Geld als Waffe? Zur Funktion des "Militärgeldes" in der DDR
Im Frühjahr 1980 konkretisierten sich in der DDR die Pläne für den möglichen Einsatz von Militärgeld. Unter Federführung des Nationalen Verteidigungsrates der DDR sollte eine alte, unbenutzte Emission von Banknoten als Zweitwährung für das Militär nutzbar gemacht werden. Sie sollte ausschließlich auf besetztem, gegnerischem Gebiet gelten und somit in Kriegszeiten die Ware-Geld-Beziehung aufrechterhalten.
Die Idee, Geld als Waffe einzusetzen oder damit eine Besatzung zu sichern, gibt es schon seit Langem. Die Briten hatten zwischen 1790 und 1796 "bedeutende Mengen gefälschten Papiergeldes", also nachgemachte Assignaten, in Frankreich verteilt, um "damit die Französische Revolution zu sabotieren".[1] Gegen Deutschland setzten sie im Zweiten Weltkrieg gefälschte Lebensmittelkarten ein, "um das staatliche Verteilungssystem in Deutschland durcheinanderzubringen."[2] Das nationalsozialistische Regime hatte im Konzentrationslager Sachsenhausen seit 1942 rund 140 Gefangene in eine Fälscherwerkstatt gezwungen. Sie sollten britische Pfundnoten in gewaltigen Dimensionen von etwa 40 Prozent des echten umlaufenden Geldes fälschen.[3] Der Plan stammte von 1939: "gefälschte britische Banknoten drucken, über den Straßen und Dächern Großbritanniens verstreuen und dann in aller Ruhe abwarten, bis die britische Wirtschaft kollabierte."[4] Ähnliche Ideen gab es 1940 auch in Amerika, wo unter anderem John Steinbeck dem amerikanischen Präsidenten vorschlug, Deutschland mit gefälschten Reichsbanknoten zu überschütten.[5] Zudem setzten die amerikanischen Besatzungstruppen seit August 1946 sogenanntes Besatzungsgeld für den Geldverkehr zwischen alliierten und deutschen Stellen ein.[6]
Wie aber verhielt es sich mit dem von den DDR-Strategen gehorteten Militärgeld, welches zwar bekannt ist, aber selten erschöpfend untersucht wurde?
Überblick und Forschungsstand
Die bisher erschienene Literatur erwähnt das Thema Militärgeld meist nur am Rande. Sie ist überwiegend kurz nach der Wende in den 1990er Jahren erschienen. Darin gilt das Militärgeld mindestens als gewichtiges Symbol: als Zeichen für "die ausgiebige Akribie, mit der der Nationale Verteidigungsrat (NVR) der DDR seinen Planungsaufgaben nachkam"[7], oder als Beweis für die Absicht der DDR-Strategen, einen Angriffskrieg vorzubereiten, und für die Ernsthaftigkeit dieser "Kriegsplanungen".[8] Ob diese Maßnahme hätte wirksam sein können, wurde nicht gefragt.Numismatiker hat das Thema umgetrieben. Ihr Interesse an Herkunft, Echtheit und Verbleib von Banknoten überlagerte auch Aufsätze, die politisch-historische Fragestellungen suggerieren.[9] Gelegentlich fielen bei diesen Recherchen aber auch wertvolle Hinweise ab.
