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Die "Stunde Null" als Zeiterfahrung | 1945 | bpb.de

1945 Editorial Zur Generation der 45er. Stärken und Schwächen eines Deutungsmusters 1945 als globale Zäsur Das Leid der Eigenen. 1945 in der japanischen Erinnerungskultur Nach dem Zivilisationsbruch. Stand und Perspektiven der Holocaustforschung Die "Stunde Null" als Zeiterfahrung Die Nachkriegszeit als Gewaltzeit. Ausnahmezustände nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges

Die "Stunde Null" als Zeiterfahrung

Martin Sabrow

/ 22 Minuten zu lesen

Die "Stunde Null" von 1945 ist keine historische Urteilskategorie, sondern ein zeitgenössischer Vorstellungstopos. In ihm verschmelzen biografische Erfahrung und historische Zäsur in einer Intensität, wie sie kein anderer Umbruch des 20. Jahrhunderts aufwies.

Wie das "Augusterlebnis" von 1914 oder Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen" von 1969 oder das "Wunder" von 1989 zählt die "Stunde Null" 1945 zu den historischen Begriffsprägungen, in denen über alle gesellschaftlichen Schichten und Generationen hinweg das Selbstverständnis einer Zeit zum Ausdruck kommt; sie ist ein Zeit-Wort des 20. Jahrhunderts. Zeit-Worte müssen nicht zeitgenössisch sein, und sie müssen nicht wahr sein, aber sie besitzen Deutungskraft. Auch die Bezeichnung einer "Stunde Null" nach dem Ende des totalen Weltkrieges konnte erst nach ihrem Ablauf entstehen, um rückblickend einen historischen Moment zu benennen, in dem nichts mehr gewiss und alles möglich schien.

Historische Metapher

Was aber unter der seither so vielzitierten Metapher genau zu verstehen sei, lässt sich kaum auf einen Nenner bringen. Die Begriffsfüllungen in der Publizistik wie in der Belletristik unterscheiden sich schon nach den kontrastierenden Schicksalen, die sich mit dem Kriegsende verbanden, und damit nach Stellung und Lebensumgebung, Alter und Geschlecht derer, die sich in der Rede von der "Stunde Null" wiederfanden. Das Kriegsende erlebte sich auf einem ostpreußischen Flüchtlingstreck anders als in einem fast unberührt gebliebenen Dorf im Sauerland, und auch in den fast ausgelöschten Städten von Kiel bis Köln, von Dortmund bis Dresden bedeutete die "Stunde Null" für einen sich im Keller das Parteiabzeichen vom Revers reißenden Volksgenossen gänzlich anderes als für einen befreiten Zwangsarbeiter. Auch in den Ruinen der zerstörten Reichshauptstadt dominierte nach der Kapitulation am 2. Mai 1945 bei vielen Berlinern zuallererst das Gefühl der Rettung, wie sich der spätere Bundesminister Egon Bahr erinnerte: "Der ganze Sommer war eigentlich die Erleichterung, es überlebt zu haben, und die Hoffnung, es würde schon nicht so schlimm werden. Es wird nicht mehr geschossen, man braucht nicht mehr sterben, egal, wie schlimm das mit den Ruinen ist, wir können jetzt endlich wieder nach vorne denken und hoffen. Es war ein ungeheuer graues Leben, aber es war mit der Freude, man war entkommen."

Der Gehalt der Rede von einem historischen Nullpunkt hängt von der Blickrichtung ab, aus der der Moment betrachtet wird, an dem die Besiegten kapitulierten und die Waffen verstummten. Dieselbe "Stunde Null", die sich aus der Nahdistanz lediglich als "eine große Leere" darstellte, konnte aus dem Abstand der folgenden Jahrzehnte den bewundernswerten "Wiederaufbau aus Ruinen" bezeichnen. Damit ließ sie sich in die stupende Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik einschreiben, die aus der Totalität des Zusammenbruchs ihren Blick auf das atemberaubende Tempo des Wiederaufstiegs gewann.

Diesem bundesdeutschen Erzählmuster, das die Tiefe des deutschen Zusammenbruchs rückblickend von der rasch wieder erreichten Höhe einer prosperierenden Mittelmacht misst, stand in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten eine ostdeutsche Gegenerzählung gegenüber, die den Topos der "Stunde Null" als historischen Entscheidungsmoment zwischen zwei gegensätzlichen Zukunftshorizonten fasste. Auf der einen Seite stand, so bilanzierte die "Neue Zeit", das Parteiorgan der ostdeutschen CDU, zum 20. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland, das Interesse des westlichen Imperialismus, "Deutschland als Staat aufzulösen" und "die Nation für immer zu zerschlagen", auf der anderen das sowjetische Bekenntnis zur Einheit einer geläuterten deutschen Nation, die sich mit ihrer tätigen Bereitschaft zu Neuaufbau und Wiedergutmachung das Recht auf eine staatliche Zukunft erwerben könnte. "Zehntausende deutsche Antifaschisten hatten sich gegen die Tyrannei gestellt, hatten gelitten, hatten das Opfer ihres Lebens gegeben. Der Kampf gegen den Faschismus und die dabei gebrachten Opfer gaben das Recht und waren Verpflichtung, in der ‚Stunde Null‘ vor 20 Jahren für die Zukunft der Nation aktiv zu werden."

