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Editorial | Parteien und Wahlen | bpb.de

Parteien und Wahlen Editorial Die Mitte im Programmloch Die Linke nach dem Sog der Mitte Bereit für den Wechsel? Die strategische und inhaltliche Positionierung von CDU/CSU und FDP vor der Bundestagswahl 2002 Perspektiven des Rechtspopulismus in Deutschland am Beispiel der "Schill-Partei" Koalitionen und Kandidaten: Rückblick und Wahleinschätzung 2002 Fünf Jahrzehnte Wahlen in der Bundesrepublik: Stabilität und Wandel

Editorial

Ludwig Watzal

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Die bevorstehende Bundestagswahl am 22. September wirft ihre Schatten voraus. In den letzten Monaten wurde in den Parteizentralen fieberhaft an Strategien gearbeitet.

Einleitung

Die bevorstehende Bundestagswahl am 22. September wirft ihre Schatten voraus. In den letzten Monaten wurde in den Parteizentralen fieberhaft an Strategien gearbeitet. Alle Parteien haben ihre politischen Vorstellungen in Wahlprogrammen veröffentlicht. Die BürgerInnen haben nun die Qual, u. a. zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund Stoiber. Die Parteien sollten sich von ihren Wahlprogrammen allein jedoch nicht zu viel erhoffen, weil die BürgerInnen sich überwiegend an konkreten Leistungen und nicht so sehr an Botschaften orientieren.

Auf die ambivalente Rolle von Partei- und Wahlprogrammen geht der Politikwissenschaftler Franz Walter in seinem Essay ein. Einerseits werde von Kommentatoren die geringe Bedeutung von Wahlprogrammen für die Wahlentscheidung beklagt, andererseits würden sie immer wieder aus Profilierungsgründen angemahnt; dieser Zwiespalt mache den Parteien zu schaffen. Die programmatische Beliebigkeit sei jedoch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, die einem Flickenteppich gleiche. Einen Grund für die inhaltliche Unschärfe sieht der Autor in dem allseitigen Drang der Parteien zur "Mitte". Dieser führe zu einer programmatischen Entleerung. Dessen ungeachtet plädiert Walter für mehr Prägekraft der Parteien; sie könne durch die Formulierung einiger provokanter Thesen erreicht werden. Die Mediengesellschaft erhielte damit ihre kommunizierbaren Kurzbotschaften.

Auch Tobias Dürr hält den Begriff der Mitte für zu konturlos und plädiert für eine Neuvermessung dessen, was "links" und was die "Mitte" sei. Die Linke müsse sich politisch neu positionieren, da sie sonst "das Eigene" irgendwann verlöre. Alle "Linksparteien" seien gezwungen, sich für ihre politische Alltagsarbeit einen programmatischen Überbau zu verschaffen. Frank Bösch mahnt ähnlichen Programmbedarf bei den bürgerlich-liberalen Oppositionsparteien an. Er stellt deren politische Inhalte vor, mit denen diese ihre Wähler erreichen wollen. Der Autor sieht trotz großer Übereinstimmung in der Wirtschaftspolitik noch erhebliche Unterschiede innerhalb dieser Parteienformation.

Der allgemeine Sog zur politischen Mitte macht allen extremen Parteiformationen zu schaffen; so auch den Rechtspopulisten. Frank Decker untersucht die Wahlchancen rechtspopulistischer Parteien am Beispiel der "Schill-Partei". Nach deren überraschendem Wahlerfolg in Hamburg hat die Landtagswahl in Sachen-Anhalt gezeigt, dass auch Schills Ambitionen Grenzen gesetzt sind. Aber ein Blick auf die Nachbarstaaten zeige, dass der Rechtspopulismus bereits zur Normalität geworden sei. Eine rechtspopulistische Kraft auf Bundesebene würde nur die europäische Normallage nachvollziehen. Auch wenn einem dies nicht behage, solle man sich rechtzeitig darauf einstellen, so der Autor.

In historisch-retrospektiver Weise blicken aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven Karlheinz Niclauß und Wolfgang Hartenstein auf über fünf Jahrzehnte Wahlen und Regierungsbildung in der Bundesrepublik. Ersterer analysiert die Rolle der Spitzenkandidaten und deren Bedeutung für die Bildung von Koalitionen, wohingegen Letzterer die Veränderungen bei den Einstellungen der WählerInnen untersucht. Das politische System der Bundesrepublik habe sich unter den Bedingungen des Verhältniswahlrechts als überaus stabil erwiesen; diese Stabilität sei zum großen Teil den WählerInnen geschuldet, obwohl diese natürlich nicht die gleichen geblieben seien. In beiden Beiträgen werden die Gründe für die Stabilität aus jeweils fachspezifischer Sicht dargelegt.