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"Das Virus wird bei uns bleiben" | Weltgesundheit | bpb.de

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"Das Virus wird bei uns bleiben" Ein Gespräch über die Suche nach einem Impfstoff und den Verlauf der Covid-19-Pandemie

Marylyn Addo

/ 11 Minuten zu lesen

Frau Professorin Addo, die Frage, auf die wahrscheinlich alle gerne eine Antwort hätten: Wann ist die Covid-19-Pandemie vorbei?

Marylyn Addo: Das kann natürlich keiner so richtig sagen. Aber die Spanische Grippe hat ungefähr zwei Jahre gedauert, und die WHO schätzt, dass auch die Covid-19-Pandemie innerhalb von zwei Jahren zu Ende sein wird. Wir sind jetzt schon fast bei einem Jahr. Es ist schwierig vorherzusehen, wann sie ganz vorbei sein wird, und was heißt das auch, "vorbei"? Das Virus wird ja bei uns bleiben, aber nicht mehr zu den Einschränkungen führen, die wir jetzt haben. Ich denke, dass wir im nächsten Sommer schon in einer anderen Situation sein werden, weil dann der Winter vorbei ist und vielleicht auch schon ein Impfstoff einen Beitrag leisten kann. Das wäre derzeit meine Prognose.

Sie leiten als Prüfärztin die klinische Phase-1-Studie zur Erprobung eines Impfstoffs gegen Covid-19 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Wie darf man sich das vorstellen?

Es gibt zur Medikamenten- und auch zur Impfstoffzulassung verschiedene Phasen der klinischen Prüfung. In der ersten Phase sind das normalerweise sehr kleine Studien, bei uns sind das jetzt 30 Probanden, bei denen eine Substanz zum ersten Mal am Menschen erprobt wird. Da geht es vor allem um die Sicherheit und Verträglichkeit eines Impfstoffs oder einer Medikation. Bei Impfstoffen wollen wir natürlich auch zeigen, ob Immunantworten generiert werden, also ob es zum Beispiel eine Antikörperbildung gibt. Dann kommt Phase 2 mit mehr Probanden, in unserem Fall wären das 600, in der man weitere Daten zur Sicherheit erhebt, um auch seltenere Nebenwirkungen, falls sie dann auftreten, zu erfassen. Aber in Phase 2 geht es vor allem um die Dosisfindung. In Phase 3 geht es dann mit Zehntausenden Probanden um die Wirksamkeit, also darum zu zeigen: Sind die Leute, die geimpft sind, geschützt vor der Infektion, vor der wir schützen wollen?

Und wie sieht das im klinischen Alltag aus?

Bei unserem Beispiel ist es so, dass wir mit einem Auftragsforschungsinstitut, dem Clinical Trial Center North, zusammenarbeiten, das spezialisiert ist auf frühe klinische Phasen. Da kommen die Probanden hin, und im Leitungsteam der Studie begrüßen wir die Probanden im Studienzentrum und klären sie mit auf, wie wir mit den verschiedenen Teams zusammen – es gibt ein Laborteam, ein klinisches Team und ein Studienteam – die Studie durchführen werden. Bevor es losgeht, werden die Probanden untersucht, werden bestimmte Sachen abgefragt und Ein- und Ausschlusskriterien abgeprüft. Diese Phase-1-Studien werden nur an ganz gesunden jungen Probanden durchgeführt, weil das Mittel eben zum ersten Mal verabreicht wird. Und dann müssen wir natürlich auch dafür sorgen, dass im Labor die Proben richtig verarbeitet werden, um Antikörper- oder T-Zellen-Antworten zu erheben. Es ist ein breites Spektrum.

Sind Sie mit dem bisherigen Verlauf der Studie zufrieden?

Wir sind ja erst seit ein paar Wochen unterwegs, und bisher läuft alles nach Plan. Wir werden zwei Dosisgruppen verabreichen, und die Probanden der ersten Dosis, also der niedrigen Dosisgruppe, haben schon ihre erste Impfung von zweien erhalten.

