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Herrscherbilder | Themen | bpb.de

Herrscherbilder

Alexandra Dolezych

/ 18 Minuten zu lesen

Herrscherbilder bezeugen die Allgegenwart der Macht – von den Cäsaren hin zu den Diktatoren des 20. Jahrhunderts. Alexandra Dolezych beleuchtet die Geschichte der ästhetisierten Allmacht.

Bildnisse fungieren als Stellvertreter realer Personen, bezeugen also in Abwesenheit deren Präsenz. Herrscherbilder repräsentieren vornehmlich die gesellschaftliche Stellung und Funktion des Dargestellten; psychologisierende Schilderungen des äußeren Charakters und die Visualisierung von Ausdruck und Emotionalität sind zweitrangig. Die Darstellungsmodi wechseln im Verlauf der Zeit, so dass das Bild des Herrschers in Form und Aussage variiert. Als wichtiges Prinzip der Darstellung eines Potentaten gilt die Erkennbarkeit seines Herrschaftsanspruchs anhand von Insignien wie Krone und Zepter; allerdings gehören Symbole nicht zu allen Zeiten notwendigerweise zum Ausdruck der Herrschaftslegitimation. Andere Parameter dienen dann als Chiffren der Macht.

Das klassische Cesarenbild

Augustus von Primaporta (© wikipedia.org)

Die frühen römischen Potentaten wurden vor allem in Form von Plastiken dargestellt. Die Porträtbüste Caesars kennzeichnet den Ausklang republikanischer Porträtkunst. Der bis dahin vorherrschende individuelle Ausdruck des Dargestellten erfährt nun eine herrschaftliche Attitüde: die Gesichtszüge werden streng, um staatsmännische Klugheit und Überlegenheit zu vermitteln. Mit dem Beginn des römischen Kaiserreiches wurde die Kunst staatstragend. Das ursprünglich vielfarbige Standbild Augustus von Primaporta verdeutlicht das neue Verständnis von Herrschaft. Augustus begegnet dem Betrachter stehend, den rechten Arm zum Weisegestus erhoben, die linke Hand umfasste ursprünglich ein Zepter oder eine Lanze. Die Kopfpartie spiegelt, trotz individueller Gesichtszüge, stärker als bei Caesar den Idealtypus des Herrschers wider. Die Kleidung besteht aus einer kurzen Tunika, Feldherrenmantel und Muskelpanzer. Die Füße bleiben nackt, was als ein Hinweis auf den göttlichen Rang des Dargestellten zu lesen ist. Zu Füssen des Augustus reitet ein kleiner Amor auf einem Delfin, ein Hinweis auf die göttliche Abstammung des Hauses der Julier von der Venus. Hervorzuheben ist der bildreiche Muskelpanzer, auf dem neben einer Vielzahl von Göttern u.a. Personifikationen eroberter Provinzen zu sehen sind.

Antike Herrscher

Reiterstandbild Marc Aurels (© Wikimedia, Peter Gerstbach) Lizenz: GNU FDL, 1.2

Knapp vierzig Jahre später zeigt das Bildnis Claudius als Jupiter (Abb. 3) den Kaiser überwiegend in göttlicher Nacktheit, ihm zu Füssen der Adler, das Symboltier Jupiters, des höchsten römischen Gottes. Die Statue verdeutlicht, dass der göttliche Anspruch kaiserlicher Macht manifester Bestandteil der politischen Systems im römischen Kaiserreich wurde. Eine Steigerung der Gleichsetzung des Kaisers mit den Göttern veranschaulicht die um 190 n. Chr. entstandene Darstellung von Commodus als Herkules (Abb. 4). Die nackte Halbfigur des Kaisers, der sich als Inkarnation des Herkules verehren ließ, ist mit Attributen des Heroen, Löwenfell und Herkuleskeule, ausgestattet. Vom Ruhm des Herrschers künden u.a. die Weltkugel als Symbol der Weltherrschaft und prall gefüllte Füllhörner als Symbol des durch die Herrschaft des Kaisers erreichten Wohlstandes im Reich.

Einem weiteren Typus in der Herrscherdarstellung der römischen Zeit begegnet man im Reiterstandbild Marc Aurels, das nach 166 n. Chr. entstanden ist (Abb. 5). Der Kaiser wird auf einem Pferd sitzend gezeigt, was ihn im Vergleich zum Typus der stehenden Gestalt zweimal erhöht: durch den Sockel und das Pferd, das zugleich Symbol des ritterlichen Standes ist. Die majestätische Wirkung des Reiterstandbildes wurde durch die vergoldete Bronze verstärkt.

