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Hochleistungssport im internationalen Vergleich | Sport und Politik/Gesellschaft | bpb.de

Sport und Politik/Gesellschaft Editorial Was symbolisiert das "Wunder von Bern"? Fußball als globales Phänomen Mittendrin statt nur dabei? Hochleistungssport im internationalen Vergleich Sportentwicklung in Europa unter Einbeziehung von Frauen

Hochleistungssport im internationalen Vergleich

Helmut Digel Verena Burk Verena Helmut / Burk Digel

/ 22 Minuten zu lesen

Helmut Digel und Verena Burk ziehen einen internationalen Vergleich des Hochleistungssports. Dabei berücksichtigen sie insbesondere das Bildungs- und Erziehungssystem und das Militär der jeweiligen Länder.

Einleitende Bemerkungen

Wenn am 13. August 2004 in Athen die 28. Olympischen Spiele eröffnet werden, treten rund 10 500 Athletinnen und Athleten aus 201 Ländern in 28 Sportarten an, um sich 16 Tage im sportlichen Wettstreit zu messen und um ihre Siegerinnen und ihre Sieger in 301 Wettbewerben zu ermitteln. Die dabei erbrachten Leistungen wurden durch hartes und nahezu tägliches Training erzielt, das jedoch in den verschiedenen Ländern unter höchst unterschiedlichen gesellschaftlichen, kulturellen und sportstrukturellen Rahmenbedingungen stattfindet. Schon seit längerer Zeit hat sich die relativ einfach strukturierte Beziehung zwischen Athlet/ -in und Trainer/in zugunsten eines komplexen personellen Netzwerkes des Hochleistungssports verändert, in dem neben diesen zentralen Akteuren des Hochleistungssports weitere Personen, Organisationen und Institutionen wichtige Rollen bei der Vorbereitung und Durchführung der sportlichen Leistung übernommen haben. Gefragt sind hierbei vor allem spezifische leistungsfördernde Rahmenbedingungen bzw. Ressourcen, die in einer Gesellschaft für die Erstellung der Leistungen im Spitzensport zur Verfügung stehen bzw. gestellt werden. Um diese Ressourcen systematisch erfassen, beschreiben und vergleichend betrachten zu können, ist es hilfreich, das analytische Raster eines Erfolgs-Ressourcen-Modells anzuwenden, mit dessen Hilfe die zentralen Ressourcen der Organisation des Hochleistungssports identifiziert werden können.

Ressourcen des Hochleistungssports können heute auf drei unterschiedlichen Ebenen verortet werden: auf der Ebene der Gesellschaft, in der jeweiligen Organisation des Hochleistungssports einer Nation und in seiner Umwelt, die sich durch eine besondere Relevanz für das System Hochleistungssport auszeichnet. Fasst man die entscheidenden Ressourcen des Hochleistungssports zusammen, die direkt oder indirekt mit dem sportlichen Erfolg zusammenhängen, so entstehen je nach berücksichtigter Sportart und Nation verschiedene Ressourcenmuster. Im Gegensatz zu früheren Vorhaben, Determinanten für sportliche Erfolge zu bestimmen und zu interpretieren, wird in der hier vorgelegten Konzeption ein Zugang gewählt, der keinen engen Blick auf die Bedeutung weniger Indikatoren richtet. Es wird vielmehr ein weit gefasster Bezugsrahmen zu Grunde legt, um die komplexen Strukturen des Hochleistungssports nachzuzeichnen.

Die im Folgenden dargestellten Befunde resultieren aus einer Untersuchung, die im Jahr 1999 begonnen wurde und auf die acht erfolgreichsten Nationen der Olympischen Spiele ausgerichtet war. Mittels schriftlicher und mündlicher Befragung wurden Informationen über den Hochleistungssport Australiens, Chinas, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Russlands und der Vereinigten Staaten von Amerika eingeholt. Befragt wurden dabei die Dachorganisationen und ausgewählte Fachverbände sowie staatliche Einrichtungen des Sports in den jeweiligen Ländern. Darüber hinaus erfolgten Dokumentenanalysen und Literaturstudien. Die Interpretation der erhobenen Daten wurde schließlich in Kooperation mit ausgewählten nationalen Experten kommunikativ validiert.

Betrachten wir die Gesellschaft einer Leistungssportnation als Ressource für das System des Hochleistungssports, so ist davon auszugehen, dass gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen einen zentralen Einfluss auf die sportliche Erfolgswahrscheinlichkeit eines Landes ausüben. Für die Identifikation zentraler Ressourcen des Hochleistungssports ist es somit unerlässlich, bestimmte Charakteristika eines Landes in den Blick zu nehmen. Dabei ist davon auszugehen, dass diese länderspezifischen Rahmendaten jeweils als Hintergrundvariablen wirken und einen unabhängigen Einfluss auf die Ausprägung einzelner Elemente der anderen Ebenen ausüben. Berücksichtigt wurden hierbei z.B. ausgewählte Aspekte der Sozialstruktur, insbesondere die Bevölkerungsentwicklung, aber auch die politische und wirtschaftliche Situation eines Landes.

Auf der zweiten Ebene - der der Organisation des Hochleistungssports - kann man eine Vielzahl von Einzelkategorien unterscheiden, die für ein erfolgreiches Agieren in internationalen Wettkämpfen von Bedeutung sind. Zu nennen wären hier beispielhaft die Talentsuche und -förderung, die Aus- und Weiterbildung der Trainer/-innen, die Sportpartizipation der Bevölkerung, die Wettkampfangebote, die organisatorischen Strukturen und ihr Personal und nicht zuletzt die Finanzierungsmittel und -formen (vgl. Abb.).

