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Der Holocaust im Comic | Comics | bpb.de

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Der Holocaust im Comic

Martin Frenzel

/ 11 Minuten zu lesen

Als der erste Teil von "Maus – Die Geschichte eines Überlebenden" des US-amerikanischen Comickünstlers Art Spiegelman 1989 in Deutschland erschien, begegneten viele diesem "Holocaustcomic" mit Vorurteilen und Ressentiments. Die Debatte drehte sich um die Frage: Darf man den Holocaust im Comic darstellen? Dies sei nicht möglich, reiche nicht an den realen Schrecken des Holocaust heran und sei somit notwendigerweise stets verharmlosend und trivialisierend, so lautete der zentrale Vorwurf. Eine terrible simplification der Judenverfolgung sei durch den Transfer in die Sphäre der grafischen Literatur unausweichlich. Spiegelman selbst teilte diese Bedenken natürlich nicht: "In Germany there was much more concern about the propriety of using comics", erinnerte er sich später, "At one point, I remember being interviewed and asked: ‚Do you think it’s bad taste to have done a comic about the Holocaust?‘ I said: ‚No, I think the Holocaust was in bad taste.‘"

Insbesondere Spiegelmans Darstellung der Jüdinnen und Juden als Mäuse und der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten als Katzen stieß zunächst auf Unverständnis: "Der Spiegel" etikettierte "Maus" abwertend als "Holocaust-Cartoon"; die "Süddeutsche Zeitung" attestierte dem Autor, er habe seine "verfolgten Nager" mit "liebenswürdigsten Attributen" versehen und "auch sonst" die Rollen "klar verteilt"; die Zeitschrift "Tempo" schlug gar vor, Spiegelman möge doch künftig die Juden als Hündchen abbilden und seinen Comic "Wauwauschwitz" nennen; die "Frankfurter Rundschau" wähnte nichts weniger als den "Zerfall des Comic-Romans". Doch handelt es sich bei den Tiermasken um einen genialen, Distanz schaffenden Verfremdungseffekt, mithilfe dessen sich der Verfasser auf die Abgründe des Grauens zubewegt: "I need to show events and memory of the Holocaust without showing them. I want to show the masking of these events in their representation." Auf gleich mehreren Ebenen nutzt Spiegelman das Stilmittel der Katz-und-Maus-Fabel: Erstens greift er das uralte antisemitische Motiv der mäusefressenden Katzen auf; zweitens liefert er eine gekonnte Persiflage auf Disneys "Funny Animals" und den Hanna-Barbera Cartoon "Tom und Jerry"; und drittens verspottet er die nationalsozialistische Rassenideologie, die Juden in Propagandafilmen als Ratten und Ungeziefer diffamierte.

Mittlerweile genießt "Maus", für das Spiegelman 1992 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, auch in Deutschland die Anerkennung des Feuilletons, wobei mitunter gar eine Tendenz zur Überhöhung festzustellen ist: Als die deutsche Übersetzung von Pascal Crocis Dokumentarcomic für Jugendliche "Auschwitz" 2005 erschien, nachdem er in Frankreich hervorragend besprochen und von der Nationalversammlung mit dem "Prix Jeunesse" ausgezeichnet worden war, wurde er hierzulande mit dem Odium des angeblich illegitimen Holocaustcomics belegt. Croci, dessen Werk auf Recherchegesprächen mit Auschwitzüberlebenden basiert, wurde verübelt, dass er nicht in Spiegelman’scher Manier den Kunstgriff eines Distanzierungs- und Verfremdungseffektes anwendete, sondern eine drastische, unter die Haut gehende realistische Nahaufnahme wagte. Gleichzeitig sahen die Kritikerinnen und Kritiker darin die Gefahr einer suggestiven Ästhetisierung des Holocaust.