Die "Stunde Null" meinte in diesem Verständnis nicht einen verzweifelten Nullpunkt, sondern eine historische Bewährungssituation, in welcher der KPD beziehungsweise später der SED dank ihres antifaschistischen Umerziehungskonzeptes die Legitimation zur Führung der Nation unabhängig von demokratischen Mehrheitsverhältnissen zustand: "Verantwortungsbewußte Deutsche waren sich auch in der Situation vor 20 Jahren darüber klar, daß der Status der Besiegten nicht von der Verantwortung für die Zukunft enthob." Nach Walter Ulbrichts Sturz von der Spitze des SED-Zentralkomitees 1971 verschwand mit dem Anflug einer nationalkommunistischen Selbstermächtigung auch der Topos der "Stunde Null" aus dem Wortschatz des historischen Herrschaftsdiskurses – fortan deckte der Terminus "Befreiung" den Übergang von der nationalsozialistischen Herrschaft zur alliierten Besatzung ab.

Mythos

Angesichts dieser disparaten Füllung stellte sich immer wieder die Frage, ob die Rede von der "Stunde Null" die Wirklichkeit überhaupt angemessen abbildet oder nicht vielmehr eine bloße Vorspiegelung ist. Gerade für die Nachkriegsliteratur, die am nachdrücklichsten mit der Idee eines radikalen Neubeginns arbeitete, ist die Realität eines Nullpunktes am entschiedensten verworfen und als "ungeschichtliches, utopisches, letztlich mythisch-theologisches Konzept" bestritten worden. Erst recht die Zeitgeschichtsforschung misstraute dem in der Publizistik gern gebrauchten Begriff der "Stunde Null" von Anfang an. Zu undifferenziert versuche er, in dem Chaos einer zerfallenen Gesellschaft und ihrer so vielfältigen Lebenslagen narrative Ordnung zu stiften und einen gemeinsamen Rahmen zu finden, der noch die Erfahrung eines absoluten Zeitendes in eine zeitliche Linearität zwingt. Wenn der Metapher überhaupt zeithistorische Erschließungskraft zugebilligt wurde, dann in einer zeitlichen Ausweitung, die vom ursprünglichen Bedeutungsgehalt weitgehend abstrahierte.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker etwa, der sich 1985 in seiner berühmten Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes von dem Begriff einer "Stunde Null" noch entschieden abgrenzte, nutzte ihn später selbst, um drei tiefe Zäsuren der jüngeren deutschen Zeitgeschichte in den Blick zu nehmen, nämlich die doppelte Staatsgründung 1949, die Bildung der sozialliberalen Koalition 1969 und das Ende des Kalten Krieges 1989. Auf dem Konzept einer "langen Stunde Null" fußt auch ein sozialwissenschaftlicher Untersuchungsansatz, der den Systemwechsel nach dem Ende der NS-Herrschaft und der Herausbildung eines neuen gesellschaftlichen Wertesystems zu ergründen sucht. Er begreift die "Stunde Null" als die Zeit einer Tabula rasa, in der die westlichen Alliierten mit Hilfe einer vorübergehenden Stilllegung der wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen (mit Ausnahme der Kirchen) in den Westzonen ihr Konzept der Reeducation und Reorientation durchzusetzen suchten, um so die Grundlagen eines demokratischen Neuaufbaus zu schaffen. In dieser Sicht würde die als Nullpunkt anzusehende Übergangsphase die Zeit von der ersten Programmplanung der amerikanischen Besatzungspolitik 1942 bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 oder sogar bis zum Tätigkeitsende der Alliierten Hohen Kommissare 1955 umfassen.

Eher geringe fachliche Verwendung fand der Topos der "Stunde Null" hingegen ausgerechnet in seiner üblicherweise angenommenen zeitlichen Erstreckung, die von der Unterzeichnung der Kapitulation der deutschen Streitkräfte in der ersten Morgenstunde des 9. Mai 1945 durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel bis zur Währungsreform in den Westzonen am 20. Juni 1948 oder sogar bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten am 23. Mai beziehungsweise 7. Oktober 1949 reicht. Auf wirtschaftlichem Gebiet etwa kann angesichts der weitgehend erhaltenen Substanz des deutschen Anlagevermögens von einem totalen Zusammenbruch keine Rede sein. Auch in sozialer und kultureller Hinsicht erwies sich die vermeintliche "Stunde Null" im Blick der Forschung eher als eine "große Illusion", die die vielen Mentalitätsbrücken, die die west- wie die ostdeutsche Nachkriegsgesellschaft mit der Weimarer wie auch mit der NS-Zeit verbanden, fälschlich in den Hintergrund drängte.

In der fortbestehenden Sozialschichtung, aber auch im Erziehungsstil wie im Wertehaushalt und nicht zuletzt in der mangelnden Bereitschaft zur kritischen Verarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit kamen Kontinuitäten und Gemeinsamkeiten zum Ausdruck, die sich erst mit der "Umgründung" beziehungsweise Fundamentalliberalisierung der Bundesrepublik allmählich zu wandeln begannen.

Reduziert sich die "Stunde Null" bei näherem Hinschauen also zu einem bloßen Mythos, der lediglich die Meistererzählung einer bundesdeutschen und eingeschränkt auch ostdeutschen Erfolgsgeschichte als "Aufstieg aus dem Nichts" zu beglaubigen taugt? Für diese Sicht spricht, dass andere Länder Europas kaum weniger zerstört und verheert worden waren, wie der Historiker Christoph Kleßmann zu Recht anmerkte. Eine solche Lesart wird allerdings dem Erfahrungshorizont der Zeitgenossen nicht gerecht, für die vielmehr galt: "Als der Krieg zu Ende ist, weiß niemand genau, wie es weitergehen wird." Auch ausländische Beobachter, die im Gefolge der alliierten Truppen das besiegte Land erkundeten, verbanden mit der "Stunde Null" den alles überwölbenden Eindruck einer fast vollständigen Zerstörung, die jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft unter sich begrub. Die ersten US-Soldaten, die die von den Sowjets eroberte ehemalige Reichshauptstadt Anfang Juli 1945 betreten durften, sahen sich in einen gigantischen Steinhaufen versetzt, dessen schiere Größe alle Anstrengungen der zu Aufräumarbeiten kommandierten Berliner erdrückte und den Gedanken an eine bessere Zukunft vollkommen verdrängte. Der amerikanische Journalist William Shirer hielt im Juli 1945 in seinem Tagebuch den niederschmetternden Eindruck fest, den die Ruinenstadt auf ihn machte: "Wie soll man Worte finden, um das Bild einer bis zur Unkenntlichkeit zerstörten großen Hauptstadt wahrheitsgetreu und genau zu schildern? Das Bild einer einstmals mächtigen Nation, die aufgehört hat zu bestehen?"

