Sehr geehrte Frau Prof. Hillmann, sehr geehrte Frau Dr. von Oswald, sehr geehrte Frau Dr. Schmelz, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste,
Sie alle begrüße ich sehr herzlich zur Konferenzreihe "Rethinking Migration", die heute bereits in die dritte Runde geht. Diese Reihe wird vom Netzwerk Migration in Europa e.V. in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Universität Bremen veranstaltet.
Was bedeutet es, Migration neu zu denken?
Politische Bildung hat den Anspruch und die Aufgabe, gesellschaftspolitisch relevante Themen rund um das Querschnittthema Migration aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren: aus gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, politischer, kultureller und wissenschaftlicher Sicht. Wir wollen mit dieser Konferenzreihe eine Diskussion anstoßen, die interdisziplinär, europäisch und international vergleichend zu führen ist.
Genau vor einem Jahr startete die Konferenz-Reihe mit dem Thema "Migration neu denken in Zeiten der Wirtschaftskrise in Europa" / "Rethinking Migration in Times of Economic Crisis in Europe" – ein Thema, welches nicht an Brisanz verloren, sondern vor dem Hintergrund der erneuten Turbulenzen auf den europäischen und internationalen Finanzmärkten wieder an Dringlichkeit gewonnen hat.
Im Herbst dieses Jahres fand die zweite Tagung statt. Diesmal ging es um die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Ressourcenkonflikten und Migration. Interdisziplinär und auf Basis regionaler Fallstudien wurde die Verbindung zwischen Klimawandel und Migration reflektiert und diskutiert.
MIGRATION NEU DENKEN soll auch heute und morgen unser Ziel sein, wenn wir über Diversity-Ansätze und -Handlungsstrategien, also Diversity-Management, in der Einwanderungsgesellschaft diskutieren.
Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit sind inzwischen zu der fast schon banalen und auf der Hand liegenden Einsicht gelangt, dass die deutsche Gesellschaft zunehmend heterogener wird. Steven Vertovec hat treffend den Begriff "Super Diversity" in die aktuelle Migrationsdebatte eingebracht. Regina Römhild hat in ihren Forschungen die transnational vernetzten Lebenswelten in der heutigen Einwanderungsgesellschaft hervorgehoben. Anders als in den 1960er und 1970er Jahren haben wir es dabei aber nicht mit homogenen Zuwanderungsgruppen zu tun, sondern mit sehr vielfältigen Migrationsbiographien und Lebenswelten in der Zuwanderungsgesellschaft.
Das Konzept der Integration, das in den letzten zehn Jahren besonders in Deutschland wieder in den Fokus der Diskussion gerückt ist, wird daher inzwischen immer stärker durch das Konzept von Diversity – sowohl im wissenschaftlichen, als auch im politischen und wirtschaftlichen Diskurs – ergänzt. DIVERSITY wird dabei aber mit beträchtlicher begrifflicher und konzeptioneller Unschärfe verwendet und droht zum Modebegriff oder schlicht zu einem neuen Label für altbekannte Integrationspolitik zu werden.
Genau da setzt diese internationale Tagung an: Können Diversity-Konzepte und -Strategien AKTUELL UND ZUKÜNFTIG neue Antworten für das gesellschaftspolitische Aushandeln von Zugangschancen geben? Welchen Erkenntniswert bieten Diversity-Ansätze gegenüber dem an Bedeutung zunehmenden Integrationsdiskurs? Welche neuen Handlungsoptionen und -möglichkeiten bieten diese Ansätze?
Die Konferenz steht damit vor der nicht leichten Aufgabe, die Chancen und Grenzen von Diversity-Ansätzen in der Einwanderungsgesellschaft zu beleuchten und die aktuellen Widersprüche und zukünftigen Herausforderungen kritisch zu reflektieren. Sie stellt sowohl die Entwicklung als auch die Umsetzung von Diversity-Konzepten in europäisch und international vergleichender Perspektive auf den Prüfstand.
