Familienfreundliche Betriebe - Anspruch und Wirklichkeit
Familienfreundliche Betriebe sollten nicht nur einen betrieblichen Kindergarten haben und familienbezogene Zuschüsse zahlen. Wichtiger sind familiengerechte Arbeitszeiten, ein familienfreundliches Betriebsklima und die Gestaltung der Elternzeit.Einleitung
Dass Betriebe als familienpolitische Akteure auftreten, ist nicht neu. In der Bundesrepublik Deutschland richtete sich ihre familienunterstützende Rolle in den 1950er und 1960er Jahren vorrangig an den männlichen Arbeitnehmer,[1] der seine Familie zu ernähren hat.[2] Noch heute ist die Zahlung von freiwilligen Zulagen an Beschäftigte mit Kindern eine weit verbreitete familienbezogene betriebliche Maßnahme. Ein Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitiert davon.[3] Gleichzeitig waren - und sind teilweise immer noch - Arbeitszeiten, Arbeitsorganisation und viele betriebliche Gegebenheiten am Leitbild des männlichen Familienernährers orientiert. Damit ist die Unterstellung verbunden, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeit weitgehend unbelastet von Familienarbeit verrichten können, da ihnen die Ehefrauen den "Rücken freihalten". Doch dies entspricht immer weniger der Realität, denn das Familienernährermodell verliert an Bedeutung. Heute überwiegen die Zweiverdienerpaare. Daneben wächst die Zahl der Alleinerziehenden.Daher steht gegenwärtig eine andere Grundrichtung für das familienpolitische Engagement von Betrieben im Vordergrund: Es geht darum, Frauen und Männer dabei zu unterstützen, berufliche Arbeit und Familie alltäglich in Einklang zu bringen.
Forderungen nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind seit langem erhoben worden. Heute ist es dringender denn je erforderlich, die Situation zu verbessern. Eine wachsende Zahl von Arbeitnehmern ist mit der Frage konfrontiert, ob und wie die betrieblichen Bedingungen ihnen eine Balance von Familie und Beruf erlauben. Denn zum einen ist die Erwerbstätigkeit von Müttern - insbesondere von Müttern kleiner Kinder - immer weiter angestiegen. Zum anderen sind viele Väter heute in die Alltagsarrangements der Familie eingebunden.[4] Auch wenn in quantitativer Hinsicht der Beitrag der meisten Väter zur Familienarbeit bescheiden ist,[5] sind die Veränderungen in den letzten Jahren unverkennbar: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht länger ein nur Frauen betreffendes Anliegen. 71 Prozent der Väter, die im Rahmen einer Onlineumfrage antworteten, empfanden einen Konflikt zwischen dem gewollten beruflichen und gewünschten familiären Engagement.[6]
Nicht nur Mütter und Väter sind mit der Vereinbarkeitsfrage konfrontiert, sondern auch Beschäftigte, die Angehörige pflegen. Mit zunehmender Lebenserwartung wird der Anteil der Pflegebedürftigen steigen. Gleichzeitig wird es weniger nichterwerbstätige Frauen geben, die die Pflege übernehmen können. Die Kombination von beruflicher Arbeit und Pflege ist deshalb ebenfalls von zunehmender Bedeutung. Neben der Verbesserung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind auch die Betriebe gefordert, mit familiengerechten Arbeitsbedingungen die Schwierigkeiten einer Balance der Lebensbereiche zu mildern. Familienfreundlichkeit wird immer mehr ein Attribut, das Betriebe benötigen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Viele Betriebe haben durchaus ein Interesse daran, eingearbeitete Fachkräfte nach einer kurzen familienbedingten Auszeit wieder einzusetzen. Dies gilt umso mehr, wenn Betriebe sich im Wettbewerb um gute Fachkräfte behaupten müssen.[7]
Was halten Mütter, Väter und Pflegende für einen familienfreundlichen Betrieb für besonders wichtig? Darauf will ich im Folgenden eingehen. Grundlage bilden die vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in Kooperation mit dem DGB und EMNID durchgeführte repräsentative Befragung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,[8] mehrere weitere Erhebungen[9] sowie statistische Analysen der Daten.[10]
Jüngere Erwachsene mit und ohne Kinder, die von Allensbach 2005 gefragt wurden, was ein Betrieb, der familienfreundlich sein will, tun muss, stellten flexiblere Arbeitszeiten an die erste Stelle.[11] Unsere Befragung der konkret Betroffenen ergab ebenfalls, dass familienfreundliche Arbeitszeiten an erster Stelle der Bereiche mit dem größten Handlungsbedarf stehen.[12] Allerdings sind damit nicht vorrangig flexiblere, sondern vor allem kürzere Arbeitszeiten gemeint.[13] Darüber hinaus sehen Mütter und Väter finanzielle Unterstützung, aber auch Freistellungsmöglichkeiten und ein gutes Betriebsklima als wichtig an. Nachfolgend werden als wichtige Elemente und damit Handlungsfelder für mehr Familienfreundlichkeit im Betrieb behandelt:
Abschließend wird der Stand der Bemühungen um familienfreundliche Betriebe skizziert.