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Am Anfang war das Wasser - Essay | Wasser | bpb.de

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Am Anfang war das Wasser - Essay

Alok Jha

/ 14 Minuten zu lesen

Wir nehmen es kaum wahr, denn es hat weder Farbe noch Geschmack oder Geruch. Wir schwimmen darin, kochen damit, trinken es, waschen damit und binden es in unsere Rituale ein. Was wir sehen, wenn wir Wasser betrachten, hängt vom zeitlichen Rahmen ab: Im momentanen persönlichen Kontakt erweist es sich als unendlich nachgiebig, doch über die Jahrhunderte gräbt es seine Spuren unauslöschlich in die Landschaft ein. Wasser nährt und beruhigt uns. Aber genau dieser Stoff hat im Laufe der Jahrtausende auch den Grand Canyon aus Felsgestein herausgearbeitet und donnert tagtäglich mit unvorstellbarer Wucht die Niagara- und Victoria-Fälle hinab. Beim Tsunami in Indonesien 2004 war Wasser das Medium, das die Spannungen in der Erdkruste übertrug, deren latente Energie sich im Verlauf von Tausenden von Jahren aufgestaut hatte und nun Hunderttausende Menschen das Leben kostete und Millionen weiteren Verwüstung brachte. "Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser", schrieb schon Laozi im "Tao te king", "und doch in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt nichts ihm gleich."

Beginn des Universums – eines aus Wasser

Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende Element im Universum. Er entstand nur wenige Minuten nach dem Urknall, und als das Universum abkühlte und sich ausdehnte, ballte er sich zu riesigen Wolken zusammen. Diese Wasserstoffwolken kollabierten unter ihrer eigenen Gravitationskraft, und unter dem unaufhaltsamen Druck der Fusionskraft entzündeten sich Milliarden von ihnen zu Sternen. Unter normalen Umständen gehen zwei nah beieinander liegende Wasserstoffatome lediglich eine chemische Verbindung miteinander ein. Das heißt, sie kommen zusammen und teilen ihre umlaufenden Elektronen, während die Kerne selbst, die aus einzelnen Protonen bestehen, relativ weit voneinander entfernt bleiben, weil die elektrostatische Abstoßung zwischen ihren beiden Ladungen sie getrennt hält. Im Zentrum eines Sterns jedoch herrscht ein immenser Druck. Gegen die ungeheuren Gravitationskräfte, die ausgeübt werden, wenn sich so viel Masse an einem – universell betrachtet – kleinen Ort ansammelt, kommt die elektrostatische Abstoßung nicht an. Die Wasserstoffatome kommen sich näher, als ihnen lieb ist, so nahe, dass die beiden Protonen im Zentrum in Kontakt kommen und zu einem Kern des zweitschwersten Elements verschmelzen: Helium. Bei diesem Fusionsprozess wird eine kleine Menge Energie freigesetzt; skaliert auf 1037 pro Sekunde für einen Stern von der Größe unserer Sonne, ist es das, was Sterne leuchten lässt.

Ist der gesamte Wasserstoff im Kern eines Sterns zu Helium fusioniert – ein Prozess, der mehrere Milliarden Jahre in Anspruch nehmen kann –, endet die Fusion. Der Stern vermag dann dem immensen Gravitationsdruck nicht mehr zu widerstehen und implodiert. Während das Zentrum des Sterns zu kollabieren beginnt, erhitzt sich seine Gashülle so stark, dass der dortige Wasserstoff anfängt, zu fusionieren. Die äußere Hülle des Sterns dehnt sich auf ein Vielfaches ihres ursprünglichen Durchmessers aus, kühlt ab und glüht rot – in dieser Phase spricht man von "Roten Riesen". Gleichzeitig schrumpft der Stern in seinem Kern so stark, dass das zuvor entstandene Helium zu Sauerstoff und Kohlenstoff fusioniert. Nun erhitzen sich die äußeren Schichten des Sterns erneut und leuchten blau und weiß.