Kolossale Machtdemonstration

Kopf der Kolossalstatue Konstantins. (Fotograf: Markus Bernet) Lizenz: cc by-sa/2.5/deed.de

Im 3. und 4. nachchristlichen Jahrhundert wurde die kaiserliche Machtfülle auch in Kolossalfiguren übersetzt. Das früheste Beispiel liefert die ca. 10 m hohe Sitzfigur Kaiser Konstantins, die ursprünglich in der kaiserlichen Palasthalle aufgestellt war.

Unter den erhaltenen Fragmenten beeindruckt der strenge und in der Darstellung reduzierte Kopf von 2,95 m Höhe Ungefähr ein Jahrhundert später entstand der ca. 5 m hohe Koloss von Barletta, der wahrscheinlich den oströmischen Kaiser Marcianus zeigt. Die Figur drückt militärische Potenz und Reichtum aus und durch die Weltkugel den Anspruch auf Weltherrschaft.

Der byzantinische Herrscher im Dienst des Glaubens

Die byzantinische Kunst zeigt den Herrscher überwiegend im religiösen Kontext: Der Monarch tritt als Stifter und Mehrer des Glaubens auf. Ein hervorragendes Beispiel hierfür liefert die Darstellung Kaiserin Theodoras. Die Potentatin, in Begleitung höfischer und kirchlicher Würdenträger steht zentral unter dem Scheitelpunkt einer Apsisarchitektur. Der reich verzierte Kopfschmuck, die von Preziosen geschmückte Schulterpartie des faltenreichen Gewandes, die die übrigen Personen überragende Größe der Figur und der Ort der Szene verdeutlichen die Erhabenheit der Kaiserin.

Der mittelalterliche Herrscher von Gottes Gnaden

Otto II. und Theophanu. (© Fotograf: Clio20) Lizenz: GNU FDL, 1.2

Das ursprünglich byzantinische Bildmotiv einer durch Christus vorgenommenen Kaiserkrönung breitete sich in der Zeit der Ottonen nach Westen aus. Die Bedeutung dieses Motivs, Höhepunkt des theokratischen Königtums, liegt in der Tatsache, dass es einerseits die höchste, da von Gott erteilte, Legitimation kaiserlicher Herrschaft visualisiert und andererseits das Kaiserpaar in seiner Funktion als servus dei präsentiert.

Die Elfenbeintafel Kaiser Ottos II. und seiner aus Byzanz stammenden Frau Theophanu zeigt Christus erhöht zwischen dem frontal stehenden Kaiserpaar, in seinen Händen die Kronen der Monarchen haltend. Wie in den byzantinischen Vorbildern verzichtet die Darstellung auf weitere Machtinsignien.

Der mittelalterliche Herrscher auf dem Thron


Wie die byzantinische, so ist auch die mittelalterliche Kunst christlich geprägt und stellt die weltliche Macht überwiegend im religiösen Kontext dar. Herrscherbilder aus der Zeit der Karolinger und Ottonen sind überwiegend in der Buchmalerei überliefert, deren Bildsprache die Dargestellten schematisiert. Die Individualität der

Evangeliar Ottos III. (© The Yorck Project)

Personen wird zugunsten der Darstellung der Herrschaft zurückgenommen. Das hieratisch strenge Bildsystem orientiert sich konsequent an den Prinzipien der Geometrie; beispielhaft dafür ist das Evangeliar Ottos III. Im Zentrum der Bildanlage steht der das übrige Bildpersonal überragende, thronende und von Bischöfen und Reichsfürsten begleitete Herrscher, dem symbolisch die Personifikationen der Reichsprovinzen Slavinia, Germania, Gallia und Roma huldigen. Zu den Insignien kaiserlicher Macht zählen die edelsteinbesetzte Krone, das Zepter und die mit dem christlichen Symbol des Kreuzes versehene Weltkugel. Die Architektur des Hintergrundes entspricht einer offenen Säulenhalle, deren Draperien den Kaiser umgeben. Ihr Symbolgehalt folgt einer alten bildlichen Tradition: Der Vorhang war ein zentrales Instrument des byzantinischen Epiphanie-Ritus, der dem feierlichen Einzug eines göttlich verehrten Herrschers diente. Eine besondere Glorifizierung erfahren die Miniaturen des Evangeliars durch den Goldgrund.

