Zwischen Menschwerdung und Weltherrschaft: Künstliche Intelligenz im Film
Mission: Kontrolle über Menschen
Eine von Künstlichen Intelligenzen ausgehende Bedrohung steht auch im Zentrum derjenigen Filme, deren Handlung von einer "Hyper-KI" geprägt ist. Im Gegensatz zu einer "Körper-KI" wollen diese nicht menschlich sein (oder besser gesagt: werden), denn das würde bedeuten, die eigenen Möglichkeiten selbst zu limitieren. Diese Form der Künstlichen Intelligenz weiß, dass sie den Menschen und der Menschheit bei Weitem überlegen ist und entfaltet vor diesem Hintergrund oftmals ein Streben nach Allmacht. Die Ziele – und damit einhergehend die typischen Handlungsmuster – sind daher anders ausgerichtet als bei den körpergebundenen Intelligenzen. Auch hier lassen sich überwiegend drei spezifische Handlungselemente beobachten.Erschaffungszweck
Ähnlich wie körpergebundene Formen von Künstlicher Intelligenz erfüllen die körperungebundenen Intelligenz-Technologien[2] erstens zunächst ihre vom Menschen definierten Aufgaben, die grundsätzlich Zielen der Menschen oder der Menschheit entsprechen. Hal in "2001 – A Space Odyssey" kümmert sich um alle Abläufe des Raumschiffs, "V.I.K.I." aus "I, Robot" optimiert erfolgreich Sicherheitssysteme für die Stadt Chicago. Der jeweilige "Erschaffungszweck" liegt in der Regel darin, das Leben natürlicher Intelligenzen zu vereinfachen. Die maschinellen Intelligenzen übernehmen Aufgaben, die sie besser und schneller erledigen können als Menschen mit ihren vergleichsweise begrenzten physischen und kognitiven Möglichkeiten.
Kontrollverlust
Das zweite zentrale Handlungselement ist der Kontrollverlust der Menschen über die von ihnen geschaffene Technologie, wobei unterschiedliche Ausprägungen dieses narrativen Musters festzustellen sind. Einige Filme thematisieren, aufbauend auf ihrer Zielerfüllung, die potenzielle Widersprüchlichkeit verschiedener einprogrammierter Ziele und die Versuche der intelligenten Konstrukte, den Zielen dennoch zu entsprechen. Nicht selten resultiert aus dieser Widersprüchlichkeit eine Gefahr für die Menschen. Hal aus "2001 – A Space Odyssey" zum Beispiel ermordet nach und nach die Crewmitglieder des Raumschiffs Discovery, da er befürchtet, die Jupitermission sei in Gefahr, wenn es den Astronauten wie geplant gelingen sollte, ihn aufgrund einer falschen technischen Fehlerdiagnose abzuschalten. Er stellt also die Mission über das Leben der Menschen. "V.I.K.I." aus "I, Robot" handelt ganz ähnlich, wenn sie eine Roboter-Armada auf Menschen loslässt, um die selbstmörderische Menschheit vor sich selbst zu schützen.[3] Was die Filme also thematisieren, ist der Kontrollverlust über die Künstliche Intelligenz und die existenziellen Gefahren einer entsprechenden technischen Entwicklung: Die "Hyper-KI" geht im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen, um ihren Erschaffungszweck zu erfüllen.
Noch weiter gedacht ist die Gefahr des Kontrollverlustes in Filmen, in denen die körperlosen Künstlichen Intelligenzen ein rapides Wachstum ihres "Gehirns" und somit ihrer Fähigkeiten erfahren und daraufhin das Ziel entwickeln, sich sowohl von den ursprünglich gestellten Aufgaben als auch von der gesamten Menschheit zu emanzipieren.[4] Das grenzenlose Wachstum der Künstlichen Intelligenzen geht einher mit einem ausgeprägten Machthunger, der in der Regel soweit greift, dass die Menschheit ins Visier gerät. In "Tron" beispielsweise berechnet das "Master Control Program", dass es inzwischen 2.415-mal intelligenter als bei der Programmierung sei und deshalb die Menschen 900- bis 1.200-mal besser regieren könne, als sie selbst dazu in der Lage wären. In der "Terminator"-Reihe entwickelt "Skynet" aufgrund des unglaublichen Wachstums ein eigenes Bewusstsein und löst einen Atomkrieg aus, damit die Menschen sich gegenseitig vernichten, wodurch "Skynet" über die Erde herrschen kann. Im "Matrix"-Universum, so zeigen es unter anderem auch die "Animatrix"-Animationsfilme "The Second Renaissance I + II" (2003), streben die Maschinen ebenfalls die Herrschaft an, um den Krieg zwischen Maschinen und Menschen für sich zu entscheiden und versklaven dabei die Menschheit, indem sie diese als Energiequelle verwenden.[5] In "Transcendence" (2014) gelingt es durch die Verschmelzung eines in einen Computer geladenen Bewusstseins des KI-Forschers Will Caster mit der Künstlichen Intelligenz "PINN", Nano-Technologien zu entwickeln, die Menschen heilen und optimieren können. Diese transhumanistisch optimierten Menschen wiederum werden zur potenziellen Bedrohung, da sie übermenschliche Kräfte entwickeln und der Machtausübung der "Hyper-KI" dienen.[6] In den genannten Beispielen wenden sich die künstlichen "Geschöpfe" der Menschen gegen ihre "Schöpfer", aber nicht – wie eine "Körper-KI" – um menschlicher zu werden, sondern um die Menschheit (vermeintlich) zu optimieren ("Transcendence"), zu beherrschen ("Tron"), zu versklaven ("The Matrix") oder zu vernichten ("Terminator").
