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Frauen in den Parteien | Frauen in Politik und Medien | bpb.de

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Frauen in den Parteien

Isabelle Kürschner

/ 13 Minuten zu lesen

Welche Mechanismen wirken sich auf die Mitarbeit von Frauen in den politischen Parteien aus? Warum gelingt den Parteien in so unterschiedlichem Maße, Frauen als Mitglieder zu gewinnen?

Einleitung

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gehören in Deutschland 1,6 Millionen Bürger einer Partei an. Das sind knapp 2,7 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung. Geht man davon aus, dass insgesamt knapp 30 Prozent der Parteimitglieder weiblich sind, entspricht das rund 530 000 Frauen in Deutschland bzw. 1,6 Prozent der weiblichen Wahlberechtigten. Einer ALLBUS-Umfrage zufolge geben fast doppelt so viele Männer wie Frauen an, schon einmal in einer Partei mitgearbeitet zu haben (15 Prozent bzw. 8 Prozent).


Obwohl eine umfassende Untersuchung dieses Phänomens in der Partizipationsforschung bisher fehlt, wird davon ausgegangen, dass parteiübergreifend vor allem die männlich geprägten Organisationsstrukturen sowie die Formen der parteipolitischen Arbeit Frauen vom Engagement abhalten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es den Parteien in sehr unterschiedlichem Maße gelingt, weibliche Mitglieder zu gewinnen. Dies wiederum zeigt, dass die Zurückhaltung von Frauen, in Parteien einzutreten, vielfältige Ursachen hat und dass die Angebote der Parteien zur Mitarbeit und Identifikation für Frauen unterschiedlich attraktiv sind.

Die Frage, warum Frauen in eine Partei eintreten und auf welche Art und Weise sie mitarbeiten, ist bislang kaum erforscht worden. Nach wie vor "wartet die Parteienforschung auf eine große empirische Untersuchung über Frauen in Parteien." Diese Forschungslücke zumindest ein Stück weit zu schließen, war das Ziel meiner Arbeit "Den Männern überlassen wir's nicht! Erfolgreiche Frauen in der CSU". Die Ergebnisse beleuchten sowohl das Partizipationsverhalten weiblicher Parteimitglieder als auch die innerparteilichen Mechanismen, die sich auf die Mitarbeit von Frauen auswirken. Im Folgenden soll die Situation von Frauen in mehreren Parteien dargestellt werden.

Parteibeitritt und Erfahrungen in der Partei

Die Motive, Anreize und Aktivitäten von Parteimitgliedern sind nur selten Gegenstand empirischer Studien. Dies mag erstaunen angesichts der Tatsache, dass in der Parteienforschung durchaus zur Kenntnis genommen wird, dass es sich bei Parteien um männlich geprägte Organisationsformen handelt und dass Frauen, die in diesem patriarchalisch organisierten und definierten politischen System reüssieren wollen, sich nach wie vor männlichen Gesetzen und Regeln unterwerfen müssen. Somit stellt sich vor dem Hintergrund der noch immer geringeren Anteile an weiblichen Parteimitgliedern die Frage, welche Frauen "überhaupt bereit und willens sind, sich in die vorgegebenen, traditionellen Politikstrukturen und Handlungszusammenhänge einzupassen".

Laut Beate Hoecker überwiegt bei den Männern die Selbstrekrutierung, während Frauen mehrheitlich einer Aufforderung folgen, Parteimitglied zu werden. Das stärkste Beitrittsmotiv bei Frauen ist der Wunsch nach der Zugehörigkeit zu einer Partei, während für Männer der Wille, politische Ziele umzusetzen, im Vordergrund steht. Der Einfluss der Familie auf einen Parteieneintritt ist bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern. Niedrige Werte bei beiden Geschlechtern erhalten dagegen die ergebnisorientierten Motive nach gesellschaftlichen und beruflichen Vorteilen sowie das Streben nach einem politischen Amt. Dennoch ist letzteres bei Männern fast doppelt so häufig der Fall wie bei Frauen. Zusammengefasst basiert der Parteieintritt von Frauen stärker auf solidarischen Motiven, während Männer überwiegend instrumentell und am zwischenparteilichen Wettbewerb orientiert sind.