Die Beiträge heute Nachmittag beschäftigen sich mit den komplexen Entwicklungslinien und den aktuellen Herausforderungen der Diversity-Ansätze und Diversity-Politiken: Es geht zum einen vor allem um die Frage, welche neuen Perspektiven Diversity für die gesellschaftliche Teilhabe und für die Antidiskriminierung in der heutigen Migrationsgesellschaft bietet. Zum anderen wollen wir die "blinden Flecken" des Diversity-Konzeptes kritisch diskutieren und klären, für wen Diversity-Maßnahmen bedeutungslos sind und für wen nicht.
Morgen werden Wissenschaftler und Praktiker die aktuellen Herausforderungen von Diversitätskonzepten für die städtische und kommunale Integrationspolitik erörtern. Im Städte-Panel geht es um deutsche Fallbeispiele mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der konkreten Ausgestaltung und Umsetzung von Diversitätskonzepten auf lokaler Ebene. Auf einem zweiten, internationalen Panel stellen wir die Erfahrungen mit Diversity-Modellen in europäischen Großstädten, in Kanada und in Südafrika zur Diskussion und fragen nach gemeinsamen Lernchancen für eine Politik der Teilhabe und der Antidiskriminierung.
In einer abschließenden Sektion wollen wir die konkrete Umsetzung von Diversity-Ansätzen und -Konzepten anhand ausgewählter zentraler Handlungsfelder auf den Prüfstand stellen: Verwaltung und Unternehmen, die Kommunen, das Bildungssystem und die Zivilgesellschaft (Migrantenorganisationen). Die Tagung zielt damit auf eine vorsichtige Zwischenbilanz für die Umsetzung eines Konzeptes, das in Deutschland – obwohl in aller Munde – noch neu ist.
Die Konferenzreihe MIGRATION NEU DENKEN bietet uns erneut eine spannende Plattform, um die unterschiedlichen Vorstellungen und vielfältigen Kontroversen zu Diversity in Wissenschaft und politischer Praxis auszutauschen. Migration und Vielfalt, also Diversity in der Einwanderungsgesellschaft, gehören zu den zentralen Schwerpunktthemen der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung – mit der Konferenz-Reihe RETHINKING MIGRATION können wir dem Thema weiteren Input geben. Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern gelingt es uns durch diese Reihe, sehr unterschiedliche gesellschaftliche Akteure zum Austausch und zur Diskussion über brisante Themen in der heutigen Migrationsgesellschaft zusammenzuführen.
Migration soll weiterhin neu gedacht werden: Wir freuen uns daher sehr, dass wir trotz erheblicher Einsparungen, die die Bundeszentrale für politische Bildung im kommenden Jahr verkraften muss, auch im nächsten Jahr die Reihe RETHINKING MIGRATION / MIGRATION NEU DENKEN mit einer Konferenz zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Arbeitsmigration in Deutschland mit der Fragestellung "Von der Krise zum Boom zur Krise?" unterstützen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich das Wort an Frau Dr. von Oswald gebe, darf ich an dieser Stelle allen Organisatoren und Mitwirkenden der Konferenz danken und Ihnen hier im Saal anregende Gespräche wünschen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
- Es gilt das gesprochene Wort -
Was bedeutet es, Migration neu zu denken? Eröffnungsrede von Thomas Krüger zum Internationalen Symposium "Was heißt denn hier Zigeuner? Bild und Selbstbild von Europas größter Minderheit" der bpb und der Allianz Kulturstiftung, Berlin, 10.11.2011
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Politische Bildung hat die Aufgabe, gesellschaftspolitisch relevante Themen rund um das Querschnittthema Migration aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren: aus gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, politischer, kultureller und wissenschaftlicher Sicht. Wir wollen mit dieser Konferenzreihe eine Diskussion anstoßen, die interdisziplinär, europäisch und international vergleichend zu führen ist.
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