Zur Persistenz der Argumente im Automatisierungsdiskurs
Auffällig ist, dass sich, sei es im US-amerikanischen, sei es im deutschen Diskurs, bestimmte Topoi finden, die die Debatte seit ihrem Beginn in den 1950er Jahren kontinuierlich prägen. Sie wirken merkwürdig vertraut und wenig überraschend. Seit mehr als einem halben Jahrhundert sind es ähnliche Argumentationsfiguren, Versprechungen, behauptete Notwendigkeiten und Befürchtungen, die mit der Automatisierung der Arbeitswelt einhergehen und die nur leicht variieren. Bereits im Kontext des sogenannten Maschinensturms[3] finden sich vergleichbare Muster der Argumentation, und diese reichen bis in den aktuellen Diskurs um die Digitalisierung der Arbeitswelt und "Industrie 4.0" hinein.
Im Folgenden steht die westdeutsche Debatte um Automatisierung von den 1950er bis in die 1980er Jahre im Mittelpunkt. Es wird der auffälligen Persistenz der Argumentationsfiguren nachgegangen, vor allem anhand der Debatte um die Automatisierung der Industriearbeit.[4] Diese stand im Fokus der zeitgenössischen Debatte,[5] obwohl gerade hinsichtlich der Büro- und Verwaltungsarbeit spektakuläre Computerisierungsprojekte, wie beispielsweise im Versandhaus Quelle 1957, stattfanden.[6] Dass sie sich vorwiegend um die Automatisierung der Industriearbeit drehte, hing vermutlich mit dem Selbstverständnis der westdeutschen Gesellschaft als Industriegesellschaft zusammen sowie damit, dass mit der Automatisierung industrieller Arbeit das vermeintliche "Normalarbeitsverhältnis" von Männern bedroht schien.
Zeitliche Konjunkturen
Die Automatisierung der Arbeitswelt wurde bereits in den 1950er Jahren und erneut in verdichteter Weise in den 1970er und 1980er Jahren auf breiter gesellschaftlicher Ebene erörtert. Diese Konjunkturen sind wenig überraschend. Die Entwicklung von Computern und die damit verbundenen Vorstellungen eines "Elektronengehirns" lösten in engem Zusammenhang mit der Kybernetik als Wissenschaft der Steuerung und Regelung in den 1950er Jahren eine Automatisierungsdebatte aus, auch wenn Automatisierungsprozesse und Computerisierung erstens nicht gleichzusetzen sind und zweitens zu dieser Zeit weitaus stärker Gegenstand des Diskurses als Realität der Arbeitswelt waren. Insbesondere der Einsatz von (rechnergestützt) numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen (NC/CNC) in Fabriken seit den 1950er Jahren, aber auch erste Automatisierungen, beispielsweise in der Erdöl- und der chemischen Industrie, sorgten für Diskussionen. Der Einsatz von Industrierobotern seit den 1970er Jahren, die Mikroelektronik und die Hoffnungen auf computerintegrierte Produktion in den 1980er Jahren bildeten den Hintergrund für eine erneute gesellschaftliche Debatte. Nach einer euphorischen Phase mit hohen Erwartungen kehrte in den 1980er Jahren allerdings Ernüchterung ein, nachdem man vielfach feststellen musste, dass die Potenziale der Automatisierung überschätzt worden waren.[7] Nach einer Phase der sogenannten angemessenen Automatisierung lässt sich heute, insbesondere unter dem Stichwort "Industrie 4.0", ein neuer Automatisierungsschub beobachten, der nun unter dem Schlagwort "Digitalisierung" behandelt wird.Der Diskurs war durchgängig von einer Polarisierung charakterisiert, die sich gleichfalls bis heute findet. Während von Unternehmen, Management und Ingenieuren tendenziell die Vorteile der Automatisierung, ja ihre Notwendigkeit für Wohlstand und Fortschritt im eingangs genannten Sinn betont wurden, drehten sich die Argumente von Soziologen, Medien und Gewerkschaften weitaus stärker um die Gefahren der Automatisierung, vor allem um das Verschwinden der Arbeit, die Ersetzung des Menschen und mögliche Dequalifizierungsprozesse.