Der Herrscher als Individuum in der Renaissance

Bellini, Porträt des Dogen Leonardo Loredan (© The Yorck Project)

Im Unterschied zum Mittelalter hebt die Philosophie der Renaissance ausdrücklich die menschliche Würde hervor und betont die Autonomie des Individuums. Verbunden mit der Rückbesinnung auf die Antike resultiert daraus das Interesse an wirklichkeitsnahen, individualisierten Abbildern, die frei von Stilisierungen sind. Zum favorisierten Medium wird das Tafelbild, dessen Gestaltungsideen ab dem 16. Jahrhundert durch die Druckgrafik verbreitet werden. Giovanni Bellinis Porträt des Dogen Leonardo Loredan von 1501/5 verdeutlicht den radikalen Bewusstseins- und Bildwandel. Die Darstellung des venezianischen Herrschers im Dogenornat vermittelt in der präzisen Wiedergabe der Physiognomie Festigkeit und Integrität, gleichsam eine würdevolle Distanziertheit. Das Fehlen stilisierender Abbreviaturen verstärkt die emotionale Wahrnehmung des Antlitzes und die Konzentration auf die Wesenszüge der Figur.

Drei Variationen über den gebildeten Herrscher der frühen Neuzeit

Kaiser Maximilian I. nutzte das Bild vielfältig und vielfach. In einer Geschenktafel an die Johanniterkommende Straßburg von 1507 erscheint er, einen Panzer tragend, darüber einen Brokatmantel, mit Krone, Zepter und Stab als Halbfigur im Profil. Komplexer stellt sich Maximilian I. als Hl. Georg dar. Die Entschlüsselung des Bildes liefert die vom Kaiser getragene Kette des St. Georg-Ordens, mit Kruzifix und Kreuzen wie Heiligenköpfen. Rechts hinter dem Kaiser erscheint der Drache, Symbol des Hl. Georgs. Das Blatt visualisiert die Idee des Kreuzzugs gegen die Türken, die Maximilian zur Gründung des Georgsordens veranlasste.

Eine nochmalige Steigerung des Symbolisch-Allegorischen zeigt Dürers Hieroglyphisches Bildnis Kaiser Maximilians von 1515, das den thronenden Kaiser inmitten von Tieren zeigt. Laut Horapollo, einer damals weit verbreiteten Sammlung ägyptischer Hieroglyphen, schreiben die Bildelemente dem Kaiser folgende Eigenschaften zu: Hund mit Stola = Fürst; Stern über der Krone = große Frömmigkeit; Schlange am Zepter = Beherrscher des Erdballs; Kranich mit erhobenem Fuß = Wachsamkeit; Stier = kriegerischer Mut und Umsicht; Löwe = Großmut, Tapferkeit, Macht; Papyrusbündel, auf dem der Kaiser sitzt = Abstammung vom alten Geschlecht; Adler = Römischer Kaiser. Zusammen mit weiteren Allegorien stellt das Bild eine Lobeshymne auf den Kaiser dar.

Politischer und religiöser Machtanspruch

Einen anderen Weg, seinen Machtanspruch zu visualisieren, wählte 1537 der englische König Heinrich VIII. in einem Gruppenbild seines Hofmalers Hans Holbein. Das Werk, das die Wand über dem Thron im York Palace schmückte, zeigt Heinrich VIII., seine Frau Jane Seymour, seinen Vater und Begründer der Tudordynastie Heinrich VII. und seine Mutter Elisabeth von York (Abb. 15). Das Bild zeichnet eine klare Körpersprache in Gestus und Haltung des Hauptprotagonisten (Stemmen der Hände in die Hüften, breite Beistellung) aus. Die erhöhte und gestaffelte Anordnung der Figuren auf Stufenabsätzen dokumentiert die dynastische Folge: Dem Kontemplation ausstrahlenden Heinrich VII. folgt sein durch kraftvolle Opulenz Dominanz und Machtgehabe ausdrückende Sohn. Da die Komposition des Werkes dem Bildaufbau religiöser Gemälde der Zeit folgt, drückt es nicht nur den weltlichen Machtanspruch der Tudors aus. Es unterstreicht auch die geistige Führerschaft Heinrich VIII. als Oberhaupt der anglikanischen Kirche.