Aus der Umwelt des Systems des Hochleistungssports erweisen sich vor allem einige gesellschaftliche Teilsysteme als besonders bedeutsam. Bei den zahlreich vorhandenen Leistungsinterdependenzen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen erfährt der Hochleistungssport vor allem Leistungen aus der Wirtschaft, der Politik, dem Militär, der Wissenschaft, den Bildungs- und Erziehungseinrichtungen und den Massenmedien. Im Folgenden werden beispielhaft die Verflechtungen des Hochleistungssports mit dem Bildungs- und Erziehungssystem sowie dem Militär vorgestellt und die erkennbaren Gemeinsamkeiten und Unterschiede der acht Länder diskutiert.

Die Rolle des Bildungs- und Erziehungssystems

Zur Sicherung seines Fortbestandes ist der Hochleistungssport zwingend darauf angewiesen, dass junge Menschen immer wieder dazu bereit sind, sich einer langjährigen Karriere im Hochleistungssport zuzuwenden. Dabei stellt sich neben der Frage nach der Rekrutierung dieser jungen Menschen auch die nach deren Betreuung. So ist der moderne Hochleistungssport u.a. dadurch charakterisiert, dass die Karrieren der Athlet/innen früh beginnen und die jungen Menschen zu dem Zeitpunkt, zu dem sie als Talente für den Sport entdeckt werden, in ein je spezifisches Bildungssystem eingebunden sind. Der Beitrag, der von den einzelnen nationalen Bildungssystemen zu Gunsten der Entwicklung des Hochleistungssports erbracht wird, kann dabei von unterschiedlicher Art und Qualität sein.

Während dem verpflichtenden Sportunterricht an den Schulen sowie den dabei vermittelten Inhalten in der Regel nur eine geringe Bedeutung für den Hochleistungssport zukommt, ist es insbesondere der außerunterrichtliche Schulsport - und hierbei das Angebot an Wettkämpfen -, der eine Relevanz für den Spitzensport besitzt. In allen acht untersuchten Nationen existiert an den Schulen ein Wettkampfprogramm. Die jeweilige Bedeutung dieser Wettkämpfe für den Hochleistungssport ist dabei allerdings sehr unterschiedlich: In den USA, in China und in Russland kommt dem schulischen Wettkampfwesen eine hohe Bedeutung für den Hochleistungssport dieser Nationen zu. Unabhängig von den jeweiligen nationalen Unterschieden ist hier grundsätzlich eine systematische Sichtung der Sportler/innen sowie eine systematische Auswertung der Wettkampfergebnisse zum Zweck der Talentsuche zu konstatieren.

Das US-amerikanische Schulwesen bietet den Schülern und Schülerinnen eine Vielzahl unterschiedlicher Wettkämpfe in verschiedenen Sportarten und Leistungsstufen an. Der Wettbewerb zwischen den Schulen um Anerkennung und öffentliche Reputation wird dabei auch auf dem Feld der Schulsportwettkämpfe ausgetragen. Im amerikanischen Bildungswesen hat sich somit ein hoch professionalisierter Wettkampfsport etabliert und die Sportmannschaften der High Schools sind längst Teil einer sehr lukrativen Unterhaltungsindustrie. Diese Sportmannschaften stellen dabei einen ganz wesentlichen Ort der Talentsichtung im US-amerikanischen Sport dar, wobei die Wettkampfleistung als das entscheidende Kriterium gilt, eine/n Nachwuchssportler/in als Talent einzustufen.

In China ist die Durchführung von Schulsportwettkämpfen in den Grund- und Mittelschulen auf der Ebene der Gemeinden, Regionen und Provinzen gesetzlich festgelegt und nach Alters- und Leistungsstufen getrennt. Die Wettkämpfe finden an den Grundschulen alle zwei Jahre als Multisportveranstaltung statt, die zehn Tage dauert und die Sportarten Leichtathletik, Schwimmen, Basketball, Volleyball und Fußball umfasst. An den Mittelschulen werden diese Wettkämpfe alle vier Jahre als Multisportveranstaltung über zwei Wochen ausgetragen; sie umfassen traditionelle Sportarten (z.B. Leichtathletik, Schwimmen, Turnen, Basketball, Volleyball, Fußball). Charakteristisch für das Wettkampfwesen an den chinesischen Schulen ist die Tatsache, dass die Kinder systematisch gesichtet und bei entsprechenden Leistungen und Veranlagungen in ein entsprechendes Talentförderungssystem eingegliedert werden. Die Auswahl der Talente erfolgt dabei nach festgelegten Kriterien der nationalen Sportverbände. Dem schulischen Wettkampfsystem in China ist aber auch deshalb ein hoher Stellenwert zuzuschreiben, weil es bislang nur in wenigen Sportarten ein alternatives Wettkampfsystem von Vereinsmannschaften gibt.

In Russland finden ebenfalls regelmäßig Wettkämpfe der Sportmannschaften der Regelschulen statt. Erfahrene Trainer/innen der spezialisierten Sportschulen beobachten diese Schulwettkämpfe, die für Kinder im Alter von 13 und 14 Jahren durchgeführt werden. Auch die Ergebnislisten dieser Wettkämpfe werden im Rahmen der Talentsuche genauestens analysiert. Ferner ist die wieder eingeführte und halbjährlich stattfindende "Spartakiada skol'nikov" ("Spartakiade der Schüler"), die von der Abteilung "Körperkultur" des russischen Ministeriums für Bildung organisiert wird, für die Talentsichtung im russischen Hochleistungssport von entscheidender Bedeutung.

Eine eher unbedeutende Rolle für den Hochleistungssport der jeweiligen Nationen spielen dieschulischen Wettkampfsysteme in Australien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Trotz dieser Einschätzung sind jedoch auch hier länderspezifische Besonderheiten festzustellen: So existiert in Australien ein offizielles Wettkampfprogramm für primary und secondary schools, das vom australischen Schulsportrat verwaltet wird. In der Leichtathletik, im Schwimmen und im Turnen werden ferner alle zwei Jahre "Pazifische Schulspiele" ausgerichtet.

