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Laudatio von Thomas Krüger anlässlich der Verleihung des Preises "Gegen Vergessen – Für Demokratie" an Die Prinzen | Presse | bpb.de

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Laudatio von Thomas Krüger anlässlich der Verleihung des Preises "Gegen Vergessen – Für Demokratie" an Die Prinzen Die Preisverleihung fand am 5. Dezember 2006 in der Akademie der Künste in Berlin statt.

/ 6 Minuten zu lesen

Der Preis ging 2006 an die Prinzen "für ihre Verdienste um die Förderung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus".

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Der Verein "Gegen Vergessen – Für Demokratie" verleiht in diesem Jahr zum zweiten Mal seinen gleichnamigen Preis. Dabei sollen vor allem das Engagement bei der Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit und der deutschen Gegenwart, – namentlich Rechtsextremismus – berücksichtigt werden.

Die Demokratie braucht vitale und kreative Demokraten, die deren Werte eigeninitiativ, nachhaltig und mit bürgerschaftlichem Engagement sichtbar machen. Dass Demokratie nicht vom Himmel fällt, haben wir in der jüngeren deutschen und europäischen Geschichte hinreichend erlebt. Demokratie ist kein Erbgut, das automatisch reproduziert und auf die nächste Generation übertragen wird. Wir müssen sie uns vielmehr immer wieder erarbeiten und mit wachem Blick verteidigen, sie legitimieren und für sie werben.

Auch in diesem Jahr hat die Jury, der neben dem Stifter des Preises Rainer Braam, einem Unternehmer aus Essen, der Vorsitzende von "Gegen Vergessen – Für Demokratie" Jochen Gauck und seine Stellvertreter angehören, eine Vielzahl von Vorschlägen geprüft und sich für einen Preisträger entschieden.

Der Preis geht in diesem Jahr an die PRINZEN. Ihnen die bekannte Band vorzustellen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Den Preis bekommen sie ja auch nicht für ihre erfolgreiche und originelle Unterhaltungsmusik, sondern dafür, dass sie bei all der Bekanntheit und den damit verbundenen Privilegien mit den Beinen auf dem Boden geblieben sind und die ihnen zukommende Öffentlichkeit nutzen, um sich klar und unmissverständlich gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu positionieren.

Damit nicht genug: DIE PRINZEN und allen voran Sebastian Krumbiegel, einer ihrer bekannten Protagonisten, organisieren Benefizveranstaltungen, deren Erlös zivilgesellschaftlichen Initiativen zukommt, zeigen Flagge bei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus – so in Dresden anlässlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt am 13. Februar –, beteiligen sich bei dem jährlich stattfindenden Konzert am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und legen sich schon mal juristisch mit NPD-Landtagsabgeordneten an. Die Jury findet gerade dieses couragierte Eintreten für Demokratie und Toleranz außergewöhnlich und keinesfalls selbstverständlich.

So klar und deutlich Position zu beziehen ist nicht immer imagefördernd in der Entertainmentbranche. Weil die PRINZEN ihren Bürgersinn aber nicht nicht an der Bühne oder in der Garderobe abgeben, sind sie ein wichtiges Vorbild und setzen ein wertvolles Zeichen.

Zweifellos gehören die PRINZEN zu Deutschlands erfolgreichsten Popbands. Noch unter ihrem alten Bandnamen "Herzbuben", den sie wegen Verwechslungsgefahr später kurzzeitig in "Commerzbuben" abänderten, gelang ihnen ein erster kleiner Hit. Wenn ich mich richtig erinnere, hieß er: "Ich bin der schönste Junge in der DDR". Wir wissen aber zu wenig von den tatsächlichen Erfolgen dieses Selbstmarketingversuchs, als das wir das jetzt vertiefen könnten.

Schon damals entwickelte sich aber der typische Stil der PRINZEN – der a cappella Gesang, den sie als Thomaner und Kruzianer perfekt beherrschen und in die deutsche Popkultur infiltrieren. Als Chorknaben in Leipzig und Dresden hatten die Herzbuben Internatausbildung und geregelte Tagesabläufe hinter sich. Das geht an dem einen oder anderen Gesangstalent eben nicht spurlos vorüber und so war die Spur des Erfolges durch die strenge Hand der Zuchtmeister gelegt, bevor sie sichtbar wurde.

Mit der Umbenennung treffen die PRINZEN auf die erfolgreiche Produzentin Annette Humpe. Durch diese Zusammenarbeit gelingt ihnen mit dem Album "Das Leben ist grausam" der Durchbruch. Leicht eingängige witzige Texte musikalisch anspruchsvoll vorgetragen und das ganze von der Sympathiewelle für die Sachsen der 1990er Jahre getragen – fertig war der Erfolg. "Das Leben ist grausam und schrecklich gemein. Das Leben ist grausam und Klaus (respektive Gabi) ist ein Schwein". Das waren Texte wie im richtigen Leben und sie haben sich prächtig verkauft, nämlich 1,2 Millionen mal. Vor allem aber haben sie die Selbstironie der Sachsen in der deutschen Popwelt salonfähig gemacht. Das muss ich selbst als partiell sachsengeschädigter Preuße (die Selbstironie Walter Ulbrichts hatte so ihre Untiefen) neidlos zugestehen.