Diskurse um Technik sind immer auch Legitimations- und Aushandlungsprozesse sowie Teil eines Verständigungs- und Bewältigungsprozesses. Sie verweisen auf Leitbilder zur Arbeit, zur Gesellschaft und zum Menschsein. Daher ist es sowohl für die historische Forschung als auch für gegenwärtige Debatten wichtig zu verstehen, dass seit den 1950er Jahren stets ähnliche Argumentationsmuster zu finden sind. Sie verdeutlichen nicht nur den hohen Stellenwert von Erwerbsarbeit in der Gesellschaft, sondern offenbaren auch Konzepte von Arbeitsverhältnissen und -inhalten, Vorstellungen und Erwartungen zur Bedeutung der Menschen im Arbeitsprozess sowie das jeweilige Konzept der Arbeitsgesellschaft.
Ersetzung versus Befreiung
Der Topos der "Ersetzung des Menschen" ist vermutlich die am häufigsten zu findende, medienwirksamste und plakativste Diskursfigur in der Debatte um Automatisierung. Sie ist jedoch vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheint. Sie changiert zwischen, erstens, der Idee der Beseitigung der Fehler- und Störquelle Mensch; zweitens, der Idee der Befreiung der Menschen von monotoner, unangenehmer und körperlich belastender Arbeit; drittens, der Angst vor Ersetzung, die zu Arbeitslosigkeit und, viertens, dem Überflüssigwerden der Menschen im Arbeitsprozess führe.Störquelle Mensch.
Seitens Ingenieuren und Management wurde die Ersetzung des Menschen häufig gleichgesetzt mit der Überwindung der menschlichen Fehlerhaftigkeit, mit höherer Produktivität und präziseren Arbeitsprozessen. Vor allem unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Beginn der 1950er Jahre wurde dies deutlich in Vorstellungen einer "menschenleeren Fabrik". Besonders prägnant formuliert findet sich diese Vision in einem vielzitierten englischem Beitrag in der Zeitschrift "Fortune" aus dem Jahr 1946, der das Programm der Ersetzung von Menschen bereits im Titel führte: "Machines Without Men". Die Autoren beschrieben eine automatisierte Fabrik, in der flexible Maschinen billige Produkte herstellen. Die mit Sensoren ausgestatteten Maschinen würden besser arbeiten als Menschen, besser sehen, besser hören, besser tasten und besser Information verarbeiten. Automatisierung schien eine reibungslose, ununterbrochen ablaufende, fehlerfreie Produktion zu versprechen. Der Mensch wurde dagegen als Grenze der Automatisierung wahrgenommen; die Technik sei ihm in einer Weise überlegen, dass sie auf den unvollkommenen Menschen Rücksicht nehmen müsse. "Die begrenzte Reaktionsgeschwindigkeit des Menschen", so wurde beispielsweise konstatiert, "konnte mit der Arbeitsgeschwindigkeit der Maschinen häufig nicht mehr Schritt halten".[8] Der Mensch, so die häufige Feststellung, blieb hinter der Maschine zurück. Das Ideal einer vollautomatischen Fabrik sei "eine Anlage, die man durch einen Knopfdruck anlässt, die dann mit höchstem Wirkungsgrad ganz ohne menschliches Zutun weiterläuft, bis sie durch einen anderen Knopfdruck abgestellt wird".[9] Prinzipiell bestehe kein Zweifel, "daß man den Menschen grundsätzlich als durch ein technisches Gebilde ersetzbar ansehen kann".[10]
Ersetzung als Befreiung.
