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Aufwertung der elterlichen Erziehungsarbeit in der Einkommensverteilung | Familienpolitik | bpb.de

Familienpolitik Editorial Aufwertung der elterlichen Erziehungsarbeit in der Einkommensverteilung Das Konzept "Erziehungsgehalt 2000" Politikgestaltung durch das Bundesverfassungsgericht am Beispiel der Familienpolitik

Aufwertung der elterlichen Erziehungsarbeit in der Einkommensverteilung Grundlagen, Möglichkeiten und Grenzen eines "Erziehungseinkommens"

Max Wingen

/ 23 Minuten zu lesen

Im Januar 1999 gab das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zur einkommensteuerlichen Freistellung des zum Existenzminimum zu zählenden Betreuungs- und Erziehungsbedarfs von Kindern bekannt. Dies hat den Bestrebungen um eine Anerkennung der elterlichen Erziehungsarbeit neuen Auftrieb gegeben.

Einleitung

"Die Kinderbetreuung ist eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt."

Diese Feststellung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seiner im Januar 1999 bekanntgegebenen Entscheidung hat erneut die Dringlichkeit der Frage unterstrichen, inwieweit eine auch finanzielle Anerkennung nicht nur berechtigt wäre, sondern auch problemangemessen ist. Der Entscheidung zufolge gehört über den sächlichen Unterhaltsbedarf von Kindern hinaus auch deren Betreuungs- und Erziehungsbedarf zum einkommensteuerfrei zu stellenden Existenzminimum. Eine solche Anerkennung kommt schon darin zum Ausdruck, dass der Betreuungs- und Erziehungsbedarf von Kindern nicht der reinen ,,Individualsphäre" der privaten Einkommensverwendung zugerechnet wird, sondern zumindest in der Höhe des sozialkulturellen Mindestbedarfs als die steuerliche Leistungsfähigkeit mindernd von der Einkommenbesteuerung auszunehmen ist. In diesem Kontext ist die Entscheidung des BVerfG zu sehen (das auch nur in diesem Kategorienrahmen zu entscheiden hatte). Eine Anerkennung kann aber auch darüber hinaus zu einer einkommenspolitischen Leistung führen, die jenseits dieses rein einkommensteuerlichen Bezugsrahmens liegt.

I. Entgelt für Familienarbeit?

Hier knüpfen die familienpolitischen Vorschläge an, die in die Richtung einer finanziellen ,,Honorierung" elterlicher Betreuungs- und Erziehungsleistung zielen und ein förmliches ,,Erziehungsgehalt" in die Diskussion gebracht haben. Nun müssen aber sowohl bei einer inhaltlichen Erweiterung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums des Kindes als auch bei Vorstellungen über ein ,,Entgelt" für elterliche Erziehungsleistung in einem breiteren einkommenspolitischen Ansatz mit Blick auf eine familiengemäße Einkommensgestaltung auch die kostenlosen (oder mehr oder weniger stark öffentlich subventionierten) sozialen Dienstleistungen (u. U. auch Sachleistungen) mit berücksichtigt werden. Die Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von so genannten ,,Realtransfers", die in ihrer ökonomischen Wirkung dazu führen, dass insoweit Kinderkosten gar nicht erst entstehen. Hier ist nämlich an das in der'familienpolitischen Diskussion häufig etwas vernachlässigte Ineinandergreifen von zwei verschiedenen Grundformen der (real)einkommenswirksamen Berücksichtigung von Aufwendungen für das Aufziehen von Kindern zu erinnern : Eine mehr oder weniger nachhaltige Minderung der Einkommensbelastungen durch Kinder kann zum einen durch entsprechende Erhöhungen des verfügbaren Einkommens der Familienhaushalte geschehen, zum anderen aber auch dadurch, dass die in der einzelnen Familie anfallenden, durch Kinder bedingten Aufwendungen bereits in ihrer Entstehung möglichst niedrig gehalten werden.

Die zweite Grundform umfasst verteilungspolitische Maßnahmen auf der Seite der Einkommensverwendung sowie im Rahmen der unmittelbaren kollektiven, d.h. ohne spezielles Entgelt erfolgenden Bedarfsdeckung. Die nicht wenigen - je nach Sozialordnung deutlich unterschiedlich ausgeprägten - Leistungen für Kinder als ,,Realtransfers" sind an die Inanspruchnahme bestimmter Güter oder öffentlicher Leistungen gebunden. "Kinderkosten" senkende, vorwiegend aus allgemeinen Steuermitteln finanzierte Maßnahmen im Bereich der unmittelbaren kollektiven Bedarfsdeckung liegen vor allem auf dem Gebiet des Bildungswesens (z. B. Schulgeld-, Lernmittel- und Fahrtkostenfreiheit; kostenlose oder bei weitem nicht kostendeckende Inanspruchnahme von außerhäuslichen Kinderbetreuungseinrichtungen und Einrichtungen der Vorschulerziehung).

Das Ergebnis der verteilungspolitischen Interventionen auf der Seite der Einkommensverwendung und der kollektiven Bedarfsdeckung schlägt sich in der Höhe der in den einzelnen Familien anfallenden Aufwendungen für Kinder nieder. Deshalb ist es zur familienpolitisch problemangemessenen Beurteilung der den Familien verbleibenden kinderbedingten Einkommensbelastungen - also der ,,individualisierten" Kosten des Aufziehens der nachwachsenden Generation - wie auch für einen über einen bedarfsorientierten Ausgleich dieser Belastungen hinausreichenden Familienleistungsausgleich notwendig, die Wirksamkeit dieses zweiten verteilungspolitischen Grundansatzes stets mit zu sehen und zu berücksichtigen. Dann werden mit Blick auf das Aufziehen von Kindern durch die Ausgestaltung der sozialen Dienstleistung ,,Kinderbetreuung" von der ökonomischen Seite her Ungleichheiten dort sichtbar, wo diese ,,Realtransfers" Familien in sehr unterschiedlichem Ausmaß zugute kommen. Während die einen, die z. B. die Einrichtungen der außerhäuslichen Kleinkindbetreuung in Anspruch nehmen, im wirtschaftlichen Ergebnis in den Genuss u. U. relativ hoher öffentlicher Subventionen kommen, gehen diese Realtransfers an den Familien vorbei, die ihre Kleinkinder ganz selbst versorgen. Hier stellt sich die dringliche Frage, inwieweit eine Familienpolitik, die den Eltern Freiräume für die Verwirklichung unterschiedlicher familialer Lebensmuster zu sichern sucht, nicht auch ökonomisch möglichst gleiche Voraussetzungen schaffen sollte, unter denen Eltern zwischen familialen und außerfamilialen Betreuungsformen wählen können

. Erst wenn einer weitgehend von der öffentlichen Hand subventionierten sozialen Dienstleistung in außerhäuslichen Betreuungseinrichtungen eine vergleichbare monetäre Transferleistung an diejenigen Eltern gegenübersteht, die sich für eine Eigenbetreuung des Kleinkindes entscheiden, lässt sich auch der notwendige Umfang einer ,,bedarfsgerechten" außerhäuslichen Betreuung wirklich benennen.