Wie geht es nun weiter?

Wir planen, die Phase 2 noch im November bei den Behörden einzureichen und wollen sie im Dezember initiieren, um Anfang Januar die Probanden in einem relativ engen Zeitrahmen zu impfen. Daher wird Phase 2 nicht mehr nur in Hamburg, sondern multizentrisch durchgeführt, also an mindestens zehn Zentren innerhalb Deutschlands, die wir gerade noch rekrutieren. Im Laufe des Jahres 2021, je nachdem, wann wir die Daten der Phase 2 haben, zumindest von Teilen der Studie, wird das Klinikum München die große Phase-3-Studie mit zwischen 20.000 und 30.000 Probanden auch multizentrisch durchführen.

Weltweit wird momentan an über 200 Impfstoffen gegen Covid-19 geforscht. Dennoch steht immer wieder die Frage im Raum, ob es überhaupt einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird.

Ich sage immer: In der Biomedizin kann man nie Garantien geben. Es wird ja oft zitiert, dass es auch Erkrankungen gibt, gegen die wir bisher keine Impfstoffe gefunden haben, zum Beispiel Aids. Da muss man natürlich dazusagen, dass man normalerweise nach einer HIV-Infektion diese Infektion nicht ausheilt, sondern dann chronisch infiziert ist. Bei Covid-19 wissen wir ja zumindest, dass ein normal immunkompetenter Mensch nach zwei bis drei Wochen wieder genesen ist, und das versuchen wir mit einem Impfstoff sozusagen nachzustellen oder zu verbessern. In der klinischen Prüfung sind ungefähr 45 verschiedene Impfstoffe, die vielen Tausenden von Probanden gegeben wurden, und bisher zeigen die Daten, dass die meisten Impfstoffe sehr gut vertragen wurden und Antikörper und T-Zellen generieren. Das ist schon einmal erfreulich. Aber bisher gibt es noch keinen Beweis der Schutzwirkung. In Tierversuchen an Affen konnte man die schon dokumentieren, jetzt müssen wir sie noch am Menschen zeigen. Und dann müssen wir schauen, wie wirksam der Impfstoff wird. Unsere Masernimpfung ist zum Beispiel zu 95 bis 98 Prozent wirksam. Ob die Impfung, die gegen Covid-19 zugelassen wird, einen so hohen Grad an Wirksamkeit erreicht, ist noch nicht gegeben. Anhand der Daten, die bisher aus dem Tiermodell hervorgegangen sind, muss man eher davon ausgehen, dass sie nicht hundertprozentig schützt vor einer Infektion, sondern vor allem den Krankheitsverlauf erleichtern kann. Diese Daten liegen uns noch nicht vor. Ich bin allerdings optimistisch, dass es einen Impfstoff geben wird. Die Regulatoren haben angedeutet, dass sie ab 50 Prozent Schutzwirkung an eine konditionelle Zulassung denken.

Umfragen zeigen, dass sich in Deutschland jede:r Dritte nicht gegen Covid-19 impfen lassen will, wenn ein Impfstoff verfügbar ist. Wie erklären Sie sich diese vergleichsweise hohe Impfskepsis in Deutschland?