Die Sportwettkämpfe des deutschen Schulsystems sind zum einen breitensportlich orientiert (Bundesjugendspiele), zum anderen weist auch der leistungsorientierte Wettbewerb "Jugend trainiert für Olympia" kaum eine direkte Anbindung an den Hochleistungssport auf. Vielmehr rekrutieren sich die Teilnehmer/innen (der erfolgreichen Mannschaften) vorwiegend aus Vereinssportler/innen, die bereits über ihre Sportart bzw. die Fachverbände als Talente be- bzw. erkannt sind. Dieser Wettkampf hat somit für das deutsche Spitzensportsystem eher eine Verstärkerfunktion und kann als Aspekt einer Förderkonzeption gedeutet werden.

Der wettkampforientierte Schulsport wird in Frankreich über eigene Schulsportvereine organisiert, die in Abhängigkeit von der Schulart jeweils Mitglied spezieller Schulsportverbände sind. Diese Schulsportverbände weisen je eigene Schulsportwettkämpfe auf der Ebene der Departements, der Regionen und auf nationaler Ebene auf. Das Wettkampfsystem basiert dabei auf dem schulfreien Mittwochnachmittag. Eine direkte Inanspruchnahme der schulischen Sportwettkämpfe zugunsten einer systematischen Talentsichtung liegt jedoch in Frankreich nur bedingt vor.

Sportartspezifische Schulsportverbände organisieren in den einzelnen home countries Großbritanniens Schulsportwettkämpfe auf den Ebenen local, district, county, regional und national sowohl für primary als auch für secondary schools. Die Top-5-Wettkampfsportarten der Schulen sind dabei Fußball, Leichtathletik, Netball, Cricket und Rugby. Die Bedeutung der schulischen Sportwettkämpfe für den Hochleistungssport ist jedoch eher gering.

In Italien schließlich existiert ein vom Nationalen Olympischen Komitee, dem Bildungsministerium und den Fachverbänden organisiertes schulisches Wettkampfprogramm für alle Jahrgangsstufen (Giochi sportivi studenteschi). Auf der Ebene der Gemeinden, der Provinzen, der Regionen und auf nationaler Ebene werden in den Sportarten Leichtathletik, Schwimmen, Turnen, Volleyball, Basketball, Handball, Fußball und Skilauf entsprechende Wettbewerbe durchgeführt. Doch findet hier keine systematische Beobachtung der Schulsportwettkämpfe für die Identifikation von Talenten statt.

Die Rolle des Bildungs- und Erziehungssystems bei der Unterstützung junger Hochleistungssportler/innen erstreckt sich nicht allein auf wettkampfsportliche Angebote, sondern vielmehr auch darauf, dass den jungen Sportlern und Sportlerinnen gewisse Vergünstigungen zuteil werden, um ihre schulischen Verpflichtungen besser mit den alltäglichen Trainingsbelastungen in Einklang bringen zu können. So sind innerhalb einiger Bildungssysteme spezifische Einrichtungen in Form von Spezialschulen des Hochleistungssports etabliert worden, um an diesen Orten eine besondere schulische und leistungssportliche Förderung der jungen Athleten/innen zu gewährleisten. Diese Formen des Entgegenkommens erfolgen in ganz unterschiedlicher Form und in unterschiedlichem Umfang. Ihnen kommt damit auch eine unterschiedliche Relevanz und Bedeutung für den Hochleistungssport in den jeweiligen Nationen zu.

An den russischen Schulen etwa wird umfassend auf die Belange der Spitzensportler/innen eingegangen, indem ihnen ein modifiziertes Curriculum zuteil wird und sie auch Hilfe bei der Koordination von Unterricht und Training erhalten. Sobald die Schüler/innen entsprechende sportliche Leistungen nachweisen können, werden sie in die "Jugendsportschulen der höheren Könnensstufen" aufgenommen. An diesen Sportschulen werden die talentierten Athletinnen und Athleten von erfahrenen staatlichen Trainer/innen intensiv betreut. Das Training wird hierbei auf die schulischen Lernprozesse abgestimmt, so dass den jungen Athleten/innen ein intensives Training möglich ist. Ferner verfügen diese Sportschulen über Trainer/innen und Lehrkräfte mit besonderen sportartspezifischen Kenntnissen und Fertigkeiten, über qualitativ hochwertige Sportstätten sowie über eine umfangreiche medizinische Versorgung.

Ein ebenfalls umfassendes und flächendeckendes Sportschulensystem wurde in China 1955 nach dem Vorbild der Sowjetunion eingeführt, kontinuierlich weiterentwickelt und an moderne Erkenntnisse angepasst. Insbesondere in diesen Sportspezialschulen werden die Talente aller Sportarten entdeckt und einer gezielten Förderung zugeführt. So werden beispielsweise in den "Sportmittelschulen und Wettkampfsportschulen" talentierte Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 11 und 18 Jahren sowohl sportlich als auch schulisch ausgebildet. Von den rund 2 600 "Sportmittelschulen" und "Wettkampfschulen", die insgesamt 85 000 Athleten schulisch betreuen und trainieren, sind 225 als Vollinternate organisiert. Die höchste Ebene des chinesischen Schulsportsystems stellen die "Hochleistungssportschulen" dar, an denen nicht nur junge Talente, sondern auch alle Hochleistungssportler/innen der Provinzen trainieren. Jede Provinzsportverwaltung unterhält dabei mindestens eine Schule, teilweise sind es bis zu fünf. Die Anzahl der an diesen Einrichtungen trainierenden Sportler/innen beläuft sich auf ca. 32 000. Diejenigen Athleten/innen, die noch schulpflichtig sind, besuchen dabei neben dem Training die in diese Zentren integrierten Schulen.