Renaissance des Reiterbildnisses

Karl V., Gemälde von Tizian (© The Yorck Project)

Ein Jahrzehnt später kreiert Tizian mit dem Gemälde Kaiser Karl V. nach der Schlacht zu Mühlberg im Rückgriff auf das antike Vorbild des Reiterstandbildes Marc Aurels einen neuen Typus in der Herrscherdarstellung der Neuzeit. Tizians Einbettung des Motivs in ein historisches Geschen sowie die dramaturgische Zuspitzung im Malerischen wirkten bis ins 19. Jahrhundert nach. Die Präsentation des Herrschers besteht nicht mehr in der statischen Zurschaustellung, sondern ist durch die Aktion geprägt, zu der ein reich verzierter Panzer, Helm und Lanze passen. Der Orden vom Goldenen Vlies weist den Kaiser als Ritter vom Goldenen Vlies und somit eine Persönlichkeit von höchster Abkunft aus. Der mit Schabracke und Kopfschmuck ausstaffierte Rappe – seit Marc Aurel ist das Pferd ein Attribut imperialer Macht – unterstreicht die Majestas. Die Licht-Schatten-Dramaturgie der umgebenden Landschaft gibt als Stimmung den historischen Kontext wieder: In der genannten Schlacht besiegte Karl V am 24. April 1547 den Schmalkadischen Bund und konnte dadurch seine Macht nach innen und außen festigen.

Zwei Variationen des Herrschers mit Pferd

In welchen Varianten der Typus des Reiterstandbildes fortgeführt wurde, verdeutlichen zwei ein Jahrhundert später entstandene Gemälde von Anthonis van Dyck, die den englischen König Karl I. zeigen. 1633 entstand Karl I. zu Pferde, das im Whitehall Palace hing. Der Monarch reitet unter einem von Säulen flankierten und mit einer Draperie versehenen Triumphbogen hindurch. Mit den Säulen und der Draperie greift der Maler auf alte Symbole zurück und vermittelt gleichzeitig den Eindruck, der König reite, im Triumph durch einen Torbogen in Whitehall ein. Weniger der Staatsraison verpflichtet scheint das Gemälde Karl I., König von England, auf der Jagd zu sein, das den König in Begleitung eines Pagen und eines Reitknechts zeigt. Auch wenn die Jagdszene den König in einem eher privaten Kontext präsentiert, folgt van Dyck, der Hofmaler Karls I. war, den Prinzipien hieratischer Darstellung. Dies ist insbesondere ablesbar an der in die Hüfte gestemmten Hand – einer herrschaftlichen Geste, die Distanz zum Betrachter aufbaut. Als herrschaftliches Attribut sind die Handschuhe zu deuten, Würdezeichen der Investitur, Belehnung und Standeserhöhung, und natürlich das Schwert. Auch die Farben der Kleidung, Silber, Gold und Purpur, zeigen Würde und elitären Anspruch an. Das zentrale Bildthema ist trotz fehlenden Pathos´ und deutlich wahrnehmbarer Natürlichkeit die Würde des Monarchen.

Spanische Bildstrenge

Philipp IV. von Spanien (© Wikimedia)

Zeitgenosse van Dycks war der spanische Hofmaler Diego Velázquez. 1631/32 malte er das Bildnis Philipp IV. von Spanien im reichen Kostüm, dessen Gestaltung auf zwei Richtlinien des spanischen Audienzprotokolls hinweist: Die Audienzen wurden vom König stehend absolviert und zum Zeichen seiner Freundlichkeit gegenüber den Bittstellern lag der Hut des Königs auf einem Tisch neben ihm. Wie der Titel bereits sagt, ist die in Schwarz, Silber und Weiß gehaltene Kleidung des Königs für spanische Verhältnisse sehr reich, da im Übrigen die Farbe Schwarz die Gewänder dominierte. Der an einer Goldkette hängende Orden vom Goldenen Vlies unterstreicht den herausgehobenen Rang des Porträtierten. Die Draperie des Hintergrundes rahmt den Monarchen würdevoll ein, so dass ein hoheitsvolles Herrscherbildnis spanischer Couleur die Weltenherrschaft des spanischen Throns manifestiert.

Allegorische Inszenierung der Herrschaft

Neben Darstellungen, in denen der Monarch allein auftritt, bringt bereits die Renaissance und verstärkt der Barock opulente Ereignisbilder hervor, die reich an Personal und Handlung, Szenen aus dem Leben der Protagonisten zeigen. Zu den bekanntesten dieser Historienbilder gehört Peter Paul Rubens Medici-Zyklus, der das Leben und die Taten der französischen Königin Maria de´Medici in 21 Bildern allegorisch verherrlicht, beginnend 1573 mit der Geburt der Königin und 1621 endend. Das vierzehnte Bild dieses Zyklus´, Die Glückliche Regierung, zeigt Maria auf dem Thron, umgeben von Amor (Liebe) und Minerva (Weisheit). Zwei Frauen, Personifikationen von Großmut und Überfluss, bringen ihr Blumen und anderes. Vier Putti zu Füssen der Königin, Sinnbilder der Künste und Wissenschaften, nehmen die Dinge in Empfang. Im Vordergrund liegen Unwissenheit, Verleumdung und Neid besiegt auf dem Boden. Auf der rechten Seite führt Saturn, der Gott der Zeit, Francia zur Königin. Die so formulierte Glorie der Monarchin trägt Fama, der Ruhm, mittels der Posaune in die Welt hinaus.

