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Editorial | Digitalisierung des Alltags | bpb.de

Digitalisierung des Alltags Editorial Totale Vernetzung - totale Verstrickung? Digitalisierung des Alltags Nachhaltigkeit und Vorsorge - Anforderungen der Digitalisierung an das politische System Digitalisierung der Medien Erkundungen in der Nanowelt "Elektrosmog" durch Mobilfunk?

Editorial

Hans-Georg Golz

/ 2 Minuten zu lesen

Die Verwendung von Informationstechnologie in Alltagsgegenständen avanciert zur Revolution des 21. Jahrhunderts. Neben Chancen lauern Gefahren, vor allem hinsichtlich der Datensicherheit. Eine Technikfolgenabschätzung ist unerlässlich.

Die Digitalisierung hat den Alltag erfasst. Die Speicherscheibe DVD, Digitalkameras, Mobiltelefone oder Navigationssysteme in Kraftfahrzeugen gehören bereits wie selbstverständlich zum Lebensumfeld. Bei der 44. Internationalen Funkausstellung in Berlin Ende August 2003 setzte die Unterhaltungs- und Kommunikationsindustrie große Hoffnungen auf den "digitalen Quantensprung". Eine durch digitale Technik drahtlos vernetzte Produktwelt soll endlich die Konjunkturwende einleiten.

Ende Januar fand im Paderborner "Heinz Nixdorf MuseumsForum" eine Modenschau der besonderen Art statt: Die Models führten "Wearables" vor, "intelligente" Kleidung von morgen. Eine Jacke etwa verfügt über Sensoren, die je nach Klima für Kühlung oder aber zusätzlichen Kälteschutz sorgen. Eine italienische Designerin hat ein Abendkleid entwickelt, das mit elektronisch steuerbaren Massagepads ausgestattet ist. Die Bauhaus Universität Weimar präsentierte neben "digital jewellery" ein Telefon-Headset, das seinen Strom aus den Kopfbewegungen des Trägers bezieht. Mode verschmilzt mit Laptops oder CD-Playern. "Wearables" sind nur ein spektakuläres Beispiel für die umfassende Digitalisierung des Alltags. In der Militärtechnik etwa experimentieren Wissenschaftler mit "intelligentem Staub": winzige Siliziumchips, die als "Mini-Roboter" Luft- und Wasserverschmutzung erkennen und vor Biowaffen warnen können.

Die Verwendung von Informationstechnologie in Alltagsgegenständen avanciert zur Revolution des 21. Jahrhunderts. Führt man sich die gesellschaftlichen und politischen Implikationen vor Augen, wird klar, dass diese technische Entwicklung über ein schier unglaubliches Potential verfügt. Ganze Volkswirtschaften könnten ins Hintertreffen geraten, wenn versäumt wird, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen.

Neben Chancen lauern Gefahren, vor allem hinsichtlich der Datensicherheit. Wenn Computersysteme beginnen, sich "selbständig" zu vernetzen und drahtlos Informationen auszutauschen, ist Vorsicht geboten. Eine Technik, deren Ziel es ist, alltägliche Gegenstände mit "Intelligenz" auszustatten, ist in ihrer Janusköpfigkeit ein exzellentes Beispiel für die Dialektik der Aufklärung. Damit die fortschreitende Entzauberung der Welt nicht neuen Technikmythen Tür und Tor öffnet, ist eine fundierte Technikfolgenabschätzung unerlässlich, die auf Elemente der traditionellen Ethik zurückgreift.

Nach einem einleitenden kulturwissenschaftlichen Essay liefern zwei Beiträge, die am Institut für Pervasive Computing der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich bzw. am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung Berlin entstanden, Basisinformationen. Es werden Szenarien der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung beschrieben. Ein Spezialgebiet der fortschreitenden Mikroelektronik und Kommunikationstechnik ist die Digitalisierung der Medien, die vertraute Berufsbilder grundlegend verändert hat. In den Kleinstwelten der Nanotechnologie, in denen sich Innovationen im millionsten Teil eines Millimeters vollziehen, liegt vielleicht der Kern der gegenwärtigen technologischen Revolution.

Die öffentliche Kommunikation über die Digitalisierung des Alltags am Beispiel "Elektrosmog" durch Mobilfunknutzung belegt, dass Aufklärung vonnöten ist, soll sich die Debatte nicht in irrationaler Angstbewältigung erschöpfen. Das wäre gleichbedeutend mit dem Verzicht, die kaum aufzuhaltende technologische Entwicklung verantwortlich und für den demokratischen Rechtsstaat verträglich gestalten zu wollen.