Quellen- und Analysebegriff

Es ist die historisch einzigartige Totalität und Härte des von den Zeitgenossen gleich welcher Seite empfundenen Einschnitts, die dem schon bald nach 1945 nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland aufgekommenen Wort von der "Stunde Null" seine bis heute fortwirkende Geltungskraft verleiht. Kein anderes Ereignis der deutschen Geschichte kam diesem Nullpunkt so nahe wie das Ende des "Dritten Reiches" 1945, das die hierarchisierte und differenzierte deutsche Bevölkerung über Nacht in eine distinktionslos verelendete Menschenmasse verwandelte und ihre Hauptstadt in ein Totenreich: "Wir fahren langsam den Kurfürstendamm herunter. Eine ausgestorbene, ausgelaugte Promenade, an der kein Fenster, keine Passage mehr zum Verweilen lockt. Auch die Kranzler-Ecke starrt tot in die Straße. Die Budapester Straße ist ein dörfliches Gebirge von Schutt und Schmutz geworden, über das sich nur mühsam das Rad fortbewegt. (…) Das ist das Berlin der Eleganz von gestern. Im Romanischen werden keine Welten mehr ersonnen, heiß umstritten und zu Kathedralen des Geistes aufgetürmt. Ein dunkles Loch gähnt an der Stelle. Und der Turm der scheußlichen Gedächtniskirche ist zerfleddert, zerschlissen, abgehackt."

Diese sich scheinbar widersprechenden Befunde einer historisch unzutreffenden, aber zeitgenössisch anerkannten "Stunde Null" verweisen auf die Differenz von Quellen- und Analysebegrifflichkeit. Die "Stunde Null" ist keine historische Urteilskategorie, sondern ein zeitgenössischer Vorstellungstopos. Er bezeichnet das "Nullpunkt-Bewusstsein", das die Angehörigen der Zusammenbruchsgesellschaft angesichts des staatlichen Untergangs und des eigenen Existenzverlusts erfüllte. Er verweist auf den sinnweltlichen Horizont, vor dem die Zeitgenossen die "Katastrophe" von totaler Niederlage, peinigendem Hunger und bohrender Schuld verarbeiteten. Er erlaubt den Erfahrungsraum sprachlich zu fassen, in dem die bisherige Ordnung des Lebens und Zusammenlebens aufgehoben war und in dem sich zugleich die Konturen einer neuen Ordnung noch nicht klar genug abzeichneten, um Geltungskraft zu entfalten und Orientierung zu geben. In der Erfahrung einer "Stunde Null" verschmelzen biografische Erfahrung und historische Zäsur in einer Intensität, wie sie kein anderer Umbruch des 20. Jahrhunderts aufwies – weder der fast lautlose Zerfall des Deutschen Kaiserreiches 1918, noch gar die ebenfalls nahezu gewaltlose und überdies nur einen kleineren Teil Deutschlands betreffende Überwindung der kommunistischen Herrschaft 1989 bedeuteten für die Deutschen eine auch nur annähernd vergleichbar umfassende Zeitenwende.

Zukunftsverlust

Doch so scharf die historische Zäsur auch war, so zeitlich gestreckt wurde sie erlebt. Als biografischer Einschnitt bezeichnet die "Stunde Null" kein einheitliches Datum, sondern zerfällt in unterschiedliche Nullpunkte. Was ihre Gemeinsamkeit ausmacht, ist nicht derselbe Zeitraum, sondern dieselbe Erfahrung einer plötzlich veränderten oder sich gar auflösenden Ordnung der Zeit selbst, die ihr tradiertes Gefüge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht mehr wahren kann.

Die Erfahrung der "Stunde Null" bedeutete zunächst den vollständigen Verlust von Zukunft. Die radikalste Möglichkeit, der Auflösung der bisherigen Zeitordnung und ihrer Sinnhaftigkeit zu begegnen, bestand in der Selbstauslöschung. Tatsächlich wurde der Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft von einer epidemischen Suizidwelle begleitet, die nach dem Untergang der 6. Armee vor Stalingrad im Winter 1943 einsetzte und nach der alliierten Landung in der Normandie im Sommer 1944 abermals anstieg, um schließlich "ein zwingendes Begleitphänomen der finalen Kämpfe um das Dritte Reich" zu werden. Allein in Berlin brachten sich in den Wochen vor und nach der Kapitulation fast 5000 Menschen um. Vielfach war die allgemeine Angst vor den Siegern das Motiv, das in der Niederlage Zuflucht zum Tod von eigener Hand suchen ließ, häufiger noch das drückende Bewusstsein eigener Schuld und Verstrickung, am stärksten aber der alles beherrschende Eindruck, dass das Leben seinen Sinn verloren hatte, weil es keine Zukunft mehr gab. "Wie schön könnte die Zukunft sein, wenn ja, wenn nicht die grausige Wirklichkeit alles zunichtemachen würde, wovon wir träumten, wenn der Krieg zu Ende sein würde", lautete der letzte Tagebucheintrag der Frau eines Lehrers im niederschlesischen Glatz, bevor sie sich mit ihrem Mann zum Selbstmord bereitmachte.