Bald, bereits seit Mitte der 1950er Jahre, hielten sich Ingenieure und Unternehmensvertreter allerdings damit zurück, diese Erwartungen eindeutig zu formulieren – eine interessante Verschiebung im Automatisierungsdiskurs. Das Bild der "menschenleeren Fabrik" wurde fortan nicht gleichermaßen unbefangen als Vorteil dargestellt. Zu sehr war es zu einem von Gewerkschaften und Medien immer wieder gezeichnetem Schreck- und Feindbild geworden. Stattdessen wurde die "Befreiung" des Menschen hervorgehoben. In den 1970er Jahren war beispielsweise nicht mehr von Ersetzung die Rede, sondern von der "Befreiung vom Takt", von schwerer körperlicher, monotoner oder gefährlicher Arbeit zugunsten anspruchsvollerer, verantwortlicherer (Steuerungs-)Tätigkeiten. Automatisierung wurde daher bereits seit den 1950er Jahren und erneut in den 1970er und 1980er Jahren auch als Überwindung der Restriktionen und Unmenschlichkeiten des Taylorismus gedeutet.

Ersetzung und Angst vor Arbeitslosigkeit.
Dies prägt insbesondere den Diskurs der Gewerkschaften und Soziologen, eng verbunden mit Bedenken wegen möglicher Dequalifizierungsprozesse. Bereits in den 1950er Jahren hatte der Kybernetiker Norbert Wiener dramatische Bilder gemalt. Das Problem der Arbeitslosigkeit als Preis der Automatisierung sei "eine sehr wesentliche Schwierigkeit der modernen Gesellschaft".[17] Während in der Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren nahezu Vollbeschäftigung herrschte, was dem Diskurs um Arbeitslosigkeit seine Brisanz nahm, änderte sich dies in den 1970er und 1980er Jahren im Verlauf von zwei Ölpreiskrisen und wirtschaftlicher Rezession. Das Schreckgespenst der menschenleeren Fabrikhallen prägte den gewerkschaftlichen Diskurs und noch viel stärker den medialen. Vor allem im Roboter fanden diese Ängste ihr anschauliches Symbol. "Der Robby kommt" oder "Neue Roboter lösen den Monteur ab" lauteten beispielsweise Schlagzeilen.[18] Vom "Unternehmertraum von einer menschenleeren Fabrik",[19] den Robotern, die "den Menschen verdrängen"[20] oder "Arbeitslose produzieren"[21] war vielfach zu lesen, so beispielsweise in der Mitgliederzeitschrift der IG Metall. Der "Spiegel" machte die Ersetzung des Menschen zum Thema auf einigen Covern, wie etwa 1978: "Fortschritt macht arbeitslos" behauptet das Titelbild und zeigt einen kleinen, hilflos wirkenden Arbeiter, der vom Roboter weggetragen zu werden scheint (Abbildung). Auch heute, in den Diskussionen um Industrie 4.0, ist die Angst vor der sogenannten technologischen Arbeitslosigkeit ein zentraler Topos. Sie scheint das häufigste Motiv im Kontext von Diskursen um die Technisierung der Arbeitswelt zu sein, von den Anfängen der Industriellen Revolution bis in die Gegenwart.
Anthropologische Angst vor der Ersetzung.
Der Topos der "Ersetzung des Menschen" hat eine weitere Dimension. Insbesondere in den 1950er Jahren wurde angesichts der Möglichkeit, dass Technik, vor allem das sogenannte Elektronengehirn, den Menschen ersetzen könne, Erschrecken geäußert. Wiener sprach von der "unheimlichen Fähigkeit" der Maschinen, "menschliches Verhalten nachzuahmen".[22] Dies berührte das menschliche Selbstverständnis als homo laborens. Denn in einer Arbeitsgesellschaft, in der Arbeit als zentral für gesellschaftliche Integration und Teilhabe, zur Existenzsicherung, für gesellschaftliche Reputation sowie Identitätsstiftung galt, bedrohte ihr Verlust die Selbstbeschreibungen und das Selbstverständnis der Menschen.
