Klimawandel und Binnenmigration in Bangladesch
Bangladesch zählt zu den Ländern, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Plötzlich auftretende Naturkatastrophen und schleichende Umweltveränderungen gefährden die Existenzgrundlage von Menschen in Bangladesch, die überwiegend von der Landwirtschaft leben. Migration ist eine der menschlichen Anpassungsstrategien an diese Entwicklung.
Es wird erwartet, dass es in Bangladesch in Zukunft immer häufiger Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, tropische Wirbelstürme und Dürren geben wird. Gleichzeitig werden sich schleichende Prozesse wie die Erosion von Flussufern, der Anstieg des Meeresspiegels und Bodenversalzung unvermindert fortsetzen. Während den Monsun-Monaten wird mit verstärkten Regenfällen und Abschwemmungen von Erdreich gerechnet, während die bereits geringen Regenfälle in der Trockenzeit vermutlich noch weiter zurückgehen werden. Zusammengenommen üben diese Veränderungen einen erhöhten Druck auf das Meeres- und Landökosystem aus und führen zu lokaler Wasserknappheit und Bodendegradation. Der Klimawandel hat also das Potenzial, das Leben und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen in Bangladesch zu zerstören. Die Landbevölkerung, die entlang der großen Flüsse des Landes lebt, ist besonders von Überschwemmungen betroffen, die Küstenbewohner sind von Wirbelstürmen bedroht, während Menschen im Norden des Landes insbesondere unter Dürreperioden und Hitzewellen leiden. Kleinbauern und grundbesitzlose Arbeiter sind besonders anfällig für solche Klimarisiken, da sie bereits heute mit chronischer Armut und Ernährungsunsicherheit zu kämpfen haben[1].




Neben Naturkatastrophen, die ein Gebiet plötzlich und unvorhergesehen treffen können, gibt es auch schleichende Umweltveränderungen, die Menschen dazu zwingen können, ihren Wohnort (vorrübergehend) zu verlassen. Die Erosionen von Flussufern und Küstenstreifen aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels sind zwei Beispiele für solche schleichenden Prozesse. Seit 1973 haben die großen Flüsse Bangladeschs zur Erosion von 158.780 Hektar Land geführt. Allein 2010 wurden 16.000 Menschen, die an den Ufern der Flüsse Ganges und Brahmaputra lebten, gezwungen, ihren Wohnort aufzugeben. Der Anstieg des Meeresspiegels, Küstenerosion und Bodenversalzung werden – neben den nicht zu vergessenden wirtschaftlichen und politischen Faktoren – zur Vertreibung von Menschen aus der Küstenregion und der dicht besiedelten Delta-Region führen[5]. Die Volkszählung aus dem Jahr 2011 zeigte, dass die Bevölkerung in den ländlichen Regionen, die am stärksten von Überschwemmungen, tropischen Wirbelstürmen und Flussufer-Erosion betroffen sind, bereits schrumpft[6]. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 26 Millionen Menschen in Bangladesch durch Sturmfluten und den Anstieg des Meeresspiegels vertrieben werden[7]. Wenn sich das Klima nur moderat verändert, könnten jährlich 250.000 Menschen infolge klimabedingter Naturkatastrophen vertrieben werden. Solche Schätzungen müssen jedoch mit Vorsicht behandelt werden, weil die genauen Gründe, warum Menschen vertrieben werden – oder migrieren sie nicht doch freiwillig? – oft nicht hinreichend berücksichtigt werden. Zudem sind die zugrunde gelegten Annahmen oft sehr vereinfachend. Demnach werden Menschen durch die Natur für immer vertrieben: sie kehren nicht zurück, sie migrieren nicht weiter.
Migration wird somit als ein einmaliger und linearer Prozess betrachtet. Dies ist nicht nur sehr von der Natur determiniert gedacht, da alle anderen sozialen, kulturellen, politischen und räumlichen Faktoren, die die Migrationsentscheidung beeinflussen können, nicht berücksichtigt werden. Es spricht Menschen auch die Fähigkeit ab, existenzbedrohende Situationen zu bewältigen und sich an Umweltveränderungen und andere strukturelle Veränderungen anzupassen. Und schließlich scheint im Vergleich zu den 500.000 Arbeitsmigranten, die Bangladesch jährlich verlassen (und größtenteils wieder dorthin zurückkehren) eine Zahl von 250.000 Menschen, die innerhalb des Landes mobil sind und sich in Städten niederlassen oder als Saisonarbeiter in andere Landesteile ziehen, eine handhabbare Herausforderung für die Menschen in Bangladesch zu sein. Stattdessen könnten eine zunehmende Binnenmobilität und der Ausbau translokaler Systeme der Existenzsicherung den Weg für die zukünftige Entwicklung des Landes ebnen und die Widerstandsfähigkeit der Menschen im Umgang mit Naturkatastrophen verbessern.
Dieser Text ist Teil des Länderprofils Bangladesch.