Aktuelles Migrationsgeschehen und Frankreichs Einwandererbevölkerung
Die Einwanderung nach Frankreich hat in den letzten Jahren kontinuierlich an Gewicht gewonnen. Sie hat die Bevölkerungszusammensetzung nachhaltig geprägt. Heute leben rund 13,1 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Frankreich. Das sind rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Die Einwanderung nach Frankreich ist in den letzten zehn Jahren stetig, aber auf einem auch im internationalen Vergleich eher moderaten Niveau gestiegen. Dies lässt sich an der Vergabe von erstmaligen Aufenthaltserlaubnissen an Drittstaatsangehörige ablesen, wobei die durchaus signifikante Zuwanderung aus anderen EU-Mitgliedstaaten allerdings nicht berücksichtigt wird. Wurden im Jahr 2007 noch rund 172.000 Aufenthaltstitel an Neuzuwanderer aus Drittstaaten vergeben, waren es 2015 217.533 und 2016 nach vorläufigen Angaben 227.550 (vgl. Abbildung 1). Die überwiegende Form der Neuzuwanderung ist nach wie vor der Familiennachzug (2016: ca. 88.000 Aufenthaltstitel dieser Kategorie vergeben), gefolgt von Bildungsmigration (2016: ca. 70.250 Aufenthaltstitel für ausländische Studierende), dem Zuzug von Schutzsuchenden (2016: ca. 32.300) und Arbeitsmigration (2016: ca. 22.600 wirtschaftliche Aufenthaltstitel vergeben).


Insgesamt war der Migrationssaldo (Nettozuwanderung) in den letzten Jahren durchgehend positiv und ist leicht angestiegen. Der Saldo wird in Frankreich nachträglich berechnet, da die Fortzüge nicht unmittelbar statistisch erfasst werden. Die Zahlen liegen daher immer erst mit einiger Verzögerung vor. 2013 lag er bei etwa 107.000 Personen. Somit trug die Migration zum Wachstum der französischen Bevölkerung bei. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie z.B. Deutschland hat Frankreich auch einen deutlichen Geburtenüberschuss, der aber seit einigen Jahren sinkt und 2016 nach vorläufigen Zahlen erstmals unter die Schwelle von 200.000 gefallen ist. Durchschnittlich lag die Geburtenrate in Frankreich 2016 bei 1,93 Kindern pro Frau und damit zwar niedriger als noch 2010 (2,01 Kinder pro Frau), aber dennoch über dem europäischen Durchschnitt.[2] Die Geburtenrate von eingewanderten Frauen liegt im Durchschnitt etwas höher, die Geburtenrate von Nachfahren von Einwanderern ist nahezu identisch mit der von Französinnen ohne Migrationshintergrund.[3]
Die Einwandererbevölkerung


In die statistische Kategorie Ausländer fallen Personen mit nicht-französischer Staatsbürgerschaft, auch wenn sie in Frankreich geboren wurden. Insgesamt lebten 2013 4,08 Millionen Ausländer in Frankreich, davon 3,96 im Mutterland. 3,48 Millionen von ihnen waren im Ausland geboren worden; rund 600.000 in Frankreich. Der Ausländeranteil lag bei 6,2 Prozent. Sowohl die absolute Zahl der Ausländer als auch der Ausländeranteil steigen somit seit Ende der 1990er Jahre an.
Abbildung 3: Einwanderer und Ausländer in der amtlichen Statistik

Gleichzeitig zum relativen und absoluten Anstieg der Einwandererbevölkerung hat sich deren Zusammensetzung nach Herkunftsregionen gewandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der überwiegende Teil der Einwanderer aus Europa (1962: 79 Prozent). Dieser Anteil ist kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2013 lag er bei 36,5 Prozent. Im Jahr 2005 lebten zum ersten Mal mehr Einwanderer aus afrikanischen Staaten[5] in Frankreich (1962: 15,3 Prozent; 2005: 42,2 Prozent) als aus Europa.