Schließlich geht dem Stern der Brennstoff aus, er kann keine Elemente mehr fusionieren, und sein Kern kollabiert endgültig. Seine äußeren Schichten werden in einer Explosion weggesprengt, die für einen kurzen Moment heller ist als der Rest der Galaxie. Danach bildet sich um die im Zentrum übrig gebliebene Kugel aus dichter Materie eine Art Ring oder Sphäre, worin die Rohstoffe für die Bildung zukünftiger Planeten enthalten sind, zum Beispiel Kohlenstoff, Sauerstoff, Neon, Schwefel, Natrium, Argon und Chlor. Die Überreste massearmer Sterne, sogenannte planetarische Nebel, zählen zu den schönsten Objekten, die wir im Weltraum bislang gesehen haben. Der heiße Kern des Sterns bringt die ihn umgebenden Gaswolken zum Leuchten und erzeugt dabei fluoreszierende Farben. Diese Elemente treiben durch das All, bis sich eine neue Generation von Sternen bildet. Erneut kommen unter Gravitation Wasserstoffwolken zusammen und beginnen den Fusionsprozess, dieses Mal jedoch mit einem bedeutenden Unterschied: Der Protostern, der seine ersten Schritte auf dem stellaren Evolutionspfad macht, ist umgeben von der Asche seines Vorgängers – von ebenjener Staubwolke also, die mit einem breiten Spektrum schwerer Elemente gefüllt ist. Während unser Protostern heißer wird und Strahlung ausstößt, erhitzt die Energie Wasserstoff- und Sauerstoffatome, die in diesen riesigen Elementarwolken zufällig herumtreiben. Diese beiden Elemente prallen nun aufeinander und verbinden sich augenblicklich. Und so entsteht das seltsamste Molekül im ganzen Universum – H2O.

Auf der Erde

Vor der Entstehung des Sonnensystems trieb das Wasser, das sich heute auf unserem Planeten und in unseren Körpern befindet, in der Leere des Weltraums. Es dauerte etwa 20 Millionen Jahre, bis die Protoerde aus den Staub- und Eiswolken, die um die junge Sonne kreisten, zusammenwuchs. Diese frühe Erde war vor viereinhalb Milliarden Jahren ein unbändig heißer Ort. Ihre Oberfläche war mit Vulkanen überzogen, ein erheblicher Teil des Erdbodens war mit geschmolzenem Magma bedeckt, und auf der Oberfläche schlugen immer wieder riesige Gesteinsbrocken ein. Einer von ihnen hatte die Größe eines kleinen Planeten und riss einen Teil der Erdkruste und des Erdmantels heraus, der die Erde seitdem als Mond umkreist. Im Erdinneren erzeugte der Zerfall radioaktiver Elemente enorme Hitze. Nicht ohne Grund bezeichnet man dieses erste Zeitalter der Erdgeschichte als Hadaikum, benannt nach dem Hades, der höllenartigen Unterwelt der alten Griechen.

Damals stammte das meiste, wenn nicht alles Wasser auf der Erdoberfläche aus dem Eis, das bei der Entstehung der Erde eine enge Verbindung mit dem Gestein eingegangen war. Doch der junge Planet hatte Mühe, die Wassermoleküle zu halten. Ohne eine voll ausgebildete Atmosphäre wären sie der Erde entwichen und in den Weltraum hinein verdampft. Nachdem sich die Masse des Planeten weitgehend gebildet hatte, stabilisierte sich die Atmosphäre. Durch die gewaltigen geologischen Prozesse, die der Erde ihre innere Struktur verliehen, wurde dabei ständig Wasser an die Oberfläche gedrückt. Schwere Elemente wie Eisen flossen größtenteils ins Zentrum, und es bildeten sich allmählich die verschiedenen Schichten von Erdkruste, Erdmantel und Erdkern, mit denen wir es heute zu tun haben. Der Mantel kühlte ab, und Vulkane und andere Risse in der Kruste ließen überhitzten Wasserdampf und andere flüchtige Verbindungen aus dem Gestein in die Atmosphäre entweichen.