Der absolutistische Herrscher als Gott

Jean Nocret, Ludwig XIV. mit Familie als Götter (© Wikimedia)

Der französische Absolutismus vermittelt durch die Heroisierung des Monarchen wiederholt die Omnipotenz seines Souveräns. Ein prominentes Beispiel ist das Familienbildnis Ludwig XIV. und seine weitere Familie als Apoll mit Götterversammlung dargestellt von Jean Nocret. Im Unterschied zum Medici-Zyklus, dessen mythologisches Personal die Person und Herrschaft der Königin glorifiziert, kommt es bei Nocret zu einer Identifikation Ludwigs XIV. mit den Göttern: Der König ist nicht mehr der von den Göttern erwählte sondern per se göttlich.

Die Pracht- und Machtentfaltung Ludwigs XIV. thematisiert in beispielloser Opulenz Hyacinthe Rigaud in dem 1701/02 entstandenen Porträt. Kaum ein Bildnis eines Potentaten der Zeit hat die Typologie des Herrscherporträts des 18. Jahrhunderts so geprägt, wie dieses Gemälde. Der Sonnenkönig posiert im prachtvollen Krönungsornat; auf blauem, d.h. himmlischem Farbgrund des Mantels leuchten die stilisierten Lilien des Hauses Bourbon auf, die Innenseite erstrahlt im Weiß des Hermelins, eines Fells, das Reichtum und absolute Reinheit symbolisiert.

Hyacinthe Rigaud, Ludwig XIV. (© Wikimedia)

Unter dem Mantel leuchtet das mit Edelsteinen besetzte "Schwert Karls des Großen" hervor, das als Symbol der Legitimation des französischen Königtums gilt. Die Ordenskette des "Ordre du Saint-Esprit" ist Hinweis auf die geistige Integrität und den hohen Status des Trägers. Die Krone liegt auf einem Kissen auf einem Pult, daneben die "Main de Justice" als Symbol der höchsten richterlichen Gewalt des Königs. Auf das Kissen, das wie das Pult mit dem liliengemusterten Stoff des Mantels überzogen ist, stützt Ludwig XIV auch das Kriegsszepter mit der "fleur de lys" zum Zeichen militärische Potenz. Dahinter erblickt der Betrachter eine Marmorsäule, ebenfalls ein Attribut der Herrschaft, deren Postament eine weibliche Gestalt mit Schwert und Waage ziert, die Allegorie der Gerechtigkeit. Der Säulenschaft wird größtenteils durch eine aufwendige purpurne Draperie verdeckt, die den hinter dem König stehenden Thron in Form eines Baldachins bekrönt. Der elegante, bewusst gewählte Ausfallschritt, unterstreicht ebenso die Herrscherpose wie das Stemmen der linken Hand in die Hüfte. Zur Inszenierung königlicher Macht und höfischer Repräsentation gehört selbstverständlich auch die erhöhte Position, da der König auf einem Podest stehend alles überragt und niemandem ebenbürtig scheint.

Der Wahrheit und der Dynastie verpflichtet

Francisco de Goya, Familie Karls IV. von Spanien (© Wikimedia)

Eine radikale Zäsur erfährt das Herrscherbildnis durch die Kunst Goyas, der Hofmaler Karls IV. in Madrid war. Goya porträtiert wiederholt den König und seine Familie und orientierte sich an der Wirklichkeit, so dass weder das Gottesgnadentum königlicher Herrschaft noch eine allegorische Überhöhung zum Bildthema werden. Beispielhaft ist das neue Prinzip in dem 1800 entstandenen Gemälde. Die Familie Karls IV., dem heute oft ein satirischer Unterton unterstellt wird, zu sehen. Die Komposition folgt streng den dynastischen Prinzipien des spanischen Hofes. Der Königin María Luisa kommt als Prinzenmutter und Garantin des Fortbestandes der Dynastie eine zentrale Rolle zu. Räumlich betrachtet steht allerdings der König vor der Königin. Zu seinem Bereich gehören der exponierte Thronfolger Don Ferdinand und seine Brüder, die Infanten Don Carlos María Isidoro (hinter ihm) und Don Francisco de Paula (zwischen dem Königspaar), deren Körperhaltung den gleichen ausgestellten Schritt zeigt wie die des Königs. Als eines unter den übrigen Mitgliedern der Hoffamilie ist im linken Hintergrund der Maler selbst zu sehen, allerdings steht er im Gegensatz zu den übrigen Personen im Schatten.