Paul Kirchhof, bis vor wenigen Monaten Bundesverfassungsrichter und als Berichterstatter maßgeblich an der zu Eingang erwähnten Entscheidung des BverfG beteiligt, hat unlängst in einem Aufsatz zur Bedeutung von Ehe und Familie für eine freiheitliche Gesellschaft an diesen weiteren einkommenspolitischen Zusammenhang angeknüpft. Ausgehend von den Betriebskosten (einschließlich kalkulatorischer Einrichtungskosten) für einen kommunal angebotenen Krippenplatz in Baden-Württemberg (Anfang der neunziger Jahre in Höhe von annähernd 2 000 DM im Monat), zieht er behutsam den Schluss

: Würde der Gesetzgeber Überlegungen zu strukturellen Neuerungen für einen wirtschaftlichen Rahmen der Familienautonomie aufnehmen ,,und betroffenen Eltern ein entsprechendes Erziehungsgehalt anbieten, so gewännen diese Familien in der Gegenwart ähnliche wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten wie die Kinderlosen, würden also wegen der Erfüllung einer unverzichtbaren Verfassungsvoraussetzung ökonomisch nicht benachteiligt". Diese Äußerung hat der seit einiger Zeit schwelenden Diskussion um ein ,,Erziehungsgehalt" zusätzlichen Auftrieb gegeben.

Diese Diskussion, in der eine Reihe von modellhaften Vorschlägen zur auch finanziellen Anerkennung von elterlicher Betreuungs- und Erziehungsarbeit vorgelegt worden sind, hat - um dies vorwegzunehmen - eines ganz deutlich gemacht: Es ist weniger denn je vertretbar, in den Kategorien eines auf Erwerbsarbeit verengten Arbeitsverständnisses zu denken. Hier sind einkommenspolitische Konsequenzen erforderlich - nicht nur im Bereich der (Klein)kindbetreuung und -erziehung, aber auch hier. Gleichwohl hat die Diskussion um ein ,,Erziehungsgehalt" zu durchaus kontroversen Voten und auch deutlich ablehnenden Stellungnahmen geführt, wozu sicherlich nicht zuletzt die Bezeichnung beigetragen hat. In der gedanklichen Auseinandersetzung um eine neue Dimension der Verteilungspolitik wird auch darauf zu achten sein, dass in der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung nicht noch einseitig auf das Ökonomische ausgerichtete Denkstrukturen in einem Lebensbereich begünstigt werden, dem sie allein nicht voll gerecht werden. Deshalb erscheint die Wortwahl nicht unwichtig. Von Erziehungs-,,Gehalt" (oder ,,Elterngeld") zu sprechen kann wegen der damit verbundenen Bedeutungsverbindung (negative Konnotation) mancherlei Befremden auslösen. Aus der Sache heraus, um die es geht, erscheint das zwar nicht unbedingt begründet, aber für die Konsensbildung mit Blick auf die'Zielsetzung und für die praktisch-politische Durchsetzung zieladäquater Instrumente ist es eher abträglich. Die Bezeichnung "Erziehungseinkommen" könnte hier vielleicht am ehesten dem zu regelnden Sachverhalt entsprechen. Denn es gilt, deutlich zu machen, dass im Wandel von der Erwerbsgesellschaft zur Tätigkeits- und Teilhabegesellschaft neben dem aus Erwerbsarbeit begründeten Einkommen (Erwerbseinkommen) ein aus - auch gesellschaftlich wichtiger - familialer Betreuungs- und Erziehungsarbeit begründetes und deshalb insoweit auch gesellschaftlich mitfinanziertes Ergänzungs- und in gewissem Grad Alternativeinkommen (Erziehungseinkommen) seinen Platz haben muss. Die nicht ganz glückliche Terminologie hat - unnötigerweise - einen Beitrag zur Verfestigung eher ablehnender Positionen auch deshalb geleistet, weil sie die Vorstellung eines Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisses zwischen Staat und Eltern begünstigen kann und überdies die besorgte Frage auslösen mag, ob eben dieser Staat nicht über kurz oder lang versucht sein könnte, den Erfolg der elterlichen Erziehungsarbeit zu kontrollieren.

Der Grundgedanke einer einkommenspolitischen Berücksichtigung von elterlicher Erziehungsarbeit

ist in der familienwissenschaftlichen Diskussion nicht neu. Bei genauerem Hinsehen lässt sich - wie nicht nur in der Familienpolitik - eine lange ,,Inkubationszeit" für weiterführende Konzepte ausmachen. Schon Mitte der sechziger Jahre hatte der Hamburger Sozialhygieniker (und seinerzeit Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie und Jugend) für ein ,,Mütterpflegeausgleichsgeld" plädiert. Ende der sechziger Jahre hatte der damalige Bundesarbeitsminister Hans Katzer dann ein Gutachten zum Thema ,,Muttergeld" veranlasst. Daran konnten wiederum spätere Diskussionen um ein ,,Familiengeld" ebenso anknüpfen wie entsprechende Voten der Sachverständigenkommissionen für den Zweiten und Dritten Familienbericht (1975 und 1979) zu einem ,,Erziehungsgeld", das 1986 (mit einer zunächst zehnmonatigen und später schrittweise auf zwei Jahre verlängerten Laufzeit) eingeführt wurde. In Kombination mit einer Freistellung für Erziehungsarbeit (Erziehungs,,urlaub") und einer (zunächst sehr bescheidenen) Anrechnung von Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung war dies ein innovativer Schritt, dem aber nicht konsequent weitere Schritte in dieser Richtung gefolgt sind. Inzwischen bedürfte diese Leistung, was ihre Höhe, die Einkommensgrenzen der Bezugsberechtigung, die Laufzeit sowie die zu wenig flexible Ausgestaltung mit Blick auf individuelle Familienbedürfnisse angeht, längst einer grundlegenden ,,Generalüberholung". Hier liegt eine Aufgabe für die vorgesehene Weiterentwicklung zu einem ,,Elterngeld", wie sie in der Regierungserklärung vom Oktober 1998 angekündigt ist.

