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Teilzeitregelung in Führungspositionen für Beschäftigte mit Kindern

Angelika Koch

/ 14 Minuten zu lesen

Ungeachtet zunehmender Berufsorientierung und Erwerbstätigkeit von Frauen ist ihre Gleichstellung in der Erwerbssphäre noch nicht eingelöst. Beschäftigungschancen, Erwerbsmuster, Berufsverlauf und Einkommen von Frauen und Männern weichen nach wie vor stark voneinander ab.

Einleitung

Ungeachtet zunehmender Berufsorientierung und Erwerbstätigkeit von Frauen ist ihre Gleichstellung in der Erwerbssphäre noch nicht eingelöst. Beschäftigungschancen, Erwerbsmuster, Berufsverlauf und Einkommen von Frauen und Männern weichen nach wie vor stark voneinander ab. Noch immer ist die Kategorie Geschlecht eine zentrale Dimension der Entstehung und Reproduktion sozialer Ungleichheit. Die extremste Ausprägung findet sich auf den höchsten Ebenen der betrieblichen Hierarchie: Hochqualifizierten Frauen gelingt der berufliche Aufstieg in Führungspositionen noch immer vergleichsweise selten. Unter den abhängig beschäftigten Führungskräften in der Privatwirtschaft in Deutschland waren im Jahr 2004 nach Daten des Mikrozensus lediglich 23 Prozent Frauen. Die Unternehmensspitzen präsentieren sich fast ausschließlich als Männerdomäne: 2002 wurden in den größten Unternehmen der Old Economy in Deutschland im Durchschnitt 92 Prozent der Aufsichtsratsposten und 99 Prozent der Sitze in Vorständen von Männern wahrgenommen.


In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion um Chancengleichheitspolitik und die Modelle der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit spielt die Forderung nach verbesserten Möglichkeiten einer Kombination von Erwerbstätigkeit und Familie seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle. Am 1. Januar 2001 traten mit den Neuregelungen des Bundeserziehungsgeld- und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes erstmals Regelungen in Kraft, mit denen dieses Ziel im Rahmen derNormierung von Rechtsansprüchen auf Arbeitszeitreduzierung für Beschäftigte mit Kindern für Zeiten der Kinderbetreuung in und nach der Elternzeit umgesetzt werden sollte. Waren Möglichkeiten der Arbeitszeitreduzierung und des Wechsels zwischen unterschiedlichen Arbeitszeiten bis zu diesem Zeitpunkt gänzlich der Entscheidung der Unternehmen überlassen, die diese vornehmlich im Rahmen betrieblicher Flexibilisierungsinteressen auf unteren Ebenen der betrieblichen Hierarchie nutzten, so haben die Beschäftigten seither auf allen Hierarchieebenen die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Damit wurde zugleich der Anspruch auf ein Nebeneinander von Erwerbstätigkeit und Familie bis in hochqualifizierte Positionen statuiert.

Wie nun gestaltet sich die betriebliche Implementation der neuen Arbeitszeitrechte im Hinblick auf die Förderung einer familien- und gleichstellungsorientierten Arbeitszeitpolitik im Bereich hochqualifizierter Frauen und Männer in Führungspositionen? Wie gehen die betrieblichen Akteure mit den neuen Anforderungen um? Wie interpretieren Personalverantwortliche die neuen rechtlichen Möglichkeiten der Gestaltung der Arbeitszeit auf der höchsten Ebene der betrieblichen Hierarchie, auf welcher der am männlichen Lebensmuster orientierte Arbeitszeitstandard am ausgeprägtesten ist und normativ legitimiert wird?

Ziel dieses Beitrags ist es, erste empirische Forschungsergebnisse zur Umsetzung der gesetzlichen Grundlagen durch die Personalverantwortlichen zu präsentieren, wobei der Blick auf die Gruppe der Hochqualifizierten in Führungspositionen gerichtet ist. Um die Ausgangslage genauer zu skizzieren, werden zunächst aktuelle empirische Befunde zur Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern in Führungspositionen vorgestellt. Daran anschließend wird die Bedeutung der Zeitrechte im Rahmen der nationalstaatlichen Regulierung des Verhältnisses von Markt, Staat und Familie in der Bundesrepublik skizziert, um danach zentrale Ergebnisse der durchgeführten Studie darzulegen.

