Die Hochschule für Grafik und Buchkunst
Die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig war einerseits das Lehrinstitut des Sozialistischen Realismus und andererseits unmittelbar an der Ausprägung von Gegenentwürfen zu ihren politisch und ideologisch motivierten Strategien beteiligt.
Die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ist ohne Zweifel als die einflussreichste Institution des Kunstsystems in der DDR zu betrachten. Sie war einerseits das Lehrinstitut des Sozialistischen Realismus und andererseits unmittelbar an der Ausprägung von Gegenentwürfen zu ihren politisch und ideologisch motivierten Strategien beteiligt. In der Lehre wurde der Realismus in akademisch-konservativer Tradition gepflegt, sei er nun kritisch-veristisch, expressiv oder symbolverdichtet. Die in den 1970er und 1980er Jahren auch in der Bundesrepublik Anerkennung findende Maltradition der "Leipziger Schule“ behauptete dieses Prinzip ungebrochen.
Die exponierte Stellung dieser Schule in der Selbstwahrnehmung der DDR-Kulturpolitik mag der Grund dafür gewesen sein, dass ihren Vertretern eine weitreichende Entscheidungskompetenz und Handlungsautonomie in der Lehre und Ausstellungspolitik zugestanden wurde. Bernhard Heisig, von 1976 bis 1985 Rektor der Hochschule, nutzte den Spielraum weidlich aus. Selbst ein Vertreter dieses Konzepts und vielfach in den Machtapparat verstrickt, war er zugleich ein väterlicher Lehrer, der seine Schüler vor den Angriffen der Kulturfunktionäre in Schutz nahm. In seiner Funktion als Mitglied der SED-Bezirksleitung setzte er sich auch für ein ausgewiesenes Gegenprojekt zur eigenen Doktrin wie den "1. Leipziger Herbstsalon“ ein.

Durch die Verbindung zu seinem Sammler Peter Ludwig – der seit 1977 große Mengen an DDR-Kunst kaufte und dem dafür Sonderkonditionen des Staatlichen Kunsthandels der DDR gewährt wurden – gelang es Bernhard Heisig auch, die Lehre mit internationalen Ausstellungsaktivitäten in der hochschuleigenen Galerie zu verbinden, die andernorts in der DDR nicht möglich waren und sowohl die künstlerischen Auseinandersetzungen an der Hochschule selbst beeinflussten als auch für die Subkultur Leipzigs und die Kunstlandschaft der DDR Ausstrahlungskraft besaßen. Es wurden Ausstellungen wichtiger Positionen der klassischen Moderne und der westlichen Gegenwartskunst gezeigt, deren Werke zumeist aus den Sammlungen von Ludwig stammten. Die wichtigste Ausstellung dieser Reihe war die Präsentation des Frühwerks von Joseph Beuys (1988), dessen Arbeiten für viele Künstler in der DDR eine besondere Rolle als "Irritationsinstrumente“ (Eugen Blume) spielte. Am Abend der repräsentativen Eröffnung in der Hochschule für Grafik und Buchkunst begann auch der Werkstatt-Zyklus „Nach Beuys“ im Hinterhofgebäude der Galerie Eigen+Art im Leipziger Stadtteil Connewitz.
Literatur: Bismarck, Beatrice von/Rink, Christine (Hrsg.): Nur hier? Die Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 1980–2005. Bielefeld 2005.