Die Sorge um die Position des Menschen im Arbeitsprozess durchzieht die Debatten seit den 1950er Jahren, und auch im Kontext von Industrie 4.0 spielt sie wiederum eine erhebliche Rolle. Hier finden sich allerdings Konjunkturen und Wandlungen im Diskurs. In den 1950er Jahre dominierte das Entsetzen über die Möglichkeit, der Mensch sei in all seinen Tätigkeiten, auch den geistigen, ersetzbar.[23] In den 1980er Jahren wurden dagegen im Kontext der Erfahrungen von Grenzen der Automatisierung menschliche Fähigkeiten gleichsam neu entdeckt. Teils triumphal wurde auf die Grenzen der Fähigkeiten von Robotern sowie der Automatisierungsprozesse und die Unersetzbarkeit des Menschen in einer flexibilisierten Produktion hingewiesen.[24] Hier zeigte sich wiederum der Unwillen der Menschen, ersetzt zu werden.
Ende der Arbeitsgesellschaft versus Kompensationsthese
Der Topos der "Ersetzung des Menschen", der einerseits Fortschritts- und Wohlstandsversprechen einer von anstrengender Arbeit befreiten Welt, andererseits Angst vor Arbeitslosigkeit, Existenzverlust und dem Überflüssigwerden des Menschen in anthropologischer Hinsicht implizierte, war, wiederum seit den 1950er Jahren, eng verknüpft mit dem Topos des "Endes der Arbeitsgesellschaft". Für eine Gesellschaft, die sich wesentlich über Erwerbsarbeit definierte, war die Frage nach der Bedeutung und dem Stellenwert von Arbeit zentral, nicht nur in anthropologischer, sondern vor allem auch in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht. Das Verhältnis von Muße, Freizeit und Arbeit wurde intensiv diskutiert.Vor dem Hintergrund der "Ächtung des Müßiggangs"[25] verwundert es nicht, dass bereits im frühen Automatisierungsdiskurs der 1950er Jahre sorgenvolle Kommentare die Debatte bestimmten. Teils wurde nun versucht, Muße gesellschaftlich zu legitimieren. So war in den "Gewerkschaftlichen Monatsheften" die Rede von der "ruhigen, der Selbstbesinnung gewidmeten Stunden der Muße".[26] In der "VDI-Zeitschrift" wurde bereits 1951 betont, dass Muße doch das eigentlich Menschliche sei.[27] Häufiger wurde ein Zuviel an Freizeit jedoch als verhängnisvoll eingeschätzt. Auch in den "Gewerkschaftlichen Monatsheften" fanden sich kritische Stimmen: "Es wäre naiv zu meinen, die Menschen wüssten, was sie mit dieser Zeit anfangen sollen." Betont wurde, dass es keine "geschichtliche Erfahrung (gäbe), die uns einen tragfähigen Ansatz bieten könnte, die Frage einer wirklichen Muße der Masse in der rechten Weise anzugehen".[28] Ähnlich beklagte der Wirtschaftswissenschaftler Edgar Salin die Auflösung des "christlich-jüdischen Arbeitsbegriffs"; darin liege die "größte und drohendste Unbekannte" der Automatisierung.[29] Die Philosophin Hannah Arendt bemerkte, bis heute vielzitiert, 1958: "Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, als die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?"[30] Dramatisch sei die Situation, weil die moderne Arbeitsgesellschaft "höhere Tätigkeiten" verlernt habe. Günther Anders äußerte die Überzeugung, dass der "Mensch ohne Arbeit, zu der er nun einmal verflucht ist, nicht leben kann".[31]
In den 1970er und 1980er Jahren wiederholte und intensivierte sich, nun in einer ökonomisch krisenhafteren Zeit, die Debatte um das Ende der Arbeitsgesellschaft. Automatisierung war inzwischen ein realer Prozess, nicht mehr nur der antizipierende Diskurs, wie es zumeist in den 1950er Jahren noch der Fall war. Nicht nur in den Medien war das Ende der Arbeitsgesellschaft immer wieder Thema. Es entspann sich ein Diskurs, der von Soziologen, Philosophen und Ökonomen geführt wurde und sich bis zum Anfang des neuen Jahrtausends erstreckte. Im "Merkur" diagnostizierte Ralf Dahrendorf 1980, dass der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgehe.[32] Der deutsche Soziologentag tagte 1982 unter dem Motto "Krise der Arbeitsgesellschaft", wenngleich mit Fragezeichen versehen.[33] Der Zukunftsforscher Jeremy Rifkin sprach 1995 vom "Ende der Arbeit", und 2000 verhandelte der Sozialphilosoph André Gorz "Arbeit zwischen Misere und Utopie".[34] Die Prognosen zum Ende der Arbeitsgesellschaft waren begleitet von Forderungen nach einem Grundeinkommen, die teils auch heute wieder zu finden sind.