Die Bereitschaft zur Übernahme eines Amtes ist bei Männern und Frauen, die bereits Mitglied einer Partei sind, nahezu gleichermaßen vorhanden. Unter den passiven Mitgliedern befinden sich sogar mehr Frauen als Männer, die sich bereit erklären, ein Amt zu übernehmen. Somit bergen gerade die nicht-aktiven weiblichen Parteimitglieder noch Potenzial. Genau wie beim Parteibeitritt überwiegt als Auslöser für Kandidaturen bei Frauen die Fremdrekrutierung gegenüber der Selbstrekrutierung. Gerade am Beginn der politischen Laufbahn geben Aufforderung und Ermunterung durch Dritte - in erster Linie lokale Verbände und Funktionsträger - häufig erst den Ausschlag für eine Kandidatur. Da vor allem in Parteien mit Quotenregelungen Frauen ermuntert werden, sich sowohl für innerparteiliche Posten als auch für kommunale Mandate aufstellen zu lassen, bewertet Brigitte Geißel die Ermutigung zur Kandidatur als "effektives Mittel zur Erhöhung der politischen Beteiligung von parlamentarisch wenig vertretenen Gruppen".

Betrachtet man weiterhin, wann Frauen überwiegend die Aussicht auf eine erfolgreiche innerparteiliche Kandidatur eingeräumt wird, bestätigt sich folgendes Muster: Die besten Chancen bestehen grundsätzlich dann, wenn die Partei oder deren Funktionäre ausdrücklich eine Frau für eine bestimmte Position in Betracht ziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn einer Kandidatin bei der Bewerbung um ein Amt bessere Chancen eingeräumt werden als einem männlichen Bewerber, wenn öffentliche Erwartungen den Einsatz einer "Alibi-Frau" erfordern oder wenn kein anderer Bewerber zur Verfügung steht, weil die Kandidatur von vornherein als wenig aussichtsreich gilt.

Insgesamt zeigt sich, dass die größte Hürde für Frauen im innerparteilichen Nominierungsprozess besteht. So gibt es zahlreiche Beispiele von Politikerinnen, denen nach Bekanntgabe ihrer eigenen Kandidatur unerwartet ein männlicher Gegenbewerber präsentiert wurde, der mitunter auch die Unterstützung der Parteikollegen erhielt. Konnten Kandidatinnen sich jedoch gegen diesen erfolgreich durchsetzen, wurden sie meist mit guten Wahlergebnissen für ihre Durchsetzungskraft belohnt und mit noch besseren Wiederwahlergebnissen in ihrer Arbeit bestätigt.

Parteistrukturen

Viele Politikerinnen sind der Meinung, dass die traditionell männlich geprägten Strukturen im Parteienbetrieb kaum veränderbar sind und sich auch durch die zunehmende Präsenz von Frauen nur schwer verändern lassen. Auffällig ist, dass Frauen bei der Frage nach Parteistrukturen in erster Linie an die Versammlungspraxis zu denken scheinen, denn immer wieder wird zuallererst auf das für Frauen bestehende Zeitproblem aufgrund ihrer Mehrfachbelastung durch Familienaufgaben hingewiesen. Empirische Studien belegen, dass gerade unsichtbare Hürden, wie die mangelhafte Einbindung in informelle Entscheidungs- und Machtstrukturen und subtile Diskriminierung, die man unter Umständen beim Abstimmungs- und Nominierungsverhalten der Männer beobachten kann, als Karrierebremsen für Frauen gelten.

Dennoch trauen sich viele Politikerinnen aus Sorge vor persönlichen Nachteilen nicht, an den bestehenden Strukturen und Ritualen Kritik zu üben. Sie halten es vielmehr für unerlässlich, sich mit den Abläufen, Spielregeln und Gepflogenheiten des politischen Tagesgeschäftes vertraut zu machen und handeln nach dem "pragmatisch ausgerichtete(n) Defizitansatz"; das heißt, sie kompensieren die sich aus ihrem Geschlecht ergebenden Nachteile durch große Motivation und Bereitschaft zur Anpassung. Damit akzeptieren sie allerdings eine einseitige Verengung des Problems zulasten der Frauen und geben den Etablierten keinen Anlass, die Auswirkungen der bestehenden Partizipationsformen und -strukturen auf weibliche Mitglieder zu überdenken. Frauen müssen sich also die offiziellen und inoffiziellen Spielregeln des parteipolitischen Alltags zu eigen machen. Dazu gehören neben den Kenntnissen der formellen Strukturen und Hierarchien des Parteien- und Verwaltungsapparates auch jene der informellen Machtverhältnisse und Netzwerke. Die Geschäftsordnung genau zu kennen, ist für den Einfluss auf die Willensbildung ebenso bedeutsam, wie mit den gängigen Diskussions- und Versammlungsbräuchen des jeweiligen Verbandes vertraut zu sein.