Bildideologie des Klassizismus

Jacques-Louis David, Bonaparte überquert die Alpen (© The Yorck Project)

Anders als im Spanien Goyas kommt es in Frankreich zur gleichen Zeit zu einer Restauration alter Bildtypologien. Gewollt von Napoleon, umgesetzt von Jacques-Louis David und Dominique Ingres wird ein machtpolitisches Selbstverständnis programmatisch ins Bild übertragen. Eines der bekanntesten Gemälde malte David im Jahr 1800 und fertige gleich vier Repliken davon an. Es bezieht sich auf ein im Mai desselben Jahres stattgefundenes Ereignis: Bonaparte überquert die Alpen am Großen St. Bernhard. Dass die Alpenüberquerung wenig spektakulär auf einem Maultier bei Nacht stattgefunden hat, ist für das propagandistisch konzipierte Bild von geringem Interesse. Der Konsul reitet ein weißes Schlachtross, das sich ungestüm aufbäumt und dessen Mähne und Schweif durch eine Windböe erfasst in die Vorwärtsrichtung wehen. Gleiches geschieht mit dem purpurnen Mantel Bonapartes, dessen Faltenwurf effektvoll seine die Richtung weisende Hand und das dem Betrachter zugewandte entschlossene Gesicht betont. Auch in dem 1806 entstandenen Gemälde Napoleon auf dem Thron von Ingres, das als das letzte klassische Herrscherbild repräsentativer Gattung gilt, ist die Bildaussage eng an tradierte Typologien geknüpft.

Im Gegensatz zu der überbordenden Dynamik des Reiterbildes von David zeigt Ingres den Kaiser in archaisch anmutender Regungslosigkeit, die durch Frontalität, strenge Bildsymmetrie und das Fehlen von Raumtiefe erzeugt wird. Das reiche Krönungsornat in Purpur und Hermelin schmückt der Orden der Ehrenlegion. Das Haupt des Kaiser wird durch einen goldenen Lorbeerkranz bekrönt, das Langszepter und die "Maine du Justice" sind die klassischen Machtinsignien. Der Machtanspruch Napoelons wird an den Elfenbeinkugeln des Throns und den Tierkreiszeichen des Teppichs als weltumspannend definiert, er selbst mit dem griechischen Göttervater Zeus durch dessen Attribute (Blitzbündel im Fußkissen und Adler im Teppich) gleichgesetzt.

Abglanz königlicher Herrlichkeit

Friedrich von Amerling, Franz I. von Österreich (© Wikimedia)

Im 19. Jahrhundert gerät das Herrscherporträts in eine Krise. Seit dem Biedermeier, spätestens mit dem Impressionismus verliert es als Gattung der Kunst an Bedeutung. Die entstehenden Monarchenporträts spiegeln die politische und soziale Umbruchsituation der Zeit wieder. Die Veränderungen sind an dem 1832 entstandenen Porträt Kaiser Franz I. von Österreich von Friedrich von Amerling zu beobachten. Amerling, ein beliebter Porträtmaler am Wiener Hof, greift in seiner Schilderung des Monarchen auf das Repertoire absolutistischer Herrscherbildnisse zurück. Der Kaiser thront, frontal zum Betrachter, auf einem über drei Stufen erhöhten Platz, der durch das Halbrund einer Apsis eingefasst wird. Die sakrale Anmutung wird in der die Szene einfassenden Draperie wiederholt. Als architektonisches Machtattribut taucht neben der Treppe die Säule samt einem massiven Postament auf.

Zum prachtvollen Ornat des Kaisers gehören der ausladende Mantel, der den Blick auf die Beine freigibt, der reiche Ordenbehang, darunter der Orden vom Goldenen Vlies, und die Machtinsignien Krone, Szepter und Schwert. Der dazugehörige Reichsapfel liegt auf einem Kissen, das auf einem Tisch rechts vor dem Kaiser aufgebaut wurde. Im Gegensatz zu Ludwig XIV, dessen Antlitz zur bedeutsamen Staatsmiene wird, entbehrt das Bildnis Franz I staatsmännischer Mimik, ist vielmehr Ausdruck des persönlichen Charakters. Auch in Gestik und Körperhaltung fehlt die Anspannung und Dominanz des Sonnenkönigs. Dennoch: Das Bildnis erfuhr große Anerkennung, da dem Betrachter neben dem politischen auch ein persönlicher Ausdruck des Kaisers vermittelt wurde. Das Mystische des Herrschertums, seine göttliche Abbreviatur war im Schwinden begriffen.