Arbeitsmarktsituation von Führungskräften

Forschungsergebnisse zur Umsetzung der Teilzeitansprüche, welche die unterschiedlichen Qualifikationsebenen berücksichtigen, liegen bisher nicht vor. Gleichwohl zeichnen die vorliegenden Befunde ein deutliches Bild, bezogen auf Erwerbsbeteiligung, Arbeitszeitmuster und Familienformen von Führungskräften und die damit verbundene Unterrepräsentanz von Frauen in Leitungsfunktionen. Betrachtet man die Beteiligung von Frauen auf der Ebene der Führungspositionen im Zeitvergleich, so lassen sich nach Daten des Mikrozensus in den letzten Jahren nur geringfügige Veränderungen feststellen. In den westdeutschen Bundesländern erhöhte sich der Anteil der weiblichen Führungskräfte an allen Führungskräften von 20 Prozent im Jahr 2000 auf 22 Prozent in 2004, in den ostdeutschen Bundesländern von 25 auf 28 Prozent. Auf der höchsten Führungsebene stagnierte der Anteil der weiblichen Führungskräfte für Gesamtdeutschland bei 19 Prozent. In größeren Betrieben in der Privatwirtschaft ab 500 Beschäftigten war er auf der obersten Leitungsebene im gleichen Jahr mit 4 Prozent marginal, auf der zweiten Führungsebene betrug er 12 Prozent.

Bezogen auf die Arbeitszeitmuster zeigt sich im Bereich der Führungspositionen eine starke Dominanz der Vollzeitarbeitsverhältnisse. Frauen in Führungspositionen sind vergleichsweise selten zeitreduziert beschäftigt: Von den abhängig beschäftigten Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft arbeiteten im Jahr 2004 14 Prozent in Teilzeit. Von den abhängig beschäftigten Frauen insgesamt befand sich fast die Hälfte (45 Prozent) in einem zeitreduzierten Arbeitsverhältnis. Bei den Männern sind reduzierte Arbeitszeiten generell wenig anzutreffen: Von den abhängig beschäftigten Männern in der Privatwirtschaft war 2004 ein Zehntel in Teilzeit beschäftigt, bei den männlichen Führungskräften waren es lediglich zwei Prozent.

Dass Frauen Leitungsfunktionen und die Versorgung von Kindern nicht gut miteinander vereinbaren können, weisen Daten zu den Familienformen aus: Lediglich knapp ein Drittel (32 Prozent) der weiblichen Führungskräfte lebt mit Kindern zusammen. Nach Analysen auf der Basis der Mikrozensus 2004 verringert das Vorhandensein von Kindern bei den abhängig beschäftigten Frauen in der Privatwirtschaft die Wahrscheinlichkeit, in eine Führungsposition zu gelangen; bei den Männern ist dies nicht der Fall.

Die Ergebnisse einer jüngeren Unternehmensbefragung lassen auf eine geringe Bereitschaft schließen, die Reduzierung der Arbeitszeit auf den höheren Ebenen der betrieblichen Hierarchie zu fördern. Gertraude Krell und Renate Ortlieb weisen in ihrer Untersuchung aus, dass im Jahr 2003 von knapp drei Viertel der Unternehmen Maßnahmen zur Teilzeit im Management weder durchgeführt noch geplant worden sind. Dies bestätigen auch die Ergebnisse qualitativer Untersuchungen: Christel Faber und Uwe Borchers haben im Rahmen ihrer Betriebsfallstudien zu einer familienfreundlichen Personalpolitik herausgearbeitet, dass Teilzeit oder Job-Sharing für Führungskräfte nicht als Modelle einer familienfreundlichen Personalpolitik betrachtet werden. In einem Unternehmen, dessen personalpolitische Programmatik auch Teilzeitarbeit als Option in Führungspositionen enthielt, wurde von der Gruppe der weiblichen Führungskräfte, die sich hierfür entschieden, trotzdem die einhundertprozentige Erfüllung der Arbeitsaufgaben einer Vollzeitstelle erwartet. Laslo Vascovics und Harald Rost referieren im Rahmen ihrer Studie zum Thema "Väter im Erziehungsurlaub" folgendes Ergebnis: Kein einziges Unternehmen konnte sich für seine Führungskräfte eine Reduktion der Arbeitszeit vorstellen.