Holocaustcomics als Teil der Erinnerungskultur

Ob Verharmlosung und Trivialisierung durch Fiktionalisierung, Ästhetisierung des Grauens der Shoah oder das Bedienen heroisierender beziehungsweise dämonisierender Klischees – die Vorbehalte gegen Holocaustcomics reichen weit, wobei so manche Kritik epistemologisch fragwürdig erscheint, da sie Comics unterschwellig weiterhin mit der Elle der Kinder- und Jugendliteratur misst. Selbstredend stößt jede Form der künstlerisch-literarischen Auseinandersetzung mit dem Völkermord an Europas Juden irgendwann an ihre Grenzen. Doch das gilt eben nicht nur für die Bildgeschichte, sondern auch für den Film, das Theater, den Roman oder gar die Autobiografie. Wohl überall gilt die salvatorische Klausel: Es kann nur um Annäherung gehen an das, was "wirklich" gewesen ist.

Bei Holocaustcomics gilt es, die facettenreichen Möglichkeiten des grafischen Erzählens im Blick zu behalten und im Einzelfall die grafische, narrative und inszenatorische Dimension zu betrachten und zu beurteilen, ob diese auch in Anbetracht der jeweiligen Zielgruppe dem Sujet der Shoah angemessen ist. Auch dem Holocaustcomic ist der subjektiv-künstlerische Spielraum zuzubilligen, den andere kulturelle Medien wie etwa das Theater für sich in Anspruch nehmen. Die Erinnerung in kulturellen Medien – und damit auch in Comics – "wählt aus und ergänzt, sie erfindet und deutet, verharmlost, dämonisiert und verklärt, mit einem Wort: Sie verändert die Vergangenheit im Prozess ihrer Vergegenwärtigung".

Abbildung 1: Art Spiegelmans "Maus" (© picture alliance)

Das Genre des Holocaustcomics kann einen Beitrag zur historischen und gesellschaftspolitischen Erinnerungsarbeit leisten. Die spezifischen, mehrdimensionalen Möglichkeiten der Bildgeschichte nutzend, ist der Comic durch die ihm eigene Erzählstrategie der Gleichzeitigkeit in der Lage, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nach Belieben zu vereinen und dadurch eine besondere Perspektive zu bieten. Raum und Zeit sind für die Gattung des grafischen Erzählens jederzeit überwindbare Hürden – wie gerade "Maus" belegt, wo der Autor häufig zwischen der Vergangenheit (den Erzählungen des Vaters über seine Erlebnisse während der Shoah) und der Gegenwart (dem Vater-Sohn-Konflikt) hin und her wechselt – und sich mit der Verarbeitung der Zweifel an seinem Projekt zugleich Metafragen gestattet, die in die Zukunft reichen (Abbildung 2).

Abbildung 2: In "Maus" verarbeitet Spiegelman auch die Zweifel an seinem Projekt (© Jewish Museum New York/picture alliance)

"In einer Geschichte, die das Unfassbare chronologisch und schlüssig darzustellen versucht, beharrt das Nebeneinanderstellen von Vergangenheit und Gegenwart darauf, dass beides stets vorhanden ist – man verdrängt das andere nicht, wie es im Film geschieht." Schon der Kritiker Georg Seeßlen stellte fest, "Maus" komme dem Geschehen Auschwitz in seinen ironischen Brechungen und zögerlichen Bewegungen so nah, "dass nicht einmal der Ausweg in die bloße Betroffenheit bleibt".

Häufig weisen Holocaustcomics biografische oder autobiografische Bezüge auf und sind damit nicht rein fiktional. Auch hier ist "Maus" ein gutes Beispiel für das Vermögen des Holocaustcomics, die angesichts der immer weniger werdenden Zeitzeuginnen und -zeugen eminent wichtige Rekonstruktion von Erinnerung mit ihrer Reflexion zu verbinden. Doch gibt es auch völlig fiktive Holocaustcomics. Mal wird die Perspektive der Opfer eingenommen, mal jene der Täterinnen und Täter – oder es wird eine komplexe synthetische Wechselwirkung erzeugt, die Opfer, Täter, Mitläuferinnen und Mitläufer sowie Zuschauerinnen und Zuschauer gleichermaßen in den Blick nimmt.