Ein weiteres großes Defizit besteht bei der ungenügenden Vernetzung von Frauen, sowohl untereinander als auch mit ihren männlichen Kollegen. Während viele Frauen erst nach der Familienphase politisch aktiv werden, sind Männer auch aufgrund ihres früheren Parteibeitritts und ihrer langjährigen Mitgliedschaft besser vernetzt und folglich mit den Gepflogenheiten des politischen Geschäfts besser vertraut. Viele politisch erfolgreiche Frauen erwähnen Zusammenkünfte in Hinterzimmern und das gemeinsame Biertrinken als unabdingbare Voraussetzungen für politische Zugehörigkeit und verweisen gleichzeitig auf die Schwierigkeiten, die Frauen diese Art der Zusammenkunft häufig bereitet. Hier werden - meist zu fortgeschrittener Stunde und bei erhöhtem Alkoholkonsum - die wichtigsten Entscheidungen vorbesprochen oder bereits festgelegt. Frauen, die eine politische Beteiligung anstreben, müssen sich in die Versammlungsrituale einfügen, obgleich die spezifische Atmosphäre und die Kommunikationsformen im Gasthaus eine wirksame öffentlich-politische Beteiligung von Frauen deutlich erschweren. Obwohl es sich bei den politischen Versammlungsritualen parteiübergreifend um für Frauen befremdliche Strukturen zu handeln scheint, müssen sich weibliche Parteimitglieder damit arrangieren. Denn häufig erfährt man bzw. Frau erst nach Ende der offiziellen Veranstaltung und bei zunehmendem Alkoholgenuss, "wer wann was gemacht, unterlassen, gesagt, angekündigt hat oder haben soll" und wie die einzelnen Mitglieder zueinander stehen.

Parteien im Vergleich

Der verfassungsrechtliche Auftrag der Parteien ist, die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am politischen Leben zu fördern sowie zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranzubilden. Somit gehören selbstverständlich auch die Ansprache von Frauen und die entsprechende Förderung weiblicher Kandidatinnen bis hin zur Übernahme politischer Ämter und Mandate zu den Aufgaben, die eine Parteiorganisation zu erfüllen hat. Obwohl sich alle Parteien über das Ziel einer angemessenen Vertretung der weiblichen Bevölkerung einig sind, ergreifen sie unterschiedliche Maßnahmen, um es zu erreichen.

Als erste Partei beschlossen die Grünen bereits bei ihrer Gründung 1979 eine Frauenquote, nach der mindestens die Hälfte aller Ämter und Mandate weiblich und Wahllisten alternierend mit Männern und Frauen zu besetzen sind. Die SPD beschloss 1988 eine Frauenquote von 40 Prozent für alle Ämter und Mandate. Die CDU plante im Dezember 1994 eine Quote mit einem Anteil von einem Drittel einzuführen, was bei der Abstimmung zunächst scheiterte. Stattdessen führte sie 1996 ein sogenanntes Frauenquorum ein, demzufolge Frauen und Männer zu mindestens einem Drittel an Parteiämtern und öffentlichen Mandaten beteiligt sein sollen. Die Linke verpflichtete sich, Vorstände, Kommissionen, Arbeitsgremien und Delegationen mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. FDP und CSU haben sich bis heute gegen die Einführung einer festen Frauenquote ausgesprochen. Beide Parteien setzen auf unverbindliche Empfehlungen, wonach die FDP eine "gleichwertige Repräsentanz von Frauen und Männern in allen Gremien der Gesellschaft" anstrebt, und die CSU fordert, Frauen "bei allen Wahlen (...) zu berücksichtigen".

An den Frauenanteilen in den entsprechenden Gremien der Parteien ist zu sehen: Je verbindlicher die Quotenforderungen sind, desto höher ist die Beteiligung und die konkrete Machtverschiebung zugunsten von Frauen in der jeweiligen Partei auf allen Ebenen - von innerparteilichen Ämtern bis hin zu den Parlamentsabgeordneten. Aufgrund der Notwendigkeit, immer ausreichend Kandidaturen von Frauen für quotierte Wahlen zu haben, werden in jenen Parteien vermehrt Frauen angesprochen und zu Kandidaturen ermuntert. Berücksichtigt man das Partizipationsverhalten von Frauen, die häufiger als Männer erst durch gezielte Ansprache politisch aktiv werden, kann die Verpflichtung zur Aufforderung von Frauen unter Umständen eine sinnvolle Maßnahme darstellen.