Vereinbarkeitspolitik in Deutschland

Die Entscheidungen von Frauen, sich am Erwerbsleben zu beteiligen, beruhen auf einer Vielzahl von Faktoren, die - über individuelle Präferenzen und soziokulturelle Normen hinaus - insbesondere die institutionellen Rahmenbedingungen einschließen. Wie die europäische Wohlfahrtstaatforschung gezeigt hat, sind diese vor allem in die komplexe Gestaltung der Verantwortlichkeit für Betreuungsarbeit zwischen den Institutionen von Familie, Markt, Staat und Zivilgesellschaft eingebettet, das heißt in die Art und Weise, wie Ressourcen und Leistungsansprüche in einer Gesellschaft verteilt und wie die Zuständigkeiten zwischen den Geschlechtern geregelt sind. Im internationalen Vergleich repräsentierte die Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte ein Modell familienorientierter Sozialpolitik, das die Diskontinuität des Erwerbsverlaufs fördert und dazu tendiert, eine Betreuung der Kinder durch die Mutter zu privilegieren.

Kennzeichnend für die sozialstaatliche Steuerung war, Betreuungsarbeit in der Kleinkindphase als private Verantwortlichkeit zu behandeln, korrespondierend mit einem marginalen Ausbau der öffentlichen Infrastruktur im Bereich der Kinderbetreuung und einer abgeleiteten finanziellen Sicherung. Strukturprinzip war seit Mitte der 1980er Jahre, Kinderbetreuung sozialstaatlich als weitgehend unentgeltliche Fürsorgeleistung zu gestalten - mit einem Erziehungsgeld lediglich als unterstützende Maßnahme für Familien mit geringerem Einkommen. Die gesetzlichen Normierungen zielten durch die sukzessive ausgedehnten Freistellungsregelungen des Erziehungsurlaubs auf eine längere Unterbrechung der Erwerbsbiographie und somit auf ein zeitliches Nacheinander von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit (Sequenzmodell). Die rechtlichen Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeitszeit während des Erziehungsurlaubs, die eine Parallelität von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung gewährleisten sollten, waren stark eingeschränkt - und zudem von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Darüber hinaus sahen sie eine Erwerbsbeteiligung nach dem Muster eines Zuverdienstes innerhalb der Versorgerehe vor, da nach dem Gesetz mit dem Erziehungsurlaub lediglich eine Arbeitszeit von 19 Stunden kompatibel war. Auch eine gleichzeitige Beteiligung beider Eltern an der Kinderbetreuung war nicht normiert. Ebenso fehlte es an rechtlichen Möglichkeiten der optionalen Gestaltung der Arbeitszeit nach dem Ende des Erziehungsurlaubs.

Zum 1. Januar 2001 erweiterte der Gesetzgeber die Handlungsmöglichkeiten der Beschäftigten hinsichtlich der gleichzeitigen Kombination von Erwerbstätigkeit und Betreuung. Um die bessere Integration der Frauen während der Elternzeit ins Erwerbsleben zu ermöglichen und die gleichberechtigte Inanspruchnahme der Elternzeit durch beide Eltern zu fördern, wurde im Bundeserziehungsgeldgesetz unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung zwischen 15 und 30 Stunden wöchentlich auf dem gleichen Arbeitsplatz für beide Eltern innerhalb der maximal dreijährigen Elternzeit festgeschrieben. Im Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde darüber hinaus erstmals ein - nicht auf bestimmte Lebensphasen bezogener - Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung verankert. Dieser eröffnete die Möglichkeit, nach Beendigung der Elternzeit ebenfalls in reduzierter Arbeitszeit zu arbeiten. In beiden Gesetzen wurden - unterschiedlich ausgestaltete - Ablehnungsgründe des Anspruchs formuliert. Im Gegensatz zum Rechtsanspruch auf Elternteilzeit, der eine Ablehnung der Arbeitszeitreduzierung nur aus dringenden betrieblichen Gründen vorsieht, wurden die Voraussetzungen für Arbeitszeitgestaltung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz enger gefasst: Der Rechtsanspruch wird hier dadurch begrenzt, dass der Arbeitgeber betriebliche Gründe vorbringen kann, die dem Anspruch der Beschäftigten entgegenstehen. Hierzu gehören eine wesentliche Beeinträchtigung der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Sicherheit im Betrieb sowie unverhältnismäßige Kosten. Anders als bei der Elternzeit ist der Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit auch nicht mit einer Rückkehroption auf die vorherige vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verbunden.