Ich weiß nicht, ob ich das jetzt unbedingt als Impfskepsis bezeichnen würde. Es gibt Leute, die Angst haben, dass der Impfstoff nicht sicher genug ist, weil er so schnell hergestellt wurde. Da muss man sagen, dass wir in Deutschland einen Impfstoffentwicklungsprozess haben, der zwar beschleunigt werden kann, aber keine Einschränkung der Anforderungen an die Sicherheit eines Impfstoffs zulässt. Die zuständige Behörde, das Paul-Ehrlich-Institut, achtet da sehr sehr genau drauf. Die Impfstoffe, die hier zugelassen werden, haben das Sicherheitsprofil, das in Deutschland Standard ist. Ansonsten gibt es vielleicht auch gerade in der jüngeren Bevölkerung Leute, die sagen, "Mensch, in 80 Prozent der Fälle ist der Krankheitsverlauf ein milder, da lasse ich mich nicht gegen impfen". Und dann gibt es natürlich die Impfgegner, aber die sind eine relativ kleine Gruppe, die Impfverunsicherten schon eine größere, und da hilft eigentlich nur Dialog, Aufklärung und sich den Sorgen und Fragen und Nöten zu stellen. Auf gar keinen Fall sollte es eine Impfpflicht geben, das ist ja auch eine große Sorge. Das ist überhaupt nicht geplant und meines Erachtens auch nichts, was in irgendeiner Weise verfolgt werden sollte. Die Strategien, an wen der Impfstoff als erstes gehen soll, wenn wir denn einen wirksamen und sicheren Impfstoff haben, werden derzeit entwickelt. Momentan geht man davon aus, dass Leute, die ein hohes Risiko haben oder mit vulnerablen Populationen arbeiten, sprich im Altersheim oder medizinisches Personal, sich impfen lassen sollten und dass man dann versucht, die Risikogruppen zu schützen, damit sie keine schweren Verläufe haben und man die Sterblichkeitszahlen minimieren kann. Und wie es dann weitergeht, ob man dann sagt, vielleicht sollten wir auch Kinder impfen oder Lehrer, wird man sehen.

Ein häufiges Argument ist auch, dass im Moment noch unklar ist, ob eine Wiederansteckung mit Covid-19 möglich ist.

Es sind schon Fälle einer Wiederansteckung beschrieben worden. Es scheint aber ein sehr seltenes Phänomen zu sein, wir sind ja auch noch früh in der Pandemie. Bei Wiederansteckung scheinen die Krankheitsverläufe milder zu sein, und das ist ja auch ein Effekt: Wenn Immunität da ist, also partielle Immunität wie bei anderen Corona-Viren, dann hat man nicht so einen schlimmen Verlauf und muss vielleicht nicht ins Krankenhaus. Da sind noch viele Fragen offen, sowohl zu natürlicher Immunität als auch zu Immunität durch einen Impfstoff. Es ist unbedingt notwendig, dass wir an ganz vielen verschiedenen Stellen Wissenschaft betreiben, um die Krankheit besser zu verstehen. Wir müssen an weiteren Medikamenten forschen, weil es auch noch Infektionen geben wird, wenn ein Impfstoff verfügbar ist. Es werden sich weiterhin Patienten mit Covid-19 infizieren, auch welche, die vielleicht schlechte Verläufe haben, und da wollen wir doch unbedingt Therapieoptionen haben. Derzeit haben wir nur zwei mit geringer bis moderater Wirksamkeit, die für andere Erkrankungen entwickelt wurden. Da ist noch sehr viel zu tun, und auch deswegen sind die Maßnahmen, die wir ergreifen, also Abstand, Hygiene und Masken, wesentlich. Die Pandemiebekämpfung steht auf mehreren Säulen, und ein Impfstoff ist nur eine davon. "Wenn der Impfstoff da ist, ist alles wieder gut", ist kein realistisches Szenario.

Die Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19 ist für Sie nicht das erste Projekt dieser Art. Sie waren an der Entwicklung von Impfstoffen gegen Ebola und gegen das MERS-Virus beteiligt. Was ist dieses Mal anders?

Bei Ebola hatten wir auch viel Druck inmitten einer Pandemie. Aber natürlich hat der Ebola-Ausbruch in Westafrika damals nicht das eigene Leben zum Stillstand gebracht. Jetzt haben wir es zum ersten Mal mit einer Viruserkrankung zu tun, die die ganze Welt betroffen hat mit "Lockdowns", Schulschließungen etc., und jetzt ist das Thema Impfstoff nochmal viel präsenter. Der Druck ist hoch, die mediale Präsenz ist hoch, und dann ist es eine nochmal schnellere Timeline. Wir haben damals bei Ebola schon gedacht "so schnell ist es noch nie gegangen", und jetzt ist es nochmal schneller gewesen. Das ist schon eine neue Arbeitsbelastung, auch das Team ist dem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt. Aber insgesamt sind wir in der Entwicklung solcher Impfstoffe jetzt – ich möchte nicht sagen "erfahren" –, aber wir haben das schon mal gemacht, und wir haben das auch schon mal in einer Pandemie gemacht. Insofern versuchen wir uns auf die Arbeit zu fokussieren, den kühlen Kopf zu bewahren und uns nicht ablenken zu lassen.

