Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

"Jugendliche sind die Experten" | Presse | bpb.de

Presse Pressemitteilungen Pressetexte 2024 Archiv Reden Archiv Pressekits Fotos | Logos | Banner Logos Virtuelle Hintergründe Thomas Krüger Jahresrückblicke Jahresberichte Auszeichnungen Pressekontakt

"Jugendliche sind die Experten"

/ 5 Minuten zu lesen

Politische Bildung spielt eine besondere Rolle. Im Interview mit politikorange.de erläutert bpb-Präsident Thomas Krüger, weshalb sie vor allem bürgerschaftliches Engagement fördern soll.

Ein Gespräch von Externer Link: politikorange.de, der Plattform für politikinteressierte, junge Menschen, mit Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb über neue Medien und jugendkulturelles Engagement als Chance für politische Bildung.

Herr Krüger, Sie haben einmal in einem Interview gesagt, politische Bildung sei keine "Informationsvermittlungs- maschine". Was ist sie denn?

Zur politischen Bildung gehört die Bereitstellung von politischen Informationen, aber das besondere an unserem Ansatz ist, dass wir politische Bildung auch als Aktivierung, als Unterstützung für bürgerschaftliches und politisches Engagement verstehen. Das heißt, es geht nicht nur um Wissensvermittlung, sondern um Ermutigung, Bekräftigung und Unterstützung zur Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess. Also all das, was man mit dem schönen Fremdwort "empowerment" bezeichnet.

Wie kann man sich das vorstellen?

Die Informationsvermittlung muss durch konkrete Projekte ergänzt werden, die Leuten helfen, sich zu engagieren. Wenn ich mich zum Beispiel in einen kommunalen Entscheidungsprozess einmische, dann muss ich wissen, wie man Netzwerke herstellt oder wie man einen Verein gründet. Unsere Publikationen, Workshops, Online-Angebote und Veranstaltungen können das Rüstzeug sein, das man dazu braucht.

Von Anfang an waren für Sie Jugendliche eine besondere Zielgruppe, warum?

Die bpb ist zwar eine Institution der Erwachsenenbildung aber erstens sind Jugendliche auch Erwachsene und zweitens muss man Schwerpunkte setzen, wenn man in die Zukunft von Demokratie investieren will. Da liegt es auf der Hand, Jugendliche zu unterstützen, die ihren eigenen Platz in der Gesellschaft suchen. Ich glaube, wir haben es mit einem zunehmenden Generationskonflikt zu tun, der es jungen Menschen immer schwerer macht, sich in Entscheidungsprozesse einzumischen oder sich in Parteien zu organisieren. Der demografische Faktor wirkt sich zu Lasten der Jugendlichen aus. Deshalb wollen wir ihnen so gut es geht unter die Arme greifen.

Das klingt sehr abstrakt: "unter die Arme greifen". Was sind denn konkrete Projekte?

Wenn ich Jugendliche erreichen will, muss ich akzeptieren, dass Sie ihre politischen Informationen eher aus dem Fernsehen als aus dicken, enzyklopädischen Büchern beziehen. Deswegen haben wir uns Partner aus diesem Bereich gesucht: NBC-Giga und Viva TV. Wir bedienen uns auch des Mediums Kino, um bestimmte Themen zu setzen. Außerdem haben wir das Jugendmagazin fluter und das Onlineportal fluter.de entwickelt und möchten mit jugendkulturellen Veranstaltungen an den Alltag junger Leute anknüpfen. Ein Beispiel: Wir sind zusammen mit "Sisters Keepers", einer afro-deutschen Mädchenband, in Schulen gegangen und haben Gespräche über Rassismus und Migration geführt. Und da ging es mächtig zur Sache! Die Kommentare der Schüler und Schülerinnen waren einhellig positiv: "Endlich haben wir mal über diese politischen Themen diskutiert, die uns betreffen."

Ist Engagement im jugendkulturellen Bereich nicht eine Gratwanderung zwischen der Gefahr, anbiedernd zu wirken und Interesse wecken zu wollen?

Es gibt im jugendkulturellen Bereich ein beachtliches Maß an Eigenorganisation. Kooperationen müssen also sensibel angegangen werden. Wir wollen nichts oktroyieren, sondern auf Selbstorganisation setzen. Man darf eben nicht belehrend daher kommen und von oben herab ein Thema vorgeben.

Was würden Sie einem Jugendlichen sagen, wenn er fragt, was ihm politische Bildung bringt?