Eine weitere Regelung, die ebenfalls im Zusammenhang mit einer Verbesserung der Zugangs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Beschäftigte mit Kindern steht, wurde mit der Vorschrift der Teilzeitausschreibung eingeführt. Diese verpflichtet den Arbeitgeber, geeignete Arbeitsplätze auch in Teilzeit auszuschreiben. Die Vorschrift ist bedeutsam, weil sie im Rahmen der Stellenbesetzungsverfahren die Möglichkeit bietet, betriebliche Segmentationsmuster, die zu geschlechtsspezifisch strukturierten innerbetrieblichen Arbeitsmärkten führen, durch eine andere Rekrutierungspolitik zu verändern. Die Neuregelungen stellen insgesamt einen wichtigen Schritt hin zu einer Optionalität der Arbeitszeiten für Eltern dar. Sie verändern das in der Bundesrepublik geltende Modell der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, da sie in stärkerem Maße als vorher eine kontinuierliche Erwerbsbeteiligung erlauben und durch die 30-Stunden-Grenze imBundeserziehungsgeldgesetz eine Abkehr von der Zuverdienstvariante sowie eine geschlechterparitätische Aufteilung der Betreuungsarbeit grundsätzlich ermöglichen.

Sichtweisen der Personalverantwortlichen

Welche Optionen bieten die neuen rechtlichen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung für hochqualifizierte Beschäftigte mit Kindern? Wie sehen die dominanten Argumentationsmuster aus, mit welchen normativen Haltungen sind sie verbunden?

1. Die überwiegende Mehrheit der Personalverantwortlichen steht den Rechtsansprüchen der Gruppe der Beschäftigten in leitenden Positionen auf Arbeitszeitreduzierung ablehnend gegenüber bzw. setzt diese nur bei gleichzeitigem Verlust des Status der Betreffenden im Betrieb um - so lautet das zentraleUntersuchungsergebnis. Hierbei zeigen sich keine Differenzierungen im Hinblick auf die in den jeweiligen Gesetzen unterschiedlich gestalteten Gründe für eine Ablehnung des Teilzeitverlangens. Die Ergebnisse der Befragung der Personalverantwortlichen lassen weiter erkennen, dass - bis auf zwei Ausnahmen - keiner der Personalverantwortlichen höhere Positionen sowie Positionen mit Leitungsfunktionen mit reduzierter Arbeitszeit hat ausschreiben lassen oder dies in Zukunft beabsichtigt.

2. Die ablehnende Haltung der überwiegenden Mehrheit der Personalverantwortlichen hat einen gemeinsamen Bezugspunkt: den Arbeitszeitstandard in Vollzeit bzw. einen Arbeitszeitstandard, der weit über diesen hinausgeht. Voraussetzung für die Übernahme von Führungspositionen ist demnach eine entgrenzte Arbeitszeit, die einen mit Fürsorgearbeit verbundenen Arbeits- und Lebensentwurf ausschließt: Gemäß der Anforderung der uneingeschränkten Verfügbarkeit werden hochqualifizierte Berufs- und Sorgearbeit als unvereinbar konstruiert. Die Bereitschaft, uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen, wird u.a. auch im Sinne höherer Leistungsorientierung gedeutet; Verfügbarkeit gilt auch im Rahmen eines Wettbewerbs als Konkurrenzmaßstab.

3. Ein dominantes Argumentationsmuster für die Behauptung der Unmöglichkeit, Positionen mit Personalverantwortung im Rahmen eines reduzierten Arbeitszeitverhältnis auszuüben, bezieht sich auf das Führungsverständnis der Personalverantwortlichen: Zum einen wird die Möglichkeit der permanenten Ansprechbarkeit als notwendige Bedingung erfolgreicher Führung postuliert (Führung findet immer statt) - verbunden mit der Vorbildfunktion des Vorgesetzten. Zum anderen werden geteilte Leitungspositionen aufgrund von Kosten oder unterschiedlicher Führungsstile als ineffizient bewertet. Vor diesem Hintergrund erscheint die Ausübung von Führungspositionen als ebenso unvereinbar mit reduzierten Arbeitszeiten. Dahinter verbirgt sich zugleich die Auffassung, dass Führungspositionen nur in Vollzeit eine uneingeschränkte Kontrollmöglichkeit gewähren oder auch, dass die Teilung der Führungsverantwortung mit einem Bedeutungs- und Machtverlust einhergeht. Auffällig ist in diesem Kontext auch das Muster, dass personalpolitische Möglichkeiten bei der Reduzierung von Arbeitszeiten in Führungspositionen - etwa die Delegation von Fach- und Führungsaufgaben durch Stellvertreterregelungen, die zeitliche oder inhaltliche Teilung von Arbeitsplätzen sowie arbeitsorganisatorische Möglichkeiten der Erreichbarkeit in dringenden Fällen - nicht erwogen werden: Der Vollzeitstandard erscheint so als unabdingbar.