Die Erwartungen an die Wissenschaft, eindeutige Antworten und Lösungen liefern zu können, sind in der Pandemie besonders hoch, auch seitens der Politik. Was bedeutet das für Sie als Forscherin? Wie sehen Sie Ihre Rolle als öffentlich kommunizierende Wissenschaftlerin?

Das ist natürlich jetzt eine Situation, in der wir bisher noch nicht so häufig waren, "wir" als Gesellschaft, aber auch "wir" als Wissenschaftler, und etwas, das man im Nachgang dieser Pandemie nochmal mit Ruhe kritisch beleuchten muss. Was ist in der Wissenschaftskommunikation in der Pandemie gut gelaufen? Was ist vielleicht schwierig gewesen? Welche Sachen haben zur Verunsicherung der Bevölkerung beigetragen, und welche haben einen Beitrag geleistet, so ein bisschen auch von der Angst und dem Stress wegzunehmen? Ich versuche, über die Dinge zu sprechen, bei denen ich das Gefühl habe, ich kann mit fundiertem Wissen Stellung nehmen. Wenn mich jetzt jemand zur Zusammensetzung von Aerosolen fragt, würde ich an einen anderen Experten verweisen. Aber zum Thema Impfstoffe, denke ich, kann ich ein Stück weit zur Aufklärung und Information der Bevölkerung beitragen. Ich sehe das auch als Teil der Arbeit. Wir werden aus öffentlichen Mitteln finanziert, insofern ist das auch Teil des Zurückgebens. Wissenschaftler können Fakten kommunizieren und beraten. Oft ist das ja so ein bisschen verwischt, weil die Wahrnehmung war, dass die Wissenschaftler entscheiden. Aber die Wissenschaft generiert Fakten, kommuniziert Fakten und kann allenfalls Politik beraten. In der Politik werden die Entscheidungen getroffen, und Politiker müssen verschiedene Aspekte auch außerhalb der Wissenschaft mit in ihre Entscheidungen einfließen lassen. Und die Medien spielen natürlich auch eine Rolle für die öffentliche Wahrnehmung. Da gibt es sicherlich noch Nachholbedarf: Die Wissenschaftskommunikation ist bisher nicht im großen Stil in der wissenschaftlichen Ausbildung platziert und braucht in den Curricula wahrscheinlich nochmal einen anderen Stellenwert. Wir sind in einem total neuen medialen Umfeld mit Social Media, und wir müssen uns fragen, wie man belastbare Informationen so platzieren kann, dass sie auch ankommen. Das wird jetzt schon sehr aktiv diskutiert an verschiedenen Stellen, und es gab ja für sehr gute Wissenschaftskommunikation auch Preise und Ehrungen.

Noch stecken wir mitten in der Pandemie, und derzeit steigen die Infektionszahlen wieder stark an. Wie schätzen sie das aktuelle Infektionsgeschehen ein?

Wir befinden uns in einer sehr dynamischen Phase. Im Verhältnis zu unseren Nachbarländern in Europa steht Deutschland noch verhältnismäßig gut da, aber um es mit einer Game-of-Thrones-Analogie zu sagen: "Winter is coming." Wir bereiten uns auf einen relativ harten Winter vor. Wir hatten in den letzten Wochen noch relativ überschaubare Krankenhausbelegungen, und nirgendwo ist das System an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen. Das war zum Teil auch der Tatsache geschuldet, dass das Alter der Infizierten jetzt jünger war, aber wir sehen natürlich schon, dass in verschiedenen Regionen Deutschlands die Belegungszahlen der Krankenhäuser wieder hochgehen und es wieder mehr Intensivpatienten gibt. Wir haben einen stetigen langsamen Anstieg, den ich mit Besorgnis sehe. Ich glaube, das deutsche System ist sehr gut vorbereitet, trotzdem sind die Appelle an die Bevölkerung, dass wir alle auch individuell einen Beitrag leisten können, gerechtfertigt. Wenn wir das einfach so laufen lassen, dann drohen wir das zu verspielen, was Deutschland bisher so gut geleistet hat.