Über "Maus" hinaus

Gerade in den vergangenen zehn Jahren sind auch hierzulande viele neuere Arbeiten erschienen, die belegen, dass es sich lohnt, über "Maus" hinaus zu denken, ohne dabei die Bedeutung des Spiegelman’schen Epos zu mindern. Doch reichen die Anfänge des Holocaustcomics weiter zurück als "Maus". Eine Bestandsaufnahme im internationalen Vergleich zeigt, dass es nicht nur in der Gegenwart eine Fülle anderer, qualitativ anspruchsvoller Holocaustcomics gibt, sondern auch in historischer Perspektive von einer langen Tradition dieses Genres gesprochen werden kann.

Die Anfänge des Holocaustcomics sind in etwa zeitgleich mit dem Beginn der Vernichtung von Europas Juden zu verorten: Horst Rosenthal (1913–1942) schuf seine Comickurzgeschichte "Mickey au camps de Gurs" 1942, im Jahr der Wannseekonferenz, als er selbst Gefangener des gleichnamigen französischen Durchgangslagers und der Willkür seiner Peiniger ausgesetzt war, ehe er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde. Dies ist der einzige bislang bekannte Holocaustcomic, der aus eigener Beobachtung heraus entstand. Der vermutlich früheste längere Holocaustcomic ist Edmond-François Calvos (1892–1957) eleganter Tierfabel-Klassiker "La Bête est morte" von 1944, dessen erster Band noch vor der Befreiung Frankreichs entstand und Hitler als bösen Wolf darstellt. Erstmals wurden hier die Unmenschlichkeit der NS-Diktatur, Deportation und Massenmord in Wort und Bild ins Zentrum gerückt. Ein vergessener Altmeister des Holocaustcomics ist der legendäre Comickünstler des US-amerikanischen Verlags EC (Entertaining Comics) Bernard Krigstein (1919–1990), dessen Kurzgeschichte "Master Race" über das Aufeinandertreffen eines ehemaligen KZ-Häftlings und des früheren Lagerkommandanten in der New Yorker U-Bahn von 1955 noch heute sowohl grafisch als auch textlich zu den Perlen des Genres gehört. Ein Mann wird gejagt: Die Leserschaft wird Zeuge einer atemberaubend rasant inszenierten Verfolgungsjagd – und bleibt lange Zeit im Unklaren darüber, wer Täter und wer Opfer war.

Während Holocaustcomics aus deutscher Feder bisher weitgehend fehlen, erschien seitdem in Frankreich, Belgien, Skandinavien und den USA eine Vielzahl an Werken unterschiedlicher Prägung. Erwähnt seien hier nur empfehlenswerte jüngere Arbeiten.

Nach den Debatten der 1980er und frühen 1990er Jahre um "Maus" sowie um Paul Gillons und Patrick Cothias Comicadaption des autobiografischen Romans "Schrei nach Leben" (1988) von Martin Gray, der im Warschauer Getto spielt, lösten die beiden pädagogischen Ligne-claire-Arbeiten des niederländischen Comickünstlers Eric Heuvel, "Die Entdeckung" (2004) und "Die Suche" (2007), über eine fiktive jüdische Familie, die nach Auschwitz deportiert wird, eine erneute Legitimitätsdebatte in deutschen Medien aus. Trotz der Ausrichtung auf die Zielgruppe jüngerer Kinder lautete der Vorwurf, durch das Ausblenden etwa von Massakern werde einem Euphemismus Vorschub geleistet. Mittlerweile wird "Die Suche" auch in Deutschland im Geschichtsunterricht eingesetzt.