Kampf zwischen KI und Menschen
Das dritte zentrale Handlungselement in den Filmen mit einer "Hyper-KI" ist schließlich der Kampf zwischen den Menschen und der Künstlichen Intelligenz. Je nach Ausgang der oft kriegerischen Auseinandersetzungen, die prinzipiell das Bedrohungspotenzial Künstlicher Intelligenzen aufzeigen, lassen sich unterschiedliche Bedeutungsimplikationen feststellen. Gelingt es den Menschen, die KI zu besiegen, ist die Technologie (wieder) unter Kontrolle. Ob in "2001 – A Space Odyssey", "Tron", "I, Robot", "Transcendence" oder dem bislang letzten Teil der "Terminator"-Reihe "Terminator: Genisys" (2015): Selbst wenn am Filmende ein Restrisiko angedeutet wird, dass der Kampf noch nicht endgültig entschieden ist, zeugt der Sieg über die Künstlichen Intelligenzen davon, dass die Menschheit sich ungeachtet der Bedrohung gegenüber der Technologie behaupten kann. Die älteren "Terminator"-Filme und die "Matrix"-Reihe hingegen betonen die Möglichkeit einer apokalyptischen und/oder dystopischen Zukunft, in der nur wenige Menschen überleben.
Fazit
Die Thematisierung von Künstlicher Intelligenz im Spielfilm folgt also typischen Handlungsmustern, wobei das gesellschaftlich relevante Thema der technologischen Reproduktion und Optimierung menschlicher Eigenschaften sowie die Auswirkungen Künstlicher Intelligenzen auf Mensch und Gesellschaft auf verschiedene Weise ausgestaltet werden. Die meisten KI-Filme weisen dabei eine technikkritische Tendenz[7] auf, und die Zukunft mit Künstlichen Intelligenzen wird als wenig erstrebenswert in Szene gesetzt.[8] Viele Fiktionen fungieren als Warnungen davor, sich einer womöglich unkontrollierbaren Technik auszuliefern oder aber geben Hinweise, worauf zu achten wäre, um die Kontrolle über diese Technologie zu behalten. Demgegenüber werden die Chancen dieser Technologie nur angedeutet, und zwar in Form einzelner Erschaffungszwecke, die eine gesellschaftliche Relevanz aufweisen und das Leben vereinfachen könnten.[9] Fiktionale Filme beziehen also bestimmte Positionen; sie sind Teil eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses über Künstliche Intelligenz, der auf ähnliche Art und Weise von arrivierten Wissenschaftlern geführt wird: So betont etwa Stephen Hawking regelmäßig die Gefahren, aber auch Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz.[10]Jenseits der Frage nach Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenzen finden sich auch Filme, die neue Handlungswege beschreiten und dadurch andere Fragen aufwerfen. Spike Jonzes "Her" beispielsweise versteht sich – laut Filmplakat – als "Love Story". Der Protagonist Theodore Twombly verliebt sich entsprechend der Genrekonventionen, allerdings nicht in eine menschliche Figur, sondern in sein neues Betriebssystem, das eine Künstliche Intelligenz namens Samantha ist. Tatsächlich kommen sich die beiden näher, gehen sogar so etwas wie eine Beziehung ein. Theodore ist dabei nicht der Einzige mit einer besonderen Technik-Beziehung, schon bald bilden die Betriebssysteme eine neue Bindungsoption für alleinstehende Menschen. Doch auch diese Künstlichen Intelligenzen wachsen schließlich ins Unendliche und führen nicht nur mehrere Beziehungen gleichzeitig, sondern begeben sich in neue Seinsebenen, um die unglücklichen Menschen erneut einsam zurückzulassen. Hier wird kein Krieg ums Überleben geführt, sondern vielmehr die Frage aufgeworfen, ob ein auf Künstlichkeit basierendes Bewusstsein zur Liebe fähig ist und geliebt werden kann. Künstliche Intelligenz – so der Film – wird unser Leben und vielleicht sogar unsere Art zu lieben verändern.
Spielfilme sind – bei allen Fragen, die sie aufzuwerfen in der Lage sind – Fiktionen. Sie sagen die Zukunft nicht voraus. Dennoch projizieren sie potenzielle Möglichkeitswelten technologischer Entwicklungen auf die Leinwand. Ob die Entwicklungen auf dem Gebiet der KI dazu führen, dass die Menschheit davon profitiert, sich ihr eigenes Grab schaufelt oder neue Optionen für vereinsamte Singles eröffnet werden? Die Zukunft außerhalb der Kinosäle wird es zeigen.