Welche Faktoren haben dazu beigetragen, dass Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen ist?

Das ist sicher multifaktoriell. Zum einen haben wir mit Herrn Drosten einen Top-Wissenschaftler in Deutschland, der sich seit über zwanzig Jahren mit Corona-Viren beschäftigt und frühzeitig einen Test entwickelt hat und den auf der WHO-Seite frei verfügbar gemacht hat. Dann haben sich in Deutschland die Zentren bereit gemacht und sehr früh angefangen, zum Beispiel bei Grippeabstrichen auch schon auf Covid-19 zu testen. Bis es im Januar mit dem frühen Ausbruch in München so weit war, hat man so sehr gut dokumentieren können, dass wir hier keine Hintergrundaktivität hatten wie zum Beispiel in Italien. Dort war das Virus wahrscheinlich ja schon einige Wochen unterwegs, bevor die ersten Fälle entdeckt wurden, und dann kam es zu einer sehr bedrohlichen Situation. Dadurch, dass wir in Deutschland schon im Januar den ersten Ausbruch hatten, waren wir auch einfach früh vorbereitet und haben zügig begonnen, Infektionsketten aufzudecken. Dann haben wir ein sehr robustes Gesundheitssystem und gute intensivmedizinische Kapazitäten. Wir haben niemals triagieren müssen, welcher Patient auf Intensivstation geht und welcher ein Beatmungsgerät bekommt. Wir sind nie auch nur annähernd an die Grenzen der Belastbarkeit unseres Gesundheitssystems gekommen und konnten noch Intensivpatienten aus anderen Ländern aufnehmen, und dennoch war auch das natürlich ein Kraftakt.

Und was hat weniger gut funktioniert? Oder anders gefragt: Was sollten wir für die Zukunft aus der Covid-19-Pandemie mitnehmen?

Wir haben gesehen, dass wir im öffentlichen Gesundheitssystem noch ein bisschen mehr Kapazitäten schaffen müssen. Gerade bei der Nachverfolgung der Infektionsketten waren und sind die Gesundheitsämter sehr gefordert, da gab es nicht genug Personal. Aber das ist ja auch schon erkannt worden. Es gab jetzt auch mehrere Initiativen, um an Universitätskliniken zum Beispiel Strukturen zu schaffen und Kapazitäten zu erweitern, die für zukünftige Epidemien und Pandemien genutzt werden können. Und dann müssen wir wie gesagt zum Thema Information der Gesellschaft und zum Zusammenspiel zwischen Politik, Medien und Wissenschaft eine Nachlese machen. Es wird mit Sicherheit nicht unsere letzte Pandemie oder Epidemie sein. Allein für Corona-Viren gab es in den letzten zwanzig Jahren drei große Ausbrüche: SARS mit 10 Prozent Mortalität, MERS mit 40 Prozent Mortalität und jetzt Covid-19. Wir haben sicherlich viel gelernt und müssen sehen, was wir mitnehmen in unsere nächste Runde. Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen provokant an, aber wir befinden uns in einer ernstzunehmenden Situation für Deutschland und die Welt bei einem im Vergleich harmloseren Virus. Das ist natürlich ein Stresstest und zeigt, was gut klappt und wo wir noch nachbessern müssen, sodass wir beim nächsten Mal noch besser reagieren können.

Das Interview führte Anne-Sophie Friedel per Telefon am 21. Oktober 2020.

ist Professorin für Infektiologie und leitet die Sektion Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. E-Mail Link: presse@uke.de