In etwa zeitgleich mit Crocis "Auschwitz" erschien 2005 in Deutschland das skizzenhaft gezeichnete halbbiografische Holocaustmelodram "Yossel" des US-Altmeisters Joe Kubert, in dem er das Schicksal seines Alter Egos, eines zeichnerisch begabten Jungen im Vernichtungslager, erzählt. Dabei geht er von der Frage aus, was gewesen wäre, wenn er selbst und seine jüdische Familie nicht lange vor Beginn des Zweiten Weltkrieges in die USA ausgewandert wären. Kritische Stimmen hielten Kuberts Grafik vor, sie stelle etwa KZ-Häftlinge realitätsfern im Stile erstaunlich muskulöser Superhelden dar. Die US-Amerikaner Ernie Colóns und Sid Jacobson legten 2010 eine durch das Anne Frank Haus autorisierte neue Anne-Frank-Biografie für Jugendliche vor, der es am Beispiel des jüdischen Mädchens grafisch und narrativ ausgesprochen gut gelingt, politisch-historische Bildung in Comicform zu transportieren.

In der 2006 gestarteten französischen Holocaustcomicserie für Kinder und Jugendliche "L’Envolée Sauvage" schildern Laurent Galandon und Arno Monin auf einfühlsame, wenn auch ungeschminkte Art die Geschichte des kleinen Simon in den Fängen der Holocaustmaschinerie. Die US-Amerikanerin mit ungarischen Wurzeln Miriam Katin erzählt in "Allein unter allen" von 2006 die Geschichte ihrer von einem deutschen Wehrmachtsoffizier sexuell missbrauchten Mutter. Auch der US-amerikanische Kommunikationsprofessor Martin Lemelman rekonstruiert in "Mendel’s Daughter" von 2007 die Familiengeschichte seiner Mutter im besetzten Polen in eindringlichen, skizzenhaften Schwarzweißbildern. Ein besonders erschütterndes Beispiel für eine biografische Aufarbeitung ist die 2008 erschienene Kurzgeschichte der drei US-Comicstars Neal Adams (Bleistiftzeichnungen), Joe Kubert (Tuschezeichnungen) und Stan Lee (Einleitung) mit dem Text des Direktors des David S. Wyman Insitute for Holocaust Studies, Rafael Medoff, über das Leben der Zeichnerin und Holocaustüberlebenden Dina Gottliebová Babbitt. Aufgrund ihres zeichnerischen Talents wird die junge Frau in Auschwitz vom berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele auserkoren, Portraits von den Opfern seiner Experimente zu zeichnen.

Die beiden 2008 erschienenen Comicanthologien "Paroles d’Etoiles" und "Les Enfants Sauvés" widmen sich Kinderschicksalen im Holocaust. Catel, Emannuelle Polack und Claire Bouilhac setzten 2009 mit "Capitaine Beaux-Arts" der Widerstandskämpferin und Retterin französischer Kunstwerke aus den Pariser Museen, Rose Valland, ein beachtliches Comicdenkmal. Ein erzählerisch dichter, im Semi-funny-Zeichenstil gehaltener Wurf gelang dem finnisch-norwegischen Comiczeichner Mikael Holmberg 2010 mit "26. November": In vier Episoden über den norwegischen Holocaust schildert der Autor die Erlebnisse von Überlebenden. Ein bemerkenswertes, leider noch nicht auf Deutsch vorliegendes Werk ist das 2012 in Frankreich erschienene "Crimes de Papier. Retour sur l’affaire Papon" von Johanna Sebriens und Jean Baptiste Bertholom, das die Verbrechen des französischen Organisators der Deportationen und späteren Ministers unter Charles de Gaulle, Maurice Papon, in Form eines schwarzweißen Spiels mit Licht und Schatten in den Blick nimmt.

Die israelische Comiczeichnerin und Ligne-claire-Virtuosin Rutu Modan griff 2013 mit "Das Erbe" den von Art Spiegelman in "Maus" angelegten Faden des Traumas der zweiten und dritten Generation wieder auf, ebenso wie Michel Kichka jüngst mit "Zweite Generation. Was ich meinem Vater nie gesagt habe". Beide Autoren verstehen sich gekonnt auf das Mehrebenenspiel zwischen gestern, heute und morgen. In Modans autobiografisch inspirierter, bisweilen ironischer Comicnovelle kehrt eine resolute alte Dame und Holocaustüberlebende zu ihren Wurzeln in Polen zurück, begleitet von ihrer Enkelin. Der 1954 in Belgien geborene und 1974 nach Israel ausgewanderte Kichka setzt sich mit dem Trauma der Familie auseinander – sein Vater Henri war selbst in Auschwitz und verlor die gesamte Familie.