Dem bestehenden Erziehungsgeld liegt eine mehrfache Zielsetzung zugrunde: Es ist bedarfsorientiert mit Blick auf die Einkommenslage von jungen Familien, und zwar insbesondere dort, wo infolge der Eigenbetreuung des Kleinkindes durch diese einkommenspolitische Leistung (einkommensabhängig) ein wenigstens teilweiser Ausgleich für ein anderenfalls durch Erwerbstätigkeit zu erzielendes Einkommen bewirkt werden kann. Darüber hinaus sollen aber auch die elterlichen Leistungen der Kinderbetreuung und -erziehung finanziell anerkannt, und nicht zuletzt soll damit von der ökonomischen Seite her in der frühkindlichen Phase eine elterliche Betreuung begünstigt werden. Das Erziehungsgeld mit seiner Mischzielsetzung, wie sie sich auch aus der offiziellen Begründung ergibt, steht auf der Grenze von einem an der Bedarfsgerechtigkeit orientierten Familienlastenausgleich und einem an der Leistungsgerechtigkeit orientierten Familienleistungsausgleich.

II. "Erziehungsgehalts"-Konzepte im Überblick

Die in die familienpolitische Diskussion eingebrachten Voten für ein Erziehungseinkommen bzw. ,,Erziehungsgehalt" setzen im Grunde an diesem Punkt der Weiterentwicklung einer familiengemäßen Einkommensgestaltung von einem Familienlastenausgleich in Richtung eines ,,Leistungsausgleichs" an. Damit sind sie Ausdruck einer angestrebten zusätzlichen Schwerpunktsetzung der Familienpolitik als Einkommenspolitik. Sie gehen teilweise deutlich über eine Aktualisierung des Erziehungsgeldes hinaus und verstehen sich als neues Paradigma für die wirtschaftliche Familienförderung. Solche Konzepte umfassen meist das bestehende Erziehungsgeld mit, das in der neuen einkommenspolitischen Leistung aufgehen soll.

Die verschiedenen in den letzten Jahren vorgelegten modellhaften Vorschläge, in denen meist von einem ,,Erziehungsgehalt" gesprochen wird, sind im Folgenden aufgeführt und - vor allem hinsichtlich ihres Leistungsspektrums - stichwortartig umrissen.

1. Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA)

Das Erziehungsgehalt ist in der Höhe bei einem Haushalt mit zwei bis drei Kindern unter sieben Jahren vergleichbar mit einem auf dem Arbeitsmarkt erzielten durchschnittlichen Einkommen; je Kind netto mindestens in der Höhe der Betriebskosten außerhäuslicher Kindertagesbetreuung; bis zum Alter von drei Jahren des Kindes in voller Höhe als Geldleistung; vom vierten Lebensjahr bis zum Schuleintrittsalter u. U. Splitting in einen Geldbetrag und einen ,,Betreuungsgutschein" für die kostenlose Inanspruchnahme eines halbtägigen Kindergartenplatzes; erwerbsarbeitszeitunabhängig und einkommensunabhängig ausgestaltet; bei vorheriger Reform des Einkommensteuerrechts, der Hinterbliebenenversorgung und des Rechts der Kindererziehungszeiten wird Steuer- und Sozialabgabenpflicht als vorteilhaft angesehen; die Finanzierung soll als gesamtgesellschaftliche Aufgabe durch zusätzliche Finanzmittel aufgrund besonderer gemeinschaftlicher Anstrengungen (besonders durch Umschichtungen) erfolgen, ferner Bündelung mit bisherigem Bundes- und Landeserziehungsgeld, ergänzt durch bestimmte Einspareffekte.

2. Diözesanverband des Familienbundes der Deutschen Katholiken (,,Trierer Modell")

Dieser Vorschlag wurde bereits zu Beginn der neunziger Jahre (verbunden mit dem Namen von Alfred Rollinger) vorgelegt und in den folgenden Jahren weiterentwickelt; orientiert am Bruttoarbeitsentgelt soll die Transferleistung bei einem Kind ein Drittel des durchschnittlichen Verdienstes aller Sozialversichungspflichtigen und bei drei Kindern sogar einen vollen Durchschnittsverdienst ausmachen, und zwar bis zum 18.'Lebensjahr des Kindes, was damit ab drei Kindern einem vollen Lohnersatz entsprechen soll; die Leistung soll steuer- und sozialversicherungspflichtig sein.

3. Deutscher Arbeitskreis für Familienhilfe (,,Erziehungsgehalt 2000")

Bis zum siebten Lebensjahr werden für das erste Kind 2 000 DM monatlich, für das zweite und weitere Kinder je 1 000 DM monatlich gezahlt; vom achten bis 17. Lebensjahr für das erste Kind 1 400'DM, für das zweite und weitere Kinder je 500 DM monatlich; zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr im Rahmen der Gesamtleistung evtl. Erziehungsgutschein (600 DM); bis zum siebten Lebensjahr des Kindes erwerbsarbeitszeitunabhängig und einkommensunabhängig, vom achten bis 17. Lebensjahr einkommensabhängig; für Alleinerziehende ein Zuschlag von 15 Prozent; einkommensteuerpflichtig; Finanzierung (auf der Grundlage detaillierter Rechnungen) durch Umschichtungen und Reduzierung des Ehegattensplittings sowie mögliche Steuersatzsteigerungen (als Option wird z. B. ein ,,Familiensoli" gesehen als Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer), Verwaltung durch einen eigenständigen ,,Bundesfamilienfonds".