Die verfügbaren Informationen zur Entstehung des DDR-Militärgeldes basieren derzeit vor allem auf den Akten des NVR.[10] Er war das "oberste Planungs- und Lenkungs- (nicht: Entscheidungs-)gremium im Sicherheits- und Militärbereich der DDR".[11]
Geld als Waffe hat in den Planungen von Politik und Militärs oft eine Rolle gespielt. Auch in der DDR war Geld Teil der militärischen Planung. Aber zur Unterwanderung des westdeutschen Geldwesens war das Militärgeld der DDR nicht gedacht und auch nicht geeignet. Denn es war keinesfalls monetärer Teil einer starken Volkswirtschaft. Im Gegenteil: Als sich die Militärgeld-Pläne im NVR im Frühjahr 1980 konkretisierten, setzte im ostdeutschen Staat zugleich "der rapide ökonomische Niedergang" ein.[12] Das blieb nicht ohne Wirkung auf die militärische Planung. So hieß es bereits in einem Redetext zum Thema "ökonomische Sicherstellung der Landesverteidigung", der Erich Honecker als Vorsitzendem des NVR vorgeschlagen und von ihm paraphiert worden war, auf der 58. Sitzung des NVR am 7. September 1979: "Wie wir alle wissen, haben die Veränderungen auf den internationalen Märkten auch weitreichende Konsequenzen für die ökonomische Sicherstellung der Landesverteidigung."[13]
Die Einführung des Militärgeldes
Hinweise in der Literatur, dass schon Anfang der 1970er Jahre beschlossen worden war, "auf fremdem Territorium die Truppe mit Militärgeld auszustatten", klingen plausibel.[14] Denn auf der NVR-Sitzung vom 19. März 1980 wurde quasi schon Vollzug gemeldet. Die Sitzung stand unter dem Eindruck der NATO-Ratstagung von Mitte Dezember 1979. Hier fiel der sogenannte Doppelbeschluss, nachdem die NATO bei Mittelstreckenraketen nachrüsten wollte, wenn die Sowjetunion nicht abrüstete. Im NVR wurde am 19. März 1980 dieser doppelte Charakter aber nicht berücksichtigt. Den "NATO-Mächten" wurde nur die Absicht unterstellt, sie leiteten "eine neue Runde des allseitigen Wettrüstens" ein, wie der Chef der Verwaltung Aufklärung des Hauptstabes der Nationalen Volksarmee (NVA) den Ratsmitgliedern vortrug.[15]Für diese Sitzung hatte der Präsident der Staatsbank der DDR, Horst Kaminsky, mit Datum vom 27. Februar 1980 eine Beschlussvorlage erarbeitet, die "über den Stand der Vorbereitung der Geld- und Kreditwirtschaft auf den Verteidigungszustand" berichtete.[16] Wie üblich hatten andere – politisch mächtigere – Institutionen der Beschlussvorlage der Staatsbank schon vorab zugestimmt, unter anderem die Minister für Verteidigung und Staatssicherheit, die Armeegeneräle Heinz Hoffmann und Erich Mielke. Kaminsky berichtete über die Maßnahmen, die er für die Nationale Volksarmee vorbereitet hatte unter anderem: "Militärgeld zur Versorgung der Verbände und Truppenteile durch Feldbanken auf fremdem Territorium in Höhe von 4,8 Mrd. M […] ist in Sonderdepots eingelagert."[17]
Der geplante Geltungsbereich des Militärgeldes

Welche "Handlungen" damit gemeint waren, lässt sich aus der Vorlage nicht ersehen. Die Militärstrategie des Warschauer Pakts und damit auch der DDR war jedoch klar nach Westen ausgerichtet: Sie war darauf ausgelegt, gemeinsam "die Westgrenze des sozialistischen Lagers zu verteidigen sowie den Gegner durch aktive Handlungen gemeinsam mit den anderen Bruderarmeen des Warschauer Vertrages auf seinem eigenen Territorium zu zerschlagen." Das stellte der Verteidigungsminister der DDR, Armeegeneral Heinz Hoffmann klar, als er dem NVR nach dem Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker berichtete.[20] Führungskräfte der Bundeswehr, die nach der Wende NVA-Akten durcharbeiteten, glaubten Versicherungen nicht, der Warschauer Pakt habe nur auf eine vorherige Aggression der NATO reagieren wollen. Eine mehrtägige Verteidigung sei jedenfalls nie geübt worden.[21]
Das Militärgeld sollte also in besetzten Gebieten der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise der NATO-Partner eingeführt werden. Von diesen Territorien wollten die Staaten des Warschauer Pakts möglichst schnell möglichst viel besetzen. Nach Auskunft des ehemaligen NVA-Generalleutnants Gerhard Kunze waren zumindest in den 1960er und 1970er Jahren Militärdoktrin und Strategie des Warschauer Pakts "voll auf die Zerschlagung des Gegners in schnellen tiefen Operationen mit Tagestempo von 80 bis 100 km und die Eroberung des Territoriums bis zum Atlantik in zwölf bis sechzehn Tagen" eingestellt.[22] In anderen Darstellungen ging es nur etwas langsamer zu: Da sollten die Truppen des Warschauer Pakts die Grenzen zu Frankreich zwischen dem 13. und dem 15. Tag erreicht und dabei Dänemark, die Bundesrepublik, die Niederlande und Belgien erobert haben. Nach dieser Schilderung, die auf Protokollen des NVR beruht, hatten die Truppen bis zum 30. und dem 35. Tag Zeit, um an der Biskaya und der Grenze zu Spanien zu sein.[23] Der Berliner Westen lag näher, da konnte es schneller gehen: "Bereits am Tagesende sollten das Stadtgebiet von West-Berlin besetzt und die Einrichtungen der Alliierten blockiert sein."[24]
Wo konkret die DDR ihr Militärgeld im Zuge der geplanten Geländegewinne einsetzen wollte, geht aus den Niederschriften des NVR nicht hervor. Nur so viel: Es sollte "als Zweitwährung auf gegnerischem Territorium" eingeführt werden und nur dort Gültigkeit haben.[25] Dafür hatte die Staatsbank nicht mehr gültige, alte, aber noch nie in Umlauf gewesene Scheine aus der Emission des Jahres 1955 freigegeben.