Mit "Der vergessene Garten" sind 2014 nun auch die kurzen Episoden für Erwachsene des vielfach preisgekrönten französischen Kindercomickünstlers Émile Bravo erstmals auf Deutsch erschienen: In einer dieser wortlosen Pantomime-Bildgeschichten geht es um das tiefe, lange nachwirkende Trauma der Shoah. Bravo erlaubt sich eine Referenz an Krigsteins "Master Race": Ein Holocaustüberlebender mit gelbem Stern und in KZ-Häftlingskleidung trifft im Juni 1945 im Nachkriegs-Paris ein. Sichtlich vom Grauen traumatisiert, kann der völlig ausgemergelte, ins Leere starrende Heimkehrer nichts mit dem Ratschlag eines anderen Metrofahrgasts im Pariser Untergrund anfangen, den Stern doch einfach in die Mülltonne der Geschichte zu werfen. Am Ende der Kurzgeschichte rast die Metro in einen dunklen Tunnel ohne Licht und ohne Hoffnung.

Die zwei bisher einzigen aktuellen deutschen Beiträge zur comickulturellen Erinnerungsarbeit sind Reinhard Kleists "Der Boxer" von 2012, eine biografische Annäherung an den polnisch-jüdischen Boxer Hertzko Haft, der in Auschwitz zur Unterhaltung der SS-Männer gegen andere Häftlinge um Leben und Tod kämpfen musste, sowie Volker Reiches autobiografische Graphic Novel "Kiesgrubennacht" von 2013. Reiche, Jahrgang 1944, arbeitet die eigenen Erinnerungen an die unversöhnte Kindheit und den ewig gestrigen, braun gesinnten Vater auf und nähert sich dabei dem Schrecken des Holocausts und der NS-Verbrechen aus metaphorischer Kinderperspektive – beispielsweise als der kleine Volker in einer Szene mit seinem großen Bruder "Experimente" an Schnecken macht und diese versehentlich im Feuer "schmelzen".

Eine grafisch und erzählerisch gesehene kleine Perle des Genres haben 2012 Loïc Dauvillier, Marc Lizano und Greg Salsedo geschaffen: "Das versteckte Kind" ist eine sensible Geschichte in scheinbar naivem Zeichenstrich, die aus kindlicher Sicht und für Kinder die Erzählung der Großmutter Dounia für ihre Enkelin Elsa über ihre Erlebnisse während des Holocausts in Bilder fasst. Ihren Vater sieht die kleine Dounia nie wieder, ihre Mutter kommt ausgemergelt aus dem KZ zurück. Zu den starken Szenen dieses Kindercomics gehört die symbolträchtige Sequenz, in der Dounias gelber Stern im Kaminfeuer landet.

Fazit

Art Spiegelmans "Maus" ist also beileibe nicht der einzige Holocaustcomic und auch nicht der erste, geschweige denn der letzte. Den Holocaustcomic gibt es nicht, dafür aber viele verschiedene und facettenreiche Werke vom Lerncomic für Kinder bis hin zum komplexen Mehrebenencomic für Erwachsene. Gerade diese Vielfalt des Genres erfordert eine dem einzelnen Werk angemessene Analyse und Einordnung – je nach grafisch-literarischer Form, Inhalt, Stil, Inszenierung und Zielgruppe.