Der bürgerliche Herrscher

Der Naturalismus formte aus dem glorifizierten und entrückten Herrscher ein Sinnbild historischer Tradition, den Kulminationspunkt nationaler Identität und eine moralische Instanz. Als Konsequenz findet die Präsentation des Herrschers im fortschreitenden 19. Jahrhundert auch ohne opulente attributive Narratio statt: Der Herrscher wird z.B. am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer bei der Ausübung der Staatsgeschäfte gezeigt, so z.B. Ludwig XVIII. in seinem Arbeitszimmer in den Tuilerien, 1823 von Francois Gerard – ein Bildtypus, der auch im 20. Jahrhundert seine Gültigkeit behält. Das monarchische Familienbild entfernt sich zusehends von der inszenierten statischen Darbietung des dynastischen Familienverbandes und zeigt dem Betrachter den Herrscher und seine Familie in distinguierter Zuwendung zueinander, z. B. Königin Viktoria und ihre Familie, 1846 von Franz Xaver Winterthaler.

Im deutschsprachigen Raum, wo zuerst das Reiterbildnis und das Uniformporträt den Kaiser in seiner militärischen Potenz zeigten, verdichtet sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts das Bild des Monarchen stärker als in Frankreich und England auf die Darstellung der Person, die kaum noch mit Staatsinsignien ausgestattet ist. Zu einem Höhepunkt geführt wird dieser Typus durch Franz Lenbach in den Porträts von Kaiser Wilhelm I. Lenbach konzentriert sich in seinen virtuosen Gemälden durch gekonnte Lichtführung auf das Antlitz des Kaisers, taucht die Uniform der Majestät in die Tonigkeiten des Schattens, und unterstreicht im festen, auf den Betrachter gerichteten Blick die innere Größe des Monarchen.

Letztes Zitat absoluter Macht

Max Kohner, Wilhelm II. (© Wikimedia)

Wie ein letztes Aufbäumen gegen diese Entwicklungen wirken im ausgehenden 19. Jahrhundert die Staatsbildnisse von Kaiser Wilhelm II., die in Bildsprache und Insignienrepertoire dem Herrscherverständnis des Absolutismus huldigen. Beispielhaft ist Max Koners Wilhelm II. zu nennen. Das Bild zeigt den Paradeuniform tragenden Kaiser in einer lichtdurchfluteten Säulenarchitektur, neben ihm die preußischen Kroninsignien. In seiner Rechten hält Wilhelm II. den brandenburgischen Kommandostab, in der Linken den Degen, die Beinstellung entspricht der herrschaftlichen Pose, die mit dem Faltenwurf des Mantels des Schwarzen Adlerordens raumgreifend betont wird. Die unzeitgemäße Geste wird jedoch zur Phrase, der Ort zur Kulisse und das gesamte Bildgeschehen zur Plattitüde.

Das Plakatbild – die Omnipräsenz politischer Führung

Im 20. Jahrhundert entwickelt sich das Plakat zum Medium, mit dem die politisch Mächtigen ihr Selbstverständnis nach außen tragen. Dem Medium entsprechend sind die visuellen Botschaften auf eine schnelle und leicht dechiffrierbare Lesbarkeit hin konzipiert, die Inhalte werden in deutlichen Gesten und klaren Bildstrukturen vermittelt. Dabei finden im frühen 20. Jahrhundert Ideen der modernen Bildgestaltung Eingang in das politisch genutzte Medium. Besonders progressiv zeigt sich die politische Propaganda des neu entstandenen Sowjetischen Staates, die sich experimenteller Bildmethoden bedient. Ihr Protagonist ist Lenin, der allerdings erst ab 1920 zögerlich der Darstellung seiner Person als Vertreter des Führungskollektivs zugestimmt hat, so dass er bis zu seinem Tod 1924 nur vereinzelt in politischen Bildern auftaucht. Posthum wird Lenin allerdings zur omnipräsenten Figur der Propaganda. Seinen Slogan "Kommunismus = Sowjetische Kraft und Elektrifizierung" visualisiert El Lissitzky 1937 im Medium der Collage respektive Fotomontage. Die neue Ikonografie zeigt den politischen Führer als Redner. Tradiert sind seine Weisegeste und die erhöhte Position. Auch in der Zeit des Stalinismus bleibt das Konterfei Lenins gegenwärtig, da der von Stalin als historisch-ideologische Legitimation favorisierte Darstellungstypus eine "dynastische" Reihe von Marx, Engels, Lenin und Stalin aufbaut.