Trotz der hohen Temperaturen von mehr als 200 Grad Celsius an der Erdoberfläche geht man davon aus, dass es in diesen ersten 100 Millionen Jahren der Erdgeschichte dank des immensen Drucks der Atmosphäre, die reich an Stickstoff, Wasserdampf und Kohlendioxid war, Becken mit flüssigem Wasser gab. Als der atmosphärische Druck infolge des sinkenden Kohlendioxidgehalts abnahm, fiel auch die Temperatur, und die Erde war kühl genug, um flüssiges Wasser halten zu können. Zu diesem Zeitpunkt, vor ungefähr vier Milliarden Jahren, begann der Wasserdampf in der Luft zu kondensieren, und es regnete. Und regnete. Die Sintflut, von der in unzähligen mythischen Schöpfungsgeschichten die Rede ist, korreliert nicht zuletzt mit dem, was in den frühesten, stürmischsten Jahren der Erde passierte. Bei etwas, das unter solch höllischen Bedingungen und vor so langer Zeit vonstattenging, ist es natürlich schwierig, jedes Detail dieser Geschichte zu belegen. Viele der Spuren, die damals ins Gestein geschliffen wurden, haben die Umwälzungen in Erdkruste und Erdmantel im Verlauf der Äonen wieder ausradiert.

Wissenschaftler:innen nahmen lange Zeit an, dass als nächstes ein Ereignis von unvorstellbarer Heftigkeit folgte: Während oder kurz nach der Sintflut prasselten demnach Kometen und Asteroiden auf die inneren Planeten unseres Sonnensystems ein – ausgelöst durch Neptun, der in die Bahn eines Rings von Kometen im äußeren Sonnensystem geriet und riesige Eis- und Staubbrocken in alle Richtungen versprengte. Auf der Erde schmolz die Nutzlast dieser riesigen Objekte, das Eis, zu Wasser. Die Hypothese vom "Großen Bombardement" (Late Heavy Bombardment) ist inzwischen allerdings umstritten. Wir wissen jedoch, dass sich – zum Glück für die spätere Geschichte des Lebens – die Ozeane schließlich mit Wasser füllten.

Ein seltsamer Stoff

Wasser ist ein seltsames Molekül, doch Menschen scheinen gänzlich blind dafür zu sein. Betrachten wir einmal das Verhalten von Eis: Eiswürfel schwimmen in den Getränken, mit denen wir uns an Sommertagen erfrischen. Es ist so offenkundig, dass es banal ist. Im Winter schlittern wir gern über zugefrorene Seen, und auf der Oberfläche dunkler Ozeane treiben schneeweiße Eisberge. Doch im Kontext der Art und Weise, wie sich Moleküle normalerweise verhalten, ist all dies zutiefst merkwürdig.

Die meisten Substanzen schrumpfen beim Abkühlen. Nicht jedoch Wasser, das sich stattdessen ausdehnt. Dies bedeutet, dass Eis am Gefrierpunkt eine geringere Dichte aufweist als flüssiges Wasser. Ein Festkörper sollte nicht auf seiner eigenen Flüssigkeit schwimmen – aber täte Wasser dies nicht, gäbe es kein Leben auf der Erde. Diese Eigenschaft war für fragile, ums Überleben kämpfende Organismen lebensnotwendig. Sie erlaubte es unseren frühen "Urahnen", sogar während der Eiszeiten auf dem Grund von Seen und Ozeanen am Leben zu bleiben – wenn auch fröstelnd. Das Verhalten von Eis mag wie ein kleines, unbedeutendes Kuriosum erscheinen. Doch diese Anomalität des Wassers – nur eine von zahlreichen seltsamen und einzigartigen Verhaltensweisen, Teile einer allgemeinen Verweigerung dieser Substanz, sich an die Regeln zu halten, denen Flüssigkeiten normalerweise unterliegen – hat unseren Planeten und das Leben, das auf ihm existiert, geformt.

Wassermoleküle heften sich gerne an etwas, vor allem aneinander. Dies verleiht dem Wasser seine starke Oberflächenspannung. Viele Insekten nutzen diese, um über die Oberfläche von Teichen zu laufen – ihre verschwindend geringe Körpermasse ist schlichtweg nicht groß genug, um die Wasseroberfläche zu durchbrechen. Der Drang der Wassermoleküle, sich aneinander zu heften, bedeutet, dass sie mittels Kapillarwirkung – die Eigenschaft von Flüssigkeiten, sich in schmalen Kanälen ohne Einwirkung (und häufig sogar entgegen) einer äußeren Kraft wie der Schwerkraft bewegen zu können – durch leere Poren und Gefäße nach oben gezogen werden. Dieser Effekt sorgt dafür, dass Wasser von Seidenpapier oder einem Schwamm so leicht aufgenommen werden kann; zudem ermöglicht er es Pflanzen, Wasser tief unter der Erdoberfläche aufzusaugen, um ihre im Sonnenschein wachsenden Blätter und Zweige zu nähren.