Holocaustcomics stellen einen wichtigen Bestandteil moderner Erinnerungsarbeit und Medienpädagogik dar: Gerade für Kinder und Jugendliche eignen sie sich als Zugang zum Thema der Shoah. Insbesondere biografische Holocaustcomics vermögen Saul Friedländers Credo "Gebt der Erinnerung einen Namen" zu verwirklichen. Daher wäre es wünschenswert, dass Schulen, Bibliotheken, Hochschulen sowie die Erwachsenenbildung mehr Mut aufbringen, neue Wege zu gehen und Holocaustcomics dort vermehrt zum Einsatz kommen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Martin Frenzel, Über "Maus" hinaus, in: Ralf Palandt (Hrsg.), Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 206-283; Fabian Kettner, Nur das Kino des kleinen Mannes? Literarische und visuelle Narrative in Holocaust-Comics zwischen Abenteuerroman und Bildungsauftrag, in: ebd., S. 375–404; Hendrik Buhl, Funny Nazis? Comics zwischen Information und Unterhaltung, in: ebd., S. 405–418; Jakob F. Dittmar, Comic und Geschichtsbewusstsein, in: ebd., S. 419-427; Marc Hieronimus, Nazis zwischen Schock und Chic. Fragwürdige Darstellungen der NS-TäterInnen im Comic, in: ebd., S. 428–440; Silke Telaar, Historisches Lernen durch Sprechblasen?, Hamburg 2011.

  2. Zit. nach: Gerhard Richter, Holocaust und Katzenjammer, in: Klaus L. Berghahn/Jürgen Fohrmann/Helmut J. Schneider (Hrsg.), Kulturelle Repräsentation des Holocaust in Deutschland und den Vereinigten Staaten, New York 2002, S. 111–145; vgl. Art Spiegelman, Meta-Maus, Berlin 2012, S. 155.

  3. Zit. nach: Kai-Steffen Schwarz, Vom Aufmucken und Verstummen der Kritiker, in: Comic-Almanach 1993, S. 110.

  4. Zit. nach: James E. Young, The Holocaust as Vacarious Past: Art Spiegelman’s "Maus" and the Afterimages of History, Chicago 1998, S. 666ff.

  5. Vgl. M. Frenzel (Anm. 2), S. 235ff.

  6. Vgl. Martin Schüwer, Wie Comics erzählen, Trier 2008. Zur Frage der Authentizität in Geschichtscomics sowie zum Umgang mit Ästhetik und Emotionalität im Comic siehe auch Christine Gundermanns Beitrag in diesem Heft (Anm. d. Red.).

  7. Peter Reichel, Erfundene Erinnerung. Weltkrieg und Judenmord in Film und Theater, München 2004, Klappentext.

  8. Zu den Erzählabläufen im Comic siehe auch Thierry Groensteens Beitrag in diesem Heft (Anm. d. Red.).

  9. A. Spiegelman (Anm. 1), S. 165f.

  10. Georg Seeßlen, Ein Vater blutet Geschichte, in: Der Freitag, Nr. 41 vom 2.10.1992, S. 24 der Literaturbeilage.

  11. Vgl. M. Frenzel (Anm. 2); ders., Bilder eines Massenmords. Pascal Crocis Comic "Auschwitz" macht in Frankreich Furore, in: Jüdische Allgemeine vom 13.8.2003; ders., Holocaust und NS-Verbrechen im Comic, in: Comic-Jahrbuch 2004, Stuttgart 2003, S. 28–37.

  12. Für eine detaillierte Besprechung der einzelnen Werke vgl. M. Frenzel (Anm. 2).

  13. Vgl. Julia Franz/Patrick Siegele, Der Geschichtscomic "Die Suche", in: R. Palandt (Anm. 2), S. 353–358.

  14. Vgl. F. Kettner (Anm. 2).

  15. Vollständig einzusehen unter Externer Link: http://graphics8.nytimes.com/images/2008/08/09/arts/Babbitt_pages1-6.pdf (17.7.2014).

Lizenz

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M.A., geb. 1964; Fachbereichsleiter Politik, Geschichte, Gesellschaft, Kultur der Volkshochschule Darmstadt; Doktorand Kulturwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau.
E-Mail Link: martinfrenzel@uni-koblenz.de