Partnerschaft mit Zukunft? Privatunternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit
Neben der technischen Form der Zusammenarbeit werden privatwirtschaftliche Akteure im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit schon seit langer Zeit mit Zuschüssen oder Krediten unterstützt.[8] So werden zum Beispiel Kredite auch für solche Länder und Branchen bereitgestellt, die von herkömmlichen Geschäftsbanken aufgrund des höheren Investitionsrisikos nicht oder mit sehr hohen Zinsraten bedient werden. In den vergangenen Jahren haben dabei sogenannte innovative Finanzierungsmechanismen an Bedeutung gewonnen. Bei begrenzten öffentlichen Mitteln für die EZ haben diese das Ziel, zusätzliche private Mittel für entwicklungspolitische Zwecke zu mobilisieren.[9] Hierfür soll eines der Haupthindernisse für die Beteiligung von privaten Investoren in Entwicklungsländern behoben werden: das Risiko von Investitionen. Während finanzielle Risiken mit jeder Anlage verbunden sind, werden die Risiken für Schwellen- und Entwicklungsländer oft höher eingeschätzt als sie tatsächlich sind, wodurch Investitionen unattraktiver sind.[10]Zur Senkung dieses Risikos beteiligt sich der Staat an Risiken beziehungsweise Kosten für Wirtschaftsaktivitäten, die als entwicklungspolitisch sinnvoll erachtet werden. Das vielleicht bekannteste und weitverbreitete Instrument in diesem Kontext ist unter dem Namen Blended Finance bekannt. Generell bezeichnet es die Mischung von öffentlichen und privaten Mitteln. Ziel ist es dabei, die Zinskonditionen (Laufzeit, Zinssatz) durch Bezuschussung aus Haushaltsmitteln zu verbessern, sodass Personen oder Unternehmen, die zu üblichen Marktbedingungen keinen Zugang gehabt hätten, nun ein Darlehen am Kapitalmarkt aufnehmen können. Bei den häufig eingesetzten Zinsverbilligungen werden beispielsweise Haushaltsmittel dazu eingesetzt, die Zinsen über die Laufzeit eines Darlehens zu reduzieren, um mehr Kreditnehmer erreichen zu können.[11]
Ein Beispiel für eine neuartige Finanzierungsstruktur zur Mobilisierung privater Mittel ist der Africa Agriculture and Trade Investment Fund (AATIF). Das Neuartige dieses Fonds liegt nicht allein in der Finanzierungsstruktur, sondern dass mit Hilfe dieser Struktur ein Sektor mit Finanzierung versorgt wird, der bisher kaum Zugang zum Kapitalmarkt hatte. Der Fonds stellt Finanzmittel über Intermediäre und Direktinvestitionen bereit, um Investitionen entlang der Wertschöpfungskette zu unterstützen. Die Investitionen sollen sowohl Kleinbäuerinnen und Kleinbauern als auch größere verarbeitende Betriebe erreichen und zielen auf die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion. Der Fonds wird dabei auch in ärmsten Ländern Afrikas tätig. Er ist jedoch bei Nichtregierungsorganisationen und Medien in Kritik geraten. Der Vorwurf lautete, dass die armen Bevölkerungsgruppen nicht nur oftmals nicht von den Maßnahmen profitieren, sondern sogar Nachteile erfahren.
In Ergänzung zu den beschriebenen Kooperationsformen im Rahmen der Technischen und der Finanziellen Zusammenarbeit hat die deutsche Entwicklungspolitik weitere übergeordnete Programme aufgesetzt, die in erster Linie zur Information deutscher und ausländischer Unternehmen dienen und bei der Anbahnung von Geschäftskontakten unterstützen sollen. So werden zum Beispiel über das "Import Promotion Desk" Exporteure in Entwicklungsländern mit importierenden Unternehmen in Deutschland in Kontakt gebracht. Andere Programme wie "ExperTS" haben zum Ziel, deutsche oder auch europäische Unternehmen über die Möglichkeiten zu informieren, in Entwicklungs- und Schwellenländern aktiv zu werden.