Auch im Jahr 2013 bildeten Migranten aus Afrika die größte Ausländergruppe in Frankreich (43,5 Prozent). Vertreten sind vor allem Zuwanderer aus den ehemaligen französischen Kolonien im Norden des afrikanischen Kontinents – Algerien, Marokko und Tunesien. Auch die Zuwanderung aus Asien hat deutlich zugenommen (1962: 2,4 Prozent; 2005: 13,9 Prozent; 2013: 14,4 Prozent). Die Türkei ist das wichtigste Herkunftsland aus dem asiatischen Raum.[6]
Die wichtigsten Herkunftsländer der in Frankreich lebenden ausländischen Bevölkerung im Einzelnen waren 2013 Portugal (519.500), Algerien (476.470), Marokko (443.379), die Türkei (216.423), Italien (177.171), Tunesien (161.451), Großbritannien (153.608) und Spanien (138.672).
Tabelle 1: Einwandererbevölkerung nach Geburtsland 2013
In Prozent | In absoluten Zahlen | |
---|---|---|
Portugal | 10 | 606.897 |
Italien | 5 | 288.964 |
Spanien | 4 | 245.669 |
Andere Mitgliedstaaten der EU-27 | 12 | 710.207 |
Andere europäische Länder | 5 | 274,775 |
Algerien | 13 | 760.289 |
Marokko | 12 | 709.619 |
Tunesien | 5 | 258.812 |
Andere afrikanische Länder | 14 | 811.490 |
Türkei | 4 | 248.640 |
Andere Länder | 16 | 919.981 |
Gesamt | 100 | 5.835.344 |
Quelle: Nationales Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE), Zensus 2013.
Neben der Zusammensetzung der Herkunftsländer hat sich auch das Geschlechterverhältnis unter den Einwanderern im Laufe der Jahre gewandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zunächst überwiegend alleinreisende Männer, um in Frankreich zu arbeiten. Seit 1974 überwiegt mit der Familienzusammenführung die weibliche Einwanderung. Seit dem Jahrtausendwechsel ist der Anteil der weiblichen und männlichen Einwanderer so gut wie ausgeglichen.[7]
Nachkommen von Einwanderern
Als Nachkommen von Einwanderern (descendants d’immigrés) werden in Frankreich geborene Personen verstanden, von denen mindestens ein Elternteil mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Ausland geboren wurde. Diese Erfassungsweise berücksichtigt also vor allem die zweite Generation. Schätzungen für das Jahr 2015 gehen davon aus, dass rund 7,3 Millionen in Frankreich lebende Personen zu dieser Gruppe gezählt werden können. Dies entspricht einem Anteil von 11 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Zusammensetzung der Gruppe der Nachkommen von Einwanderern spiegelt die Migrationsgeschichte Frankreichs wider. Rund 3,3 Millionen Personen (bzw. 45 Prozent) mit Zuwanderungsgeschichte hatten mindestens einen Elternteil, der aus einem europäischen Land nach Frankreich eingewandert war, vor allem aus Italien, Spanien und Portugal, also Ländern, die bereits in Frühphasen der Arbeitsmigration seit dem 19. Jahrhundert einen Großteil der ausländischen Arbeitskräfte in Frankreich stellten. Weitere rund 2,3 Millionen Personen (bzw. 31 Prozent) waren Nachkommen von Einwanderern aus dem Maghreb, also aus ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika. Die übrigen rund 1,3 Millionen Personen (bzw. 24 Prozent) mit Zuwanderungsgeschichte hatten ihre Wurzeln in anderen Regionen Afrikas und in Asien, also in Herkunftsgebieten, aus denen sich die jüngere Zuwanderung nach Frankreich speist. Bei den Nachkommen von Einwanderern handelt es sich um eine junge Bevölkerung. Fast die Hälfte sind unter 25 Jahre (47 Prozent). Bei der Gruppe ohne Migranteneltern waren es 30 Prozent.[8]Insgesamt leben also rund 13,1 Millionen Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte in Frankreich (7,3 Millionen Nachkommen von Einwanderern und 5,8 Millionen Einwanderer). Zusammen entspricht dies einem Anteil von rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das bedeutet, dass etwa jeder fünfte Einwohner Frankreichs eine direkte oder indirekte Migrationsgeschichte hat, die noch nicht sehr lange zurückliegt. Die Einwandererbevölkerung ist noch etwas größer, wenn man auch die dritte Generation hinzuzählt. Dabei handelt es sich aufgrund des sogenannten doppelten Bodenrechts (vgl. Kapitel Staatsangehörigkeit und Staatsangehörigkeitserwerb) ausschließlich um französische Staatsbürger. Eine Schätzung, die auf Daten von 2011 basiert, kommt für die dritte Generation auf rund 4,7 Millionen Menschen.[9]
Lebenslage der Einwandererbevölkerung
In Bezug auf die Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern zeigt sich gegenüber der französischen Gesamtbevölkerung eine deutliche Benachteiligung. Das gilt vornehmlich für Drittstaatsangehörige. Sie sind häufiger von Arbeitslosigkeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen und zeigen niedrigere Erwerbsquoten auf.Im Jahr 2015 lag die Erwerbsquote in der eingewanderten Bevölkerung bei 54,8 Prozent gegenüber 56,3 Prozent in der nichteingewanderten französischen Bevölkerung. Die niedrigere Erwerbsquote ergab sich dabei vor allem aus der im Vergleich zu nichteingewanderten Frauen (52,2 Prozent) niedrigen Erwerbsquote von Einwanderinnen (47,8 Prozent), wobei es bedeutsame herkunftslandspezifische Unterschiede gibt. Besonders niedrig war die Erwerbsquote bei Frauen aus Nicht-EU-Staaten.