Niemand brachte diese Vorstellung einer Zeit ohne Zukunft klarer zum Ausdruck als Magda Goebbels, die Frau des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels, die in einem Abschiedsbrief festhielt, warum sie ihre sechs Kinder mit Zyankali vergiften und Hitler zusammen mit ihrem Mann in den Tod folgen würde: "Die Welt, die nach dem Führer und dem Nationalsozialismus kommt, ist nicht mehr wert, darin zu leben." Wie für sie bedeutete vielen anderen in der "Stunde Null" der Griff zum "rettenden heiligen Gift, dem Lethetrank" nicht so sehr die vergessende Befreiung von der Vergangenheit, sondern vielmehr von einer unerträglichen Zukunft: "Es ist unbeschreiblich, dieses Bewußtsein: In ganz kurzer Zeit wirst du tot sein, dann hat alles ein Ende." Auch die 16 Jahre jüngere BDM-Führerin Melita Maschmann sah in diesen Wochen den größten Schrecken nicht im kommenden, sondern im ausbleibenden Tod: "Manchmal muß mich die unklare Angst gestreift haben, ich würde den mir bestimmten ‚Untergang‘ versäumen und würde ‚meine Welt‘ dann überleben müssen."

Den Schritt aus dem Leben tat dennoch nur eine sehr kleine Minderheit der besiegten Deutschen. Aber auch für die Überlebenden galt, dass sie sich mit Anbruch der "Stunde Null" in einer atomisierten Welt bewegten, die weder gesellschaftlichen noch zeitlichen Zusammenhalt mehr besaß. "Der großtönende Begriff Deutschland ist gesprengt, aufgelöst in viele Millionen Einzelwesen, von denen jedes unsägliche Entbehrungen leidet", notierte der Journalist Eberhard Schulz 1946 auf einer Fahrt mit einem alliierten Schnellzug durch das zerstörte Land, und der Schriftsteller Hans Werner Richter, der spätere Begründer der "Gruppe 47", hielt den pessimistischen Dialog in seinem Zugabteil fest, der kaum ein Jahr nach Kriegsende um die Sorge vor einem neuen Krieg kreiste: "‚Wenn es Krieg gibt‘, sagt die Frau, ‚dann gehen wir alle zugrunde. (…) Wir würden alle verhungern und umkommen. Und unsere Söhne, die uns geblieben sind, die haben wir auch noch zu verlieren.‘ – ‚Ihre Söhne‘, lacht der, der wie ein entlassener Offizier aussieht, ‚die haben so und so keine Zukunft mehr.‘"

Vergangenheitslöschung

Doch nicht nur Zukunftsverlust kennzeichnete die Erfahrung der "Stunde Null", sondern ebenso eine schockartige Abkehr von der Vergangenheit, die von den einen willentlich in den Hintergrund gedrängt und von den anderen als ohne eigenes Zutun ausgelöscht empfunden werden konnte. Zahllos sind die Zeugnisse, die in dieser Zeit das eigene Ich aus seinen historischen Bezügen gerissen wähnen und nicht nur gesellschaftlich, sondern auch zeitlich gleichsam atomisiert sehen: "Mir kam die Vergangenheit, die nur Leere hinterlassen hatte, wie ein Spuk vor", resümierte ein Angehöriger der Flakhelfer-Generation im Nachhinein seine Empfindungen als desillusionierter Hitlerjunge in einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager. "Die Vergangenheit blieb bei uns allen fast völlig ausgeblendet. Zunächst wollte niemand über den Spuk von gestern reden."

Im selben Denkmuster bewegte sich die Erinnerung einer 1926 geborene Zeitzeugin, die die "Ziellosigkeit der Nachkriegsnot" (Lutz Niethammer) so schilderte: "Dann kam 1945 dieses animalische Leben. Also da hab ich auch wahrscheinlich einen großen Fehler gemacht, auch von der Vorbildung her, (nämlich) daß ich keinen Wiederaufbaugedanken hatte. Eigentlich ein bißchen ein Leben ohne Hoffnung auf Verbesserung, sondern nur in den Tag hineinleben, sattwerden, Dach über dem Kopf, Kleidung."

Reflektierter brachte der frühere Redakteur der "Frankfurter Zeitung" Dolf Sternberger im Sommer 1945 in der von ihm mitbegründeten Monatszeitschrift "Die Wandlung" zum Ausdruck, wie eigentümlich unkenntlich ihm das Bild des Gewesenen geworden war: "Ich lebe im Augenblick, und weiß nicht, was mich eigentlich zusammenhält. Alle Dinge sind mir unbekannt – die Kraft, zu fassen und zu nennen, wie ausgesogen. Eine Burg steht lange in der blauen Ferne, mit den beiden großen Türmen, die ich ehedem gut kannte, als wir noch Ausflüge machten. Der Anblick zündet, ich bin voll Freude, etwas wiederzuerkennen, aber der Name fällt mir nicht ein, das Gedächtnis ist wie weggeschlagen."