Je genauer wir hinschauen, desto seltsamer wird es. Wäre Wasser wie andere Substanzen, sollte man erwarten, dass sich seine Moleküle als Flüssigkeit bei Raumtemperatur passiv verhalten, gelegentlich aneinanderstoßen und sich unter Wasserstoffbindung aneinanderheften. Tatsächlich aber tauschen sie ihre elektrisch geladenen Wasserstoffionen (Protonen) fast fortwährend aus. Die durchschnittliche Zeit, in der ein H2O-Molekül zusammenbleibt, beträgt weniger als eine Millisekunde, und auf noch kürzeren Zeitskalen (10-18 Sekunden beziehungsweise Attosekunden) bewirken Quanteneffekte zwischen Wassermolekülen, dass ein Teil der Wasserstoffionen einfach zu verschwinden scheint. Daher ist die Formel H2O eigentlich irreführend – sucht man auf Quantenebene nach diesen "H", sind sie häufig schlichtweg nicht da, und die chemische Formel sollte korrekterweise H1,5O lauten.

Einige der merkwürdigeren Eigenschaften von Wasser rühren von einer extrem flüchtigen Anziehungskraft her, einer Form der Verbindung zwischen Molekülen, die nicht einmal als echte chemische Bindung gilt. Innerhalb des Wasserstoffmoleküls selbst ist das Sauerstoffatom mittels einer standardmäßigen kovalenten Bindung – also einer Bindung, bei der sich die Atome Elektronenpaare teilen – mit zwei Wasserstoffatomen verbunden. Kovalente Bindungen sind gut dafür geeignet, die Atome innerhalb eines Moleküls zusammenzuhalten, eignen sich jedoch weniger gut dafür, verschiedene Moleküle zusammenzuhalten. Gase wie Kohlendioxid, Methan, Äthanol und Jodwasserstoff sind allesamt kovalent gebunden, und während die Atome in den Molekülen fest aneinanderhaften, tun dies die Moleküle selbst nicht, sodass die chemischen Grundprodukte niedrige Siede- und Schmelzpunkte aufweisen. Wäre Wasser für seinen strukturellen Zusammenhalt ausschließlich auf standardmäßige kovalente Bindungen angewiesen, wäre Leben auf der Erde nicht möglich. Wasser würde das Gleiche tun wie andere Chemikalien ähnlicher Größe: Bei den Temperaturen, die auf der Erdoberfläche normalerweise herrschen, würde es zu einem Gas verkochen.

Zum Glück für uns sind kovalente Bindungen aber nicht das Ende der Fahnenstange. Wassermoleküle vollführen einen Trick, bei dem eine schwächere Kraft namens Wasserstoffbrückenbindung zwischen ihnen ins Spiel kommt. Und auf diese Weise gelangt einfaches H2O auf eine neue Stufe des Seltsamen. Wasserstoffbrückenbindungen beruhen darauf, dass das Wassermolekül nicht schnurgerade ist. Wenn man sich das Sauerstoffatom im Zentrum des Moleküls vorstellt, dann sitzen die beiden Wasserstoffatome am Ende von Armen, die sich in einem Winkel von 104,45 Grad ausbreiten. Diese Anordnung hält die Atome weit genug auseinander, um Wasser in ein polares Molekül zu verwandeln. Mit anderen Worten: Die Wasserstoffatomseite des Moleküls ist teilweise positiv, während die Sauerstoffatomseite leicht negativ ist. Diese Ladungsunterschiede können zwischen Molekülen reichen, um temporäre (wenn auch schwache) Bindungen einzugehen.