Gegen die Unkenrufe vom Ende der Arbeitsgesellschaft wurde die sogenannte Kompensationsthese gesetzt: Verschwindende Arbeitsplätze würden stets durch neu entstehende kompensiert und daher könne keine Rede vom Ende der Arbeitsgesellschaft sein.[35] Bereits im 19. Jahrhundert wurde, nicht zuletzt auch bei Marx und der zeitgenössischen Ökonomie, erörtert, ob "alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und notwendig ein adäquates Kapital zur Beschäftigung derselben identischen Arbeiter freisetzt".[36]
Historisch betrachtet ist die Persistenz der Ängste vor Arbeitslosigkeit und dem Ende der Arbeitsgesellschaft bemerkenswert, weil die Entwicklungen, mit denen sie verbunden waren, mit einer Erhöhung der Erwerbsquote einhergingen und das Ende der Arbeitsgesellschaft nicht kam. Die Ängste scheinen daher, so wird heute häufig argumentiert, irrational, unnötig und die Kompensationsthese treffender zu sein. Doch greift diese Sichtweise zu kurz. Notwendig ist ein geschärfter Blick auf die Konzepte, die Rhetorik und die impliziten Vorstellungen, die sich im Diskurs zeigen.
Der Topos von der "Ersetzung" beziehungsweise des "Verschwindens der Arbeit" entspricht erstens einer anthropozentrischen Sichtweise, denn die Arbeit verschwindet nicht, sondern sie wird von Technik, von Maschinen gemacht. Sie verschwand in Teilen für den Menschen, der sich bislang als zentral in Arbeitsprozessen dachte. Es ist zweitens eine Perspektive westlicher Industriestaaten, keine globale. Und drittens offenbaren die Diskurse bis in die 1980er Jahre hinein, wie stark aus der Perspektive der Industriegesellschaft argumentiert wurde. Dies betraf nicht nur das Verschwinden der körperlichen Arbeit, sondern vor allem die Gleichsetzung des Verschwindens bestimmter Formen der Industriearbeit mit dem Ende der Arbeitsgesellschaft. So konstatierte beispielsweise Dahrendorf 1982 in der "Zeit": "Der Weg zurück in die Arbeitsgesellschaft ist uns verbaut."[37] Auch Gorz war von einem solchen Pessimismus geleitet: "Die mikroelektronische Revolution leitet das Zeitalter der Beseitigung der Arbeit ein."[38] Die Analyse des Diskurses verdeutlicht das Verhaftetsein in Kategorien der Industriegesellschaft, das den Wandel als ein Ende interpretierte. Gleichwohl beschrieb der Diskurs einen historischen Prozess, wenngleich er heute treffender als Transformationsprozess denn als Ende der Arbeitsgesellschaft gefasst werden kann. Sichtbar wird aber vor allem, gerade in der Persistenz der Ängste, die Bedeutung von Erwerbsarbeit sowohl für die Gesellschaft als auch für das menschliche Selbstverständnis.