Einwanderer aus Drittstaaten waren im Jahr 2015 mehr als doppelt so häufig arbeitslos wie nichteingewanderte Personen – ihre Arbeitslosenquote lag bei 20,8 Prozent gegenüber 9,1 Prozent. Die höhere Arbeitslosigkeit vor allem unter Drittstaatlern sowie ihre Anstellung in oft prekären Beschäftigungsverhältnissen gehören zu den Ursachen eines erhöhten Armutsrisikos innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe.[10]
Das Bildungsniveau der Einwanderer ist im langfristigen Trend deutlich gestiegen und es ist ein Aufholen gegenüber der Nicht-Einwanderer-Bevölkerung zu beobachten. Dennoch besteht weiterhin eine Bildungsbenachteiligung, die sich insbesondere im Hinblick auf die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zeigt. Studien zeigen, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischen Leistungen in Frankreich stärker ausgeprägt ist als in den meisten anderen Industrieländern.[11] Davon sind vor allem Kinder aus Einwandererfamilien betroffen, die somit nur geringe gesellschaftliche Aufstiegschancen haben.
Regional konzentrieren sich die Einwanderer in Frankreich auf die großen Ballungsgebiete und hier vor allem auf die Vororte. In den Ballungsgebieten lebten Daten aus dem Jahr 2012 zufolge etwa acht von zehn Einwanderern. Bei Einwanderern aus afrikanischen und asiatischen Staaten ist diese Konzentration besonders stark ausgeprägt. Die Region mit dem höchsten Einwandereranteil ist die Region Île-de-France (Großraum Paris), wo knapp 40 Prozent der Einwanderer leben bzw. ca. 2,2 Millionen Personen. In den sechs – nach Paris – größten Städten Frankreichs (Lyon, Marseille, Toulouse, Lille, Bordeaux und Nizza) leben zusammen rund 15 Prozent der Einwanderer bzw. 842.000 Personen. Die geografische Verteilung der zweiten Generation ähnelt stark jener der Einwanderer, wobei die Konzentration auf Paris etwas schwächer ausfällt.
Dieser Text ist Teil des Migrationsprofils Frankreich.
Fußnoten
- 1.
- Eurostat, Tabelle "First permits by reason, length of validity and citizenship" [migr_resfirst], abgerufen am 24.3.2017.
- 2.
- Pla/Beaumel (2012) und Pla/Beaumel (2011), INSEE (2017a).
- 3.
- DSED (2015).
- 4.
- INSEE (2016b). In Frankreich besteht keine Pflicht, den Wohnsitz zu melden. Umfassende Informationen über die Bevölkerung werden nur alle acht bis neun Jahre in allgemeinen Volkszählungen erhoben (recensements de la population) auf deren Basis sich dann auch Aussagen über die Zuwandererbevölkerung treffen lassen. Der letzte Zensus hat 2013 stattgefunden. Sensible Daten zu z.B. Religionszugehörigkeit oder ethnischer Abstammung dürfen dabei nicht erfasst werden, was Aussagen zu Einwanderungs- und Integrationsprozessen erschwert.
- 5.
- Vor allem aus den Maghreb-Staaten (Tunesien, Marokko, Algerien).
- 6.
- INSEE (2016b).
- 7.
- Ministère de l’Intérieur (2017).
- 8.
- INSEE (2017b).
- 9.
- Tribalat (2015), S.12-14.
- 10.
- Ministère de l'intérieur/DSED (2016).
- 11.
- Peugny (2016).
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