4. Vollzeitarbeit - mehr noch: entgrenzte Arbeitszeit - gilt für die Ausübung von Führungspositionen als Standard und bildet damit den Maßstab für die Bewertung der - entsprechend negativ konnotierten - Teilzeitarbeit. Arbeitszeitreduzierung wird vor diesem Hintergrund mit geringerem beruflichen und betrieblichen Engagement gleichgesetzt. Diese sozialen Konstruktionen führen dazu, dass beruflicher Aufstieg unter Bedingungen reduzierter Arbeitszeit grundsätzlich nicht befürwortet wird. Für den beruflichen Aufstieg ist in dieser Perspektive also nicht in erster Linie die Qualität der Arbeit, sondern das Arbeitszeitmodell entscheidend. Dabei werden in Verbindung mit reduzierten Arbeitszeiten auch Geschlechterkonstruktionen deutlich, deren Basis wiederum die Unvereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie ist. Voraussetzung für den weiteren Aufstieg in eine höhere Führungsposition ist dementsprechend die Entscheidung gegen "die Familie". Damit verknüpft ist eine männliche Geschlechterkonstruktion, derzufolge Männer als Führungskräfte keine Sorgeverantwortung zu übernehmen haben.

5. Die Sichtweise der Personalverantwortlichen auf die Chancengleichheit von Frauen und Männern im Unternehmen korrespondiert - gemäß deren Verständnis betrieblicher Entscheidungen und dementsprechender rationaler und ökonomischer Notwendigkeiten - mit der Interpretation des Unternehmens als 'geschlechtsneutrale' Organisation. Gemeint ist, dass Unterschiede von Frauen und Männern in der betrieblichen Hierarchie vorrangig auf außerhalb der Organisation liegende Rahmenbedingungen sowie auf individuelle Entscheidungen zurückgeführt werden: mithin auf gesellschaftliche Strukturen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und ggf. sozialisationsbedingte andere Berufsorientierungen oder Verhaltensweisen von Frauen. Die Unterrepräsentanz von Frauen auf höheren Ebenen der betrieblichen Hierarchie sowie in Führungsfunktionen gilt den meisten Befragten nicht als Ausdruck einer strukturell wirkenden Benachteiligung, die auch durch innerbetriebliche Faktoren erzeugt werden kann. Benachteiligungen durch Arbeitszeitreduzierungen in und nach der Elternzeit, bei Einstellungen und Beförderungen werden folglich ausgeblendet.

Wie die Befragung der Personalverantwortlichen zeigt, werden die gesetzlichen Vorgaben der Arbeitszeitreduzierung in der überwiegenden Mehrheit der untersuchten Fälle aufgrund einer weiten Interpretation der Ablehnungsgründe nicht erfüllt. Charakteristisch ist hierbei, dass die Möglichkeiten der Arbeitszeitreduzierung nicht als individuelles Recht der Kombination von Erwerbstätigkeit und Familie betrachtet werden. Die Auslegung der Ablehnungsgründe wirkt - wie die Ergebnisse, bezogen auf die Arbeitszeitreduzierung bei Beschäftigten mit Führungsverantwortung zeigen - als generelle Beschäftigungssperre auf dem erreichten Qualifikationsniveau. Einen Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, Teilzeitarbeit von in Leitungspositionen Tätigen zu fördern, offenbart auch die Praxis der Stellenausschreibung: Der berufliche Aufstieg von Teilzeitbeschäftigten in Leitungspositionen wird von Seiten der überwiegenden Mehrheit der befragten Personalverantwortlichen generell ausgeschlossen. Das dominante Argumentationsmuster lautet, dass Führungspositionen mit Personalverantwortung nicht mit einer Arbeitszeitreduzierung zu vereinbaren sind. In der Konsequenz führt dies ebenso zu einer Beschäftigungssperre, die in diesem Fall den weiteren beruflichen Aufstieg betrifft.

