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Just Fashion? NS-Symbole in der indonesischen Jugendkultur | Indonesien | bpb.de

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Just Fashion? NS-Symbole in der indonesischen Jugendkultur

Evamaria Müller

/ 11 Minuten zu lesen

Der Blick auf den befremdlichen Umgang indonesischer Jugendlicher mit natio-nalsozialistischer Symbolik und Thematik zeigt, dass Geschichte weltweit spezifischen Interpretationen und Aneignungen unterworfen ist.

Einleitung

In Indonesien existierte bereits lange vor der Einführung der modernen Geschichtsschreibung eine indigene Geschichtstradition, die sich in Hofchroniken, aber auch in darstellenden Künsten wie verschiedenen Theaterformen und Tänzen niederschlug. Durch die Einführung eines modernen Schulsystems nach niederländischem Vorbild im Jahr 1950 fanden aber immer mehr "westliche" Geschichtskonzeptionen Verbreitung. Am Beispiel der Wahrnehmung indonesischer Jugendlicher von der deutschen Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus möchte ich Einblicke in das derzeitige Geschichtsverständnis geben und untersuchen, welche Faktoren es beeinflussen.

Ein Phänomen, das sich schon seit längerer Zeit in Indonesien beobachten lässt, ist die zunehmende Popularität von NS-Thematik und -Symbolik im öffentlichen Leben der urbanen Mittelschicht. Dies bezieht sich sowohl auf das Erscheinen von Hitlers "Mein Kampf" in indonesischer Sprache als auch auf verschiedene Trendartikel mit Nazi-Symbolik. Hierunter fallen Aufkleber, T-Shirts, Buttons, Poster und Gürtel mit Hitler-Portraits, SS-Runen und Hakenkreuzen, die vor allem von Jugendlichen getragen werden. Ebenso geschieht es nicht selten, dass man, sobald man sich als Deutsche zu erkennen gibt, vom Gegenüber ein Lächeln erhält und den Kommentar "Oh ja, Hitler, der war stark, oder!?" zu hören bekommt. Dass man selbst weder diese Stärke bewundert, noch auf die gemeinsame Nationalität stolz ist, stößt dann meist auf Erstaunen.

Bedeuten diese Phänomene, dass nationalsozialistisches Gedankengut in Indonesien stark verbreitet wäre? Oder könnte es gar ein Indiz dafür sein, dass verschwörungstheoretische und judenfeindliche Verleumdungen des Holocausts im überwiegend muslimischen Indonesien auf besonders fruchtbaren Boden fallen? Gespräche mit vielen Jugendlichen sowie meine Untersuchungen an drei unterschiedlichen Schulen (eine staatlich-muslimisch, eine privat-muslimisch und eine privat-katholisch) haben gezeigt, dass religiöse Erklärungsmuster hier jedoch viel zu kurz greifen und keineswegs die Mehrheit repräsentieren. Obwohl vereinzelt die Meinung auftaucht, als Moslem "müsse" man Juden hassen, wird von vielen anderen versichert, dass der Koran keinesfalls Judenhass vorschreibe. Was aber sind dann die Gründe für diesen vielfach zu beobachtenden und (nicht nur) aus deutscher Sicht höchst problematischen "Nazi-Trend"?

Wahrnehmungen des Hakenkreuzes und der NS-Zeit

Viele der von mir interviewten Jugendlichen antworten auf die Frage, warum sie denn diese T-Shirts, Buttons und andere mit NS-Symbolen bestückten Accessoires tragen, mit der Erklärung, dass es nun einmal gerade fashion sei. Das Hakenkreuz stelle ein schönes, einzigartiges modisches Symbol mit einer ästhetischen Form dar. Zudem würde man damit die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und einen gewissen Stil zum Ausdruck bringen. Wofür dieses Symbol alles steht, kann aber kaum einer erklären. Dennoch bringen es die meisten Jugendlichen im weitesten Sinne mit dem "Dritten Reich" in Verbindung. Häufig fallen Schlagworte wie "Hitler", "Blitzkrieg", "Zweiter Weltkrieg". Auch wissen viele, dass es sich um eine Diktatur handelte, der Millionen Menschen, vor allem Juden, gewaltsam zum Opfer fielen. Erstaunlicherweise hat dies jedoch nicht die Konsequenz, Hitler oder das NS-Regime durchweg negativ einzustufen. Vielmehr sind die meisten darauf bedacht, auch "gute" Eigenschaften Hitlers und der NS-Zeit darzulegen.