Andere Stimmen der Zeit zeugen von einer gezielten Verkapselung der versunkenen Welt, um sie vor der Tristesse der Gegenwart zu schützen, wie dies ein Autor auf seinem Gang durch das mitternächtliche Frankfurt am Main erlebte: "Das ist Deutschland. (…) Zeugnisse alter Geschichte, durch den Schritt deutscher Geschichte ausgelöscht – unwiederbringlich verlorene Denkmäler großer, alter Kunst. Das Auge wendet sich scheu ab, voller Furcht, das in der Erinnerung bewahrte schöne Bild zu trüben." Furcht vor der Strahlkraft einer besseren Vergangenheit, die das Leben in der Gegenwart unerträglich machen könnte, empfand in der Nachkriegszeit auch Hans Werner Richter: "Vor dem rauchgeschwärzten Bild dieser abendländischen Ruinenlandschaft, in der der Mensch taumelnd und gelöst aus allen überkommenen Bindungen irrt, verblassen alle Wertmaßstäbe der Vergangenheit." Was blieb, war eine alles umfassende Gegenwart, die jeden Gedanken an Morgen und Gestern verschluckte, wie eine erdrückende Zahl gleichgerichteter Äußerungen der Jahre 1945 und 1946 bezeugt: "Weiter, der neue Tag. Es ist so sonderbar, ohne Zeitung, ohne Kalender, ohne Uhrzeit und Ultimo zu leben. Die zeitlose Zeit, die wie Wasser dahinrinnt."

Untergang als Aufbruch

Allerdings empfanden nicht alle so. Wer sich schon lange vor dem Untergang "immer wieder die dürre Frage: ‚Wie lange noch?‘" gestellt hatte, konnte wie der Journalist Karl Willy Beer schon zwei Tage nach der Kapitulation die Arbeit der von der sowjetischen Besatzungsmacht zusammengestellten Räumkommandos als Blick in eine bessere Zukunft deuten: "Beginnt so die produktive Arbeit mit der Abräumung von Müll? Sie hat immer damit begonnen."

Die individuelle Ordnung der Zeit hing zudem maßgeblich vom eigenen Alter ab: "Denn ich will ja arbeiten. Ich sehe trotz allem der Zukunft hoffnungsvoll entgegen. Es wird bestimmt alles gut werden", antwortete ein junges Mädchen, das im Endkampf seine Familie verloren hatte, auf die Frage eines (Ost-)Berliner Zeitungsreporters nach ihren Gedanken zum Jahresende 1945. Und zur selben Zeit konnte auch einem 30 Jahre Älteren die Entlassung aus der englischen Kriegsgefangenschaft zur Übernahme einer Lehrerstelle die Rückkehr der Zukunft in den eigenen Handlungshorizont bedeuten: "Doch man hat wieder Grund unter den Füßen, u. das Leben hat Inhalt bekommen." Doch die eigene Position im Generationsgefüge bedeutete wenig gegenüber dem schroffen Gegensatz von Besiegten und Befreiten, der Letzteren eine Zukunft eröffnete, wo sie sich Ersteren verschloss, wie in derselben Reportage der Weimarer Pädagoge und Schulreformer Paul Hildebrandt unterstrich, der im KZ Ravensbrück seine mit ihm als "national unzuverlässig" denunzierte und verschleppte Frau verloren hatte: "Im Frühjahr wurden wir frei. Wir waren wieder Menschen. Nun, ich bin zwar 75 Jahre alt, aber zu alt? Nein! Viel Arbeit sehe ich noch vor mir. Arbeit am Aufbau der Schulen, an der demokratischen Erziehung der Kinder. Ich werde zum Ende dieses Jahres viel an erlittenes Unrecht denken müssen, aber noch mehr daran, daß es zu einem neuen Beginn nie zu spät ist."

Eine "echte Befreiung und Hoffnung auf eine bessere Zukunft" bedeutete die Ankunft der Alliierten vor allem für die nach 1933 aus ihren akademischen Stellungen getriebene Elite. Wie der in Bayern untergetauchte Romanist Victor Klemperer begriffen sie die alliierte Erklärung, dass Deutschland als souveräner Staat zu existieren aufgehört habe, als Aufforderung, so rasch wie möglich nach Hause zurückzukehren, um sich für den "Aufbaudienst" zur Verfügung zu stellen und "meine Ansprüche und Kenntnisse anzumelden".

Keine Leerstelle bedeutete die Zukunft auch für die Sozialdemokraten und Kommunisten, die sich unmittelbar nach ihrer Befreiung aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden zu einem Treck nach Berlin-Spandau formierten, "denn wir waren ja entschlossen, sofort unsere ganze Kraft geschlossen für die Ziele einzusetzen, für die wir so lange gekämpft hatten". Im gleichen Sinne handelten andere "Brandenburger", die wie der auf abenteuerlichen Umwegen nach Berlin gelangte Jugendfunktionär und spätere SED-Chef Erich Honecker, der mit der "Hilfe von Genossen (…) sofort daran [ging], Mitglieder der KPD und des KJVD im Stadtbezirk Berlin-Friedrichshain zu sammeln", oder sein untergetauchter Haftkamerad Erich Hanke, der sich im "ehemalige[n] Unterbezirk Nordring, in dem ich als Pol.-Leiter tätig gewesen war", zur Stelle meldete, um seine von den Nazis unterbrochene Parteiarbeit fortzusetzen.

Jedenfalls für diejenigen, die auch in der NS-Zeit im Handeln oder Denken weiter zur Roten Fahne gehalten hatten, galt zumindest unangefochten eine intakte Zeitordnung, die den Untergang des "Dritten Reiches" unbeirrbar als Aufbruch in die Zukunft zu lesen erlaubte und die Gegenwart als bloße Übergangszeit: "In dem Chaos, das wir vorfanden, dem Interregnum zwischen dem restlos zusammengestürzten Gestern und dem noch nicht angebrochenen Morgen, das Unaufschiebbarste zuerst zu tun – darauf kam es an. Das war zunächst die hohe und höchste Politik."