Stellen wir uns ein Experiment vor: Sie tragen einen dünnen Wasserfilm zwischen zwei Oberflächen auf – die eine hydrophil, die andere hydrophob – und beobachten, was geschieht. Eine hydrophile Substanz ist etwas, das gerne nass wird oder sich in Wasser auflöst, beispielsweise Zucker oder Salz. Eine hydrophobe Substanz hingegen bleibt gerne trocken und zwingt Wassermoleküle dazu, den Kontakt zu minimieren und Tropfen zu bilden, die leicht abperlen können (denken Sie an eine gewachste Jacke). Man sollte nun meinen, dass sich die Moleküle letztendlich auf einer Seite stapeln. Aber nein – stattdessen schwingen sie unentschlossen zwischen den beiden Oberflächen hin und her, wie frustriert darüber, nicht zu wissen, was sie tun sollen. Dieses Schwingen ist ein weiteres eigentümliches Verhalten von Wasser – das allerdings einige der wichtigsten Prozesse erklären könnte, die sich in unseren Zellen abspielen.

Wasser = Leben

Der Mensch versteht sich als kohlenstoffbasierte Lebensform. Tatsächlich liefert Kohlenstoff die Bausteine des Lebens – komplexe Moleküle wie die DNA, Proteine und Lipide. Doch der Nährboden, auf dem sich Leben entwickeln kann, ist Wasser. Beim Aufbau der Existenz ist es Kran, Baugerüst und Mörtel zugleich. Jeder dynamische Prozess in unseren Zellen, jede biochemische Reaktion, die benötigt wird, um etwas am Leben, in Bewegung, am Wachsen zu halten, hängt von Wasser ab. Zu behaupten, Wasser sei ein integraler Bestandteil des Lebens, wäre noch eine Untertreibung. Wir können uns unsere Zellen – und die von jedem Lebewesen auf der Erde – als Wasserblasen vorstellen, die winzige Mengen von Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel enthalten, suspendiert oder aufgelöst. Das Leben, seine Prozesse und Strukturen entstehen in Lösungen aus Wasser. Jedes Lebewesen ist also einfach eine Wasservariation, eine Abweichung um einige Prozent von Reinheit. Die Stoffwechselvorgänge in Zellen – beispielsweise für den Aufbau von Proteinen oder die Erzeugung brauchbaren Brennstoffs, um den Körper am Laufen zu halten – erfordern entweder die Zugabe oder die Entfernung von Wassermolekülen. Wasser ist die Sprache, in der Biologie geschrieben wird.

Pflanzen nutzen die Sonnenenergie, um Wasser in der wichtigsten chemischen Reaktion auf der Erde zu spalten – der Photosynthese. Nach der Spaltung werden Wasserstoffatome mit Kohlendioxid verbunden, um Glukose zu erzeugen, wobei Sauerstoff an die Luft abgegeben wird. Diese Reaktion liefert letzten Endes Nahrung für sämtliche Lebewesen. Die Zellen wandeln die Glukose wieder in Wasser und Kohlendioxid um und setzen dabei die Energie frei, die sie für ihre Zellfunktionen benötigen. Wenn wir uns das Leben auf der Erde als eine riesige Reihe von Händeln und Transaktionen vorstellen, dann ist Wasser die Währung, in der diese Tauschgeschäfte abgewickelt werden.

Entwicklung und Fortbestehen des Lebens beruhen auf der Seltsamkeit des Wassers. Es gibt Tausende von Proteinarten im Körper, jede mit einer spezifischen Aufgabe. Proteine übernehmen alles Mögliche, von der Übermittlung von Nachrichten von einem Körperteil zum anderen über die Entscheidung, welche Moleküle in die Zellen hineingelassen oder aus ihnen herausgelassen werden, bis hin zur Hilfe beim Kopieren von DNA oder der Bildung eines Gedächtnisses im Gehirn. Jedes Protein beginnt seine Existenz als lange, gerade Kette von Aminosäuren, erbaut von einer zellulären Maschinerie, welche die auf der DNA kodierte Information liest. Doch ein gerades Protein ist nutzlos, selbst wenn es all die Atome aufweist, die es benötigt, und sich alle an den richtigen Stellen befinden. Damit ein Protein funktionieren kann, muss man es dazu bringen, sich zu einer funktionalen 3-D-Form zu falten. Wasser ist für diesen Vorgang von entscheidender Bedeutung, da seine Anwesenheit verschiedene Teile des Proteinmoleküls dazu zwingt, sich auf bestimmte Art und Weise zu biegen und zu bewegen – in Lösung werden die hydrophoben Teile des Proteinmoleküls beispielsweise gezwungen, sich aneinanderzuheften wie Ölperlen in einer Schüssel Wasser.