Potenziale und Erwartungen
Betrachtet man die Ergebnisse aus Evaluierungen und Studien, wird deutlich: Eine stärkere Einbindung von Unternehmen über die EZ hinaus kann vielfältige Vorteile für alle Beteiligten bieten. Drei Faktoren sind ausschlaggebend für diesen Befund.Erstens können privatwirtschaftliche Akteure zusätzliche Mittel für die Erreichung entwicklungspolitischer Ziele bereitstellen. So soll die bestehende Finanzierungslücke zur Erreichung der SDGs geschlossen werden. Selbst über eine Erhöhung der öffentlichen Entwicklungsausgaben – das 0,7-Prozent-Ziel[12] – könnte diese Lücke nicht geschlossen werden. Betrachtet man hingegen, welche Kapitalmengen am Kapitalmarkt von Banken und Versicherungen bewegt werden, könnte allein die Mobilisierung eines geringen Prozentsatzes für die EZ die Schließung der Finanzierungslücke ermöglichen.[13] Durch die Mobilisierung privaten Kapitals wird zudem ein positiver Effekt auf die Entwicklung nationaler Finanzsysteme in Entwicklungsländern erwartet, wodurch zukünftig mehr Investitionen aus dem Privatsektor angezogen werden könnten. Diese Investitionen könnten wiederum den sozialen und ökonomischen Fortschritt in Entwicklungsländern vorantreiben und neue Zielgruppen erschließen, die andernfalls nicht erreicht würden.[14]
Zweitens ist die Förderung nachhaltigen Wirtschaftswachstums ein Schwerpunkt der deutschen EZ zur Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern. In einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt wird die Integration in Märkte als eine zentrale Möglichkeit gesehen, Wohlstand und Entwicklung zu fördern. Unternehmen sind hierfür zentrale Akteure. Ihre Kreativität und Innovationskraft treiben nationale und internationale Wertschöpfungsketten an. Viele Ergebnisse weisen darauf hin, dass sie bestimmte Produkte oder Dienstleistungen, zum Beispiel Ausbildung oder Prozessverbesserungen, besser und effizienter erbringen können als Entwicklungsorganisationen. Zudem sind Unternehmen Abnehmer von Produkten und bieten somit Anreize für die Investition in moderne Wertschöpfungsketten und für die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte. Hiervon können auch ärmere Menschen in Entwicklungsländern profitieren, die als Produzentinnen und Produzenten oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den geförderten Ketten ihren Lebensunterhalt verdienen. Zudem sind Unternehmen an langfristigen Geschäftsbeziehungen interessiert und können somit, zumindest theoretisch, dazu beitragen, dass die Erfolge bestimmter Aktivitäten auch langfristig bestehen bleiben.
Drittens sollen Unternehmen durch ihre Einbindung in die EZ auch sensibilisiert und unterstützt werden, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stärker nachzukommen. Hierunter sind die Berücksichtigung von Menschenrechten sowie die Einhaltung international anerkannter Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards zu verstehen. Besonders die Privatwirtschaft steht seit einiger Zeit im Zentrum des öffentlichen Interesses; angetrieben durch die zunehmenden Aktivitäten internationaler Unternehmen in Entwicklungsländern wurden Regularien entworfen, die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen, sie aber auch unterstützen sollen, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen.[15] Vor diesem Hintergrund ist für Unternehmen die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Geschäftsmodelle ein zunehmend wichtiger Faktor für wirtschaftlichen Erfolg.[16] Kooperationen mit der EZ bieten den Unternehmen die Möglichkeit, Maßnahmen zur Corporate Social Responsibility (CSR) umzusetzen und in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Darüber hinaus, so die Annahme, kann die Einbindung von Unternehmen diese für die Bedeutung entwicklungspolitischer Ziele sowie für Risiken sensibilisieren, die durch ihr Engagement in Entwicklungsländern entstehen können.[17]
Diese theoretischen Vorteile einer Zusammenarbeit von EZ und Unternehmen beantworten jedoch noch nicht die Frage, ob die Zusammenarbeit in der Praxis tatsächlich zu dauerhaften Verbesserungen für die entwicklungspolitischen Zielgruppen führt.