4. Deutsche Hausfrauengewerkschaft (dhg)

Als Bezahlung für Hausarbeit (Erziehungsarbeit) wurde schon Mitte der neunziger Jahre eine Vergütung befürwortet, die in der Höhe einem durchschnittlichen Männergehalt entsprechen soll; in den Anspruchsvoraussetzungen unabhängig davon, ob gleichzeitig eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird oder nicht; Erwerbstätige, die einen außerhäuslichen Betreuungsplatz (Kinderkrippe) oder eine Betreuungsperson in Anspruch nehmen, hätten die vollen Kosten dafür (ohne staatliche Subventionen) zu tragen; analog zur Behandlung der Einkommen aus Erwerbsarbeit steuer- und sozialversicherungspflichtig (einschließlich der gesetzlichen Unfallversicherung); zur Finanzierung der als gesamtgesellschaftlich notwendig angesehenen Arbeit wird für durchgreifende Einkommensumverteilung plädiert; bevorzugt wird eine eigenständige Versicherungslösung (,,Elternversicherung", ,,Kinderkasse").

5. Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (,,Weidener Modell")

Das mit dem Namen von Hans Ludwig verbundene Modell, das seinen Ausgang von der Beschäftigungspolitik nimmt, zielt u. a. auf eine bezahlte Freistellung für Erziehung (und Pflege); nach dem Stand von Mitte der neunziger Jahre wird für eine Person im erwerbsfähigen Alter, die mindestens ein Kind unter 16'Jahren zu versorgen hat und nicht gleichzeitig außerhäuslich erwerbstätig ist, ein monatliches Bruttoeinkommen von 4 000 DM gefordert; die betreffende Person muss nicht ein Elternteil, sondern kann auch eine familienfremde Person sein, so dass die Eltern sich entscheiden können, gleichzeitig eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit auszuüben; mit dieser bezahlten Freistellung für Erziehung soll eine eigene soziale Absicherung verbunden sein; für die Finanzierung wird über Akzelerator- und Multiplikator-Effekte und einige weitere gesamtwirtschaftliche Annahmen unterstellt, dass sich das Projekt letztlich selbst finanziert.

6. Ökologisch-Demokratische Partei (ödp)

Nach den ,,Leitlinien zur Familienpolitik" (1996) muss die Erziehung eigener Kinder (und die Pflege von Angehörigen), eine der außerhäuslichen Erwerbsarbeit gleichwertige Erziehungs- und Versorgungsarbeit, als ,,produktive" steuer- und sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bezahlt werden, und zwar derjenigen Person, die die Familienarbeit überwiegend leistet; in der Höhe Orientierung am durchschnittlichen Erwerbseinkommen eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers; zur Finanzierung wird neben Einsparungen an anderer Stelle auf die teilweise Abschaffung des Ehegattensplittings und die Wiedereinführung einer neuen Vermögenssteuer sowie auf Umverteilung (Familienabgaben an eine ,,Familienkasse") verwiesen.

7. Sächsischer Sozialminister Hans Geisler

Ein Erziehungsgehalt wird bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres des Kindes und unabhängig vom Umfang einer eventuellen Erwerbstätigkeit des Erziehenden gewährt: bis zum Ende des dritten Lebensjahres je Kind 1 100 DM monatlich, vom vierten bis zum Ende des sechsten Lebensjahres 800 DM monatlich; da diese Beträge als Nettobeträge gedacht sind, wird bei einer (als sinnvoll angesehenen) eventuellen Sozialabgabenpflicht für eine entsprechende Erhöhung des Bruttobetrags plädiert; in jedem Fall soll bei drei Kindern ein durchschnittliches Arbeitnehmereinkommen erreicht werden; zur Finanzierung Abgabe auf alle Einkommensarten (parallel zur Einkommensteuer) entweder als fester Satz auf das zu versteuernde Einkommen oder als eine Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer; während die Investitionen für außerhäusliche Kindertagesstätten aus öffentlichen Mitteln erfolgen sollen, wird für die Deckung der Betriebskosten an Beiträge der Eltern gedacht, denen das Erziehungsgehalt eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglichen soll, wer in welcher Form wie lange die Kleinkinder betreut.

8. Österreichisches Institut für Familienforschung (,,Kinderbetreuungsscheck")

Der im benachbarten Österreich vom Institut für Familienforschung vorgelegte, sehr detailliert ausgearbeitete Vorschlag enthält im Wesentlichen zwei Modelle (jeweils mit drei Teilinstrumenten), die sich entweder am Karenzgeld oder am Existenzminimum orientieren; bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes für die Hauptbetreuungsperson 5 700 ÖS monatlich bzw. 7 958 ÖS monatlich, und zwar unabhängig von der Zahl der betreuten Kinder und vom Erwerbsstatus; vom fünften bis siebten Lebensjahr des jüngsten Kindes ist ein verringerter Geldbetrag vorgesehen, zu dem ein Gutschein je Kind für die Inanspruchnahme einer anerkannten Kinderbetreuungseinrichtung hinzutritt; daneben steht im gesamten Zeitraum der Leistungsgewährung eine eigenständige Sozialversicherung; zur Finanzierung kann für einen Einstieg auf Mehreinnahmen des österreichischen Familienlastenaussgleichsfonds zurückgegriffen werden; hinzutreten sollen finanzielle Umschichtungen zum Familienfonds; das Finanzierungsvolumen des Gutscheins für die Inanspruchnahme von außerhäuslichen Kinderbetreuungseinrichtungen liegt nach den vorliegenden Berechnungen im Rahmen der von den Ländern und Gemeinden für die vorschulische Kinderbetreuung gegenwärtig aufgewendeten Geldmittel.

Daneben stehen weitere Voten für eine finanzielle Anerkennung von Familienarbeit und elterlichen Erziehungsleistungen, ohne dass ein Modell eines förmlichen Erziehungseinkommens vorgestellt wird. So hat z. B. der Familienbund der Deutschen Katholiken im Verlauf der neunziger Jahre mehrfach mit Blick auf eine ,,Honorierung" von Erziehungsleistung an dem bestehenden Instrumentarium angesetzt und eine langfristige Lösung in der bedarfsorientierten Weiterentwicklung des bestehenden Bundeserziehungsgeldes (in Verbindung mit dem Erziehungs,,urlaub") gesehen. Darin wird eine schrittweise Annäherung an die mit einem ,,Erziehungsgehalt" verfolgten Ziele gesehen. Allerdings fehlt es auch hier wie in anderen Voten, das bestehende Erziehungsgeld ,,auszubauen und weiterzuentwickeln", bisher noch an konkreten Vorstellungen über Art und Ausmaß dieser weiterführenden Ausgestaltung sowie hinsichtlich der auch in diesem Falle unumgänglich zusätzlichen Finanzmittel.