Ein ebenfalls umfassendes Engagement des Staates bzw. des Bildungswesens für die Belange jugendlicher Hochleistungssportler/innen ist in Frankreich zu konstatieren. So sind an den Leistungszentren (404 pôles) verbindlich Internate und Schulen eingerichtet. Diejenigen Athletinnen und Athleten, die vom französischen Staat als Leistungssportler/innen anerkannt sind und damit sich sportifs/sportives de haut niveau nennen dürfen, besuchen somit keine reguläre Schule, sondern ihr Unterricht wird von Lehrer/innen an den pôles abgehalten. Für den Fall, dass es an einem pôle keine entsprechenden schulischen Einrichtungen gibt, bestehen in der Regel mit Schulen in seiner Nachbarschaft Kooperationen. Darüber hinaus wird Hochleistungssportler/innen auf verschiedene Art und Weise entgegengekommen, so können z.B. die Teilnoten der Prüfungen zum Abitur bis zu einem späteren Prüfungstermin ihre Gültigkeit behalten (conservation de notes).

Ein deutlich geringeres Entgegenkommen in Bezug auf die Belange des Hochleistungssports zeigt sich hingegen in den folgenden Ländern, wenngleich jede der in diesen Nationen existierenden Maßnahmen ihre je eigene Qualität aufweist. Ein wesentlicher Beitrag, den das Bildungssystem in Australien zum Spitzensport leistet, ist vorrangig in der Kooperation von Schulen mit Fachverbänden im Bereich der Talentsuche und -förderung zu sehen. In diesem Zusammenhang wurden zu Beginn der neunziger Jahre erstmals in Australien 24 Sportgymnasien als Spezialschulen zu Gunsten des Hochleistungssports eingerichtet. Der Überwindung der räumlichen Distanzen zwischen Trainings- und Ausbildungsstätte, die sich für den Alltag oft als problematisch erweisen, wird dabei eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. So gibt es ein so genanntes distance-education programm mit einem open learning-System, das via TV ausgestrahlt wird.

Ausgehend von den Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) der DDR wurden in den neunziger Jahren neue Strukturen im deutschen Bildungssystem gesucht, um den Belangen des Spitzensports besser gerecht werden zu können. So wurden die KJS in den östlichen Bundesländern in "Sportbetonte Schulen" überführt und es bestehen mittlerweile - mit Ausnahme von Schleswig-Holstein - in allen Bundesländern insgesamt mehr als 100 Kooperationsprojekte im Verbundsystem Schule und Sport. 38 dieser Projekte erfüllen dabei die vom Deutschen Sportbund geforderten Kriterien und haben das Recht, sich als "Eliteschule des Sports" zu bezeichnen. Weitere 40 Schulen weisen einen Internatsbetrieb auf. Insbesondere die "Eliteschulen des Sports" gelten als ein zentraler Baustein der Nachwuchsförderung im deutschen Leistungssport, da hier besondere Rücksicht auf junge Leistungssportler/innen genommen wird, damit diese die Doppelbelastung von Leistungssport und Schule besser bewältigen können. Im Gegensatz zur spezifischen Betreuung an diesen Spezialschulen sind Vergünstigungen für Spitzensportler/innen an den regulären Schulen allein vom jeweiligen Lehrer bzw. der Schulleitung abhängig, wobei es sich hierbei im Regelfall lediglich um Freistellungen vom Unterricht auf Antrag handelt.

In Großbritannien wurden in jüngster Zeit zugunsten der englischen Schulen verschiedene Programme eingeführt, die auf die Förderung von talentierten Sportlern/innen im Schulalltag abzielen. So können sich seit 1995 alle secondary schools in England um den Status einer specialist school bewerben, u.a. auch mit dem Schwerpunkt "Sport". Diese so genannten Sports Colleges verfolgen dabei das Ziel, Talentförderung und Unterstützung von Nachwuchssportlern/innen, Förderung von Schülern/innen mit motorischen Defiziten sowie Vernetzung der Schulen mit Gemeinden, staatlichen Einrichtungen, Sponsoren und Fachverbänden voranzubringen. Im Durchschnitt müssen an einer solchen Schule zehn Stunden pro Woche mehr Sport- und Trainingsstunden angeboten werden. Nahezu alle Sports Colleges sind Gesamtschulen (comprehensive schools), deren Schüler/innen im Alter zwischen 11 und 16 bzw. 18 Jahren aus dem Einzugsgebiet der jeweiligen Schule kommen. Den Spezialschulen ist es aber auch erlaubt, zehn Prozent ihrer Schüler/ -innen durch ein Auswahlverfahren zuzulassen. Den Schülern/innen der Sports Colleges werden dabei u.a. Stipendien für talentierte Nachwuchssportler, Unterricht in Kleingruppen und Nachhilfeunterricht zuteil. Momentan existieren 140 derartiger Spezialschulen, bis September 2004 soll eine Anzahl von 150 erreicht werden.

Am wenigsten stark sind entsprechende Maßnahmen in Italien und in den USA ausgeprägt. Erst im Jahr 2001 wurden in Italien zwei Sport-Gymnasien (in Genua und Pisa) eingerichtet, an denen Spitzensportler/innen über verschiedene Vergünstigungen die Kombination von Schule und leistungssportlichem Training erleichtert werden soll: So isthier der Stundenumfang insgesamt reduziert, außerdem erfolgt der Unterricht nur am Vormittag und es stehen auch geeignete Sportanlagen für das Training der Schüler/innen zur Verfügung. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass die Sportler/innen für diese Spezialschule einen jährlichen Beitrag in Höhe von etwa 2 600 Euro selbst bezahlen müssen. In den USA schließlich existieren überhaupt keine Spezialschulen zu Gunsten des Hochleistungssports, doch können Spitzensportler/innen an den regulären Schulen mit umfangreichen Vergünstigungen rechnen, so z.B. mit vereinfachten Zugangsvoraussetzungen an High Schools oder Freistellungen vom Unterricht.

