Die SED und die Schriftsteller 1946 bis 1956
Schriftsteller hatten für die SED einen besonderen Stellenwert. Sie sollten mehr als nur Künstler sein und im Rahmen der SED-Politik aktiv an der "sozialistischen Umgestaltung" der Gesellschaft mitwirken.I. Einleitung
"Vorbei ist es auch mit der ,repräsentativen' Rolle, die Autoren in der alten DDR teilweise zukam: Ersatzöffentlichkeit, stellvertretend Redende, Beichtväter und -mütter, Stimmen der Stimmlosen, usf." [1] Dieser "übersteigerte Anspruch und das große öffentliche Prestige der Schriftsteller und Künstler" wurden mit "den im Verhältnis zum Westen ungleichzeitigen Systembedingungen einer vormodernen, geschlossenen Gesellschaft" [2] sowie mit den Traditionen der Arbeiterbewegung erklärt, die dem geschriebenen Wort eine sehr große Bedeutung beimesse [3] . Ostdeutsche Schriftsteller mussten seit der Wende die Erfahrung machen, zwar alles sagen und schreiben zu dürfen, in der ungewohnten Vielstimmigkeit einer pluralistischen Öffentlichkeit aber nur schwer Gehör zu finden. Auch bedurfte die bundesdeutsche Gesellschaft keiner durch Schriftsteller geschaffenen oder vermittelten Ersatzöffentlichkeit, da 1989 "die Codes der indirekten Rede zu großen Teilen ausgedient" hatten [4] .Doch in den vierzig Jahren DDR hatten die Schriftsteller einen besonderen Stellenwert eingenommen. Sie sollten mehr als nur Künstler sein und im Rahmen des Politikkonzepts der SED aktiv an der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft mitwirken. Es wäre aber verfehlt, die starke Loyalität vieler Schriftsteller zu ihrem Staat nur als Folge des auf sie ausgeübten Drucks zu erklären, denn es "muss in der Sache selbst eine wirkliche Identifikation gegeben haben" [5] .
Dieses enge Verhältnis zwischen Staat und Literatur reichte weit zurück. In der ersten Dekade nach 1945 warben SED und Sowjetische Militäradministration (SMAD) um die Rückkehr möglichst vieler hochkarätiger Emigranten. Kennzeichen jener Jahre war die Überzeugung von der Erziehungsfunktion der Literatur, die erst in den sechziger Jahren vom "Utopieverlust der Nachgeborenen" abgelöst wurde [6] . Die kulturelle Vielfalt der Anfangszeit wich rasch einer Stalinisierung auch der Kulturpolitik. In zwei Krisen zeigt sich die ganze Komplexität der Bemühungen um die Schriftsteller: Am 17. Juni 1953 hielten die Schriftsteller sich mehrheitlich abseits, während sie sich in der Herbstkrise 1956 (Ungarn) erstmals zu Wort meldeten. 1956/57 wurde daraufhin mit den "intellektuellen Rebellen" (Melvin Croan) abgerechnet. Hier lagen zugleich die Wurzeln jener Entwicklung, die auf der einen Seite zum "Bitterfelder Weg", auf der anderen Seite zu den regimekritischen Schriftstellern führen sollte.