Diese relativierende Haltung zeigt sich etwa an folgenden Beispielen. Ein Junge äußert zunächst: "Aus meiner Perspektive sehe ich Hitler nicht von seiner negativen Seite, sondern betrachte ihn als Anführer, der top, der krass war, mit einem starken Charakter, den ich mir zum Vorbild nehmen kann." Kurz darauf schränkt er aber ein, dass er die Heftigkeit der Vorgehensweise und die Massenmorde als zu extrem empfinde. Ein anderer Schüler betont, dass Hitler eigentlich gute Charaktereigenschaften wie Treue und Strenge besessen habe, sein Vorgehen aber unmenschlich, grausam und schlimm gewesen sei. Diese negativen Einschätzungen relativiert er wiederum mit der These, dass jede Epoche ihren eigenen Politikstil brauche und dadurch notwendigerweise unterschiedliche Regime entstünden. Dieses Muster wiederholt sich auch in anderen Interviews: Den negativen Aspekten werden vermeintlich positive entgegengesetzt. Als Letztere werden etwa die politischen "Führungsqualitäten" Hitlers genannt, ebenso der nationale Eifer, die "Stärke" und der Einflussreichtum Deutschlands zu dieser Zeit sowie das "revolutionäre Denken", das sich durch das Auflehnen gegen die Vorherrschaft der USA geäußert habe.

Um erste Erklärungen für diese Einstellungen zu finden, ist es hilfreich, einen Blick auf die Meinungen von Lehrerinnen und Lehrern in den Fächern Deutsch und Geschichte zu werfen. Diese beurteilen die NS-Zeit und Hitler tendenziell zwar negativer - viele verurteilen die ultranationalistische und faschistisch-chauvinistische Ausrichtung der deutschen NS-Politik und betonen, dass ein übersteigerter Nationalismus und die Verachtung anderer Völker gefährlich sei -, aber auch sie relativieren ihre negativen Äußerungen, indem sie erläutern, dass die NS-Zeit auch "gute Seiten" gehabt habe wie zum Beispiel Deutschlands wirtschaftlichen Aufschwung. Zudem sei es in Kriegszeiten normal, dass das moralische Verständnis von Gut und Böse durch die Werte Sieg und Niederlage ersetzt werde. Ebenso empfinden es die meisten Lehrpersonen trotz ihrer zum Teil kritischen Sicht als nicht problematisch, wenn die Jugendlichen NS-Symbole modisch verwenden. Sie begründen dies damit, dass die Schülerinnen und Schüler die Bedeutung des Hakenkreuzes wahrscheinlich nicht kennen und gehen davon aus, dass die Jugendlichen auf diese Weise einfach ihren Stil, ihre Individualität und Selbstbestimmtheit ausdrücken wollen. Zwar erläutern auch sie, dass es eigentlich wichtig sei, die Symbole zu kennen, die man trägt, kommen aber letztlich zu einer milden Bewertung, da die Jugendlichen die Hakenkreuze schließlich nur aus modischen und nicht aus ideologischen Gründen trügen. Die Schülerinnen und Schüler zu belehren oder sie gar vom Tragen des Hakenkreuzes abzubringen, liegt ihnen offenbar fern.

Die Einstellung eines (nicht islamischen) Lehrers, weist sogar eine eindeutig positive Wahrnehmung der NS-Zeit auf. Für ihn gehe vom "Dritten Reich" eine gewisse Faszination aus, wobei er besonders Militär und SS bewundere, die sich durch Eigenschaften wie Disziplin, Konsequenz, Loyalität und Vertrauen ausgezeichnet hätten. Zudem zeigt er sich begeistert davon, dass Deutschland in so kurzer Zeit solche militärische Stärke erreichen und ein einziger Mensch so großen nationalen Eifer auslösen konnte. Seine positive Einstellung drückt sich weiterhin dadurch aus, dass er die Monstrosität des Völkermords herunterzuspielen versucht. Auch wenn er den Holocaust nicht abstreitet, relativiert er diesen durch den Hinweis auf Stalin, der "viel mehr" Menschen getötet habe. In Bezug auf die Nachkriegszeit bemängelt er, dass sich die Siegermächte der deutschen technisch-militärischen Errungenschaften bemächtigt und somit gewissermaßen Diebstahl an Deutschland begangen hätten. Auch wenn diese verteidigenden Äußerungen eine nazistische oder antisemitische Einstellung nahelegen, distanziert er sich in wesentlichen Aspekten klar von der chauvinistischen Ausrichtung der NS-Ideologie und betont, dass er keineswegs alle Werte dieser Zeit als bewundernswert empfinde. Gleichermaßen finde er es jedoch ungerecht, das Tragen des Hakenkreuzes von indonesischen Jugendlichen zu verurteilen, da es für ihn nicht Ausdruck einer rassistischen oder grausamen Einstellung sei, sondern lediglich ein Symbol für die erwähnten "positiven Eigenschaften".