III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Wie die Übersicht erkennen lässt, gibt es nicht das ,,Erziehungsgehalt", sehr wohl aber eine Reihe von Gemeinsamkeiten in grundsätzlichen Zielsetzungen. So gilt für alle in die familienpolitische Diskussion eingebrachten Vorstellungen (einschließlich derjenigen, die sich auf eine Fortschreibung des bestehenden Erziehungsgeldes konzentrieren), dass sie auf wirtschaftliche Rahmen-bedingungen abzielen, unter denen die Gleichwertigkeit von Erziehungs- mit Erwerbsarbeit über rhetorische Deklamationen hinaus ,,handgreiflich" wird. Für Familien mit Kindern, die ja einen elementaren Beitrag zur Bildung des ,,Humanvermögens" einer Gesellschaft leisten, sollen zusätzliche Freiheitsspielräume geschaffen und kindorientierte Handlungsoptionen eröffnet werden. Ein Erziehungseinkommen, verstanden als eine nicht in erster Linie an sozialer Bedürftigkeit orientierte einkommenspolitische Leistung, soll von der wirtschaftlichen Seite her die Wahlfreiheit zwischen Familien- und Erwerbsarbeit vergrößern und zur konfliktfreieren Vereinbarkeit beider auch im Lebensverlauf beitragen.

Die unterschiedlichen Ansätze münden als Legitimationsgrundlage letztlich ein in die Absicherung des Generationenverbunds, in dem die Lebenssicherung von Kindern und noch nicht erwerbsfähigen Jugendlichen ebenso gewährleistet ist wie der Unterhalt der nicht mehr erwerbsfähigen Generation. Insgesamt zielt dies auf eine gesellschaftliche Ordnungspolitik, die die Elternschaft in den größeren Zusammenhang des gesellschaftlichen Solidarsystems rückt. Wenn dabei eine mit Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder ver-bundene wirtschaftliche und soziale Ungleichheit zum Ausgangspunkt für wohlfahrtsstaatliche einkommenswirksame Leistungen genommen werden soll, hat dies allerdings das Werturteil mit zur Voraussetzung, dass Kinderaufziehen und -erziehen keine reine Privatsache ist. Diese Einsicht erscheint grundlegend für die gesellschaftspolitische Argumentation. Darüber hinaus kann zur speziellen Legitimation für ein Erziehungseinkommen gefragt werden, ob die Erziehungsleistung von Eltern nicht inzwischen - in der Bundesrepublik im Grunde spätestens seit der Rentenreform von 1957 - als ,,gesellschaftlich angeeignet" angesehen werden muss? Ist sie nicht ein knappes ,,Kollektivgut" geworden, das auf Dauer nicht ohne Entgelt zu haben ist? Sozialethisch orientierte Einwände gegen eine Erziehungsvergütung müssen sich mit den Veränderungen in den Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens auseinandersetzen. Danach ist Kinderaufziehen als eine soziale Dienstleistung der Eltern im Begriff, Elemente eines ,,öffentlichen Gutes" anzunehmen, dessen Nutzung durch ein Individuum die Nutzung durch ein anderes Individuum nicht ausschließt, so dass es zu ,,externen Effekten" kommt. Insoweit solche positiv zu bewertenden Effekte vorliegen, erscheint auch eine öffentliche (Mit)finanzierung dieser sozialen Dienstleistung als ,,Investition in die Zukunft" problemangemessen.

Ein weiteres in den Vorschlägen immer wieder auftauchendes Begründungsmuster stellt darauf ab, Familienarbeit mit Kindererziehung als ein der Erwerbsarbeit sozialkulturell äquivalentes Lebenskonzept zu bewerten. Auch Familienarbeit muss in dieser Sicht chancengleich lebbar sein, damit Eltern ihre Rechte und Pflichten aus ihrem Familienleben für sich und gegenüber ihren Kindern voll wahrnehmen können. Der Ansatz der soziokulturellen ,,Wertäquivalenz" von Familie und Familienarbeit als einem wesentlichen menschlichen Lebensbereich, der gleichwertig zur Erwerbsarbeit lebbar zu sein habe, rückt in jüngerer Zeit mit Recht mehr in den Vordergrund

. Eine einkommenswirksame Leistung in Zeiten der Betreuung und Erziehung heranwachsender Kinder bedeutet keine oft beschworene ,,Vergesellschaftung" der Kindererziehung, sondern eine Verbesserung in den wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine ausgewogenere Balance zwischen Erwerbs- und Familienarbeit mit eigenverantwortlicher Zuwendung zum Kind.

In der Ausgestaltung für ein Erziehungseinkommen lassen sich eine Reihe von Unterschieden ausmachen, in denen unterschiedliche Zielsetzungen oder doch unterschiedliche Prioritäten in den Zielsetzungen durchschlagen

. Nur beispielhaft sei darauf verwiesen, dass dort, wo gleichzeitig eine bessere soziale Absicherung des kindererziehenden Elternteils angestrebt wird, für eine in diesem Falle nahe liegende Rentenversicherungspflicht des Erziehungseinkommens plädiert wird. Wo eine eher einkommensabhängige Ausgestaltung dieser Leistung favorisiert wird, wird etwa deren Einkommensteuerpflicht als ein Weg angesehen, zu mit steigendem Familieneinkommen degressiven Leistungen zu kommen. Wenn im Modell ,,Erziehungsgehalt 2000" schon für das 1. Kind eine besonders hohe Leistung veranschlagt wird, die in ihrem Grundbetrag auch über das 18. Lebensjahr weiterlaufen soll, so liegt dem die zusätzliche Zielsetzung zugrunde, zugleich einen Einstieg in eine Bürgergrundversorgung für die erwachsene Bevölkerung mit zu verwirklichen.

IV. Chancen und Grenzen einer neuen Dimension der familiengerechten Einkommensgestaltung

1. Handlungsspielräume erweitern

Bei der vergleichenden Analyse der verschiedenen Modellvorschläge drängt sich die Einsicht auf, dass ein Modell nicht mit zu vielen Zielsetzungen gleichzeitig ,,überfrachtet" werden sollte. Die Kombination einer Reihe von Zielen mag aus Gründen angestrebter möglichst großer politischer Zustimmung nahe liegen, aber es kann der tatsächlichen Verwirklichung der nebeneinander stehenden und in gewissem Grade sogar miteinander konkurrierenden Ziele eher abträglich sein.

