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Eröffnungsrede anlässlich der Bensberger Gespräche 2008 "Zentralasien" | Presse | bpb.de

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Eröffnungsrede anlässlich der Bensberger Gespräche 2008 "Zentralasien"

/ 5 Minuten zu lesen

Was ist das für eine Region, Zentralasien? Die Unbekannten, mit denen wir jonglieren, wenn wir über diese Region sprechen, sind zahlreich.

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zu den Bensberger Gesprächen 2008.

Zentralasien – wo liegt das eigentlich? Dieser Frage wollten hier in Bensberg in diesem Jahr erfreulicherweise weit mehr Teilnehmende nachgehen, als es für eine interaktive und auf Austausch angelegte Veranstaltung wie diese zu verkraften möglich wäre.

Das enorme Interesse an den diesjährigen Bensberger Gesprächen, die die bpb und das Bundesministerium der Verteidigung gemeinsam durchführen, zeigt, dass wir thematisch wohl einen Nerv getroffen haben.

Und das liegt sicher nicht allein an der Tatsache, dass drei der Länder, die die Nachrichten zur Zeit wesentlich besetzen – der Iran, Pakistan und natürlich Afghanistan – im Süden unmittelbar an die Region anschließen. Und auch nicht allein daran, dass die Situation der Bundeswehr in Afghanistan viele unserer hiesigen Zuhörerinnen und Zuhörer beruflich wie persönlich konkret betrifft oder betreffen wird.

Zentralasien umfasst ein Gebiet von 3.994.300 Quadratkilometern und einige der am dünnsten besiedelten Gebiete der Welt. Im Vergleich: Auf fast vier Millionen Quadratkilometern leben dort rund 56 Millionen Menschen, in Deutschland leben auf 357.000 Quadratkilometern 82 Millionen Menschen.

Die Länder, die wir zur Region Zentralasien zählen, sind seit 1989 nicht mehr zur Ruhe gekommen. Alle haben sie die gravierendsten Umbrüche durchlebt. Nicht zuletzt durch den 11. September 2001 haben sich die Macht- und Sicherheitsinteressen der Groß-mächte Russland, China und USA noch einmal ver-schoben. Und die Region Zentralasien liegt mittendrin.

Wie sich Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan und Tadschikistan in diesem geopolitischen Gefüge bewegen, und gleichzeitig die enormen Herausforderungen bewältigen, die der Übergang aus dem sowjetischen Machtbereich in die Selbständigkeit mit sich bringt, damit werden wir uns die kommenden zwei Tage beschäftigen.

So sind die geostrategischen und ökonomischen Interessen, die unterschiedliche Akteure hier verfol-gen, essentiell, denn die Länder der Region verfügen über riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen. Frederick Starr, Leiter des Kaukasus-Instituts an der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität in Baltimore wird mit dem Satz zitiert:

"Wer bestimmen kann, wie die Pipeline-Karte aussieht, wird die Zukunft eines riesigen Teils der Welt bestimmen." Dass also die Bundesregierung zur Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr die Ausarbeitung einer EU-Zentralasien-Strategie gemeinsam mit Vertretern der Region zentrales Gewicht beimaß, ist eine energiepolitisch logische Folge.

Die Region ist jedoch nicht nur ein Reservoir an Rohstoffen, die für den europäischen Markt immense Bedeutung haben. Den fünf Regierungen kommt vor allem auch eine Brückenfunktion zwischen zentralistischer, undemokratischer Vergangenheit als Sowjetrepubliken und der Zukunft als demokratisch orientierte, verlässliche Partner nicht nur Deutschlands oder der EU, sondern natürlich auch der USA, Russlands und Chinas zu.

Mit einem Blick auf die Weltkarte kann die Betrach-terin die geografische Pufferfunktion erkennen, die dieses große Gebiet zwischen den Krisenherden des Nahen Ostens, des indischen Subkontinents auf der einen und Russland – und damit mittelbar auch der EU – auf der anderen Seite einnimmt. Die deutsche Zentralasien-Initiative hat damit ihren Grund auch in der Unterstützung dieser Transformations- und Demokratisierungsprozesse.

Mit der Frage nach Demokratie, Gewaltenteilung, Pressefreiheit und der Wahrung der Menschenrechte verbunden ist gerade in der Region Zentralasien die Frage nach der Religion, nach der Wiedererstarkung derselben und nach ihrer Instrumentalisierung durch fundamentalistische, extremistische Kräfte.

