Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Einwanderungspolitik | Niederlande | bpb.de

Niederlande Einleitung Historische Entwicklungen Einwanderungspolitik Einwandererbevölkerung Integrationspolitik Staatsbürgerschaft Einwandererintegration Irreguläre Migration Flucht und Asyl Aktuelle Entwicklungen Literatur und Internetquellen

Einwanderungspolitik

Evelyn Ersanilli

/ 4 Minuten zu lesen

Seit Jahrhunderten haben die Niederlande Einwanderer angezogen. Diese wurden lange Zeit dazu ermutigt, ihre eigene Kultur beizubehalten. Das hat sich seit den 1990er Jahren jedoch geändert. Seitdem ist der Druck zur Anpassung an die niederländische Kultur deutlich gewachsen; eine erfolgreiche Integration ist für Einwanderer zunehmend zur Voraussetzung geworden, um Rechte zu erlangen. Dazu hat seit der Jahrtausendwende auch der Wahlerfolg einwanderungsfeindlicher Parteien beigetragen.

Einbürgerungskurs in Den Haag (2002): Seit 2006 muss jeder, der zur Familiengründung oder -zusammenführung in die Niederlande einreisen will, schon im Herkunftsland einen Integrationskurs bestehen. (© picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Ausländergesetz 2000

Im Jahr 2001 trat das "Ausländergesetz 2000" ("Vreemdelingenwet 2000" Vw 2000) in Kraft. Mit diesem Gesetz gingen tiefgreifende Änderungen im Asyl- und Flüchtlingsrecht einher (Interner Link: siehe unten). Das Gesetz reagierte damit auf Entwicklungen in den 1990er Jahren. Während dieser Zeit wurde vor allem die steigende Einwanderung zur Familiengründung mit Sorge betrachtet. Einige dieser Eheschließungen waren nur vorgetäuscht, um an ein Einreisevisum zu gelangen. Darüber hinaus wurde der hohe Anteil an Kindern von, vor allem marokkanischen und türkischen, Einwanderern diskutiert, die sich Ehepartner aus den Herkunftsländern ihrer Eltern wählten. Da diese häufig gering qualifiziert waren, wurde befürchtet, dass dies die sozioökonomische Marginalisierung verlängere. Daher erhöhte das neue Gesetz die Anforderungen für Heiratsmigration.

So muss ein niederländischer Staatsbürger oder Einwohner der Niederlande, der einen ausländischen Familienangehörigen nachkommen lassen will, mindestens 100 Prozent des minimalen Familieneinkommens verdienen (sogar 120 Prozent im Fall von Einwohnern, die keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben), einen Arbeitsvertrag mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr besitzen und 21 Jahre oder älter sein. Das Mindestalter von 21 Jahren gilt ebenso für den Ehepartner, der in die Niederlande einwandern möchte. Seit 1998 muss darüber hinaus der Partner, der (noch) kein Einwohner der Niederlande ist, außerhalb des Landes auf die Genehmigung zur Einwanderung warten. Ausgenommen davon sind lediglich Ehepartner aus den USA, Japan, der Schweiz, Australien und Ländern der EU sowie des Europäischen Wirtschaftsraums (Island, Liechtenstein, Norwegen). Diese Ausnahmen basieren auf bilateralen Abkommen, spiegeln allerdings auch die Befürchtung wider, dass Heiratsmigration nur ein Einfallstor für ökonomisch motivierte Migration sei. Schließlich wurde 2004 das verfügbare Mindesteinkommen bei Einwanderung zum Zwecke der Familiengründung auf 120 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns angehoben, nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2010 jedoch wieder auf 100 Prozent gesenkt. Dieser hatte geurteilt, dass die Anhebung eine unzulässige Hürde darstelle.

Gesetz zu Integrationskursen im Ausland

2006 trat das Gesetz zu Integrationskursen im Ausland (Wet Inburgering Buitenland, Wib) in Kraft. Wer zur Familiengründung oder -zusammenführung in die Niederlande einreisen will, muss seitdem schon im Herkunftsland einen Sprachtest bestehen, der auch Fragen zur niederländischen Gesellschaft beinhaltet. Auch hiervon sind Bürger der EU- und EWR-Mitgliedstaaten, der Interner Link: Schweiz, Monacos, Interner Link: Australiens, Interner Link: Kanadas, Neuseelands, der Interner Link: Vereinigten Staaten, Interner Link: Japans und Südkoreas ausgenommen. 2011 urteilte der niederländische Verwaltungsgerichtshof, dass aufgrund des Assoziierungsvertrags zwischen der Türkei und der EU auch türkische Staatsbürger und ihre Familienangehörigen von dieser Regel ausgenommen werden müssen.