Behutsamkeit ist besonders auch dort geboten, wo Zielsetzungen ins Spiel gebracht werden, die mit einem Erziehungseinkommen allenfalls mit befördert, aber damit nicht - gleichsam ,,automatisch" - erreicht werden können. Hier ist vor allem an das Ziel der ausgewogeneren Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen in Familienarbeit und Erwerbsarbeit zu denken. Ein Erziehungseinkommen kann zwar eine geschlechterarbeitsteilige Erwerbs- und Familientätigkeit fördern, aber es kann sicher kein in diesem Sinne partnerschaftliches Familienmodell mit größerer Gleichheit der Lebenschancen zwischen Frauen und Männern bereits gewährleisten. Hierzu bedarf es weiter reichender Anstöße schon auf der Bewusstseinsebene, ein Umdenken gerade der Männer hinsichtlich ihres Selbst- und Rollenverständnisses. Dies kann aber wiederum mit der nötigen Breitenwirksamkeit solange kaum erwartet werden, wie die Strukturen der Erwerbsarbeitswelt so sind, wie sie heute sind. Frauenförderung im Sinne der Angleichung an bisherige Männerrollen ändert im Grunde kaum etwas an den überkommenen Rollenzuweisungen der Geschlechter. Erst wenn für Männer durch zielgerichtete Änderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (bis hin zu einer familienbewußten unternehmerischen Personalpolitik) Wege aus ihrer ,,eindimensionalen Ausrichtung auf die Erwerbsarbeit" geöffnet werden, kann die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen auch in Erwerbsarbeit gelingen

.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der insbesondere unter frauenpolitischen Aspekten nicht selten vorgebrachte Einwand, ein Erziehungseinkommen führe dazu, Frauen und Mütter an ,,Haus und Herd" zu binden. Solche Einwände gipfeln im Vorwurf der arbeitsmarktpolitischen ,,Instrumentalisierung" einer solchen Leistung. Sie greifen letztlich aber umso weniger, je mehr ein Erziehungseinkommen erwerbsarbeitszeit- und erwerbseinkommensunabhängig ausgestaltet wird

. Für Eltern, die beide eine mehr oder weniger weitgehende durchgängige Erwerbstätigkeit auch bei noch kleineren Kindern wünschen, oder auch Alleinerziehende, die aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Erwerbstätigkeit besonders angewiesen sind, kann das Erziehungseinkommen in Teilen dazu dienen, sich zeitweilige außerhäusliche Kinderbetreuung ,,einzukaufen". Hier wird von der wirtschaftlichen Seite her der familiäre Entscheidungsspielraum hinsichtlich der im konkreten Falle gewünschten Betreuungsform erweitert (was tendenziell zugleich auf einen Wechsel von einer ,,Objekt-" zur ,,Subjektförderung" mit einer Stärkung der Marktposition der Eltern im Feld der außerhäuslichen Kinderbetreuung hinauslaufen kann).

Nicht selten verbergen sich hinter den hier angesprochenen Einwänden auch gesellschaftspolitische Positionen, die insofern recht problematisch sind, als sie im Grunde eine durchgängige, für Frauen allenfalls durch Mutterschaftsurlaub kurzfristig unterbrochene Erwerbstätigkeit für beide Eltern neben der Kleinkinderversorgung favorisieren. Ebenso wie es mit Blick auf die Lebenswirklichkeit von Familien nicht vertretbar erschiene zu fordern, (Klein)kinder dürften ausschließlich nur zu Hause betreut werden, ist umgekehrt auch der Position entgegenzutreten, es müsse möglichst alles'für eine außerfamiliale Kleinkinderbetreuung getan werden, damit beide Eltern ,,normalerweise" ohne Unterbrechung erwerbstätig sein könnten. Eine zukunftsfähige Familienpolitik wird hier eine Entwicklungsperspektive verfolgen müssen, bei der eine möglichst große Entscheidungsfreiheit für die einzelnen Eltern, ihren eigenen Lebensentwurf besonders mit Blick auf die Bedürfnisse des Kindes verwirklichen zu können, wirtschaftlich und außerwirtschaftlich abgesichert wird. In einer auf den gesamten Lebenslauf bezogenen Sicht müssen unterschiedliche Muster - das so genannte simultane Verhaltensmuster des gleichzeitigen Nebeneinanders von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung sowie das so genannte sukzessive Muster des zeitlich versetzten Nacheinander, auch mit flexiblen Übergangsmöglichkeiten - gleichwertig nebeneinander stehen. In der (familien)soziologischen Forschung ist gerade in jüngerer Zeit auf die Probleme aufmerksam gemacht worden, die mit der Zwei-Verdiener-Familie mit durchgängiger voller Erwerbstätigkeit beider Eltern hinsichtlich der persönlichen Betreuung der Kinder und ihres Bedarfs an personaler Zuwendung verbunden sind. Jedenfalls lässt sich danach die Frage, ob das Modell der kontinuierlichen Erwerbsarbeit (beider Eltern bei Vorhandensein von betreuungsbedürftigen Kindern) in der postindustriellen Gesellschaft eine notwendige Voraussetzung erfolgreicher beruflicher Tätigkeit sein muss, eindeutig verneinen

. Für eine (nicht rückwärtsgewandte) Familienpolitik erscheint es wichtig, solche Einsichten nicht zu verdrängen. Ebenso wichtig ist allerdings auch zu sehen, dass Berufsverläufe mit verschiedenen Lebensverlaufssequenzen (Hans Bertram) ohne die Einbeziehung der Männer und deren Integration in den Fürsorgebereich keinen Beitrag zur Verminderung der Ungleichheit von Mann und Frau in der Gesellschaft leisten können

.

Für eine zukunftsbezogene Familienpolitik kann es kaum wegweisend sein, gleichzeitige Erwerbstätigkeit neben der Übernahme von Verantwortung für Kleinkinder automatisch als ,,fortschrittlich" und deshalb positiv und eine - je nach Kinderzahl unterschiedlich lange - zeitweilige Unterbrechung der Erwerbstätigkeit mit vorrangiger Konzentration auf die Versorgung von Kleinkindern als rückschrittlich und damit eher negativ zu bewerten. Es kommt auf die persönliche und familiäre Situation im Einzelfall an, welches Verhaltensmuster situationsangemessen ist. Politikleitend darf hier nicht ein einziges ideologisch festgeschriebenes Lebensentwurfsmodell sein, das angeblich ohnehin ,,heute mehrheitlich gewünscht" wird. Es sollte vielmehr darum gehen, für die unterschiedlichen Verhaltensoptionen die jeweils verhaltensmuster-spezifischen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen abzusichern, damit der individuelle Lebensentwurf möglichst gut gelingen kann.

Nicht selten kann bei Diskussionsteilnehmern der für gemeinsame Bemühungen um die Weiterentwicklung einer ,,rationalen" Familienpolitik fatale Eindruck entstehen, dass Einwände wie etwa der des ,,Zuhause-bleib-Geldes" zur ,,Argumentationskeule" gegen ein Erziehungseinkommen genutzt werden, weil tiefer reichende, nicht selten geradezu dogmatisch verhärtete Standpunkte zum einzig ,,wahren" Leitbild fraulicher Selbstentfaltung ernannt werden sollen. Es muss zu denken geben, wenn in diesem Zusammenhang strukturelle Schwierigkeiten eines späteren Wiedereintritts in die Erwerbstätigkeit, wie sie bei einem zeitlich phasenversetzten Nacheinander von persönlichen Schwerpunkten in Erwerbstätigkeit und Betreuung und Erziehung kleinerer Kinder im Ernst gar nicht einfach bestritten werden können, von vornherein als Datum für eine eben deshalb notwendige durchgängige Erwerbstätigkeit genommen werden. Es wird aber keineswegs ebenso nachdrücklich auf entsprechende strukturelle Reformen im Erwerbsarbeits- und Wirtschaftsleben gedrängt wie bei der Überwindung der unverkennbaren Schwierigkeiten eines gleichzeitigen Nebeneinanders von Erwerbstätigkeit sowie Betreuung und Erziehung noch kleinerer Kinder.

2. Erziehungseinkommen contra Fraueninteressen?

So gesehen ist außerhäusliche Erwerbsarbeit auch von Müttern eine zu bejahende Perspektive, unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss auch eine möglichst freie, wirtschaftlich abgesicherte Entscheidung für eine (vorübergehende) Arbeit nur in der Kinderbetreuung und -erziehung in der Familie möglich sein. Zweitens bedarf es im Wirtschaftsprozeß einer bewußten Berücksichtigung der Besonderheiten der Erwerbsarbeit von Personen, die für (Klein)kinder besonders verantwortlich sind (meist sind dies immer noch die Mütter), ohne dass sie deshalb diskriminiert werden. Dies läuft letztlich auch auf eine Anerkennung von gewissen Unterschieden in der Erwerbstätigkeit bis in die Organisationsformen des Erwerbsarbeitslebens hinaus. Dahinter steht die wertbesetzte Position, dass die außerhäusliche Erwerbsarbeit keineswegs per se wichtiger ist als die Familien- und Erziehungsarbeit, letztere unter bestimmten Bedingungen insbesondere in den ersten Lebensjahren des Kindes - nicht zuletzt für die Gesellschaft - noch wichtiger sein kann als andere Tätigkeiten. Wo die Entscheidung für Kinder zur Biographie der Frau dazugehört, kann die einfache Übernahme des männlich geprägten Leitbildes vom Erwerbsarbeitsleben kein wirklich befriedigender Weg zu echter Gleichheit von Männern und Frauen sein.

Die Staatssekretärin im norwegischen Außenministerium, Janne H. Matlary, hat in ihrem Vortrag auf der Konferenz der Weltmütterbewegung anlässlich deren fünfzigjährigen Jubiläums am 8.'April 1999 unter Verweis auf ihre eigenen Erfahrungen mit dem Aufziehen von vier kleinen Kindern bei gleichzeitiger außerhäuslicher Berufstätigkeit betont

, Frauen müssten darauf bestehen, dass nicht nur ihre Arbeit als Mütter anerkannt werde, sondern dass sie auch Arbeitsbedingungen vorfänden, die die Kombination von Familien- und Erwerbsarbeit ermöglichten. (Ähnliches gilt sicherlich auch für Väter, die sich zugleich größeren Verpflichtungen in der Kleinkindbetreuung und -erziehung gegenübersehen). Wenn man den mutigen Schritt mache, den Vorrang von Mutterschaft in einem persönlich-existentiellen Sinn anzuerkennen, dann werde es sehr klar, warum die Mutterschaft viele Frauen dazu veranlasse, sich für die Arbeit in der Familie zu entscheiden, und warum dies eine außerordentlich wichtige Option nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes sei. ,,Es reicht ganz einfach nicht aus, wenn die Arbeitsbedingungen von Männern und Frauen im Erwerbsleben gleich sind. Dies lässt Frauen in die Falle von Arbeitsbedingungen treten, die denjenigen der Männer gleichen. Frauen werden dadurch dazu gedrängt, das kaum zu bewältigende Problem der Doppelbelastung zu ,privatisieren'". Grundlegende rechtliche Veränderungen zugunsten von Frauen, die Mütter werden und dann zu Bedingungen arbeiten könnten, die ihrer Lebenssituation angepasst sind, erforderten ein radikales Umdenken im Hinblick auf die Beziehung zwischen Familie und Erwerbsarbeitsleben. Erste Zeichen dieses Umdenkens seien in den Ländern erkennbar, die die Phase des Gleichheits-Feminismus schon hinter sich hätten. Den Kern eines "neuen Feminismus" sieht Janne H. Matlary in der politischen und rechtlichen Anerkennung, dass Frauen, die sich für Kinder entscheiden, einerseits das Recht auf spezifische Erwerbsarbeitsbedingungen und andererseits einen Anspruch darauf haben, dass ihre familiäre Arbeit vom Staat anerkannt und unterstützt wird. Von den Marktkräften könnten entsprechende Korrekturen nicht erwartet werden; hier sei eindeutig die Politik gefragt, die politisch-ökonomische Rahmenbedingungen schaffen müsse, die es Frauen erlauben, entweder Familienarbeit mit einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit zu kombinieren, wenn sie dies wollen, oder als ,,Vollzeit-Mutter" in der Familie zu arbeiten, solange die Kinder klein sind.