Auf der anderen Seite halten Quotengegner und -gegnerinnen diese Art der Unterstützung von Minderheiten für undemokratisch und diskriminierend. Derlei Mittel und Instrumente zur Erlangung der Gleichheit werden als ungerecht, unwirksam und den Interessen der Frauen geradezu entgegengesetzt empfunden. Tatsächlich kommen auch Studien über Politikerinnen zu dem Ergebnis, dass die Organisationsweisen, Strukturen und Kommunikationsstile in allen Parteien, ganz gleich ob mit oder ohne Quote, bislang nicht an den Interessen und Bedürfnissen der Frauen ausgerichtet sind. Somit führt das Nebeneinander "von frauenfreundlicher Rekrutierung und männerfreundlichen Stilen und Strukturen zu einer ambivalenten Situation": Frauen erfahren gleichzeitig Förderung und strukturelle Behinderung. Hier stoßen Gleichstellungsmaßnahmen in Form von Quoten offensichtlich an ihre Grenzen.

Grundsatzprogramme

Ein vergleichender Blick auf die Grundsatzprogramme der Parteien verdeutlicht, dass den Frauen- und Gleichstellungsbelangen unterschiedliche Ideologien zugrunde liegen.

Grundsatzprogramm der CDU: Die CDU hat in ihrem aktuellen Grundsatzprogramm von 2007 auf ein eigenes Frauen- und Gleichstellungskapitel verzichtet. Dennoch wird das Thema Gleichstellung im Kapitel "Freie Entfaltung der Person" angesprochen, mit dem Ziel, "für Frauen und Männer, Mädchen und Jungen gleiche Chancen zu schaffen und Benachteiligungen in allen Bereichen abzubauen". Darüber hinaus spricht sich die CDU für eine "nachhaltige Mitwirkung von Frauen" auf allen Ebenen aus, ohne dabei jedoch präzise Forderungen zu nennen. Wie auch die CSU tritt die CDU für die "Aufwertung der Familienarbeit" ein und zwar noch vor der Forderung nach "Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Nichtsdestotrotz verlangen sie die "partnerschaftliche Aufteilung von Erziehungsarbeit".

Grundsatzprogramm der CSU: Auch die CSU hat in ihrem aktuellen Grundsatzprogramm von 2007 auf ein Frauenkapitel verzichtet, in der Annahme, dass die Gleichberechtigung so weit fortgeschritten sei, dass sich ein gesonderter Blick auf Männer und Frauen als weder notwendig noch angemessen erweise. Lediglich im Familienteil des Programms wird immer wieder auf "junge Frauen und Männer" eingegangen. Dabei bleibt die CSU zwar ihrer Forderung nach Anerkennung von Familien- und Betreuungsarbeit treu, bezieht sich dabei jedoch erstmals nicht mehr ausschließlich auf Frauen. Damit orientiert sich die CSU mehr als je zuvor an der Lebenswirklichkeit junger Menschen, lässt aber viele Bereiche, die als reale Hindernisse bei der Gleichberechtigung betrachtet werden - wie zum Beispiel das Ehegattensplitting - unangetastet.

Grundsatzprogramm der SPD: Die SPD schlägt in ihrem neuen Grundsatzprogramm von 2007 deutlich moderatere Töne an als in dem vorausgegangenen Programm von 1989. Forderte sie vor 20 Jahren noch ausdrücklich eine Gesellschaft, in "in der nicht mehr eine Hälfte der Menschen dazu erzogen wird, über die andere zu dominieren, die andere dazu, sich unterzuordnen" und bezeichnete die "herrschende Kultur (als) männlich geprägt", so beschränkte sie sich 2007 auf die Forderung nach Frauenförderung und gender mainstreaming, welches "jede politische Entscheidung auf ihre Auswirkungen auf das Leben von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen überprüft und wo nötig verändert". Nachdrücklicher als die Unionsparteien, die in erster Linie die Wahlfreiheit zwischen Familien- und Erwerbsarbeit fordern, verlangt die SPD die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch einen "flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kinder" sowie eine Umgestaltung des Steuerrechts in dem Sinne, "dass es für Frauen keine Hürde darstellt, erwerbstätig zu werden".