Die Bedeutung des Militärs

Das Militär kann auf unterschiedliche Weise dem Hochleistungssport Leistungen erbringen und somit eine spezifische Beziehung mit dem Spitzensport eingehen. Einerseits kann der Sport als Grundlage der körperlichen Fitness der militärischen Einheiten dienen sowie als Auflockerung eines sonst reglementierten Tagesablaufs genutzt werden. Andererseits kann das Militär wichtige Funktionen für das Sportsystem und seine Athleten übernehmen, beispielsweise bei der Vereinbarkeit von Beruf und sportlicher Karriere, bei der Bereitstellung einer Karriere nach dem Sport oder bei der finanziellen und sachlichen Förderung.

Um optimale sportliche Leistungen zu erbringen, müssen Hochleistungssportler/innen über ein Umfeld verfügen, in dem sie sich vollständig auf die zu erbringende Leistung konzentrieren können. Dieses Umfeld sollte dabei eine langfristige Vorbereitung und bestmögliche Trainings- und Wettkampfbedingungen bieten und darüber hinaus nicht existenzgefährdend sein. Militärische und militärnahe Einrichtungen scheinen hierfür besonders geeignete Institutionen: Sind Sportler/innen Angehörige des Militärs, so sind sie meist im leistungsfähigsten Alter, der Dienst in einer militärischen Einheit ist für die Sportler/innen genau zu kalkulieren und sie wissen dabei genau, wann sie trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen können. Das Militär bietet somit die Möglichkeit, Sport und berufliche Ausbildung bzw. Beruf nahezu optimal zu vereinbaren. Ein weiterer Vorteil ist der Sold, der eine finanzielle Grundsicherung, auch in sportlich erfolgloseren Zeiten, gewährleistet und die Konzentration auf eine leistungssportliche Karriere zusätzlich erleichtert. Aus diesem Grund wurden in vielen Ländern spezifische Förderstrukturen und besondere Sportfördereinrichtungen im Militär zugunsten des Hochleistungssports eingerichtet.

In einer ersten Gruppe sind jene Länder zusammenzufassen, in denen die Sportförderkompanien eine bedeutsame Rolle spielen und deren militärische Struktur auf Pflichtarmeen basiert. Dazu zählen Italien, Deutschland und Russland. In Italien wurde die erste Sportkompanie bereits 1922 bei der so genannten Finanzpolizei eingerichtet. Ferner wurden Anfang der sechziger Jahre weitere Förderkompanien innerhalb des Heers aufgebaut, gegenwärtig gibt es in Italien fünf (militärische) Sportkompanien (zusätzlich Marine, Luftwaffe und Carabinieri), in denen 1 485 Sportler/innen in 17 Sportarten an sechs verschiedenen Orten betreut werden. In Deutschland sind seit Ende der sechziger Jahre hingegen nur ca. 740 Sportsoldaten/innen in gegenwärtig 25 Sportfördergruppen (3 davon mit militärsportspezifischer Ausrichtung) an 22 verschiedenen Standorten eingebunden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Bildung der Russischen Föderation im Jahr 1991 haben sich auch die militärischen Sportstrukturen Russlands im Zuge der politischen Umwälzungen und der Demokratisierung radikal verändert. Das russische Hochleistungssportsystem stützt sich aber nach wie vor auf die Sportgemeinschaften und -vereinigungen des Militärs und der Polizei. Die besten russischen Athleten/innen werden in spezielle Sportförderungseinheiten aufgenommen. In allen drei Ländern wird in den Sportförderkompanien den olympischen Sportarten und Disziplinen Priorität eingeräumt und eng mit den jeweiligen Fachverbänden, z.B. bei der Einstufung eines Athleten in eine Fördergruppe anhand spezieller Kriterien, zusammengearbeitet. Den Sportler/ innen werden die besten Trainer/innen und Sportanlagen zur Verfügung gestellt und am Ende ihrer Sportkarriere haben die Athleten/innen die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz im Militär oder den Sportkompanien zu erhalten (z.B. als Trainer/in).