Für die Abschätzung der Realisierungschancen von Konzepten eines Erziehungseinkommens bleibt vor allem auch die Bedeutung der nachhaltigen gleichzeitigen Verwirklichung eines Bündels integrativ aufeinander bezogener flankierender Maßnahmen hervorzuheben. Solche werden durchweg in den einzelnen Modellvorschlägen mehr oder minder ausgeprägt angesprochen. Das geschieht etwa mit den Hinweisen auf die unverzichtbaren Leistungsangebote außerhäuslicher Kinderbetreuungseinrichtungen mit hoher pädagogischer Qualität, auf die berufliche Weiterqualifizierung während der Erziehungsphase und anschließende Wiedereingliederungshilfen in das Erwerbsleben oder den erleichterten Zugang zu (qualifizierter) Mobilzeit und damit bis hin zu einer familienfreundlichen Unternehmenskultur.

3. Finanzierungsprobleme

Eine ,,offene Flanke" von Erziehungsgehaltskonzepten bildet die Finanzierung - trotz aller Bemühungen, auch diesen wichtigen Aspekt konstruktiv mit zu bedenken. Solche Finanzierungsvorschläge für die je nach Ausgestaltung erheblichen Milliardenbeträge fußen häufig auf ,,Gegenfinanzierungen" i.S. von Einsparungen an anderer Stelle. Diese erscheinen aber teils nur begrenzt realistisch - wie etwa die Beseitigung des Ehegattensplittings oder die Schaffung eines eigenen ,,Familiensoli" - oder könnten sich teils auch im Gestrüpp föderaler Finanzkompetenzen verheddern. Aber auch Erwartungen, die an Finanzierungsmöglichkeiten über expansive wirtschaftliche Effekte (mit Stärkung der Binnennachfrage und erhöhten Staatseinnahmen in der Folge) geknüpft werden, bedürfen zumindest noch weiterer makroökonomischer Untersuchungen. Bei weitem nicht alle Konzepte sind in der Vorzugslage wie das (vom Österreichischen Institut für Familienforschung vorgelegte) Modell des ,,Kinderbetreuungsschecks", das auf erhebliche Mehreinnahmen des dortigen aus Mitteln der Wirtschaft gespeisten Familienlastenausgleichs-Fonds zurückgreifen kann. Einige Vorschläge verstehen sich - zumindest zum Teil - auch als politische Zielvorgabe, bei der die Finanzierung weitgehend offen gelassen wird. Ohnehin wird sich von vornherein im Rahmen erschlossener Finanzierungsquellen ein nur schrittweises Vorgehen anbieten.

Allerdings dürfen auch die bestehenden politischen Prioritäten in der Verteilungspolitik nicht als unabänderlich hingenommen werden. Vielmehr gilt es, über neue Prioritäten in der Verteilung der Einkommen und seiner Zuwächse aus Fernverantwortung (Hans Jonas) für die nachfolgenden Generationen nachzudenken und im gesamtgesellschaftlichen Konsens zu längst überfälligen Entscheidungen einer nachhaltigen familienorientierten Korrektur der Verteilungsstrukturen zu kommen. Bei einem Umbau des Sozialstaates darf dieser Aspekt nicht auf der Strecke bleiben. Ein gravierendes Dilemma besteht darin, dass im immer wieder stiefmütterlich behandelten Feld der sozialökonomischen Absicherung der (langfristigen) Übernahme von Elternverantwortung entscheidende Schritte noch zu tun sind zu einem Zeitpunkt, zu dem die Grenzen der zweiten Einkommensverteilung unübersehbar geworden sind.

V. Ausblick

Insgesamt werden die Konzepte eines Erziehungseinkommens als einer familienphasenspezifisch orientierten einkommenspolitischen Leistung nur als eine längerfristige Perspektive der Familienpolitik als Einkommenspolitik gelten können. Sie können indessen schon jetzt eine wichtige Orientierungsfunktion für eine qualitative Weiterentwicklung der schon bestehenden Erziehungsgeldregelung haben, die eine von der oben angesprochenen Berücksichtigung der geminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit deutlich zu unterscheidende Funktion hat.

Wenn ein Erziehungseinkommen

- problemangemessen ausgestaltet und dabei sorgfältig auf seine außerökonomischen Wirkungen hin bedacht wird;

- von vornherein in ein integrativ angelegtes familienpolitisches Maßnahmenbündel eingebettet ist;

- von der Begrifflichkeit her nicht unnötige Ressentiments auslöst ("Eltern als Gehaltsempfänger des Staates") und

- in übergreifende gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen eingeordnet ist, die das Verhältnis von Familie und Staat ebenso umfassen wie die Geschlechterordnung und die Generationensolidarität in ihrer auch finanziellen Tragweite,

dann kann es mittel- und längerfristig nachhaltig dazu beitragen, ein strukturelles Defizit in der marktmäßigen Verteilungsordnung mit Blick auf Familien zu beseitigen. Unsere Sozialordnung sozialmarktwirtschaftlicher Prägung ist sowohl als Wirtschaftsordnung wie als übergreifende Gesellschaftsordnung auf die vielfältigen und täglich weithin im Verborgenen erbrachten Vor-Leistungen von Familien elementar angewiesen. Diese angemessen auch in der Einkommensverteilung zu berücksichtigen gehört mit zur Überwindung des ,,strukturellen Ordnungsdefizits" in Wirtschaft und Gesellschaft mit Blick auf Familien, auf das schon vor über zwei Jahrzehnten hingewiesen werden musste

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Fussnoten

Fußnoten

  1. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 10. 11. 1998 (2BvR 1057/91; 2BvR 1226/91; 2BvR 980/91) - zur politikgestaltenden Bedeutung der Rechtsprechung der BVerfG zu Familie und Familienlastenausgleich siehe auch den Beitrag von Irene Gerlach in diesem Heft.

Dr. rer. pol., geb. 1930; Ministerialdirektor a.D.; Hon.-Prof. für Bevölkerungswissenschaft und Familienpolitik an der Universität Konstanz.

Veröffentlichungen u.a.: Familie - ein vergessener Leistungsträger?, Grafschaft 1995; Balance von Familienarbeit und Erwerbsarbeit. Eine gesellschaftsordnungspolitische Aufgabe in Europa, Frankfurt a. M. 1999.