Grundsatzprogramm der FDP: Fortentwickelt hat sich auch die FDP, allerdings im Gegensatz zur SPD von eher allgemein gehaltenen Aussagen in den "Wiesbadener Grundsätzen", dem Grundsatzprogramm der FDP von 1997, zu ihrem "Deutschlandprogramm" von 2009. Die Ansprüche von 1997 waren sehr unpräzise und eher phrasenhaft und beschränkten sich auf allgemein gültige Forderungen. Wie die Unionsparteien widmen auch die Freien Demokraten in ihrem aktuellen Programm dem Thema Frauen und Frauenpolitik zwar kein eigenes Kapitel, kommen aber an verschiedenen Stellen wie dem Steuerrecht, den Menschenrechten, der Arbeitsmarktpolitik und bei der Familienpolitik immer wieder auf die Belange der Frauen zu sprechen. Dabei berufen sie sich wie die SPD auf das gender mainstreaming und plädieren für eine umfassendere und bedarfsgerechte Kinderbetreuung von der Krippe bis zur Ganztagsschule und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um Frauen gleiche Chancen auf den Zugang zum Arbeitsmarkt zu bieten und ihre Potenziale für Wirtschaft und Gesellschaft optimal zu nutzen.

Grundsatzprogramm der Grünen: Bei den Grünen nimmt das Kapitel "Aufbruch in eine geschlechtergerechte Gesellschaft" zehn Seiten des Grundsatzprogramms von 2002 ein. Gleich zu Beginn wird dabei auf die Frauenbewegung als "wesentliche Quelle bündnisgrüner Politik" verwiesen. Die Grünen wollen "das Verhältnis zwischen Mann und Frau grundlegend neu bestimm(en)" und fordern zu diesem Zweck staatliche Eingriffe zur Durchsetzung der Geschlechterpolitik. Sie "treten dafür ein, auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik auf ihre Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis hin zu prüfen". Der Veränderung des klassischen Familienmodells soll durch Veränderungen in der Sozialversicherungs- und Steuergesetzgebung Rechnung getragen werden.

Grundsatzprogramm der Linken: Die Linke verfügt über kein Grundsatzprogramm, stellt aber auf ihrer Homepage programmatische Eckpunkte dar. Im Kapitel "Geschlechtergerechtigkeit: Anerkennung vielfältiger Formen des Zusammenlebens anstatt Privilegierung der Ehe" wird eine "feministische Lesart ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse und eine entsprechende politische Gestaltung" gefordert. Die Partei tritt für eine staatliche Lenkung der Gleichstellung in der Privatwirtschaft, der Kinderbetreuung sowie im Sozial- und Steuerrecht ein, die Forderungen sind dabei aber weniger präzise als bei FDP, SPD oder Grünen.

Ausblick: Es gibt noch viel zu tun

Der schmalen Forschungslage ist es geschuldet, dass die Kenntnisse über Frauen in den deutschen Parteien eher dürftig sind und auf veraltete Daten zurückgegriffen werden muss. Da die aktuellen Studien über die Situation von Frauen fast ausschließlich auf qualitative Untersuchungsmethoden zurückgreifen, können sie keinen Anspruch auf Repräsentativität oder Verallgemeinerbarkeit der Aussagen erheben, sondern dienen lediglich als explorative Untersuchungen, um Hypothesen formulieren zu können. Ihre Ergebnisse weisen in erster Linie auf Tendenzen hin, die in breiter angelegten Parteimitgliederbefragungen einer quantitativen Überprüfung unterzogen werden müssten.

Um die tatsächliche Lage von Frauen in der Politik und den Parteien einschätzen und verbessern zu können, bedarf es eines abgesicherten, breiten Fundaments, welches bisher noch auf sich warten lässt. Bis es soweit ist, lässt sich nur mit Gewissheit sagen, dass Frauen in allen Parteien mit einer "politik-immanenten Männerorientierung" konfrontiert werden, ganz gleich, wie unterschiedlich die Ideologien und Instrumente zur Frauenförderung innerhalb der einzelnen Organisationen auch sein mögen. Parteiübergreifend bedarf es eines besonders hohen Maßes an Anpassung vonseiten der Frauen, um sich im jahrhundertelang männlich geprägten Politikgeschäft zu behaupten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bisher bieten die statistischen Daten keinerlei Differenzierung zwischen männlichen und weiblichen Parteimitgliedern in Deutschland.