In einer zweiten Gruppe sind diejenigen Länder zusammenzufassen, die über eine Berufsarmee verfügen. Dadurch ergibt sich eine andere Förderstruktur, z.B. bei der Anzahl der geförderten Athleten/innen. Im Rahmen einer Berufsarmee entfällt auch für Hochleistungssportler/innen die Verpflichtung, Militärdienst ableisten zu müssen, und die Möglichkeit, die Armee in großem Umfang für die Belange des Hochleistungssports zu instrumentalisieren. Im Rahmen der Umwandlung der französischen Armee in eine Berufsarmee wurde das Bataillon Joinville, eine bis dahin existierende Militärsporteinheit, aufgelöst. Für Hochleistungssportler/innen gibt es jedoch nach wie vor die Möglichkeit, als Berufssoldat/in ihrem Training nachzugehen. Allerdings sind hierfür nur ca. 80 Plätze eingerichtet und die jeweiligen Militäreinheiten können die von ihnen unterstützten Sportarten auswählen. Dabei orientiert sich ihre Wahl zum einen an ihrer jeweiligen militärischen Tradition, zum anderen an der Affinität der Sportart zur spezifischen Ausbildung ihrer Soldaten/innen. Etwas offener zeigt sich hingegen das US-amerikanische Fördersystem des Militärs. Herausragenden Sportlern/innen in den Reihen der US-Streitkräfte ist es gestattet, für internationale Wettkämpfe (z.B. Olympische Spiele) zu trainieren und an ihnen teilzunehmen. Hierfür bietet das US-Militär spezielle Förderprogramme (z.B. Armed Forces Sports Program und Army's Elite Athlete Support Program). Die meisten Athleten/innen sind an wenigen Militärbasen zentralisiert und meist den Sportarten Boxen, Ringen, Bobfahren und Schießen zuzuordnen. Das wohl wichtigste Programm zur Athletenförderung in den USA stellt das 1978 ins Leben gerufene World Class Athlete Program (WCAP) dar. Das WCAP dient in erster Linie dazu, außergewöhnlich sportlich talentierten Soldaten/innen (einschließlich Mitgliedern der Reserve) die Möglichkeit zu eröffnen, an nationalen und internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Hierfür wurden spezielle Auswahlkriterien festgelegt, die mit den Empfehlungen der nationalen Sportfachverbände übereinstimmen. Grundsätzlich gilt, dass die Soldaten/innen ihr Training mit der militärischen Karriere vereinbaren müssen, d.h., in erster Linie sind sie Soldaten/innen, die ihre militärischen Fähigkeiten (für Kriegszeiten) erhalten müssen. Im Falle einer Krisensituation kehren sie zu ihrer Einheit zurück. Durch das Programm werden den Soldaten/innen die besten Trainingsmöglichkeiten und -stätten sowie sportmedizinische Vorsorgung angeboten. Des Weiteren werden durch die US-Armee alle Lebensunterhaltungs-, Trainings-, Ausrüstungs-, Reise- und Wettkampfkosten übernommen. Im Regelfall sind die Soldaten/innen zwei bis drei Jahre vor Olympischen Sommer- oder Winterspielen in das Programm integriert. Nach den Spielen kehrt die Mehrzahl der Soldaten/innen in den normalen Militärdienst zurück. Im Rahmen der Vorbereitung auf Sydney trainierten 77 Soldaten/innen im WCA-Programm. 56 (73 Prozent) qualifizierten sich für die Olympic Trials, die endgültigen Qualifikationswettkämpfe für die Sommerspiele. Für die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen sind 72 Soldaten/innen in das WCA-Programm berufen.

Auch die Volksbefreiungsarmee (VBA) Chinas unterhält eigene Sportfördereinrichtungen sowie spezielle (Hochleistungs-)Sportmannschaften, in denen vergleichsweise viele Athleten/innen (ca. 1 800 pro Jahr) organisiert sind. Ein eigens dafür eingerichtetes Trainingszentrum ermöglicht optimale Rahmenbedingungen beim Training der vorwiegend olympischen Sportarten. Innerhalb der VBA sind rund 300 Athleten/innen als staatliche Angestellte beschäftigt, denen finanzielle Sicherheit, Training, Wettkampfteilnahmen oder die Aufnahme eines Studium an einer Sporthochschule gewährleistet wird. In den Provinz-Mannschaften sind zusätzlich mehrere Hundert Spitzenathleten/innen organisiert.

In den Ländern der dritten Gruppe, ebenfalls mit Berufsarmee, spielen die verschiedenen Militäreinheiten für den Hochleistungssport eine zu vernachlässigende Rolle. In der australischen und britischen Armee werden keine speziellen Sportförderkompanien für Hochleistungssportler/innen von den Verteidigungsministerien unterhalten, wenngleich in Australien einige wenige Athleten/innen in äußerst geringem Umfang zusätzliche (finanzielle) Förderungen erhalten. In Großbritannien ist das Verteidigungsministerium für die Bereitstellung von Sportstätten für die Streitkräfte verantwortlich. Diese Sportstätten sind der Öffentlichkeit und somit auch dem Hochleistungssport als Trainingsanlagen zugänglich.

Einige Länder verfügen nicht nur über Förderstrukturen innerhalb des Militärs, sondern haben diese auf militärnahe Einrichtungen wie Grenzschutz, Polizei und Zoll ausgeweitet. Die Förderungen ähneln denen des Militärs, d.h., den Athleten/innen wird z.B. bei Trainings- und Wettkampfzeiten entgegengekommen oder Ausbildungsmaßnahmen garantieren berufliche Perspektiven nach der Sportkarriere. Vor allem in Deutschland und Italien ist eine Förderung über das Militär hinaus zu beobachten, ebenso begünstigt der Grenzschutz in Russland den Hochleistungssport.

In Deutschland fördert der Bundesgrenzschutz (BGS) seit 1978 Leistungssportler/innen in verschiedenen Wintersportarten. Dafür wurde ein Leistungszentrum in der Bundesgrenzschutz-Sportschule in Bad Endorf eingerichtet. Seit 1999 wurde die Förderung im Rahmen eines Spitzensportförderprojekts auf verschiedene Sommersportarten ausgeweitet, wobei die Sportler/innen in erster Linie am Olympiastützpunkt Cottbus/Frankfurt-Oder betreut werden. Im Vordergrund steht neben der beruflichen Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrenzschutz die Förderung junger hochtalentierter Athleten/innen. Der BGS-Fördergruppe in Bad Endorf gehören 75 Kaderathleten/innen bzw. BGS-Beamte/innen des Deutschen Skiverbandes (DSV), der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) und des Deutschen Bob- und Schlitten-Sportverbandes (DBSV) an, die zehn Wintersportarten umfassen. Außerhalb der beruflichen Ausbildungsperioden steht den Athleten/innen der Zeitraum von August bis März ausschließlich für den Leistungssport zur Verfügung. Für diejenigen Sportler/ innen, die ihre polizeifachliche Ausbildung insgesamt abgeschlossen haben, steht der gesamte Jahreszeitraum für den Leistungssport zur Verfügung. In Cottbus werden 29 Sportler/innen in drei Sommersportarten betreut (Radsport, Leichtathletik, Judo). Eine weitere, bereits 1952 eingerichtete militärnahe Fördereinrichtung in Deutschland stellt die Bundeszollverwaltung (Zoll Ski Team) dar. Sie dient mit 40 Förderplätzen für Sportler/ innen und Trainer/innen in vier dezentralen Trainingsstützpunkten verschiedenen Wintersportarten (Ski alpin, Langlauf und Biathlon). 1996 wurden Frauen mit in die Förderung einbezogen. Athleten/innen dieser Fördergruppe werden ungeachtet ihrer schulischen Qualifikation zunächst in den einfachen Zolldienst eingestellt, da hierfür parallel zur sportlichen Karriere keine Laufbahnausbildung absolviert werden muss. Erst nach der sportlichen Karriere muss der/die Sportler/in sich für einen Ausbildungsweg entscheiden, der aber nicht zwingend in der Bundeszollverwaltung verlaufen muss, sondern z.B. auch in ein Studium münden kann.

