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Aktuelle Entwicklungen in einigen EU-Mitgliedstaaten

Kees Groenendijk

/ 2 Minuten zu lesen

In 15 von 28 EU-Mitgliedstaaten dürfen neben Unionsbürgern auch Nicht-EU-Ausländer an Wahlen auf kommunaler Ebene teilnehmen. In den anderen Ländern sind es oft ideologische Argumente, die die Einführung des Kommunalwahlrechts bislang verhindert haben. Es zeigt sich jedoch, dass viele dieser Argumente empirisch nicht haltbar sind. Wie in Deutschland flammt auch in anderen EU-Staaten die Diskussion um das Ausländerwahlrecht immer wieder auf.

Kommunalwahl in Italien: In Italien ist eine Bestimmung zur Einführung des Kommunalwahlrechts für Drittstaatsangehörige mit einer dauerhaften Aufenthaltsberechtigung im Einwanderungsgesetz von 1998 verankert worden; die dafür notwendige Verfassungsänderung ist aber nie verabschiedet worden. (© picture-alliance/dpa)

Alle EU-Staaten, die Drittstaatsangehörigen das kommunale Wahlrecht gewährt haben, haben dies vor mehr als einem Jahrzehnt getan. In Griechenland verabschiedete die sozialdemokratische Regierung 2010 ein Gesetz, das ethnisch-griechischen Rückkehrern, langzeitaufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, Flüchtlingen, staatenlosen Personen und Eltern griechischer Staatsangehöriger nach fünfjährigem legalen Aufenthalt im Land die Teilnahme an Kommunalwahlen ermöglichte. Das griechische Verfassungsgericht erklärte das Gesetz 2013 für verfassungswidrig, woraufhin es 2014 aus den Gesetzesbüchern gestrichen wurde.

In den 1980ern versprach der französische Präsident Mitterand wiederholt, sich für die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts einsetzen zu wollen. Er brachte aber nie einen entsprechenden Vorschlag für eine Verfassungsänderung auf den Weg. 2011 votierte die linke Mehrheit im französischen Senat für einen Gesetzesentwurf für die Einführung des Kommunalwahlrechts für Drittstaatsangehörige. Die Mitte-rechts-Regierung, die in der Nationalversammlung eine Mehrheit hatte, blockierte diesen Vorschlag jedoch. Präsident Hollande versprach in seinem Wahlkampf die Ausweitung des Kommunalwahlrechts auf Drittstaatsangehörige. 2013 kündigte er an, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag nach den Kommunalwahlen 2014 einbringen zu wollen. Aber der Regierungskoalition fehlen 30 Stimmen zur drei-Fünftel Mehrheit, die notwendig ist, um eine entsprechende Verfassungsänderung im Senat durchzusetzen.

Seitdem das deutsche Bundesverfassungsgericht die Initiative der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg zur Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts 1990 abgewiesen hat, gab es zahlreiche Versuche von Städten, Bundesländern, politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen, eine Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen, die Drittstaatsangehörigen die Wahlteilnahme ermöglichen würde. Bislang waren alle diese Anläufe ohne Erfolg. Vor den Bundestagswahlen 2013 sprachen sich mit Ausnahme der CDU/CSU alle Parteien, die im aktuellen Bundestag vertreten sind, in ihren Wahlprogrammen für die Einführung des Kommunalwahlrechts für Drittstaatsangehörige aus. Der Koalitionsvertrag der amtierenden großen Koalition aus CDU/CSU und SPD geht auf dieses Thema nicht ein und setzt es damit nicht auf die politische Agenda der aktuellen Legislaturperiode (2013-2017).

In Italien ist eine Bestimmung zur Einführung des Kommunalwahlrechts für Drittstaatsangehörige mit einer dauerhaften Aufenthaltsberechtigung im Einwanderungsgesetz von 1998 verankert worden; die dafür notwendige Verfassungsänderung ist aber nie verabschiedet worden. Das Thema kehrt von Zeit zu Zeit auf die politische Agenda in Italien zurück.

Im Koalitionsvertrag der derzeit amtierenden niederländischen Regierung aus dem Jahr 2012 wurde vereinbart, dass die Aufenthaltsvoraussetzung für die Kommunalwahlteilnahme von Drittstaatsangehörigen von fünf auf sieben Jahre angehoben werden soll. Bis März 2014 war aber kein Gesetzesentwurf zur Umsetzung dieser Vereinbarung auf den Weg gebracht worden. Die Niederlande müssten sich von der Konvention des Europarats über die Teilhabe von Ausländern am öffentlichen Leben auf kommunaler Ebene (1992) lossagen, um diesen Plan in die Tat umzusetzen.

Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers "Interner Link: Wahlrecht und politische Partizipation von Migranten in Europa".

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Kees Groenendijk ist emeritierter Professor für Rechtssoziologie an der niederländischen Universität Nijmegen, Gründer und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Migrationsrecht der Universität sowie Vorsitzender des Ständigen Expertenausschusses für internationales Migrations-, Flüchtlings- und Strafrecht (Meijers Committee). Er ist Mitglied des Odysseus-Expertennetzwerks zu Europäischer Migration und Asylrecht.
E-Mail: E-Mail Link: cagroenendijk@hotmail.com