Ausblick

Diese ersten Untersuchungsergebnisse zu den Sicht- und Verfahrensweisen der befragten Personalverantwortlichen zeigen, dass zwar die Integration in den Arbeitsmarkt aufgrund der Rechtsansprüche grundsätzlich gelingt, die Segmentierung innerbetrieblicher Teilarbeitsmärkte und ihre geschlechtshierarchische Strukturierung jedoch nicht aufgebrochen wird. Über den Faktor Arbeitszeit erfolgt eine klare Grenzziehung ("gläserne Decke"). Veränderte, an der jeweiligen Lebensphase orientierte Arbeitszeitstandards treffen dabei auf eine am Vollzeitstandard orientierte betriebliche Arbeitszeitkultur. Sie sind mit Geschlechterkonstruktionen verbunden, die den geltenden Arbeitszeitstandard konservieren bzw. neu hervorbringen.

Aufschlussreich sind die skizzierten Ergebnisse auch für die aktuelle Neuausrichtung des Verhältnisses von sozialer Sicherung, Arbeitszeitpolitik und infrastrukturellen Maßnahmen der Kinderbetreuung in der Bundesrepublik. Sie weisen darauf hin, welche Bedeutung der arbeitszeitpolitischen Komponente bei der Gestaltung von Chancengleichheit und der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie zukommt. Wenn es das Ziel einer am Gleichstellungsziel orientierten Arbeitszeitpolitik ist, zum Abbau geschlechtshierarchischer Arbeitsmarktsegmentation und zu einer gleichberechtigten Verteilung von Erwerbs- und Betreuungsarbeit zwischen beiden Geschlechtern beizutragen, spricht dies für eine Gestaltung der Elternzeit, die mit dazu führt, die traditionellen Geschlechterzuschreibungen aufzubrechen. Die neue Konzeption des Elterngeldes, innerhalb derer zwei Monate für den Vater zu reservieren sind, ist hierzu ein wichtiger Schritt.

In einem zweiten Schritt sollte der Anspruch auf Elterngeld so gestaltet werden, dass er jedem Elternteil über die Hälfte des gesamten Zeitraums zusteht. Eine gesetzliche Klarstellung mit dem Ziel, einen grundsätzlichen Ausschluss der Ansprüche auf Arbeitszeitreduzierung in Leitungspositionen zu vermeiden, ermöglichte darüber hinaus, Defizite in der Umsetzung der Teilzeitansprüche für den Bereich der Führungspositionen zu beseitigen. Geht es jedoch um eine Transformation der hierarchisierten Geschlechterverhältnisse, so bedarf es einer Neustrukturierung des geltenden Normarbeitszeitstandards im Sinne eines modifizierten Normarbeitsverhältnisses.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Corinna Kleinert/Susanne Kohaut/Doris Brader/Julia Lewerenz, Einsame Spitze. Frauen in Führungspositionen, Frankfurt/M. 2007 (i.E.).

  2. Vgl. Elke Holst, Frauen in Führungspositionen: Massiver Nachholbedarf bei großen Unternehmen und Arbeitgeberverbänden, DIW-Wochenbericht Nr. 3, Berlin 2005, S. 52. Bei den untersuchten Unternehmen handelte es sich um die nach Beschäftigungszahlen 87 größten Unternehmen ohne die Unternehmen des Neuen Marktes.

  3. Die hier vorgestellten Ergebnisse sind Teil eines von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekts zur Umsetzung der Neuregelungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes für Beschäftigte mit Kindern. Befragt wurden Personalverantwortliche, Mitglieder der betrieblichen Interessenvertretungen sowie Beschäftigte mit Kindern. Bei der Befragung handelte es sich um eine qualitative Befragung mit mehrstündigen Interviews. Die hier vorgestellten Ergebnisse basieren auf der Befragung von 20 Personalverantwortlichen des mittleren und oberen Managements aus fünf Großunternehmen unterschiedlicher Branchen.

  4. Vgl. hierzu und zum Folgenden Corinna Kleinert, Frauen in Führungspositionen: Karriere mit Hindernissen, IAB-Kurzbericht Nr. 9, Nürnberg 2006, S. 1.