Die italienische Staatspolizei (Polizia di Stato), die Feuerwehr (Corpo Nazionale dei Vigili del Fuoco), die Forstpolizei (Corpo Forestale dello Stato) und die Gefängnispolizei (Polizia Penitenziaria) unterhalten Sportkompanien an verschiedenen Standorten, die 653 Athleten umfassen, darunter 138 Frauen und 515 Männer. Auch der russische Grenzschutz hat seit 1996 einen eigenen zentralen Sportklub. Dieser organisiert Wettkämpfe innerhalb der Grenzschutzkräfte und fördert den Hochleistungssport. In den Mannschaften des zentralen Sportklubs des föderalen Grenzschutzdienstes trainieren 26 Olympiasieger/innen, Welt- und Europameister/innen. Weniger stark ausgeprägt zeigt sich die Unterstützungsleistung in Frankreich. Bei der französischen Polizei und dem Grenzschutz waren 2001 im Rahmen der convention d'insertion professionnelle mit dem MJS 111 Hochleistungssportler/ -innen angestellt, 71 bei der Polizei sowie 40 bei den Grenzschutzbehörden, denen z.B. bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit entgegengekommen wurde.

Fazit und Ausblick

Die Systeme des Hochleistungssports der erfolgreichsten Nationen bei Olympischen Spielen zeichnen sich schon seit längerer Zeit durch höchste Komplexität aus. So wie das Bildungs- und Erziehungssystem einer Nation, aber auch das Militär von größter Bedeutung, aber auch nahezu ohne jede Bedeutung sein kann, so zeigt sich auch bei den übrigen Austauschbeziehungen des Hochleistungssports zu seiner Umwelt, dass die Qualität der Austauschverhältnisse sehr unterschiedlich sein kann. Dies gilt für das Verhältnis von Sport und Wirtschaft in ähnlicher Weise wie für das Verhältnis der Massenmedien zum Hochleistungssport, für den Beitrag, den die Politik zu Gunsten des Hochleistungssports erbringt und für die Funktion der Wissenschaft, die diese in Bezug auf den sportlichen Erfolg erfüllt. Wird die Gesellschaft in ihren wichtigsten Merkmalen in die Interpretation mit einbezogen und betrachtet man die jeweils dominanten nationalen Kulturen in ihrem Einfluss zu Gunsten oder zu Lasten des Hochleistungssports, so wird ersichtlich, dass trotz aller Internationalität, durch die sich der Hochleistungssport auszeichnet, spezifische Nationalkulturen des Sports existieren, die durch eigenständige Traditionen und spezifische Merkmale gekennzeichnet sind. Es werden aber auch Angleichungsprozesse sichtbar, die angesichts der globalen Verfasstheit der Institutionen und Organisationen des Sports nicht überraschen können. Institutionelle Angleichungsprozesse, wie man sie in der Politik und in der Wirtschaft beobachten kann, finden schon seit längerer Zeit auch in den Hochleistungssportsystemen der erfolgreichsten Nationen statt. Angleichung ausgelöst durch Druck, aber auch Angleichung hervorgerufen durch Imitationsprozesse ist allenthalben zu beobachten. Von einer autonomen Verfasstheit der Systeme des Hochleistungssports kann dabei schon längst nicht mehr die Rede sein. Die Einflussnahme, insbesondere aus dem Bereich der Politik, ist evident. Die Suche nach effizienter Steuerung führt nahezu zwangsläufig zu hierarchischen Strukturen. Auch diesbezüglich lässt sich ein Prozess der internationalen Angleichung erkennen. Ähnlich wie in der Wirtschaft und in der Politik gibt es für das System des Hochleistungssports auch vermehrt einen Legitimationszwang, dem man dadurch begegnet, dass Modernisierung vorgegeben wird, ohne dass in der Praxis selbst entscheidende Veränderungen eintreten. Das so genannte Talk-Action-Phänomen zeigt sich somit auch in einem gesellschaftlichen Teilsystem, von dem man annehmen müsste, dass es sich eigentlichin erster Linie durch "Action" auszeichnet. Unklare Ursache-Wirkung-Zusammenhänge, heterogene Umwelterwartungen und der Mangel an eindeutigen Problemlösungstechnologien führen zu Prozessen wechselseitiger Beobachtung und Imitation. Dies ist im Hochleistungssport gerade auch deshalb der Fall, weil man mit einem Problem konfrontiert ist, dessen Ursachen vielfältig und mögliche Lösungswege meist unklar sind. Sportorganisationen sind deshalb nicht selten nachahmende Organisationen: Erfolgreiche Modelle werden relativ schnell imitiert und über die Organisationsgrenzen hinweg adaptiert. Die Leistungssportnationen unterliegen aber auch einem immensen normativen Druck. Dieser resultiert aus den Professionalisierungsprozessen, wie sie insbesondere bei ihrem Personal zu erkennen sind. Auf diese Weise kommt es nicht zuletzt zu einer Kontinuität von Reformansprüchen. Auch im Hochleistungssport ist man ständig auf dem Sprung, permanent werden neue Reformen verlangt, Reformen werden zur Routine. Doch das Bemühen um Effizienz wird dabei nicht selten zu einer Reform um der Reform willen. Die Gefahr ist dabei gegeben, dass angesichts der fortdauernden Modernisierungsbemühungen weniger konkrete und intendierte Ergebnisse hervorgerufen werden, als vielmehr indirekte und zum Teil der Intention entgegenwirkende Effekte. In allen beobachteten Hochleistungssportsystemen ist deshalb die Frage nach effektiver Steuerung zur eigentlichen Herausforderung geworden. Immer dann, wenn der Hochleistungssport zu einem bestimmten Zeitpunkt, und das sind vor allem die Olympischen Spiele, auf dem Prüfstand steht, wird diese Frage erneut aufgeworfen. Ist man erfolgreich, sieht man sich mit seiner Steuerungskompetenz bestätigt, treten Misserfolge ein, ruft der Reformdruck Modernisierungsbemühungen hervor, deren Gelingen jedoch immer davon abhängig sein wird, dass die nicht gewollte Option des Misserfolges auch für Erfolgreiche wahrscheinlich bleibt. Der internationale Hochleistungssport ist und bleibt auf diese Weise ein Nullsummenspiel. Zur Logik des Siegers gehört der Verlierer.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Ernst Jokl/Martti J. Karvonen/Jaakk Kihlberg/Aarni Koskela/Leo Noro, Sports in the cultural pattern of the world, Helsinki 1956; Paavo Seppänen, Die Rolle des Leistungssports in den Gesellschaften der Welt, in: Sportwissenschaft, 2 (1972) 2, S. 133 - 155; Aleksander D. Novikov/Michael Maksimenko, Soziale und ökonomische Faktoren und das Niveau sportlicher Leistungen verschiedener Länder, in: Sportwissenschaft, 2 (1972) 2, S. 156 - 167; Kalevi Heinilä, The totalization process in international sport, in: Sportwissenschaft, 12 (1982) 3, S. 235 - 254; Jane Colwell, Sociocultural Determinants of International Sporting success: The 1976 Summer Olympic Games, Waterloo 1981; Jane Colwell, Ökonomische Bedingungen des Erfolges im internationalen Spitzensport, in: Klaus Heinemann (Hrsg.), Texte zur Ökonomie des Sports, Schorndorf 1984, S. 91 - 100; A. Ray Grimes/William J. Kelly/Paul H. Rubin, A socioeconomic Model of National Olympic Performance, in: Social Science Quarterly, 65 (1984), S. 777 - 783; Markus Lamprecht/Hanspeter Stamm, Weltsystemposition, Legitimität und internationaler Spitzensport: Partizipation und Erfolg an Olympischen Spielen als Korrelate in die Weltgesellschaft, in: Helmut Digel (Hrsg.), Spitzensport. Chancen und Probleme, Schorndorf 2001, S. 98 - 122; Dieter H. Jütting, Olympischer Sport und kulturelle Hegemonie. Zur globalen Expansion eines europäischen Kulturmusters, in: H. Digel, ebd., S. 80 - 97; Daniel K.N. Johnson/Ayfer Ali, A Tale of Two Seasons: Participation and Medal Counts at the Summer and Winter Olympic Games, Wellesley/Mass. 2002.