Wenngleich weniger orientierungsgewiss, beherrschte das Bild eines möglichen Neuanfangs auch den Diskurs einer intellektuellen Elite, die sich nicht zu den Befreiten, sondern zu den Geschlagenen zu rechnen hatte. Die Zukunft, die insbesondere in der sogenannten Kahlschlag-Poesie und im Tabula-rasa-Denken beschworen wurde, zielte allerdings nicht auf einen Neubeginn im Zeichen eines für gesetzmäßig gehaltenen Fortschritts, sondern auf eine Zukunft durch kulturkritische Läuterung, die in den Worten Alfred Anderschs "aus der unglaublichen Gunst einer totalen Niederlage heraus die Kraft zur totalen Wandlung" ableitete. Allerdings stieß der Ruf nach einer "Revolution der Wiederbegegnung von Geist und Politik in Deutschland", zu der der Publizist Eugen Kogon pathetisch aufrief, nur auf sehr verhaltene Resonanz, wie sich Hans Werner Richter erinnerte: "Am Abend sitze ich im Kreis früherer Freunde. (…) Einer sagt etwas über die Aufgaben der jungen Generation, von den sozialistischen Aufgaben, die auf uns warten und auf die wir jahrelang gewartet haben. Alle lächeln resigniert."

"Stunde Null" und "zweite Schuld"

Richters Beobachtung erfasste eine breite Mehrheit der deutschen Nachkriegsgesellschaft, deren Denkwelt in der "Stunde Null" von Resignation gekennzeichnet war. Ihr verbindendes Merkmal bestand darin, dass sie die Abschneidung von Zukunft und Vergangenheit und damit den Sturz in die Zeitlosigkeit aus der Perspektive des erlittenen, aber nicht des zugefügten Verlustes wahrnahmen – die Mitlebenden der "Stunde Null" verstanden sich als deutsche Opfer; die Opfer der Deutschen befanden sich fast vollständig außerhalb ihrer Sinnwelt.

Diese Perspektive drängte sich umso mehr Besuchern aus dem Ausland auf. Zu Forschungen nach dem Verbleib jüdischen Kulturguts nach Deutschland gereist, beobachtete die Philosophin Hannah Arendt 1949/50 "die Deutschen, wie sie geschäftig durch die Ruinen ihrer tausendjährigen Geschichte stolpern und für die zerstörten Wahrzeichen ein Achselzucken übrig haben oder wie sie es einem verübeln, wenn man sie an die Schreckenstaten erinnert, welche die ganze übrige Welt nicht loslassen". Als "Abwehr der Wirklichkeit" durch "fieberhafte Geschäftigkeit" deutete die im amerikanischen Exil heimisch gewordene Arendt diese Haltung, an der Besinnungsappelle ohnmächtig abprallten.

Knapp 15 Jahre später brachten Alexander und Margarete Mitscherlich diese Erinnerungsverweigerung auf die eingängige Formel einer "vaterlosen Gesellschaft", die mit Derealisierung auf die traumatisch erfahrene Entwertung des eigenen Ich-Ideals nach dem Erwachen aus dem Rausch der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft reagiert habe. Mitscherlichs Diagnose einer Unfähigkeit der Nachkriegsgesellschaft, über den erlittenen Verlust zu trauern, gewann im Zuge der 68er-Bewegung und mehr noch des späteren geschichtspolitischen Paradigmenwechsels der Bundesrepublik immer weiter an Geltungskraft. Sie amalgamiert bis heute den Topos einer vermeintlichen "Stunde Null" bevorzugt mit dem Narrativ der verdrängten Vergangenheit und der mit ihr verbundenen "zweiten Schuld".

In dieser Sicht tritt die rückblickend so empörende Selbstentlastung der deutschen Nachkriegsgesellschaft bis in die 1960er und 1970er Jahre zutage, die mit Abwehr und Schlussstrichdenken auf die vom Philosophen der Frankfurter Schule Theodor W. Adorno 1959 erstmals unter den Begriff der "Aufarbeitung" gestellte Forderung reagierte, "daß man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewußtsein". Aber eine solch einseitige Bewertung der Formel von der "Stunde Null" wird zugleich der Erfahrung der Zeitgenossen nicht gerecht, die sich von einem Augenblick zum anderen aus einer nationalsozialistisch geprägten Sinnwelt vertrieben fanden, die ihnen seit 1933 und den Zweiten Weltkrieg hindurch nicht nur ein ideologisches Verständnisgerüst geboten hatte, sondern auch eine lange stabil scheinende und plötzlich gesprengte Zeitordnung. Für sie, die sich mit dem militärischen, politischen und moralischen Zusammenbruch, den das Ende des "Dritten Reiches" bedeutete, für einen welthistorischen Moment in eine Welt ohne Vergangenheit und Zukunft entlassen sahen, bildet die Metapher der "Stunde Null" einen denkbar prägnanten Ausdruck.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Egon Bahr im Interview, in: Michael Kloft (Autor)/Cassian von Salomon (Leitung), Die Stunde Null. Berlin, Sommer 1945, Spiegel TV 2009.

  2. Gustav Trampe, Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Die Stunde Null. Erinnerungen an Kriegsende und Neuanfang, Stuttgart 1995, S. 9–14, hier S. 11.

  3. Vgl. exemplarisch: Romain Leick/Mathias Schreiber/Hans-Ulrich Stoldt, Auferstanden aus Ruinen, in: Der Spiegel, 17.5.2010, S. 154–164.

  4. Vgl. Sven Reichardt/Malte Zierenberg, Damals nach dem Krieg. Eine Geschichte Deutschlands 1945 bis 1949, München 2008, S. 15.