Die Geldscheine der Emission von 1955 seien 1970 nicht vernichtet worden, berichtete Tappert laut Protokoll dem NVR, und könnten durch den Aufdruck "Militärgeld" für den neuen Zweck kenntlich gemacht werden.[26] Es sei in fünf Depots der Staatsbank eingelagert, berichtete Tappert laut Protokoll, und zwar in Berlin, Weimar, Stendal und Bergen auf Rügen sowie in Leipzig.[27] Später kamen offenbar noch zwei weitere Lager hinzu, in Magdeburg und Bad Langensalza, Weimar wurde durch Erfurt ersetzt. Die meisten dieser Depots lagen an der "Marschrichtung West", Bergen diente zur Geldversorgung über die Seegrenze, Berlin für die Lieferung in den Westteil der Stadt und Leipzig vermutlich als Reserve-Standort, wo ja auch die Wertpapierdruckerei angesiedelt war.[28]
Den 4,8 Milliarden Mark Militärgeld standen reguläre Bargeldreserven von 23 Milliarden Mark für Wirtschaft, Bevölkerung und "bewaffnete Organe" im DDR-Inland zur Verfügung. Das für besetzte Gebiete gedachte Militärgeld sollte für zunächst einen Monat reichen[29] und "als Zweitwährung auf gegnerischem Territorium den dort gültigen Zahlungsmitteln gleichgestellt" sein.[30]
Die Funktion des Militärgeldes
Eine große Sorge der Staatsbank und der politischen Führung war wohl, dass im Krieg Schwarzmärkte entstehen und die Versorgung erschweren könnten. Staatsbankpräsident Kaminsky wollte mit seiner "Vorbereitung der Geld- und Kreditwirtschaft auf den Verteidigungszustand" erreichen, dass auch unter diesen Bedingungen die "Ware-Geld-Beziehung" aufrechterhalten bleibt.[31] Darin spiegelt sich die Sorge, militärische Auseinandersetzungen könnten die Produktion unterbrechen und Betriebe und Menschen veranlassen, Vorräte einzulagern, also das verfügbare Warenangebot zu verknappen, ohne dass die Menge des umlaufenden Geldes sinke. Solch ein Geldüberschuss führt zu Inflation. Doch Kaminsky wollte die Mark der DDR "als Binnenwährung auch unter Kriegsbedingungen aufrechterhalten", um "die Stabilität der Währung der Deutschen Demokratischen Republik zu gewährleisten".[32] Es wurde befürchtet, im Verteidigungszustand könne ein "Kaufkraftüberhang von circa 50 Milliarden Mark bei der Bevölkerung" entstehen, den es abzubauen gelte.[33] Neues Geld, das Militärgeld, würde das Missverhältnis zwischen Warenangebot und Geldmenge im Inland nur noch steigern. Deshalb sollte es nur auf "gegnerischem Territorium" gelten.[34]Ausgegeben werden sollte es über das Feldbankensystem der NVA. Eine Beschreibung dieses Systems findet sich in den Akten nicht. Man wird es sich nicht als ausgefeiltes Bankensystem vorstellen können, sondern – ähnlich wie die Feldpost – als truppeninterne Zahlstelle für den Sold der Soldaten, die mit der Front mitwandert. Es geht Besatzungsmächten darum, ihre Soldaten mit im Besatzungsgebiet gültigem Geld auszustatten, wohl auch, um Plünderungen möglichst zu vermeiden. Tappert berichtete, auch die polnische Armee und die tschechoslowakische Volksarmee hätten "ähnliche Regelungen" vorbereitet. Über die "Schaffung einheitlicher Regelungen" aller Staaten des Warschauer Pakts solle 1982 beraten werden.[35]