Diesbezüglich ist die Situation in den fünf Ländern durchaus unterschiedlich. Die Erscheinungsformen der Religion – und das ist in dieser Region überwiegend der Islam – sind sehr vielfältig. Die religionsgeschichtlichen und religionspolitischen Einflüsse und Fragestellungen werden morgen ebenso eine der zentralen Fragestellungen sein wie die potentielle islamistische Gefahr.

Zentralasien, diese riesige Landfläche, die überwiegend von Wüsten, Halbwüsten und Gebirgsketten bedeckt ist, wo mit ursprünglich 68.000 Quadrat-kilometern Fläche der viertgrößte Binnensee der Erde – der Aralsee – beheimatet ist, wo das Siebenstromland liegt und mit dem Altai ein Gebirge mächtiger als die Alpen, wo über 50 Nationalitäten leben, ist eine Region, die den meisten von uns weitgehend unbekannt ist. Eine Region, die auch in der politischen Bildung bisher nicht so sehr im Fokus des Interesses stand. Es ist eine Region, die viele Risiken birgt – Korruption, weitverbreitete Armut, schwache Verwaltungen, zum Teil gravierende Menschenrechtsprobleme.

Auf der anderen Seite birgt diese Region aber auch riesige Chancen: zum Beispiel in den Bereichen Energie, Terrorismusbekämpfung, dem Kampf gegen den internationalen Drogenhandel, der Eindämmung von Epidemien und des Umweltschutzes als auch für die Stabilität und Sicherheit der gesamten Region.

In diesem Sinne hoffe ich, dass wir Ihnen als politische Bildnerinnen und Bildner mit dieser Veranstaltung einige Grundlagen und Inspiration bieten, die Sie für Ihre Arbeit vor Ort, in der Bundeswehr und in den Bildungseinrichtungen unterstützt bei der Konzeption von Angeboten zu ganz unterschiedlichen Aspekten.

Die fünf Länder Zentralasiens, um die es bis Mittwoch hier gehen wird, bieten dafür sicherlich eine Fülle von Anknüpfungspunkten.

Bevor Sie aber am morgigen Tag Richtung Taschkent oder Bischkek aufbrechen, werden uns nachher zunächst zwei weitere Fachleute eine Beziehung aus unterschiedlichen Perspektiven schildern. Nämlich die der EU und Deutschlands zu Zentralasien – und umgekehrt.

Abgerundet werden die diesjährigen Bensberger Gespräche am dritten Tag mit authentischen Berichten aus der Region, die sich unterschiedlichen Schwerpunkten widmen werden.

Zur Vertiefung interessehalber für Sie und natürlich zum Weitersagen finden Sie in Ihren Tagungsmappen eine Zusammenstellung der Publikationen und Online-Angebote der bpb zu den Themenbereichen internationale Sicherheitspolitik, Russland sowie Islam und Islamismus. Anschauungsmaterial finden Sie auch auf unserem Büchertisch im Tagungsbüro. Ich lade Sie herzlich ein, reichlich davon Gebrauch zu machen.

Abschließend habe ich Ihnen aber noch eine Programmänderung anzukündigen, die einen sehr ernsten Hintergrund hat: Eigentlich sollte den ersten der drei Inputs am Nachmittag der WDR-Journalist Markus Bensmann für Sie geben. Vielleicht haben Sie es vergangene Woche in den Nachrichten gehört:

Herr Bensmann wurde auf einer Recherchereise in der kasachischen Hauptstadt Astana überfallen und schwer verletzt. Er wurde inzwischen hierher in ein deutsches Krankenhaus gebracht. Wir wünschen ihm von hier aus rasche und gute Besserung!

Dankenswerterweise ist für ihn kurzfristig Daria Bryantseva von der Deutschen Welle eingesprungen. Sie wird nachher den dritten Input zum Themengebiet Menschenrechte liefern.

Leider konnte auch Christian Thiels aus dringenden dienstlichen Gründen nicht nach Bensberg kommen. Ganz kurzfristig auch hier hat Ute Welty vom Südwestrundfunk die Moderation des heutigen Nachmittags übernommen. Auch hierfür ganz herzlichen Dank Frau Welty!

Und damit wünsche ich Ihnen für diese drei Tage intensiven Austausch, produktive Ideen für Ihre politische Bildungsarbeit vor Ort und übergebe nun das Wort an Reinhard Krumm, der für diese Veranstaltung aus Moskau zu uns gekommen ist.

− Es gilt das gesprochene Wort −

Fussnoten