  5. Vgl. Axel Schildt, Fünf Möglichkeiten, die Geschichte der Bundesrepublik zu erzählen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 44/1999, S. 1234–1244, hier S. 1238f.

  6. Reimund Schnabel, Katastrophenpläne scheiterten an der Hilfe echter Freunde, in: Neue Zeit, 5.6.1965.

  7. Ebd.

  8. Karl Esselborn, Neubeginn als Programm, in: Ludwig Fischer (Hrsg.), Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bd. 10: Literatur in der Bundesrepublik Deutschland bis 1967, München 1986, S. 230–243, hier S. 230.

  9. "Es gab keine ‚Stunde Null‘, aber wir hatten die Chance zu einem Neubeginn. Wir haben sie genutzt, so gut wir konnten. An die Stelle der Unfreiheit haben wir die demokratische Freiheit gesetzt." Richard von Weizsäcker, Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa, Rede am 8.5.1985.

  10. Vgl. Richard von Weizsäcker, Drei Mal Stunde Null? 1949, 1969, 1989. Deutschlands europäische Zukunft, Berlin 2001.

  11. Vgl. Hans Braun/Uta Gerhardt/Everhard Holtmann, Die "lange Stunde Null". Exogene Vorgaben und endogene Kräfte im gesellschaftlichen und politischen Wandel nach 1945, in: dies., Die lange Stunde Null. Gelenkter sozialer Wandel in Westdeutschland nach 1945, Baden-Baden 2007, S. 7–26, hier S. 7f.

  12. Vgl. Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969, München 2007, S. 11. Ebenso Edgar Wolfrum, Die 101 wichtigsten Fragen. Bundesrepublik Deutschland, München 2011, S. 14.

  13. Christoph Kleßmann, 1945 – welthistorische Zäsur und "Stunde Null", 15.10.2010, Externer Link: http://docupedia.de/zg/klessmann_1945_v1_de_2010.

  14. "Mai 1945: Zum ersten Male in der Geschichte Europas hat ein Staat völlig aufgehört zu existieren. (…) Aber die Überlebenden stellen sich die Frage: Was soll werden? Gibt es noch einen Anfang? (…) Und das Wunder geschieht. Der Mensch besteht den Kampf und setzt sich durch. Stärker als alle Not und Schwierigkeiten ist der Wille zum Leben. (…) Ein Volk kämpft um seine Existenz und – gewinnt. Sechs Jahre später spricht man im Ausland vom deutschen Wunder." Kurt Zentner (Hrsg.), Aufstieg aus dem Nichts. Deutschland von 1945 bis 1953. Eine Soziographie in zwei Bänden, Köln–Berlin 1954, Bd. 1, S. 11.

  15. Vgl. Kleßmann (Anm. 13).

  16. Reichardt/Zierenberg (Anm. 4), S. 15.

  17. "Mit den bloßen Händen räumten sie die Straßen Stein um Stein und schichteten die Ziegel neben den Fundamenten auf. In dieser Hinsicht war alles ganz ordentlich. Ich weiß noch, dass es mir hoffnungslos erschien, vollkommen hoffnungslos. Das war zu sehen, und es war sehr deprimierend." Sam Sciullo im Interview, in: Kloft (Anm. 1).

  18. William Shirer, Berliner Tagebuch. Das Ende, 1944–1945, Leipzig 1994, S. 160.

  19. Vgl. etwa für Frankreich Edgar Morin, L’an zéro de l’Allemagne, Paris 1946, und das deutsch-französische Schulbuch Histoire/Geschichte, L’Europe et le monde depuis 1945 von 2006, dessen Kapitel 1/4 den Titel "La fin de la guerre en Allemagne: ‚l’année zéro‘?" trägt.

  20. So auch in jüngeren Gesamtdarstellungen: "Ein schärferer Bruch in Politik, Gesellschaft, Kultur und Recht war kaum denkbar. Insofern hatte der schon zeitgenössisch früh gebrauchte Begriff der ‚Stunde Null‘ seine Berechtigung." Ulrich Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, München 2014, S. 551.

  21. "Berlin baut ab. Die Männer und die Frauen, die der Staub mehlig überkrustet, sind ohne Namen, ohne Rang und ohne Sinn", hielt der mit seiner Familie im Januar 1945 von Breslau nach Berlin evakuierte Zeitungsredakteur Karl Willy Beer in seinem später pseudonym veröffentlichten Tagebuch fest. Matthias Menzel, Die Stadt ohne Tod. Berliner Tagebuch 1943/45, Berlin 1946, S. 223.

  22. Ebd., S. 215.

  23. Ludwig Fischer, Die Zeit von 1945 bis 1967 als Phase der Gesellschafts- und Literaturentwicklung, in: ders. (Anm. 8), S. 29–98, hier S. 37.

  24. Vgl. auch Braun/Gerhardt/Holtmann (Anm. 11), S. 7: "Die Erfahrung der Niederlage und der Besetzung durch alliierte Truppen wurde von der deutschen Bevölkerung nicht als einmaliges Erlebnis wahrgenommen, sondern zeitlich gestreckt über Monate und oftmals Jahre."

  25. Florian Huber, Kind, versprich mir, dass du dich erschießt. Der Untergang der kleinen Leute, Berlin 20153, S. 92.

  26. Vgl. Hannes Liebrandt, "Das Recht mich zu richten, das spreche ich ihnen ab!" Der Selbstmord der nationalsozialistischen Elite 1944/45, Paderborn 2017, S. 274.

  27. Vgl. Huber (Anm. 25), S. 98f.

  28. Magda Goebbels, Brief an Harald Quandt, 28.4.1945, zit. nach Anja Klabunde, Magda Goebbels. Annäherung an ein Leben, München 1999, S. 326.