Die Liste der uns bekannten Möglichkeiten, wie Körperzellen Wasser nutzen, wird immer länger. Manche Proteine verwenden Ketten von Wassermolekülen als eine Art elektrischer Leiter. Andere nutzen Wassermoleküle zur Feinabstimmung bestimmter chemischer Reaktionen. Ohne Wasser kann kein Organismus auf der Erde überleben. Da Wasser Conditio sine qua non des Lebens ist, scheint es nur folgerichtig, dass diejenigen, die nach außerirdischem Leben suchen, mit der Suche nach Wasser beginnen. Die gute Nachricht lautet, dass in unserem Sonnensystem reichlich Wasser vorhanden ist.

Ist da draußen jemand?

Die Entdeckung von Eisvorkommen außerhalb der Erde erfolgte schrittweise in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die NASA-Raumsonde "Mariner 9" lieferte 1971 erstmals eindeutige Hinweise auf einen wasserreichen Mars, als sie Bilder von Rinnen auf der Oberfläche des Planeten zur Erde sendete, die aussahen wie ausgetrocknete Flussbetten und nur entstanden sein können, wenn irgendwann einmal in ihrer Geschichte regelmäßig Wasser über sie floss. Aufgrund der niedrigen Temperaturen und des geringen atmosphärischen Drucks ist das flüssige Wasser dort zwar längst verschwunden. Nach wie vor aber befinden sich riesige Gletscher am Boden von Kratern auf dem roten Planeten, und auch seine Polkappen sind mit Eis bedeckt.

Flussbett auf dem Mars (Nirgal Vallis), aufgenommen von der NASA-Sonde "Mariner 9", 1971. (© NASA/JPL-Caltech)

Es gibt Hinweise auf Wasser in Form von Hydroxyl (einer Untereinheit des Wassermoleküls, die aus einem Paar chemisch gebundener Sauerstoff- und Wasserstoffatome mit insgesamt negativer Ladung besteht und normalerweise an andere Elemente gebunden ist) im Boden des Mondes sowie auf große Mengen von Eis an seinen Polen. Einige Monde von Jupiter und Saturn, zum Beispiel Europa und Enceladus, sind riesige, von dicken Eisschichten bedeckte Wasserkugeln. Der Jupitermond Ganymed weist im Vergleich zur Erde die 36-fache Menge an Wasser auf, Kallisto die 27-fache. Ebenso ist bekannt, dass Eisklumpen den Saturn als Teil seiner majestätischen Ringe umkreisen. Auf einem seiner Monde, Titan, existieren unterirdische Meere mit so viel Wasser, dass es die Ozeane der Erde 29 Mal füllen könnte. Im Inneren von Uranus und Neptun vermutet man gigantische Eisvorkommen, und sogar auf dem Merkur, einem Planeten mit einer so heißen Oberfläche, dass sogar Metall darauf schmelzen würde, ist tief in den Kratern auf seinen permanent beschatteten Polen Eis zu finden.

Astronomen entdecken eine immer größere Zahl von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems und werden diese Welten, sobald die Technologie in den kommenden Jahren so weit ist, routinemäßig nach Wasser erkunden. Die umfangreiche Suche nach Wasser ist im Grunde stets die Suche nach Leben. Da uns kein Instrument zur Verfügung steht, Leben direkt aufzuspüren – etwa irgendein narrensicherer biologischer Scanner, den wir auf andere Planeten schicken könnten und der uns dann anzeigt: Aha, hier gibt es Leben (oder auch nicht) –, suchen wir stattdessen nach Wasser. Das Wasser der Erde begann seine Existenz in der Schwärze des Weltraums, bevor es unseren Planeten erreichte, um die Entstehung von Leben anzustoßen und Lebensformen hervorzubringen, die eines Tages in der Lage sein würden, Verständnis zu entwickeln, Fragen darüber zu stellen und überall im Weltraum danach zu suchen. Es scheint, als habe Wasser den Menschen geschaffen, um sich seiner selbst gewahr zu werden.

Übersetzung aus dem Englischen: Peter Beyer, Bonn.

ist Physiker und Wissenschaftskorrespondent von "The Economist" in London. Er schrieb unter anderem "The Water Book" (2015). Externer Link: http://www.alokjha.com