011 (E-Book im Grin-Verlag).

  5. Vgl. Amélie Mummendey/Sabine Otten, Aversive Discrimination, in: Marilynn Brewer/Miles Hewstone (eds.), Emotion and Motivation, Oxford 2003, S. 112-132.

  6. Vgl. Muzafer Sherif et al., Intergroup Conflict and Cooperation, Oklahoma 1961.

  7. Vgl. Walter G. Stephan/C. Lausanne Renfro, The role of threat in intergroup relations, in: Diane M. Mackie/Eliot R. Smith (eds.), From prejudice to intergroup emotions, New York 2002, S. 191-207.

  8. Vgl. Alexander S. Haslam, Psychology in Organizations, London 2001.

  9. Vgl. John C. Turner/Katherine J. Reynolds, The story of social identity, in: Tom Postmes/Nyla R. Branscombe (eds.), Rediscovering Social Identity, London 2010.

  10. H. Tajfel/J. C. Turner (Anm. 1), S. 5.

Dr. phil.; Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Kommunikationspsychologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena. E-Mail Link: daniel.geschke@uni-jena.de