  29. Ursula von Kardorff, Vier Frauenbildnisse von heute, in: Süddeutsche Zeitung, 15.1.1946, zit. nach Klaus R. Scherpe (Hrsg.), In Deutschland unterwegs. Reportagen, Skizzen, Berichte, 1945–1948, Stuttgart 1982, S. 51–56, hier S. 51.

  30. Melita Maschmann, Fazit. Mein Weg in der Hitler-Jugend, München 19814, S. 176.

  31. Eberhard Schulz, Baedeker im Westen, in: Der Kurier, Berlin, 15.3.1947, zit. nach Scherpe (Anm. 29), S. 114–135, hier S. 128.

  32. Hans Werner Richter, Unterhaltungen am Schienenstrang, in: Der Ruf 4/1946, S. 6f.

  33. Martin Sieg, Im Schatten der Wolfschanze: Hitlerjunge auf der Suche nach Sinn, Münster 1997, S. 87.

  34. Interview Ida Meister, in: Lutz Niethammer, Privat-Wirtschaft. Erinnerungsfragmente einer anderen Umerziehung, in: ders. (Hrsg.), "Hinterher merkt man, daß es richtig war, daß es schiefgegangen ist". Nachkriegserfahrungen im Ruhrgebiet. Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930 bis 1960, Bd. 2, Berlin–Bonn 1973, S. 17–105, hier S. 45.

  35. Dolf Sternberger, Reisen in Deutschland – Sommer 1945, in: ders., Tagebuch, in: Die Wandlung 1/1945–46, S. 7–13, S. 99–102; zit. nach Scherpe (Anm. 29), S. 153–165, hier S. 163f.

  36. Kurt Loehning, Unsentimentale Reise durch Deutschland [Auszüge], in: Neubau 12/1946–47, S. 678–684, zit. nach Scherpe (Anm. 29), S. 108–114, hier S. 113f.

  37. Hans Werner Richter, Warum schweigt die junge Generation?, in: Der Ruf 2/1946, S. 1f.

  38. Junge Frau in Berlin, Tagebucheintrag vom 7.5.1945, in: Reichardt/Zierenberg (Anm. 4), S. 16. Ebenso: "Nichts zu essen, nichts zu heizen, nichts anzuziehen, so ist es heute. Von morgen weiß ich nur bestimmt; nichts zu essen, nichts zu heizen, nichts anzuziehen. Und warum es morgen anders sein sollte, weiß kein Mensch." G., Im Westen viel Neues. Interview mit dem Mann auf der Straße, in: Sie. Berlin, 29. 9. und 6.10.1946, zit. nach Scherpe (Anm. 29), S. 127–135, hier S. 130.

  39. Tagebucheintrag vom 15.8.1943, in: Menzel (Anm. 21), S. 14.

  40. Tagebucheintrag vom 4.5.1945, in: Menzel (Anm. 21), S. 195.

  41. 1945–1946, zweimal Neujahrstag. Gedanken unserer Berliner zum Jahreswechsel, in: Berliner Zeitung, 31.12.1945.

  42. Tagebuchnotiz Rudolf Sabrow, 7./8.12.1945 (im Besitz des Verfassers).

  43. Ebd.

  44. Konrad H. Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945–1995, München 2004, S. 13.

  45. Tagebucheintrag vom 17.5.1945, in: Victor Klemperer, Tagebücher 1945, Berlin 1999, S. 148.

  46. Wilhelm Thiele, Geschichten zur Geschichte, Berlin 1981, S. 193.

  47. Erich Honecker, Aus meinem Leben, Berlin 1980, S. 113.

  48. Erich Hanke, Erinnerungen eines Illegalen, Berlin 1974, S. 264.

  49. Fritz Selbmann, Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Die erste Stunde. Porträts, Berlin 1969, S. 7–18, hier S. 13 (Hervorhebung im Original).

  50. Alfred Andersch, Die zwei Gesichter des Charles Bidault, in: Der Ruf 5/1946, S. 3.

  51. Eugen Kogon, Die deutsche Revolution, in: Frankfurter Hefte 4/1946, S. 17–26, hier S. 26.

  52. Hans Werner Richter, "Wo sollen wir landen, wo treiben wir hin …" Skizzen aus einer Reise in die östliche Zone, in: Der Ruf 1/1946, S. 4f. und 2/1946, S. 6f., zit. nach Scherpe (Anm. 29), S. 185–201, hier S. 192.

  53. Hannah Arendt, Besuch in Deutschland 1950. Die Nachwirkungen des Naziregimes, in: dies., Zur Zeit. Politische Essays, Hamburg 1999, S. 43–70, hier S. 51 (engl. Orginalfassung: The Aftermath of Nazi Rule. Report from Germany, in: Commentary 10/1950, S. 342–353).

  54. "(…) wirklich sind die Ruinen, wirklich ist das vergangene Grauen, wirklich sind die Toten, die ihr vergessen habt." (Ebd.)

  55. Vgl. Alexander Mitscherlich, Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft, München 1963; ders./Margarete Mitscherlich, Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens, München 1967; Tobias Freimüller, Der versäumte Abschied von der Volksgemeinschaft. Psychoanalyse und "Vergangenheitsbewältigung", in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen 2007, S. 66–70.

  56. Ralph Giordano, Die zweite Schuld oder Von der Last Deutscher zu sein, Hamburg 1987.

  57. Theodor W. Adorno, Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, in: ders., Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker, 1959–1969, Frankfurt/M. 1971, S. 10–128, hier S. 10.

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ist Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF). Externer Link: sekretariat@zzf-potsdam.de