Politische Bildung brauche ich, um meinen eigenen Weg zu finden und um nicht fremdbestimmt zu sein.

Was Jugendliche eigentlich auch nicht wollen!

Genau! Es ist ein ureigenes Bedürfnis, nicht fremdbestimmt zu sein. Nicht von Eltern, nicht von Lehrern, nicht von Pfarrern oder Polizisten und auch nicht von der politischen Bildung. Deshalb bieten wir zu einem Thema eine breite Palette von Angeboten. Beispiel Irak-Krieg: wir haben drei ganz unterschiedliche Publikationen herausgegeben, sowohl amerikakritische als auch proamerikanische, weil wir keine Meinung vorgeben wollen. Unser Ziel ist es, qualifiziertes Material an die Hand zu geben, damit sich alle ihre eigene Meinung bilden können.

Im Jugendmedienbereich ist die bpb sehr engagiert: Beispielsweise bei den Jugendmedientagen oder bei diesem Seminar zur Berliner Mediendemokratie. Ist es für die bpb wichtig, Jugendliche zu unterstützen, die später Journalisten werden wollen?

Ob sie Journalisten oder Journalistinnen werden ist erst einmal nicht so wichtig. Aber die Leute, die Jugendmedien machen, wissen häufig ausgesprochen viel über die Alltagswelt von Jugendlichen. Sie sind Experten, was das Leben von Jugendlichen in Deutschland betrifft. Insofern ist diese Kooperation auch eigennützig – gerade für so einen Tanker wie die bpb, die schon 51 Jahre alt ist. Wir können uns durch solche Zusammenarbeit selbst erneuern und so profitieren beide Seiten.

Die bpb hat in den letzten drei Jahren ihren Online-Auftritt neu gestaltet und auch das Jugendmagazin fluter ist mit einer eigenen Website im Netz verfügbar. Warum ist der Online-Bereich so wichtig?

Das Medienrezeptionsverhalten hat sich geändert. Dem musste sich die bpb anpassen: Wir haben einen Schwerpunkt in diesem Bereich gesetzt und konnten kompetente Leute finden, die uns in kürzester Zeit auf den neuesten Stand gebracht haben. Außerdem bietet uns das Internet ganz andere Vermittlungsmöglichkeiten: Wir nutzen sie, indem wir auf unserer Website Videointerviews präsentieren oder die Möglichkeit zur Interaktion geben. Beispiele dafür sind regelmäßige Diskussionsforen oder der Wahl-O-Mat. Hier kann man anhand von 20 bis 30 Fragen seine politische Orientierung testen.

Politische Bildung ist ein kontinuierlicher Prozess. Wo sehen Sie Erfolge?

Die Bundeszentrale für politische Bildung steht auf zwei Beinen: dem Standbein der Kontinuität und dem Spielbein der Innovation. Es gibt zum einen Themen und Publikationen, die die bpb durch ihre 50-jährige Geschichte begleitet haben. Zum anderen haben wir durch empirische Untersuchungen gemerkt, dass wir mit aktuellen Themen neue Zielgruppen erreichen können. Das zeigen Feedbacks und Evaluationen. Die politische Bildung hat ihr Potenzial an Interessenten noch nicht ausgeschöpft. Mit aktuellen Themen legitimiert sie sich immer wieder neu. Gerade für junge Menschen sind aktuelle Themen extrem wichtig.

Das belegen auch die Statistiken von denen Sie gerade sprachen?

Ja, absolut. Auch das Interesse an unseren Publikationen bestätigt diese Beobachtung: je aktueller, spezifischer und profilierter eine Publikation ist, desto jünger sind die Kundinnen und Kunden.

Mit der Ausrichtung auf Jugendliche geht die bpb neue Wege. Früher waren Lehrerinnen und Lehrer Ansprechpartner für Publikationen, die sich eigentlich an Jugendliche richteten. Warum dieser Wandel?

Die bpb hat sehr gute und langjährige Erfahrungen mit sogenannter multiplikatorischer Arbeit, das heißt, wir wenden uns an Lehrende oder Sozialarbeiter und versuchen durch deren Qualifizierung an junge Erwachsene heranzukommen. Das wollen wir auch beibehalten, aber wir haben auch festgestellt, dass die besten Multiplikatoren für junge Leute die jungen Leute selbst sind.

Interview: Sandra Schmid, Susanne Sitzler

Fussnoten