Dass diese Sichtweise stark verkürzt ist, ist den Befragten meist nicht bewusst. Wären die zitierten Aussagen in Deutschland ein eindeutiger Hinweis auf antisemitische Einstellungen, weisen sie in Indonesien eher auf Wissensdefizite hin. Und während die Statements aus europäischer Perspektive schockierend wirken, ist aus indonesischer Sicht die deutsche Geschichte nur eine unter vielen - entsprechend ist die Besonderheit der begangenen Verbrechen "am anderen Ende der Welt" für viele nicht erkennbar, weshalb ihre Bedeutung - gerade auch vor dem Hintergrund anderer Völkermorde in der Region - anders bewertet oder wahrgenommen wird. Die vollkommene Loslösung von den im Zeichen des Hakenkreuzes verübten Verbrechen vom Symbol an sich, noch dazu von einem Lehrer, zeigen jedoch, wie groß der Aufklärungsbedarf in Indonesien in dieser Hinsicht ist.

Erbe der Suharto-Zeit

Im Vergleich der Einstellungen der Lehrpersonen mit denen der Schülerinnen und Schüler werden zwei Dinge deutlich: zum einen, dass die Einschätzungen der NS-Zeit und des Hakenkreuzes in vielen Punkten übereinstimmen und zum anderen, dass diese Gemeinsamkeiten vor allem in einer relativierenden Bewertung liegen. Ein Blick auf das indonesische Schulsystem kann hier Erklärungsansätze liefern. Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass deutsche Geschichte nur einen sehr kleinen Raum im Geschichtslehrplan einnimmt. Sie wird lediglich im größeren Rahmen des Zweiten Weltkriegs thematisiert. Es ist daher wahrscheinlich, dass manche Aussagen auf mangelndes Hintergrundwissen zurückzuführen sind.

Ein weitaus wichtigerer Erklärungsansatz liegt aber in der Entwicklung des indonesischen Bildungssystems. Unter dem autokratischen Präsidenten Suharto (1967-1998) rückten der nation-building-Prozess und die Legitimation der damaligen Regierung in den Fokus der Bildungspolitik. Suhartos "Neue Ordnung" basierte dabei auf fünf Grundprinzipien, die schon unter seinem Vorgänger Sukarno (1945-1967) als Pancasila eine wichtige Rolle spielten: (1) der Glaube an einen allmächtigen Gott, (2) eine gerechte und zivilisierte Menschlichkeit, (3) die Einheit Indonesiens, (4) eine durch Konsensentscheidungen geleitete Demokratie und (5) soziale Gerechtigkeit. Diese Prinzipien klingen zwar liberal, aber die darauf beruhenden, verbindlichen Unterweisungen in allen öffentlichen Institutionen hatten hauptsächlich das Ziel, das autoritäre Regime zu legitimieren. Die geforderte Religiosität erhob moralisches Verhalten zum obersten Gebot. Dies verlangte, sich seiner Pflichten anderen gegenüber bewusst zu sein und durch das Zurückstellen der eigenen Interessen zum Wohle der Gesellschaft bzw. des Staats beizutragen. Ausgehend von der Annahme, dass der Staat alle Entscheidungen im Namen des Allgemeinwohls und der nationalen Entwicklung traf, wurde es als selbstverständlich angesehen, dass die Entscheidungen der Obrigkeit vollständig akzeptiert wurden. Hiermit wurde die ideelle Basis für ein Patronagesystem gelegt, in dem sich nahezu alle Macht im "väterlichen" Präsidenten der großen indonesischen Familie zentral vereinigte, dessen Entscheidungen als richtig galten, weil sie im Namen der nationalen Einheit getroffen wurden. Die Ursache von Problemen wurde in "negativen" und "egoistischen" Einstellungen Einzelner gesehen, die eine Bedrohung der harmonischen und moralischen Pancasila-Ordnung darstellten. Auf diese Weise wurde nicht nur die Einschränkung der Pressefreiheit, sondern auch das gewaltsame Vorgehen gegen Kritiker gerechtfertigt. Es versteht sich von selbst, dass "sensible" Ereignisse wie beispielsweise die Umstände der Machtergreifung Suhartos sowie die anschließenden massenhaften Tötungen von mutmaßlichen Anhängern der Kommunistischen Partei öffentlich kaum thematisiert wurden.

Auch wenn inzwischen ein Öffnungsprozess eingesetzt hat und alternative Geschichte(n) Eingang in den akademischen und öffentlichen Diskurs finden, sind die Folgen der Suharto-Zeit weiterhin spürbar. So sind noch immer viele Unterrichtsmaterialien im Umlauf, die aus der Zeit vor 1998 stammen. Auch haben die Lehrerinnen und Lehrer, die zu dieser Zeit ausgebildet wurden, nicht erlernt, kritisch mit Geschichte umzugehen und sind mit den Freiheiten, welche die neuen Lehrpläne eröffnen, oft überfordert. Die relativierenden Aussagen zur deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 können somit auch Ausdruck einer gewissen Unsicherheit im Umgang mit der fremden Thematik sein. Über mehrere Jahrzehnte besaß der Staat ein Interpretationsmonopol auf Geschichte und wurde als Instanz angesehen, die über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit individueller Meinungen bestimmte. Entsprechend erklären viele der Befragten, dass sie ihre moralischen Bedenken, zum Beispiel hinsichtlich des Tragens des Hakenkreuzes als modisches Accessoire, nicht äußern, da sie sich nicht auf entsprechende Gesetze berufen könnten und somit über keine legitime Argumentationsgrundlage verfügten. Diese "Autoritätshörigkeit" wirkt sich auch auf die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden aus und erklärt, warum die Meinungen in vielen Fällen übereinstimmen, auch wenn die Lehrpersonen diese Art von Gehorsam nie explizit einfordern.

Individuelle Aneignung

Indirekt kann noch ein weiterer Aspekt durch die Auswirkungen der Suharto-Zeit erklärt werden. Durch den Zusammenbruch des autoritären Regimes wurde zwar Raum für einen Demokratisierungsprozess geschaffen, den die meisten als positive Entwicklung wahrnehmen. Dennoch bedeutet diese für viele gleichzeitig auch eine gewisse Orientierungslosigkeit bei der Suche nach einer "neuen" indonesischen Identität, welche auf das Fehlen einer politischen Identifikationsfigur zurückgeführt wird. Der Wunsch nach einer starken, vertrauenswürdigen Führungspersönlichkeit, die in der Lage ist, das Land zu einen und vor "Überfremdung" einerseits und separatistischen Bewegungen andererseits zu schützen, wird vielfach geäußert. Diese Identitätskrise wird nach Aussagen der Befragten durch den gesellschaftlichen Verfall, der sich in Korruption, Disziplinlosigkeit und fehlender Loyalität ausdrückt, verstärkt. Nicht selten wird halb scherzhaft, halb im Ernst behauptet, dass unter Suharto alles besser gewesen sei. Ebenso ist es für viele unvorstellbar, jemanden zum Präsidenten zu wählen, der keinen militärischen Hintergrund besitzt.

Vergleicht man die Wahrnehmung des aktuellen Zustands Indonesiens mit den verkürzten Wahrnehmungen der deutschen NS-Zeit, so wird deutlich, dass die NS-Zeit für viele offenbar für sie positive Sinnbildungsangebote wie Disziplin, Struktur, Ordnung, Konsequenz, Vertrauen, nationale Einheit und internationale Anerkennung repräsentiert - und damit eben jene Werte, die von vielen Befragten in der heutigen indonesischen Gesellschaft vermisst werden. Entsprechend wird auch das Hakenkreuz nicht als Verherrlichung der NS-Zeit gesehen, sondern als Symbol für diese Werte. Es findet eine Aneignung an die eigenen Bedürfnisse statt.

Dies wird auch an einem Vergleich des Hakenkreuzverbots in Deutschland mit dem Verbot des Symbols der Kommunistischen Partei (Partai Komunis Indonesia, PKI) in Indonesien deutlich. Steht das Hakenkreuz in Deutschland eindeutig für die Täterseite, so würde das Zeichen der PKI in gängigen internationalen Interpretationen eher der Opferseite zugeschrieben werden. Viele meiner Interviewpartner erklären die Tatsache, dass das Hakenkreuz in Indonesien nicht verboten sei damit, dass sie diese Zeit nicht selbst erlebt hätten. Das Zeichen der PKI sei jedoch verboten, da es Indonesien an eine schlimme Zeit erinnere. Das Verbot in den jeweiligen Ländern wird also nicht zwangsläufig mit den politischen Ideologien der Parteien begründet, sondern mit der Schmerzhaftigkeit der Erfahrung für die jeweilige Nation. Ein weiteres Beispiel für die individuelle Aneignung des Hakenkreuzes ist ein Germanistikstudent, der einen mit Hakenkreuzen verzierten Gürtel trägt, einfach um zu zeigen, dass er auch von deutscher Geschichte etwas gehört hat. Das Symbol steht hier also nicht für oder gegen eine bestimmte politische Überzeugung, sondern für einen geschichtlich relevanten Zeitraum. Die Loslösung von der eigentlichen Bedeutung kann auch die Verwendung des Hakenkreuzes als modisches Accessoire erklären.

Fazit

Die Ausführungen zeigen, dass das Interesse an NS-Symbolik und -Thematik in Indonesien nicht zwangsläufig auf ideologische Übereinstimmungen oder religiöse Fundamentalismen hinweist. Vielmehr findet eine selektive Aneignung und Uminterpretierung entsprechend der eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse statt. Diese Vorgehensweise lässt sich auf die Besonderheiten der indonesischen Geschichte zurückführen, wobei die Suharto-Zeit eine prägende Funktion einnimmt. Aber auch "traditionelle" Geschichtsvorstellungen beeinflussen die Auffassungen der Jugendlichen, wenn auch implizit. Synkretismus und Akkulturation sind schon immer ein wesentliches Charakteristikum der indonesischen Geschichts- und Vergangenheitskonzeptionen gewesen. Es wird deutlich, dass der Umgang mit Geschichte in Indonesien einer eigenen Logik folgt.

Das adaptive Vorgehen stellt eine gängige und durchaus legitime Strategie im Umgang mit Geschichte dar - heikel wird es aber, wenn etwa bei der Veröffentlichung von Büchern aufgrund einer konsumorientierten Vermarktung, die mit geringer wissenschaftlicher Qualität und zweifelhaften Titeln einhergeht, die Vermittlung der korrekten historischen Fakten zu kurz kommt und auf diese Weise falsche Bilder entstehen. Die vermehrte Publikation von Büchern zur NS-Thematik in Indonesien entspricht einer allgemeinen Tendenz, die seit dem Ende der "Neuen Ordnung" gewonnene Pressefreiheit auszuleben, indem auch brisante Themen verstärkt einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies ist jedoch insofern problematisch, als die Möglichkeiten, sich fundiert über deutsche Geschichte zu informieren, in Indonesien insgesamt sehr schlecht sind. Und für die Verleger ist das NS-Thema nicht aus aufklärerischen, sondern allein aus kommerziellen Motiven interessant. Auch wenn es vielleicht von den Verlagen nicht intendiert wird, entstehen somit Freiräume, die als Nährboden für kontrafaktische Auffassungen (wie das Leugnen des Holocausts) und neonazistisches Gedankengut dienen können. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund, dass in den Schulen kein reflektierter Umgang mit Geschichte vermittelt wird, äußerst kritisch zu sehen. Handlungsbedarf besteht hier aber nicht nur bei den indonesischen Verlegern, sondern auch bei deutschen Institutionen, die in Indonesien tätig sind. Es ist wichtig, Initiative zu zeigen und qualitativ hochwertige, wissenschaftlich fundierte Materialien zur deutschen Geschichte auf indonesisch zur Verfügung zu stellen und somit einen Beitrag dazu zu leisten, Fehlinterpretationen durch eine gute Wissensgrundlage auszuschließen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dieser Artikel beruht zu großen Teilen auf den empirischen Ergebnissen meiner Magisterarbeit sowie meinem Artikel "Neonazismus in Indonesien - Über die Wahrnehmung der deutschen NS-Zeit an indonesischen Schulen", erschienen in: Südostasien, (2011) 3. Die empirischen Daten basieren auf mehreren Feldaufenthalten in den Jahren 2006, 2008 und 2011 in Yogyakarta, Indonesien.

  2. Vgl. Niels Mulder, Southeast Asian Images. Towards civil society, Yogyakarta 2005, S. 209.

  3. Vgl. ebd., S. 42-53.

M.A., geb. 1985; Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Mitarbeiterin am DFG-Teilprojekt "Populäre Geschichtskulturen in Indonesien", Werthmannstraße 10, 79098 Freiburg/Br. E-Mail Link: evamaria.mueller@ethno.uni-freiburg.de