  5. Vgl. Doris Brader/Julia Lewerenz, Frauen in Führungspositionen: An der Spitze ist die Luft dünn, IAB-Kurzbericht Nr. 2, Nürnberg 2006, S. 1. Die zweite Führungsebene umfasst in der Kategorisierung dieser Untersuchung sämtliche Positionen, die nicht der obersten Leitungsebene zugeordnet werden (ebd., S. 4).

  6. Zu diesen und den folgenden Daten vgl. C. Kleinert (Anm. 4), S. 2f. Zu der Frage, wie hochqualifizierte Beschäftigte Elternzeit nutzen, wie sich deren Erwerbsverlauf nach der Geburt des Kindes gestaltet und welche Arbeitszeitwünsche bestehen, liegen keine Forschungsbefunde vor.

  7. Vgl. Gertraude Krell/Renate Ortlieb, Umsetzung der "Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung von Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft" vom 2.7. 2001, Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, 2003, S. 17, in: www . dgb . de / themen / themen_ a_z / abisz_doks/u/ unternehmensbefragung.pdf/view?showdesc=1 (11.12. 2006).

  8. Vgl. Christel Faber/Uwe Borchers, Personalpolitik und organisatorischer Wandel im Handlungskorridor der "Vereinbarkeit von Familie und Beruf", in: Unternehmensziel: Familienbewusste Personalpolitik, hrsg. von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, Köln 1999, S. 148.

  9. Vgl. ebd., S. 160. Entsprechende Ergebnisse bei Arlie Russell Hochschild, Work-Life-Balance: Keine Zeit - Wenn die Firma zum Zuhause wird und zuhause nur Arbeit wartet, Opladen 2002.

  10. Vgl. Laslo Vaskovics/Harald Rost, Väter im Erziehungsurlaub, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stuttgart 1999, S. 127/137.

  11. Vgl. Ute Klammer/Mary Daly, Die Beteiligung von Frauen an europäischen Arbeitsmärkten, in: Ute Gerhard u.a. (Hrsg.), Erwerbstätige Mütter - Ein europäischer Vergleich, München 2003 S.203.

  12. Vgl. hierzu und zum Folgenden: Angelika Koch, Neubewertung der Familienarbeit in der Sozialpolitik?, Zur Reform von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub und alternativen Konzeptionen, in: Feministische Studien, (2001) 1, 50f.

  13. Detailliert zu den Änderungen vgl. ebd.

  14. Friedbert Rancke verweist darauf, dass die höheren Anforderungen an die entgegenstehenden Gründe für die Ablehnung des Teilzeitverlangens im Bundeserziehungsgeldgesetz von einem Teil der Fachliteratur nicht hinreichend zur Kenntnis genommen wurden. Vgl. Friedbert Rancke, Die neue Elternzeit - Ein Leitfaden für die Praxis, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2001, S. 97.

  15. Das normierte Modell wurde allerdings nicht grundlegend verändert, da die Betreuung von Kindern aufgrund der unzureichenden Rahmenbedingungen hinsichtlich des Angebots an Kinderbetreuung in der Kleinkindphase wie auch aufgrund der Erziehungsgeldkonzeption weiterhin als private Verantwortlichkeit konzipiert war. Mit der Neuausrichtung des Elterngeldes ab 2007 als individuelle Einkommensersatzleistung und der Bindung von zwei Monaten der Inanspruchnahme an den Vater werden jedoch zentrale Strukturmerkmale verändert.

  16. Die folgenden Untersuchungsergebnisse beziehen sich auf Sichtweisen und Argumentationsmuster der Personalverantwortlichen. In weiteren vertiefenden Auswertungen liegt der Schwerpunkt der Untersuchung in der Analyse der spezifischen Handlungsmuster in der Teilzeitumsetzung wie auch in der Analyse der Handlungsmotive der Personalverantwortlichen, wobei auch der individuelle biographische Hintergrund mit in die Auswertung einbezogen wird.

  17. Bei einer der Ausnahmen wurde jedoch in den weiteren Ausführungen zu einem konkreten Fall deutlich, dass die Arbeitszeitreduzierung zwar gewährt wurde, jedoch faktisch keine Reduzierung des Arbeitsumfangs erfolgte, so dass das Modell nach kurzer Zeit scheiterte.

Dipl. Pol., geb. 1965; Projektleiterin an der Universität Duisburg-Essen, Institut für Soziologie, Lotharstr. 65, 47057 Duisburg.
E-Mail: E-Mail Link: angelika.koch@uni-due.de