  2. Vgl. Waltraud Cornelißen (Hrsg.), Gender Datenreport. 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Fassung, München 2005.

  3. Oskar Niedermayer/Richard Stöss (Hrsg.), Stand und Perspektiven der Parteienforschung in Deutschland, Opladen 1993, S. 18.

  4. Vgl. Isabelle Kürschner, Den Männern überlassen wir's nicht! Erfolgreiche Frauen in der CSU, Baden-Baden 2009.

  5. Zu den wenigen Studien, die zwischen Männern und Frauen unterscheiden, gehört: Beate Hoecker, Frauen in der Politik. Eine soziologische Studie, Opladen 1987. Hoecker befragte 1982 in Bremen 363 männliche und 197 weibliche Parteimitglieder aus SPD, CDU und FDP. Aktuellere Untersuchungen liegen leider nicht vor.

  6. Vgl. Oskar Niedermayer, Innerparteiliche Partizipation, Opladen 1989.

  7. Ebd., S. 77f.

  8. Vgl. B. Hoecker (Anm. 5).

  9. Brigitte Geißel, Politikerinnen, Politisierung und Partizipation auf lokaler Ebene, Opladen 1999, S. 126.

  10. Vgl. Helga Lukoschat, Austausch und Vernetzung: Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in der Politik, in: Helga Foster/Helga Lukoschat/Barbara Schaeffer-Hegel (Hrsg.), Die ganze Demokratie. Zur Professionalisierung von Frauen für die Politik, Pfaffenweiler 1998, S. 120-196.

  11. B. Hoecker (Anm. 5), S. 135.

  12. In der CSU sind (laut CSU-Mitgliederverwaltung) beispielsweise 55 Prozent der männlichen Mitglieder beim Parteibeitritt unter 40 Jahre alt, von den Frauen sind dies nur 43 Prozent.

  13. Vgl. Cathrin Kahlweit, Damenwahl. Politikerinnen in Deutschland, München 1994; Silvana Koch-Mehrin, Gemeinsam an die Macht: Männer und Frauen in Zeiten der Globalisierung, in: Maybrit Illner (Hrsg.), Frauen an der Macht. 21 einflussreiche Frauen berichten aus der Wirklichkeit, München 2005.

  14. Eckhard Colberg/Ursula Männle, Zur Geschäftsordnung. Die Praxis der Willensbildung, München 1973, S. 23.

  15. Vgl. Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz).

  16. Diese Vorgabe kann jedoch in einem zweiten Wahlgang umgangen werden. Siehe Tabelle 1.

  17. Vgl. Programm von Die Linke (Programmatische Eckpunkte) von 2007, § 10 Geschlechterdemokratie.

  18. Grundsatzprogramm der FDP von 1997.

  19. Satzung der CSU von 2006, 5. Abschnitt Verfahrensordnung, § 53 Verfahren für alle Wahlen.

  20. Vgl. Beate Hoecker, Politische Partizipation von Frauen - Kontinuität und Wandel des Geschlechterverhältnisses in der Politik, Opladen 1995, S. 104.

  21. B. Geißel (Anm. 9), S. 151.

  22. Zitate: Grundsatzprogramm der CDU von 2007, S. 11ff.

  23. Vgl. hierzu die Aussage eines Mitglieds der CSU-Grundsatzkommission: "Ich bin froh, dass wir uns entschlossen haben, im Grundsatzprogramm keinen eigenen Teil Frauenpolitik zu machen, weil dann genau diese Sondersicht wieder verstärkt worden wäre." Zit. in: I. Kürschner (Anm. 4), S. 90.

  24. Vgl. Grundsatzprogramm der CSU von 2007, S. 75: "Die Ehe ist ein Wert für zwei Menschen, die auf Dauer füreinander einstehen wollen. Dieses Füreinandereinstehen ist Grundlage jeder sozialen Gesellschaft. Dieser hohe Wert der Ehe kommt auch im Ehegattensplitting zum Ausdruck."

  25. Grundsatzprogramm der SPD von 2007, Zitate: S. 40f.

  26. Grundsatzprogramm der Grünen von 2002, Zitate: S. 132-139.

  27. B. Geißel (Anm. 9), S. 152.

Dr. phil., geb. 1978; Referentin an der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel- Stiftung e.V., Lazarettstraße 33, 80636 München.
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