  2. Vgl. John W. Meyer/Brian Rowan, Institutionalized Organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony, in: The American Journal of Sociology, 83 (1977), S. 340 - 363; Paul J. DiMaggio/Walter W. Powell, The Iron Cage revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields, in: American Sociological Review, 48 (1983), S. 147 - 160.

  3. Vgl. Helmut Digel/Marcel Fahrner, Hochleistungssport in Frankreich, Weilheim/Teck 2003; ders. /Verena Burk/Heike Sloboda, Hochleistungssport in Großbritannien und Nordirland, Weilheim/Teck 2003; ders./Jia Miao/Andreas Utz, Hochleistungssport in China, Weilheim/Teck 2003; ders./Alexander Kruse, Hochleistungssport in Australien, Weilheim/Teck 2004.

  4. Vgl. Nils Brunsson/Johan P. Olsen, The reforming organization, London 1993.

Dr. rer. soc., geb. 1944; Studium der Germanistik, Sportwissenschaft und Erziehungswissenschaft an der Universität Tübingen; seit 1999 Professor für Sportwissenschaft und Direktor des Instituts für Sportwissenschaft an der Universität Tübingen.
Anschrift: Eberhard-Karls-Universität, Institut für Sportwissenschaft, Wilhelmstr. 124, 72074 Tübingen.
E-Mail: E-Mail Link: helmut.digel@uni-tuebingen.de

Veröffentlichungen u. a.: Spitzensport - Chancen und Risiken, Schorndorf 2001; Nachdenken über Olympia - Über Sinn und Zukunft der Olympischen Spiele, Tübingen 2004; zahlreiche weitere Monographien und Beiträge zum Spitzensport im internationalen Vergleich.

M. A., Dr. rer. soc., geb. 1966; Studium der Sportwissenschaft und Germanistik an der Technischen Hochschule Darmstadt; wiss. Mitarbeiterin am Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen.
Anschrift: wie H. Digel.
E-Mail: E-Mail Link: verena.burk@uni-tuebingen.de

Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Helmut Digel und Heike Sloboda) Hochleistungssport in Großbritannien und Nordirland, Weilheim/Teck 2003; Sportberichterstattung im dualen Fernsehsystem. Öffentlich-rechtliche und private Programme im Vergleich, Darmstadt 2003.