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Was damals Recht war... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht

/ 4 Minuten zu lesen

Geleitwort von Thomas Krüger anlässlich der Eröffnung der Wanderausstellung "Was damals Recht war... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht" am 21.06.2007 in Berlin.

Liebe Überlebende und Angehörige,
Sehr geehrte Frau Ministerin (Zypries),
sehr geehrter Herr Minister (Hans-Joachim Vogel/a.D),
sehr geehrter Herr Staatssekretär (André Schmitz),
sehr geehrter Herr Neumärker (Geschäftsführer Stiftung Denkmal)
sehr geehrter Herr Professor (Manfred Messerschmidt, Nestor der Militärjustiz-Forschung),
meine sehr verehrten Damen und Herren,
(noch im Programm ausgewiesen sind: Ulrich Matthes/Ensemble DT und Ludwig Baumann/Vors. Bundesvereinigung Opfer der NS-Justiz)

ich freue mich, dass ich Gelegenheit erhalte, der Ausstellung "Was damals Recht war.... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht" meine besten Wünsche mit auf den Weg zu geben. Ich bin sehr froh, dass dieses Thema, das lange Zeit tabuisiert war, damit eine längst fällige Aufmerksamkeit erhält. Ich hoffe, dass sie in den kommenden Monaten viele Besucherinnen und Besucher anziehen wird.

Die Bundeszentrale für politische Bildung ist als Kooperationspartner an dieser Ausstellung beteiligt. Dafür möchte ich zwei gewichtige Gründe nennen. Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung ist es, das Verständnis für aktuelle politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein von Bürgerinnen und Bürgern zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. Eine Aufgabe also, die gegenwartsbezogen ist und die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte einschließt.

Um Verständnis für aktuelle politische Sachverhalte zu fördern, benötigen wir den Rückgriff auf die Geschichte: Die Erfahrungen aus dem Scheitern der 1. deutschen Republik, der Weimarer Republik, bilden eine der Grundlagen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der darin verfolgten Idee einer Demokratie, die den Willen und die Instrumente hat, sich gegen Gegner unseres demokratischen Gemeinwesen zu wehren. Und auch das Selbstverständnis der Bundeswehr mit dem Leitbild des Bürgers in Uniform lässt sich aus den Erfahrungen mit der Rolle der Wehrmacht in der nationalsozialistischen Diktatur und im 2. Weltkriegs verstehen.

Wir müssen uns bewusst bleiben, dass die Demokratie nicht selbstverständlich ist. Dass sie auf Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist, die für ihren Bestand eintreten und ihre demokratischen Rechte wahrnehmen. Und doch besteht die Gefahr, dass die Generationen, die in demokratischen Strukturen aufgewachsen sind, diese Demokratie für selbstverständlich erachten. Umso mehr, als es schon bald keine Zeitzeugen mehr geben wird, die ihre Erfahrungen mit Krieg und der menschenverachtenden nationalsozialistischen Diktatur direkt vermitteln können. Damit wir uns des Wertes der Demokratie bewusst bleiben, müssen wir die Erinnerung und die immer neue Auseinandersetzung mit der Geschichte wach halten. Deshalb wäre es gut, wenn diese Ausstellung gerade von jungen Menschen und von Schulklassen in großer Zahl besucht würde. Gerade ihnen müssen wir Gelegenheit geben, aus der Geschichte zu lernen, um das so wertvolle Engagement der jungen Generationen für unsere Demokratie zu ermöglichen.

Hier vermag meiner Ansicht nach gerade eine Ausstellung mehr zu leisten als so manche abstrakte Darstellungen oder ein Theoriediskurs über die Demokratie. Indem diese Ausstellung die Lebensläufe von 14 Opfern der Wehrmachtsjustiz nachzeichnet, vermittelt sie sehr eindrücklich die Auswirkungen von Gewalt und Terror auf das Leben des Einzelnen. Und sie eröffnet die Möglichkeit zur Identifikation. Sie provoziert die Frage, wie man selbst gehandelt hätte - als Richter, aber auch als Soldat in einem gewalttätigen Unrechtsregime.

Ich erhoffe mir von dieser Ausstellung also auch, dass sie Denkprozesse in Gang setzt über die Verantwortlichkeit für das eigene Handeln. Indem sie auch die Täter in den Blick nimmt, stellt sie dar, dass die handelnden Militärjuristen durchaus Spielräume gehabt hätten, andere Urteile zu fällen - ohne die unmittelbare Gefahr der Bedrohung der eigenen Existenz. Damit wird deutlich, dass sich der Einzelne - auch in einer Diktatur - nicht nur auf die ihm vorgegebenen Strukturen und äußeren Zwänge beziehen kann, um sein Handeln zu rechtfertigen. Jeder Einzelne trägt selber Verantwortung. Auch wenn klar gesagt werden kann, dass Krieg die größte gesellschaftliche Katastrophe ist, die Menschlichkeit und Menschenrecht radikal einschränkt und jede zivile Übereinkunft in Frage stellt.

Noch eine andere, eine politische Dimension hat die Ausstellung. Sie endet nicht mit dem Jahr 1945. Sie verfolgt vielmehr den Weg der Verurteilten weiter. Ihren langen Kampf darum, als Opfer anerkannt zu werden. Sie macht deutlich, wie sehr Recht und Rechtsempfinden von der Reife einer Demokratie, von ihrer beständigen Weiterentwicklung abhängig ist. Der demokratische Rechtstaat erlaubt - nein er braucht - Diskussion und Auseinandersetzung. Zwar wurde im Westen quälerisch lange die Auseinandersetzung um die Rehabilitierung von den Verurteilten der Wehrmachtsjustiz geführt, aber sie führte schließlich im Jahr 2002 zu einer weitgehenden Aufhebung der Urteile. Im Osten Deutschlands, wo eine Diktatur die andere ablöste, gab es solche Auseinandersetzung nicht. Dort gab es zwar einen "offiziellen Antifaschismus", der aber im Sinne der neuen Diktatur instrumentalisiert wurde. Meist ganz nach den politischen Bedürfnissen der neuen Diktatoren.

Diskussionsprozesse in der Demokratie, auch schmerzliche, sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Aufarbeitung von Vergangenheit und der Gestaltung der Gegenwart. Lassen Sie uns die Zeit und die Geduld dafür aufwenden, die das braucht. Alles andere andere hätte einen zu hohen Preis in der Zukunft.

Vielen Dank!

-es gilt das gesprochene Wort-

Fussnoten