Zu den Lernmaterialien, die Bewerber kaufen können, um sich auf den Test vorzubereiten, gehört auch das kontrovers diskutierte Video "In die Niederlande kommen". Die darin gezeigten Szenen sich küssender homosexueller Männer und sich "oben ohne" sonnender Frauen seien lediglich zur Abschreckung muslimischer Migranten eingefügt, zumal Homosexualität und freizügiges Sonnenbaden nicht unbedingt zu den wichtigsten Werten der niederländischen Gesellschaft gehörten.

Nach der Erschwerung der Familienmigration fielen die Einreisezahlen zunächst deutlich. Seit 2007 steigen diese wieder, was jedoch vor allem der Zuwanderung aus den neuen EU-Staaten zuzuschreiben ist. Niederländer mit türkischem und marokkanischem Hintergrund finden ihre Ehepartner zudem zunehmend innerhalb der jeweiligen ethnischen Gemeinschaften vor Ort anstatt in den Herkunftsländern ihrer Eltern.

Bestimmungen für Hochqualifizierte

Parallel zu den Einschränkungen der Familienmigration begann die Regierung, den Zugang für hochqualifizierte Arbeitnehmer zu erleichtern. 2004 wurden besondere Bestimmungen für Spezialisten (auch Wissensarbeiter bzw. engl. knowledge workers genannt) eingeführt. Angestellte von Unternehmen, die eine Vereinbarung mit der Ausländerbehörde haben, können bevorzugt zugelassen werden. Spezialisten sind zudem von verpflichtenden Integrationskursen ausgenommen. Seit 2006 gilt für ausländische Forscher und Mediziner in der Facharztausbildung kein Mindesteinkommen mehr, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und in einer anerkannten Einrichtung arbeiten. 2007 wurde das Mindesteinkommen für ausländische Absolventen einer niederländischen Hochschule mit einer hochqualifizierten Tätigkeit gesenkt. Zwischen 2008 und 2011 erhielten auf diese Weise 23.390 Spezialisten und 2.400 Ausländer mit niederländischem Hochschulabschluss eine Aufenthaltsgenehmigung. Dagegen war ein Programm, dass Absolventen einer der weltweit 200 besten Universitäten ansprechen sollte, weitgehend erfolglos: Zwischen 2009 und 2012 wurden im Rahmen dieses Programms weniger als 500 Aufenthaltsgenehmigungen vergeben.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Niederlande.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Im Juli 2014 waren dies (analog zum gesetzlichen Mindestlohn) € 17.942,40/Jahr, bzw. € 16.148,16/Jahr für Alleinerziehende.

  2. Chakroun vs Netherlands Ministry of Foreign Affairs, Case C578/08.

  3. Näheres zu diesem Test (auf Englisch) siehe Externer Link: www.naarnederland.nl.

  4. Vgl. u.a. Leerkes/Kulu-Glasgow (2012).

  5. Jennissen (2011).

  6. Vgl. Carol et al (2014).

  7. 2014 betrug dieses Jahresmindesteinkommen € 27.565,92. Für sonstige Hochqualifizierte beträgt es € 38.465,28 für Personen unter 30 Jahren bzw. € 52.462,08 für Personen über 30 Jahre.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Evelyn Ersanilli für bpb.de

Sie dürfen den Text unter Nennung der Lizenz CC BY-NC-ND 3.0 DE und des/der Autors/-in teilen.
Urheberrechtliche Angaben zu Bildern / Grafiken / Videos finden sich direkt bei den Abbildungen.
Sie wollen einen Inhalt von bpb.de nutzen?

Weitere Inhalte

Dr. Evelyn Ersanilli ist Dozentin am Fachbereich Migrationsstudien am Internationalen Migrationsinstitut (IMI) der Universität Oxford. E-Mail: E-Mail Link: evelyn.ersanilli@qeh.ox.ac.uk