Dr., geb. 1957; Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Medizin, Charité; Mitarbeiter der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, Berlin. rainer.herrn@charite.de
Ver-körperungen des anderen Geschlechts - Transvestitismus und Transsexualität historisch betrachtet
Zur (Be)Deutung des Geschlechtskörpers
Zu den Transvestiten zählten auch Frauen und Männer, die nicht nur die Kleidung des anderen Geschlechts bevorzugten, sondern sich diesem ganz zugehörig fühlten. In den wenigen frühen Mitteilungen dieser Personengruppe finden sich allerdings keine Hinweise auf Operationswünsche. Punktueller, passagerer oder permanenter Wechsel des sozialen Geschlechts war in ihrem Selbstkonzept offenbar nicht notwendig mit einem - wie es heute heißt - "Unbehagen im falschen Körper" und dem Wunsch nach dessen Umgestaltung verbunden. Hirschfeld berichtet allerdings von einigen Männern, die über kürzere oder längere Zeit als Frau gelebt hatten, und fasst ihre Körperwünsche und -wahrnehmungen wie folgt zusammen: "Vielfach bilden sich zwar die Transvestiten vor dem Spiegel stehend ein, ihre Formen seien weicher und weiblicher, wie die gewöhnlicher Männer; aber ihre meist rauhe Haut, die behaarte Brust, der starke Bartwuchs, der schlanke, oft sehnige Körperbau, die straffen Linien und Züge, die tiefe Stimme zeigen, dass es sich um eine angenehme Selbsttäuschung handelt, die übrigens keine tiefgehende ist, auch nicht den Charakter einer Wahnidee trägt; sie wissen ganz genau, dass ein Widerspruch zwischen ihrem Körper und ihrer Seele klafft."[23]
Mit dem Ausdruck vom "klaffenden Widerspruch" weist Hirschfeld auf die empfundene Diskrepanz von Physis und Psyche hin. Damit deutete sich zwar ein Handlungsfeld an, aber noch fehlten sowohl der artikulierte Wunsch als auch die geeigneten Techniken zu dessen Umsetzung.
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