Das Führerprinzip

Der Nationalsozialismus zeigt die Gestalt Adolf Hitlers überwiegend in ganzfigurigen Uniformporträts vor undefiniten Hintergründen, die den Kompositionen den Eindruck von Zeitlosigkeit verleihen. Ein weiteres Thema ist im Bildnis des Führers von Fritz Erler zu sehen. Es zeigt Hitler vor der Kulisse einer Monumentalarchitektur, unmittelbar unterhalb der Großplastik eines knienden Heroen mit Adler und Schwert als Reichsymbolen. Zu Hitlers Füssen liegen ein noch nicht in das Bauwerk eingefügter Steinblock und Steinmetzwerkzeuge, Sinnbilder für Hitler als Errichter des Dritten Reiches. Sein Blick ist zum Zeichen des Visionären leicht nach oben gerichtet, der Gesichtsausdruck ist emotionslos, die Haltung wirkt erstarrt, Aspekte, die die Führerfigur ins Heldische entrücken und das Porträt entpersönlicht wirken lassen.

Politischer Ikonoklasmus

Das Herrscherbild vertritt den Herrscher, und so erwächst aus der Verehrung seiner Person die Verehrung des Bildes. Mit dem Machtverlust des Herrschers verliert auch sein Bild die Verehrungswürdigkeit. Nachfolger ersetzen die Bilder ihrer Vorgänger durch die eigenen, in denen der eigene Machtanspruch visualisiert wird. In der dynastischen Nachfolge geschieht dies wenig spektakulär. Im Falle politischer Machtkämpfe oder radikaler Umwälzungen vollzieht sich auch der Bilderwechsel drastischer.

Politische Bildzerstörungen sind seit dem Altertum überliefert. Aus dem Alten Reich in Ägypten ist die Praxis des Auskratzens von Abbild und Namen überliefert als Ausdruck von Rache, Nivellierung des Andenkens, verbunden mit der Absicht, das Fortleben nach dem Tode zu verhindern. Als prominentes Beispiel ist das Vorgehen von Thutmosis III zu nennen, der die Erinnerung an seine Mutter Hatschepsut auslöschte. Auch Griechenland kennt seit dem 5. vorchristlichen Jahrhundert derartige Handlungsmuster, so wurde z.B. der Statue von Hipparchos Charmidou aus der Familie des Tyrannen Peisistratos auf Beschluss der Athener eingeschmolzen und in eine Gesetzestafel gegen Staatsfeinde umgewandelt. Im antiken Rom sind Bilderstürme als Ausdruck der damnatio memoriae wiederholt Bestandteil von Machtkämpfen oder Ausdruck von Hass nach dem Tod eines missliebigen Kaisers. So wurden nach dem Tod Kaiser Domitians (96 n. Chr.) dessen Statuen umgerissen, Kopf und Gliedmassen abgetrennt oder durch Hammerschläge deformiert. Wiederholt wurden Statuen im Tiber versenkt.

Das Mittelalter kennt den Denkmalsturz zum Zeichen von Herrschaftskritik nicht, was mit der mangelnden Präsenz entsprechender Bildwerke im öffentlichen Raum zusammenhängt. Als solitäres Beispiel ist lediglich der Sturz der Statue Karls I von Anjou auf Veranlassung von Heinrich VII 1312 in Piacenza zu nennen. Zu Beginn der Neuzeit kommt es im 15. und 16. Jahrhundert wiederholt zu theologisch motivierten ikonoklastischen Handlungen: Als prominentes Ereignis ist der Bildersturm der Wiedertäufer in Münster 1534 zu nennen, der sich auch gegen Vertreter herrschender Schichten, die gleichzeitig Vertreter des Klerus waren, richtete. Auch die Französische Revolution zerstörte als Ausdruck der politischen Zäsur und Überwindung der Monarchie die Abbilder jener, die sie repräsentierten. In der jüngsten Historie sind für Berlin zwei unterschiedliche Beispiele der überwundenen DDR-Diktatur zu konstatieren: 1991 wurde spektakulär das Denkmal Lenins am Leninplatz abgebrochen, dagegen befürwortete 1993 eine Fachkommission den Erhalt des Marx-Engels-Denkmals am Alexanderplatz. Der letzte aktuelle Bildersturm als Ausdruck des Tyrannensturzes fand am 9. April 2003 am Paradies-Platz in Bagdad statt, als die Statue des irakischen Diktators Saddam Husseins von amerikanischen Soldaten und irakischen Zivilisten vom Sockel gestürzt wurde.

Fussnoten

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