Wie hätte der Einsatz des DDR-Militärgeldes als Zweitwährung auf "gegnerischem Territorium" konkret ausgesehen? In der Literatur finden sich Formulierungen mit belächelndem Unterton: "Man stelle sich nur einmal DDR-Soldaten in voller Montur beispielsweise beim Kauf von Cola in einem Supermarkt bei Kassel oder einen DDR-Offizier in einer Filiale einer Nürnberger Bank vor…".[36] Auch Mitglieder des Staatsbank-Managements äußerten sich – sehr viel später und nach der Wende – sehr distanziert über den Sinn dieser Pläne: so auch Edgar Most, der der Staatsbank seit 1974 angehörte und Ende 1989 ihr letzter Vizepräsident wurde. Er sagte 2009 in einem Interview: "Ich habe mal von einer Werbung Stalins gehört: ‚Der Landser / Soldat muss immer auch Geld in der Tasche haben, egal was es wert ist.’"[37] Denn: "Er müsse schließlich an etwas glauben", so Most, Stalin zitierend.[38]
In den Protokollen des NVR ist nirgends von Militärgeld als monetärem Kampfinstrument die Rede. Die Staatsbank hatte, wie andere Institutionen und die Bezirke, im Rahmen eines Planungsprozesses über ihre Vorbereitung für den "Verteidigungsfall" zu berichten. Das wurde, wie Most erzählt, unter der Annahme bestimmter Szenarien auch geübt. Das Militärgeld war offenkundig nur dafür gedacht, um NVA-Soldaten nach dem Einmarsch in ein anderes Land mit einem dann dort formal gültigen Zahlungsmittel auszustatten.
Es war Ausdruck und Teil einer strategischen Planung, die einen möglichst geringen finanziellen Aufwand berücksichtigen wollte oder musste. Jedenfalls berichtete Heinz Tappert, der Chef der Verwaltung Finanzökonomie des Ministeriums für Nationale Verteidigung, in der NVR-Sitzung vom 23. Juni 1980 zum Hintergrund der Entscheidung, als Militärgeld ungültig gewordene Bestände der Emission 1955 umzustempeln: „Dadurch konnte auf einen Neudruck verzichtet werden, wodurch ein Kostenaufwand von ca. 13 Mio Mark eingespart sowie 285 t Wertpapier nicht benötigt wurden."[39] Auch Honecker schien die Lösung, ungültiges Geld für einen neuen Zweck quasi zu recyceln, zu gefallen. Jedenfalls strich er als NVR-Vorsitzender bei der Durchsicht der Protokolle nur den Dank an die "beteiligten Genossen" dafür an, "daß diese Maßnahme mit einem Minimum an volkswirtschaftlichem Aufwand vorbereitet und abgeschlossen wurde."[40] In der Bundesrepublik hatte die Bundesbank dagegen ihr "Ersatzgeld" neu drucken lassen.
Parallele Erscheinungen in der Bundesrepublik
Auch in der Bundesrepublik gab es zwei solcher "Ersatzserien" für das gültige Geld, eine für die Bundesrepublik selbst, eine zweite für Berlin. Der Leiter des Geldmuseums der Bundesbank, Reinhold Walburg, hat vor einigen Jahren darüber ausführlich berichtet.[41] Die Bundesbank beschloss am 20. Januar 1959, eine "Reserveserie fertigstellen zu lassen". Der damalige Leiter der Hauptkasse hatte darauf aufmerksam gemacht, einige Notenbanken hätten "für alle Fälle Ersatzplatten zur Hand, mit denen sofort der Druck völlig neuer Ausgaben aufgenommen werden kann. Diese Vorsichtsmaßnahme hat m. E. etwas für sich."[42]Für welche "Fälle" das Ersatzgeld gedacht war, geben die Akten nicht preis. Dass das Ersatzgeld der Bundesbank "für alle Fälle" gedruckt wurde, schließt zwar nichts aus. Doch einen Hinweis darauf, dass es der Bundeswehr als Zahlungsmittel in von ihr besetzten Gebieten im Kriegsfall dienen sollte, gibt es nicht. Anders als bei der Staatsbank der DDR war die Kompetenz der Bundesbank, Geld zu drucken, offenbar nicht Teil einer Kriegsplanung.
Schlussbemerkung
Bis in die späten 1980er Jahre hinein galt offiziell die Strategie des Warschauer Pakts, den potenziellen Gegner auf seinem eigenen Gebiet zu schlagen. Die DDR-Truppen wurden also darauf vorbereitet, Gebiete der Bundesrepublik zu besetzen. Dazu gehörte auch, diese Truppen mit Bargeld auszustatten. Das Militärgeld sollte in den besetzten Gebieten neben dem dort vorhandenen Geld als Zahlungsmittel gültig sein, also als Zweitwährung.Die Soldaten der Nationalen Volksarmee sollten in den besetzten Gebieten ihren Wehrsold in Militärgeld ausbezahlt bekommen. Ob dieses Geld in den besetzen Gebieten akzeptiert werden würde, wenn die Soldaten dann in Frankfurt am Main, München oder Saarbrücken einkaufen gingen, diskutierte der NVR laut Aktenlage nicht. Glaubt man dem späteren Vizepräsidenten der Staatsbank, Edgar Most, war dieses Versäumnis Ausdruck einer gewissen Kaltschnäuzigkeit gegenüber den eigenen Soldaten: Man habe Stalins These übernommen, wonach ein Soldat eben Geld in der Tasche haben müsse, "auch wenn es nichts wert ist."[43] In der DDR selbst sollte es nicht gelten. Denn die Staatsbank befürchtete bei Ausbruch eines Krieges sowieso einen namhaften Kaufkraftüberhang im Inneren.
Die Staatsbank der DDR berichtete Mitte März 1980 dem NVR über entsprechende Pläne. Geldscheine im Nominalwert von 4,8 Milliarden Mark wurden für diesen Zweck in Depots entlang der Westgrenze der DDR eingelagert. Es war ungültig gewordenes, aber noch ungebrauchtes Geld der Emission von 1955. Durch den Aufdruck „Militärgeld“ sollte es für den neuen Zweck umgewidmet werden. Ob das für 285 Tonnen neuwertiges Altpapier rein drucktechnisch möglich gewesen wäre, ist zweifelhaft, weil das Geld nicht in Bögen, sondern in geschnittenen Scheinen vorlag.[44] Dies bei Bedarf von Hand zu erledigen, mutet als eher konfuse Planung an.
Dass die Entscheidung, Militärgeld vorzubereiten, halbherzig aussah, könnte auch damit zusammenhängen, dass zur gleichen Zeit unter anderem im Zuge des KSZE-Prozesses eine neue, eher auf Verteidigung ausgelegte Militärstrategie heranreifte.[45] Folgerichtig empfahl das Ministerium für Nationale Verteidigung im Juni 1988, "Möglichkeiten zu untersuchen, die in der Grenznähe bestehenden Bargelddepots in das Landesinnere zu verlagern."[46]
Werthaltiges Geld kann das Militärgeld der DDR nicht gewesen sein. Nicht nur, dass es vom Material her vor der Vernichtung bewahrtes und quasi recyceltes Altgeld war. Es repräsentierte vor allem keinen volkswirtschaftlichen Wert. Die DDR war zu Beginn der 1980er Jahre wirtschaftlich im Niedergang. Die hohen Ölpreise sorgten für eine anhaltend negative Zahlungsbilanz.
Als "Waffe" zur Unterwanderung der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland war das Militärgeld nicht gedacht. Dafür gibt es keinen Beleg. In seiner Funktion als "Zweitwährung" sollte es nicht die D-Mark der Bundesrepublik schwächen, sondern den NVA-Soldaten ein dann formal gültiges Zahlungsmittel an die Hand geben. Das schließt nicht aus, dass die Deutsche Bundesbank gleichwohl fürchtete, auch durch die DDR könne das westdeutsche Geldsystem inflationiert werden. Warum die DDR ihre Geldserie 1955 zwar auslaufen ließ, aber nicht vernichtete, bleibt offen. Die Bundesbank ließ jedenfalls "für alle Fälle" ein Ersatzgeld drucken.
Das Militärgeld der DDR wurde schließlich Anfang 1990 zusammen mit anderen Bargeldbeständen zunächst in angeblich diebstahlsicheren Stollen in Strausberg einzementiert. Nachdem gleichwohl Exemplare auf Schwarz- und Sammlermärkten auftauchten, wurde es wieder herausgeholt und 2002 auf Geheiß der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Rechtsnachfolgerin der Staatsbank der DDR, in einer niedersächsischen Müllverbrennungsanlage verbrannt.[47]
Zitierweise: Michael Braun, Geld als Waffe? Zur Funktion des "Militärgeldes" in der DDR, in: Deutschland Archiv, 20.9.2016, Link: www.bpb.de/234202