Fazit und Ausblick
Die Art und Weise, wie Arbeit organisiert wird, bestimmt Lebensweisen, Konsum, Identität und, in einer Arbeitsgesellschaft wie der der westlichen Gesellschaften seit dem 18. Jahrhundert, auch die Frage der Selbstdeutungen der Menschen. Die Automatisierungsdiskurse, insbesondere in den 1950er bis in die 1980er Jahre, machen diese gesellschaftliche und anthropologische Bedeutung von Arbeit überdeutlich. Auffällig ist die Persistenz der eng verknüpften Topoi der "Ersetzung des Menschen", des "Verschwindens der Arbeit" und des "Endes der Arbeitsgesellschaft".Heute haben sich, auch im Zuge der Digitalisierung, neue Formen der Arbeit ausgebildet. Die damit verbundenen Diskurse sind noch detailliert zu untersuchen, drehen sich jedoch offensichtlich um die Ambivalenzen neuer Selbstständigkeit, Freiheit und Flexibilität einerseits und Prekarisierung und Ausbeutung andererseits. Darüber hinaus gleichen die Argumentationsfiguren auffällig den hier beschriebenen. Das "Ende der Arbeit" und die "Ersetzung des Menschen" durch Maschinen sind wieder Thema;[39] Berechnungen, welche Jobs verschwinden könnten, welche sozialen Gruppen betroffen sind, werden diskutiert.[40]
Die Persistenz der Argumentationsfiguren mag den Eindruck erwecken, es handle sich um die stets gleichen Bedenken, um aufgeregte Diskurse, die sich im Laufe der Zeit als haltlos erweisen werden, gleichwohl aber bei jedem Automatisierungsschub erneut auftauchen. Gleichwohl wäre diese Lesart, wie bereits angedeutet, zu einfach und würde die historische Entwicklung unterschätzen. Sicher, Arbeit verschwand nicht. Doch handelte es sich um gravierende Transformationsprozesse. Ein Diskurs um Technik ist immer auch ein Aushandlungsprozess über das, was gesellschaftlich erwünscht und machbar ist. Selten tritt genau das ein, was versprochen und befürchtet wird, zumal die Akteure zumeist ihrer Zeit verhaftet bleiben und die zukünftigen gesellschaftlichen Veränderungen aufgrund der Komplexität und des Zusammenwirkens verschiedener technologischer Entwicklungen nicht vorauszusehen sind. Mit der Automatisierung der Arbeitswelt ging jedoch das Verschwinden von Tätigkeiten und von Berufen einher, und sektorale Verschiebungen traten ein. Die Entstehung neuer Arbeitsplätze und Tätigkeitsfelder bedeutete massive Veränderungen der Arbeitswelt, der Arbeitserfahrungen, der Qualifikationen und Berufsstrukturen. Automatisierungsprozesse erzeugten immer auch Verlierer: Arbeitskräfte, deren Qualifikationen und Kompetenzen nicht den neuen Jobs entsprachen.
Die Veränderungen, die mit dem derzeitigen Digitalisierungsschub bevorstehen, sind noch nicht absehbar. Eine Tendenz seit Beginn der Verwendung von Computern im Arbeitsprozess scheint jedoch unverkennbar: Computer, Roboter, Automatisierung durchdringen immer mehr Bereiche. Es gelingt, sie immer mehr Tätigkeiten übernehmen zu lassen. Die Zahl der "technischen Delegierten" (Bruno Latour) steigt. Sie schreiben einfache Sportreportagen, beraten Finanzberater, ersetzen Lehrende und werden teils schon an Hotelrezeptionen eingesetzt. Ob dies zu einer "Ersetzung des Menschen" führen wird, zu neuen Jobs für Menschen, während die alten von Robotern übernommen werden, oder zu einer ganz neuen Form der Mensch-Computer-Kollaboration, wie es derzeit im Diskurs um Industrie 4.0 betont wird, bleibt abzuwarten. Die Tätigkeiten und Strukturen der Arbeitswelt werden sich mit der Digitalisierung verändern, wenn auch vermutlich in anderer Weise, als es derzeit debattiert wird. Der erneute Diskurs ist aber als Teil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse unabdingbar, auch mit den altbekannten Argumenten.