Noch vor der legendären Tournee mit Udo Lindenberg 1992 fahren die PRINZEN den Echo, den Popkomm Award und die Goldene Stimmgabel ein. Das Abschlusskonzert vor 50 000 Leuten auf dem Leipziger Marktplatz war zweifellos eines der Highlights in ihrer Karriere. Nach einer Flaute Mitte der Neunziger kehren die PRINZEN 1999 in die Hitlisten zurück, nun mit bissigeren Texten und wesentlich offensiver. Die netten Chorknaben treten ihrem Publikum schon mal auf die Füße und nehmen Maß:

"Es bilden sich viele was auf Deutschland ein. Und mancher findet es geil, ein Arschloch zu sein. Es gibt manchen, der sich gern über Kanacken beschwert" – und dann folgt der Verweis auf die Sextourismusvorlieben in ihrem 2001 erschienenen Lied "Deutschland".

Und in "Aua" heißt es: "Mit Sprüchen haust du auf die Kacke und spielst mit der Reichskriegsflagge,du sagst: 'Eh ich gar nichts bin, bin ich Skin!' AUA – AUA – AUA, das tut weh, AUA – AUA – AUA, wenn ich dich so seh, 'AUA – AUA – AUA, das tut weh".

Natürlich schlagen die PRINZEN nun keinen Agitprop-Kurs ein. Sie bleiben dem Popgenre treu und singen von Schmerz, Liebe, Träumen und Sehnsüchten. Aber sie muten ihren Fans mehr zu. Und das ist gut so, wie man hier in Berlin sagt. Zwei Beispiele:

"Vergammelte Speisen zu überhöhten Preisen sind zurückzuweisen. Serviert dir ein Bayer schlechtriechende Eier, leuchten nachts in Sachsen die Schweinehaxen Dann empfiehlt dir die Gesundheitspolizei: Vergammelte Speisen zu überhöhten Preisen sind zurückzuweisen".

In dem Song "Betriebsdirektor" heißt es: "Wenn unser gold'ner Mond erst merkt: Hier muss doch was nicht stimmen, weil die vielen kleinen Fischlein alle auf dem Rücken schwimmen, dann frag' ich den Betriebsdirektor: Bitte sag' mir, muss das sein? Also schalt' doch deine Kläranlage ein!"

Selten, meine Damen und Herren, hat sich Gesellschaftskritik so poetisch flüssig angehört. Und das hat natürlich viel mit dem sirenenhaften a cappella Gesang zu tun, der die Texte zugleich dem verbalen Zugriff entzieht und sie zielgenau platziert. Heinrich Heine hätte – die Wirkung der PRINZEN-Songs erlebend – bestimmt sofort Gesangsunterricht genommen. Heute kann die Band auf 14 Goldene Schallplatten, 6 Platinauszeichnungen und über 5 Millionen verkaufte Tonträger verweisen. Aber der Erfolg hat auch seine Schattenseiten.

2003 machen die PRINZEN unfreiwillig Schlagzeilen, als Sebastian Krumbiegel und Ali Zieme von Rechtsextremisten zusammengeschlagen werden. Die traurige, brutale Realität macht selbst vor dem Showbiz nicht halt. Und in der Reaktion darauf zeigt sich die Haltung, die wir schon in vielen ihrer Songs kennengelernt haben. Sebastian Krumbiegel schreibt, den Überfall verarbeitend, den Song "Geh in den Knast", der auf der Homepage der Prinzen für 50 Cent zum Download bereitsteht. Die Einnahmen spendet er dem Verein "Leipzig Courage", der sich gegen rechtsextreme Gewalt und Rassismus wendet.

Meine Damen und Herren, immer noch denken viele Menschen, mit der rechtsextremen Gewalt in Deutschland und der Fremdenfeindlichkeit würde ein Teufel an die Wand gemalt. Die Wahlergebnisse in etlichen Landtagen müssen ebenso beunruhigen, wie die zunehmende Zahl von tätlichen Übergriffen.

Es gibt Regionen in unserem Land, wo sich ein rechter jugendkultureller Mainstream durchgesetzt hat. Da wird nicht etwa medial etwas aufgebauscht. Da beginnt sich unser Land in seinen Grundfesten schleichend zu verändern. Das kann und darf nicht hingenommen werden.

Die sogenannten "befreiten Zonen" müssen von diesen menschenverachtenden Haltungen selbst befreit werden. Dass wir hier auf dem Weg sind, dass Engagement möglich ist, dass das Schweigen und die billigende Inkaufnahme nicht hingenommen werden dürfen – das haben wir auch Leuten wie den PRINZEN und Vereinen wie "Gegen Vergessen – Für Demokratie" zu verdanken. Der Preis 2006 geht an die Prinzen "für ihre Verdienste um die Förderung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und ihr vorbildliches staatsbürgerliches Engagement im Sinne einer aktiven Gestaltung unserer Demokratie", wie es in der Urkunde heißt.

Und das besondere an diesem Preis ist nicht nur seine Ehre. Der Preis ist sogar dotiert. Da denken wir doch alle gleich an ihren grossen Hit: "Ich wär so gerne Millionär, dann wär mein Konto niemals leer." Dafür reicht es diesmal nicht ganz. Verdient haben Sie aber nicht nur den Preis und das Preisgeld, sondern auch unser aller Hochachtung und die anhaltende Aufmerksamkeit für ihren weiteren Weg als PRINZEN und engagierte Bürger unseres Landes.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten