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Wie die Weltkriege endeten

Sönke Neitzel

/ 13 Minuten zu lesen

Die Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges waren von Instabilität durch Bürgerkrieg und ethnische Konflikte geprägt, und auch nach 1945 wirkte die Gewalt in Form von regionalen Kriegen, Flucht und Vertreibung nach.

Der Krieg ist zu Ende – die Reaktionen und Stimmungen in den verschiedenen Ländern weichen jedoch zum Teil stark voneinander ab: US-Soldaten freuen sich 1918 in Camp Dix, New Jersey, über ihre Entlassung aus dem Kriegsdienst. (© picture-alliance / akg-images)

Die Pariser Friedensverträge

Als im Januar 1919 die Pariser Friedensverhandlungen begannen, saß der Hass der Völker aufeinander tiefer denn je. Der Erste Weltkrieg hatte viele Opfer gefordert: Rund zehn Millionen Menschen starben in den vier Kriegsjahren, die indigene Bevölkerung in den Kolonien nicht mitgerechnet. 2 037 000 deutsche Soldaten fielen, 4 950 000 wurden verwundet. Bei etwa 13 Millionen Kriegsteilnehmern entsprach dies einer Verlustquote von 15 Prozent. 1,8 Millionen Russen starben und 1,3 Millionen Franzosen. Prozentual zur eingesetzten Zahl an Soldaten hatte Frankreich die höchste Verlustquote der Großmächte zu beklagen.

Dieser Krieg hatte keine stabilen Lösungen gebracht, im Gegenteil – er hatte im Vergleich zur Vorkriegszeit noch mehr Wunden aufgerissen und noch mehr Begehrlichkeiten geweckt. Zudem war unübersehbar, dass sich die Siegermächte keineswegs darüber einig waren, was bei den Friedensverhandlungen in Paris eigentlich herauskommen sollte. Mit der Auslieferung der deutschen Hochseeflotte und der Besetzung der Kolonien waren etwa für London schon bei Beginn der Verhandlungen im Januar 1919 die wichtigsten Forderungen erfüllt.

Frankreich und der "Cordon sanitaire"

Für Frankreich stellte sich die internationale Konstellation ganz anders dar: Mit der Revolution der Bolschewiki fiel Russland als zentraler Pfeiler des französischen Bündnissystems weg. Damit gab es für Deutschland auch keine Zweifrontenbedrohung mehr – erstmals seit 1894. Die beste Möglichkeit zur Sicherung der eigenen Ostgrenze, über die die Deutschen binnen 40 Jahren zweimal eingefallen waren, wäre sicher die Auflösung des Deutschen Reiches in eine Reihe von unabhängigen und schwachen Staaten gewesen. Solche Pläne hat der französische Generalstab 1916 aufgestellt. Derartige Maximalforderungen ließen sich bei den Verhandlungen jedoch nicht durchsetzen. Insbesondere US-Präsident Woodrow Wilson stellte sich einem "karthagischen Frieden" vehement entgegen.

Doch was war zu tun, wenn das Reich nicht aufgelöst wurde und daher zumindest als potenzielle Großmacht erhalten blieb? Zunächst galt es, das Land mit Gebietsabtretungen im Westen und Osten zumindest zu schwächen. Dann aber musste unbedingt ein Ersatz für Russland geschaffen werden: der "Cordon sanitaire", ein Gürtel ostmitteleuropäischer Staaten, die Deutschland von Osten her bedrohten und zugleich als Puffer gegen Sowjetrussland wirkten. Damit insbesondere Polen und die Tschechoslowakei die ihnen zugedachte Rolle möglichst gut erfüllen konnten, wurden die Grenzziehungen und Nationalitätenkonflikte stets zugunsten der kleinen Staaten gestaltet. So verhinderte man zugleich, dass sich Berlin mit Warschau und Prag verbünden konnte.

Instabilität durch Bürgerkrieg und ethnische Konflikte

Allerdings war die Lage in Ostmitteleuropa unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg überaus instabil. Im Winter 1918/19 entstanden auf dem Territorium der zerfallenen Vielvölkerreiche Russland und Österreich-Ungarn zehn neue Staaten (Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechoslowakei, Österreich, Ungarn, Sowjetrussland sowie das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen; siehe auch Karte III). Die meisten befanden sich inmitten eines revolutionären Umbruchs und lagen zudem in Streit mit ihren Nachbarn. In der Steiermark und in Kärnten kämpften serbische Truppen gegen österreichische Heimwehren, im Teschener Gebiet fochten Tschechen gegen Polen, in Fiume Italiener gegen Kroaten, in Schlesien Deutsche gegen Polen, in Wilna Polen gegen Litauer. Schließlich gerieten auch Polen mit Russen aneinander, was 1920 zum polnisch-sowjetrussischen Krieg führte. Über allem lag der russische Bürgerkrieg, in dem die Bolschewiki mit ihren "weißen" Gegnern um die Macht rangen. Der Konflikt forderte bis 1922 acht Millionen Tote, beinahe so viele wie der gesamte Erste Weltkrieg. Mit der Niederlage des Osmanischen Reiches stand zudem die Neuordnung des gesamten Nahen Ostens auf dem Programm, die eine Vielzahl von Interessenten auf den Plan rief.

In Paris wurde also über viel mehr verhandelt als nur über die Schwächung Deutschlands. Die Grenzen Europas und Kleinasiens wurden neu gezogen. Gleich was die Siegermächte beschließen würden, eine einvernehmliche Lösung war nicht in Sicht, da es unmöglich war, etwa die Ethnien in Ostmitteleuropa sauber voneinander zu trennen. Zudem musste es den Siegermächten in erster Linie darum gehen, lebensfähige Staaten zu bilden und keineswegs darum, überall das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu verwirklichen. Wilson hatte dies bereits lange vor dem Waffenstillstand deutlich gemacht. Und dabei war die "self-determination of the nations" nur ein Gesichtspunkt unter mehreren – etwa der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit eines Staates. Es liegt auf der Hand, dass alle Beteiligten das Selbstbestimmungsrecht stets zu ihren Gunsten interpretierten – und dabei geflissentlich übersahen, dass Wilson ein ganz anderes Verständnis von diesem Prinzip hatte. Er verstand darunter letztlich "bürgerliche Selbstbestimmung" im Sinne von Demokratie und Demokratisierung, glaubte er doch daran, dass Demokratien prinzipiell friedfertiger als andere politische Ordnungen seien. Diese Wilsonsche Interpretation war vielen, allen voran den Deutschen, nicht bewusst.

QuellentextErgebnisse des russischen Bürgerkriegs

Die Bolschewiki wollten aus dem immer noch überwiegend agrarischen Russland eine moderne Industriegesellschaft machen, allerdings keine kapitalistische, sondern eine andere, sozialistische. […] Der Versuch, sie unter den Bedingungen des Bürgerkriegs sofort umzusetzen, endete in Chaos und Gewalt.
Die ersten Jahre der Sowjetherrschaft brachten keinen Fortschritt, sondern Tod, Zerstörung und eine Regression zu früheren Formen sozialer Organisation: Sieben bis acht Millionen Menschen kamen ums Leben, weitere fünf Millionen fielen der dem Bürgerkrieg folgenden Hungersnot zum Opfer, zwei Millionen emigrierten. Die rechtsstaatlichen und administrativen Strukturen, die das späte Zarenreich zu etablieren begonnen hatte, wurden radikal zerstört, die politischen Eliten umfassend ausgetauscht, die zivilgesellschaftlichen Ansätze, die es seit 1905 gegeben hatte, beiseitegefegt. Obrigkeitliche Disziplinierung und Bevormundung sollten für die kommenden 70 Jahre die Sowjetherrschaft kennzeichnen. [...]

Revolution und Bürgerkrieg erzeugten ein ökonomisches Chaos. Unternehmer, Manager und Fachkräfte flüchteten oder wurden aus den Fabriken und Betrieben vertrieben, Arbeiter und nichtqualifizierte bolschewistische Funktionäre übernahmen die Kontrolle, Fabrikanlagen wurden im Zuge der Kriegshandlungen zerstört. Die Produktion kam weitgehend zum Erliegen, die Geldwirtschaft brach zusammen, und die ökonomischen Beziehungen fielen auf das Niveau des Naturaltauschs zurück. Das Land wurde im Bürgerkrieg in beispielloser Weise verwüstet. Hunger und Seuchen dezimierten die Bevölkerung. Flüchtlingsströme zogen durch das Land. Selbst die größten Städte waren in einem unbeschreiblichen Zustand, wie ein Bericht vom Mai 1919 illustriert: "In ganz Moskau sind alle Läden bis auf einige Lebensmittelläden geschlossen. Die Straßenbahn funktioniert nicht. Die Straßen werden nicht von Dreck und Schnee gereinigt. Die öffentlichen Toiletten sind verschmutzt und zugenagelt; deswegen sind alle Plätze, Gärten, Tore und Höfe mit Abfällen und Mist verdreckt. Auf den Straßen hinter dem Gartenring liegen Pferde- und Hundekadaver. Die Bürgersteige stehen unter Wasser, das in der Nacht einfriert. [...] Man trifft auf Verhungernde und Irre. Auf der Tverskaja-Straße, in der Cˇernyšov-Gasse sind wir auf eine Kinderleiche gestoßen, die von Raben zerfetzt worden war."

Wegen der zusammenbrechenden Versorgung kam es vorübergehend zu einer Entvölkerung der Städte, weil die Menschen aufs Land flüchteten, wo sie leichter an Nahrungsmittel gelangen konnten. Viele Arbeiter hatten noch Beziehungen ins Dorf, sodass sie bei ihren Verwandten unterschlüpfen konnten. 1921 spitzte sich aber auch auf den Dörfern die Misere zu. In der Not wurde geraubt, gemordet und geplündert. Die Berichte von Zeitzeugen evozieren Bilder, wie wir sie heute aus dem Kongo kennen: Leichen auf den Straßen, ausufernde Gewaltkriminalität, Heerscharen von Obdachlosen und verwahrlosten Kindern. Etwa sieben Millionen elternlose Kinder und Jugendliche zogen in Banden übers Land, übernachteten auf Bahnhöfen oder auf freier Straße, ernährten sich von Abfällen oder lebten von Bettelei, Prostitution, Diebstahl und Raubüberfällen. […]
Der Bürgerkrieg hatte weitreichende mentalitätsgeschichtliche und kollektivbiographische Konsequenzen. Die Jugendlichen dieser Zeit sollten in den 1930er-Jahren als menschenverachtende Schergen des stalinistischen Terrors agieren und das Töten von Mitbürgern als Alltagshandlung vollziehen. Große Teile der Bevölkerung wurden durch den Bürgerkrieg und seine Auswirkungen traumatisiert. Andere, die in ihm kämpften, lernten dabei, die eigene Realität auf eine ganz spezifische Weise wahrzunehmen, nämlich als von Feinden eingekreist, gegen die man mit Waffengewalt kämpfen, die man töten musste. Das Bild vom äußeren verschob sich auf den inneren Feind, was ein Schwarz-Weiß-Denken und eine permanente Klassifizierung der Menschen in "Freund" und "Feind" bewirkte. Das mittelfristige mentale Resultat war für diejenigen, die sich den Bolschewiki anschlossen, eine radikale Militanz, die Verherrlichung von Kampf und Gewalt, ein Sich-bewähren-Wollen im Kampf gegen innere und äußere Feinde. Das sind Auswirkungen des Bürgerkriegs, die in den 1930er-Jahren wieder zum Tragen kamen, als diejenige Generation, die während des Bürgerkriegs ihre Jugend und ihren Aufstieg erlebt hatte, in mittlere und höhere Positionen aufgerückt war.

Dietmar Neutatz, Träume und Alpträume. Eine Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert, C. H. Beck Verlag München 2013, Seite 168 ff.

Auswirkungen der Pariser Vorortverträge

Auf die einzelnen Bestimmungen der fünf Pariser Vorortverträge (am 28. Juni 1919 in Versailles mit Deutschland, am 10. September 1919 in St. Germain mit Österreich, am 27. November 1919 in Neuilly mit Bulgarien, am 4. Juni 1920 in Trianon mit Ungarn, am 10. August 1920 in Sèvres mit dem Osmanischen Reich) kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Zu Versailles hier nur so viel: Für einen harten Frieden waren die Bedingungen nicht weitreichend genug, für einen Ausgleichsfrieden aber waren sie zu einschneidend.

Heraus kam ein unglückliches Mittelding, mit dem Sieger und Besiegte gleichermaßen unzufrieden waren: In Deutschland war der Kampf gegen "Versailles" der einzige gemeinsame Nenner der Gesellschaft – was angesichts des tiefen Grabens zwischen linken und rechten politischen Kräften in der Weimarer Republik gar nicht genug betont werden kann. Die Niederlage nahm man nicht als endgültig hin. Insbesondere viele Militärs waren vom Gedanken durchdrungen, es das nächste Mal "besser" zu machen.

Auch in Ungarn war klar, dass der Frieden von Trianon niemals akzeptiert werden würde – immerhin lebte nun ein Drittel des ungarischen Volkes außerhalb des ungarischen Staates.

Doch damit nicht genug. Sèvres war sicher der härteste von allen Pariser Friedensverträgen. Während Deutschland als Großmacht de facto erhalten blieb, wurde die Türkei auf Kosten der Griechen, Armenier, Briten, Franzosen und Italiener zu einem kaum mehr lebensfähigen Rumpfstaat verkleinert. Sehr bald regte sich massiver Widerstand, und nach dem Sieg türkischer Truppen gegen die Griechen wurde neu verhandelt.

QuellentextGriechisch-türkischer Konflikt

Mit britischer Billigung landeten griechische Truppen im Mai 1919 in Smyrna – ein großer Schritt bei der Realisierung […] eines Großgriechenlands beiderseits der Ägäis. Nach außen legitimierte Griechenland die Expansion nach Osten mit der Existenz einer starken griechischen Minderheit im westlichen Kleinasien und der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung. [...]
1921 zog die griechische Armee mit erneuter britischer Billigung ins Innere Anatoliens, wo sie eine Spur der Verwüstung hinterließ. [...] Dieser in seiner Zielsetzung und Ausführung koloniale Krieg provozierte allerdings energischen Widerstand. [...] Im August 1921 schlug Kemal Pascha die griechische Armee 70 Kilometer vor Ankara vernichtend. Vor der Gegenoffensive flohen dann nicht nur die griechischen Truppen, sondern fast alle christlichen Zivilisten. Einerseits befürchteten sie ein Schicksal wie das der Armenier 1915, andererseits ließ ihnen die Taktik der verbrannten Erde beim Rückzug der Armee kaum eine Wahl. [...]
Als die türkischen Truppen im September 1922 in Smyrna/Izmir einrückten, waren dort bereits Hunderttausende von Flüchtlingen eingetroffen. Mit dem Einmarsch begannen Ausschreitungen, an denen sich vor allem paramilitärische Einheiten beteiligten. Frauen wurden vergewaltigt, Menschen auf offener Straße erschlagen, der griechisch-orthodoxe Metropolit Chrysostomos gelyncht. [...]
Tragischer Höhepunkt des griechisch-türkischen Krieges war der große Brand von Smyrna, dem das griechische und armenische Viertel zum Opfer fielen. [...]
Veranlasst durch das Flüchtlingsdrama entschied sich die internationale Staatengemeinschaft für eine Intervention. Die Großmächte schickten Schiffe, um Flüchtlinge aufzunehmen und nach Griechenland zu bringen, und sondierten Anfang Oktober über den Hochkommissar der Alliierten in Istanbul, ob sich die türkische Regierung auf einen Bevölkerungsaustausch einlassen würde. Die Türkei stimmte schließlich einer Friedenskonferenz unter Federführung der Großmächte in der neutralen Schweiz und einem sofortigen Waffenstillstand zu. [...]

Die unterzeichnenden Länder und Mächte legitimierten den Vertrag von Lausanne als "wahre Befriedung" (true pacification). Außerdem brachten die beteiligten Staaten zu ihrer moralischen Entlastung vor, Lausanne habe bloß eine Massenflucht bestätigt. De facto erweiterten die Beschlüsse aber die Arena ethnischer Säuberungen. Obwohl der griechisch-türkische Krieg nur das westliche Kleinasien betroffen hatte, erfasste das Abkommen Gebiete fernab der Kampfhandlungen, so etwa entlang der Schwarzmeerküste und im anatolischen Hochland. Nur Westthrakien und Istanbul blieben von dem "Bevölkerungsaustausch" verschont, wovon neben den Griechen vor allem die Armenier in der damaligen Hauptstadt der Türkei profitierten. [...]
[I]nsgesamt 700000 Menschen verloren erst nach dem Abschluss des Abkommens von Lausanne ihre Heimat. Als sich die Nachrichten über das Resultat der Konferenz in Griechenland und in der Türkei verbreiteten, reagierten die betroffenen Minderheiten mit Protesten und Demonstrationen. So angespannt die Verhältnisse sein mochten, wollten offenbar nur die Wenigsten ihre Heimat und ihr Hab und Gut zurücklassen. Der Widerstand half aber nichts, denn im Abkommen von Lausanne waren der Zwangscharakter und die Ausnahmslosigkeit der Migration festgelegt.
Obwohl das Abkommen zunächst vor allem den Flüchtlingen helfen sollte, verbesserte sich die humanitäre Lage in vielen Gegenden nicht. Vor dem Abtransport wurden die Flüchtlinge häufig misshandelt und ausgeraubt. Entgegen allem technokratischen Optimismus fehlten 1923 an der Schwarzmeerküste Schiffe für den Abtransport. In Griechenland mangelte es an Lagern und Unterkünften für die Aufnahme. [...]
Es gibt keine verlässlichen Opferzahlen des griechisch-türkischen Krieges und der damit einhergehenden ethnischen Säuberungen, aber allein nach der Ankunft in "ihrem" Nationalstaat starben gemäß den amtlichen griechischen Statistiken 75000 Menschen an Mangelernährung, Epidemien und Seuchen. Während des Krieges dürfte die Zahl der Opfer unter den Flüchtlingen deutlich höher gelegen haben. [...] [D]er in Lausanne sanktionierte "Bevölkerungsaustausch" [war] abgesehen von den Ausnahmen in Istanbul und Westthrakien total. Die Türkei galt fortan als homogener Nationalstaat, in Makedonien stieg der griechische Bevölkerungsanteil von 43 Prozent im Jahr 1913 auf fast 90 Prozent im Jahr 1926. [...]

Philipp Ther, Die dunkle Seite der Nationalstaaten. "Ethnische Säuberungen" im modernen Europa, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, Seite 96 ff.

Im Frieden von Lausanne 1923 sind dann die bis heute gültigen Landesgrenzen der Türkei festgelegt worden. Bedeutend war dieser Vertrag aber nicht nur, weil damit ein Verlierer des Ersten Weltkrieges die in Paris ausgehandelten Friedensbedingungen revidierte, sondern auch, weil ihm die von zahlreichen Massakern begleitete Vertreibung von 1,5 Millionen Griechen aus Kleinasien und von 500 000 Türken aus Griechenland folgte. In einem Klima der Gewalt schien es nicht mehr möglich zu sein, dass beide Völker friedlich nebeneinander lebten.

Entsetzt über die harten Bedingungen der Pariser Friedensverträge versagte der US-amerikanische Kongress Präsident Wilson die Zustimmung. Die USA zogen sich politisch – wenn auch nicht wirtschaftlich – aus der europäischen Politik zurück. In Frankreich war man bitter enttäuscht über den verlorenen Frieden. Dafür sollte das Land so geblutet haben? Paris zielte dementsprechend darauf ab, noch mehr herauszuschlagen und insgeheim doch noch die Rheingrenze durchzusetzen. Als dies nicht gelang, fielen nach 1923 weite Teile der Gesellschaft in eine tiefe Resignation, die wiederum auf die Politik zurückwirkte. Diese Entwicklung war ein Grund für die passive französische Außenpolitik der 1930er-Jahre und letztlich für die Niederlage von 1940.

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass sich in Italien in Folge des Friedens von St. Germain die gesellschaftliche Spaltung verschärfte: Angesichts von 460 000 Toten fühlten sich die Neutralisten in ihrer Ablehnung des Krieges bestätigt, während sich die Kriegsbefürworter um die Beute des Sieges, etwa die Stadt Fiume und Landgewinne an der adriatischen Küste, betrogen sahen. Der Nährboden für die Machtübernahme Mussolinis 1922 war gelegt.

Die größte Schwäche der Pariser Verträge und des aus diesen hervorgehenden Völkerbundes war zweifellos, dass sie – anders als der Wiener Kongress 1815 – keine Grundlage für ein stabiles Staatensystem schufen. Sowjetrussland stand abseits und bald auch die Vereinigten Staaten. Vor allem waren die Verlierer des Weltkrieges vorerst ausgeschlossen. Es handelte sich also nur um eine Teilordnung West- und Mitteleuropas, die unter einem permanenten Revisionsdruck kleiner und großer Mächte stand.

Trotz dieser niederschmetternden Bilanz waren die Pariser Vorortverträge besser als ihr Ruf. Allzu sehr ist man versucht, sie aus der Perspektive der 1930er-Jahre zu betrachten und nicht – wie es eigentlich geboten ist – aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. 1919/20 standen die uneinigen Siegermächte vor der Herausforderung, in einem Klima von Misstrauen und Abneigung mit instabilen Staaten eine stabile Friedensordnung zu schaffen. Dabei konnte kein Meisterstück herauskommen. Die Zukunft musste zeigen, wie flexibel das System sein würde, ob es sich evolutionär weiterentwickelte, um die Ungerechtigkeiten zumindest so weit abzumildern, dass die Staaten Europas zu einem dauerhaften Miteinander finden konnten.

Situation und Neuordnung nach 1945

Auch der Zweite Weltkrieg hörte am Tag der Kapitulation nicht einfach auf. Neben den Kampfhandlungen der Großmächte waren eine Vielzahl von Bürgerkriegen, ethnischen Konflikten und regionalen Kriegen ausgetragen worden, die ihre eigene Dynamik aufwiesen und teilweise erst nach Mai 1945 ihre volle Kraft entfalteten.

Die Gewalt der Kriegsjahre hatte zudem bei Hunderttausenden Rachegelüste hervorgerufen, die sich in Zeiten zusammenbrechender öffentlicher Ordnungen Bahn brachen. So ermordete die jugoslawische kommunistische Guerillabewegung unter Führung von Josip Broz (Tito) zwischen Bleiburg und Maribor unter den Augen britischer Truppen 50 000 bis 60 000 Angehörige der kroatischen Ustascha, der slowenischen Heimwehren und der serbischen Tschetniks. Diese Massaker hatten ihre Vorgeschichte im blutigen jugoslawischen Bürgerkrieg seit 1941, in dem der Kampf gegen die deutsche und italienische Besatzungsmacht nur ein Teil des Konfliktes war. Überall in Europa wurden nun alte Rechnungen beglichen. In Italien fielen 12 000 bis 20 000 Faschisten der Rache zum Opfer, in Frankreich exekutierte man etwa 9000 Kollaborateure.

Den politisch-militärischen Rahmen des Kriegsendes bestimmten die Alliierten mit ihrer Entschlossenheit, den Kampf bis zur bedingungslosen Kapitulation ihrer Hauptgegner fortzuführen. Diesmal sollte es keine störenden Einflüsse geben wie einst die 14 Punkte Wilsons, die man 1919/20 nicht vollkommen hatte beiseite wischen können. Da auch Hitler jedes Einlenken strikt untersagte und seine innenpolitische Machtstellung nach dem gescheiterten Bombenattentat vom 20. Juli 1944 stärker denn je war, endete der Kampf in Europa erst, als der Diktator tot und Deutschland vollständig von den Alliierten besetzt war.

Grenzverschiebungen und Blockbildung

Durch den aufziehenden Kalten Krieg verkomplizierten sich die Verhältnisse auf der diplomatischen Bühne sehr bald. Auf der Pariser Friedenskonferenz von 1946 herrschte noch Einigkeit. Italien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Finnland erhielten ihre staatliche Souveränität zurück. Sie mussten vergleichsweise hohe Reparationszahlungen vor allem an die Sowjetunion leisten, und es kam zu einer Reihe von meist kleineren Grenzkorrekturen. Mit Japan wurde 1952 der Friedensvertrag von San Francisco geschlossen, den die Volksrepublik China und die Sowjetunion schon nicht mehr unterschrieben. Über das weitere Schicksal Deutschlands scheiterten die Verhandlungen schon im Ansatz, sodass die Sieger bald eigene Wege gingen. Die Westmächte und die Sowjetunion gründeten 1949 jeweils deutsche Teilstaaten, in denen 1954 und 1955 die Besatzungsstatute beendet wurden. Bezüglich West-Berlins und einer möglichen Wiedervereinigung gab es aber noch Vorbehaltsrechte. Erst mit dem im März 1991 in Kraft getretenen 2+4-Vertrag wurde die Bundesrepublik wieder vollständig souverän. Das Abkommen markierte das Ende der Nachkriegszeit und gilt als Friedensvertrag.

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden keine neuen Staaten, es wurden auch keine Großreiche aufgelöst so wie 1918/19. Gleichwohl gab es bedeutende Grenzverschiebungen. Die Sowjetunion behielt alle territorialen Gewinne. Die drei baltischen Staaten blieben sowjetisch, ebenso wie das 1939 annektierte Ostpolen (s. a. Karte VIII).

Gegen die Rückkehr der Sowjets regte sich schon bald heftiger militärischer Widerstand. So kämpften in den Jahren 1944 bis 1950 in der Ukraine etwa 400 000 Männer und Frauen im antikommunistischen Untergrund, 100 000 waren es in Litauen, jeweils 20 000 bis 40 000 in Lettland und Estland. Hinzu kam der Widerstand der polnischen Heimatarmee in den Gebieten, die nunmehr zu Weißrussland gehörten. Die Deportation zehntausender Sympathisanten, der geschickte Einsatz von Spitzeln und der mangelnde militärische Nachschub brachen den Widerstandsbewegungen nach einigen Jahren jedoch das Rückgrat. Ende der 1940er-Jahre waren nur noch wenige Hundert Kämpfer in den einzelnen Regionen aktiv.

Die Sowjetunion etablierte in den von ihr eroberten Gebieten kommunistische Satellitenregime und bildete so einen Gürtel von Pufferstaaten gegen die liberal-demokratische Welt. Besonders bitter war dies für die Westmächte im Fall von Polen, für dessen Souveränität sie einst in den Krieg gezogen waren.

Allerdings handelten die Westmächte prinzipiell nicht viel anders und waren nicht gewillt, kommunistische Regierungen in ihrem Einflussbereich zu dulden. Dies wurde besonders deutlich in Griechenland. Als die Wehrmacht im Oktober 1944 abzog, wurde das Land längst von der kommunistischen Partisanenbewegung kontrolliert. Der britische Premierminister Winston Churchill war entschlossen, nicht tatenlos zuzusehen, wie die geostrategisch wichtige Region vollends unter kommunistischen Einfluss geriet. Stalin hatte ihm schon im April 1944 zugestanden, dass Griechenland künftig in der britischen Einflusssphäre liegen sollte. Mehrere zehntausend britische Soldaten kämpften im Dezember 1944 und Januar 1945 Athen frei, wobei Teile der Stadt durch die heftigen Gefechte und die Luftangriffe der Royal Air Force zerstört wurden. Tausende Tote forderten die Kämpfe, in denen die britischen Truppen den "weißen" Milizen bei ihrem Rachefeldzug gegen Kommunisten freie Hand ließen. Churchill verhinderte mit seiner Intervention eine kommunistische Machtübernahme schon zum Jahreswechsel 1944/45. Dies war die entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich die konservativen Kräfte mit westalliierter Hilfe in dem von 1946 bis 1949 währenden blutigen Bürgerkrieg schließlich durchsetzen konnten und in Griechenland wieder eine konstitutionelle Monarchie errichtet wurde. Die Meinung der griechischen Bürger spielte für Churchill dabei ebenso wenig eine Rolle, wie Stalin es interessierte, von wem die Polen regiert werden wollten.

Vertreibungen

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 hatten die Großen Drei endgültig vereinbart, Polen nach Westen zu verschieben und es mit deutschen Gebieten zu entschädigen. Präzedenzlos waren solche Grenzziehungen am Konferenztisch gewiss nicht. Neu war jedoch, dass in Ostmitteleuropa nach den schlechten Erfahrungen der Zwischenkriegszeit ethnisch einheitliche Gebiete geschaffen werden sollten.

Die größte Vertreibung der Geschichte begann aber nicht erst nach den Beschlüssen der Siegermächte, sondern hatte bereits mit dem Rückzug der deutschen Truppen eingesetzt. Getrieben von Rachegefühlen gingen Polen und Tschechen daran, vollendete Tatsachen zu schaffen, noch bevor die Großen Drei offizielle Beschlüsse gefasst hatten. Die wilden Vertreibungen arteten in Gewaltexzesse aus. Raub, Vergewaltigungen und Mord waren an der Tagesordnung.

Auf der Konferenz von Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945) wurden die Vertreibungen schließlich legalisiert. Allerdings bestanden Briten und Amerikaner darauf, dass diese fortan in geordneter und humaner Weise ablaufen sollten. Dass sie damit gegen die Atlantik-Charta vom August 1941 verstießen, interessierte 1945 niemanden mehr. Diese hatte vorgesehen, dass "keinerlei territoriale Veränderungen vorgenommen werden sollten, die nicht im Einklang mit den in voller Freiheit ausgedrückten Wünschen der betroffenen Völker" stehen. Zu viel Leid hatten die Deutschen über Europa gebracht, und in der Realpolitik hatten hehre Erklärungen ohnehin keinen Platz. 11,7 Millionen Deutsche mussten bis 1947 ihre Heimat verlassen. Sieben Millionen stammten aus den neuen polnischen Gebieten, drei Millionen aus der Tschechoslowakei, 1,8 Millionen aus dem Memelland, Ungarn, Jugoslawien oder Rumänien. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, seriöse Schätzungen nennen bis zu 600 000 Tote.

Die Vertreibungen betrafen aber nicht nur die Deutschen, wenn diese auch die bei weitem größte Gruppe bildeten. Auch 1,2 Millionen Polen mussten ihre Heimat im ehemaligen Ostpolen verlassen. Besonders hart traf es jene, die in den Bürgerkrieg mit ukrainischen Milizen gerieten, der 1942 in Westgalizien und Wolhynien begonnen hatte. Bis zu 90 000 Polen wurden dort auf brutale Weise ermordet. Im Gegenzug vertrieben die Polen 482 000 Ukrainer und brachten 20 000 von ihnen um. Beide Volksgruppen gingen mit derartiger Inbrunst aufeinander los, dass sie darüber zuweilen den Kampf gegen die Wehrmacht hintanstellten. Dieser Krieg dauerte bis 1947 an. Gemischt besiedelte Gebiete gab es danach nicht mehr.

Und damit ist die Liste der Vertreibungen noch nicht vollständig: 150 000 bis 350 000 Italiener mussten aus Istrien und Dalmatien fliehen, das an Jugoslawien fiel, 120 000 Ungarn aus der Slowakei, 250 000 Finnen aus Karelien – das fortan zur Sowjetunion gehörte. Die Aufzählung ließe sich weiter fortsetzen. Ostmitteleuropa, in dem viele Nationalitäten und Religionen über Jahrhunderte zusammengelebt hatten und das kulturell so florierende Städte wie Lemberg prägten, wurde homogenisiert. Und meist waren die Vertreibungen mit unfassbaren Grausamkeiten verbunden.

Die Ereignisse in Asien

In Asien endete der Zweite Weltkrieg mit der Verkündung der japanischen Kapitulation durch den Tenno am 15. August 1945. Am 2. September 1945 wurde die entsprechende Urkunde auf dem amerikanischen Schlachtschiff Missouri in der Bucht von Tokio unterzeichnet. Zur geplanten Invasion Japans kam es nicht mehr, da nach den beiden Atombombenabwürfen und der Kriegserklärung der Sowjetunion am 9. August 1945 Kaiser Hirohito endlich einlenkte und die Waffen niederlegen ließ.

Aber auch hier ging einer der wichtigsten Konflikte weiter: Der seit 1927 wütende Bürgerkrieg in China zwischen Kommunisten und Nationalchinesen flammte nach der japanischen Kapitulation mit neuer Energie auf. Er endete vier Jahre später mit dem Sieg Mao Tse-tungs und der Flucht Chiang Kai-sheks nach Formosa. Infolgedessen gibt es bis heute neben der am 1. Oktober 1949 proklamierten Volksrepublik China noch Taiwan, das ehemalige Formosa, das sich selbst "Republik China" nennt.

Nach der japanischen Kapitulation trachteten die Europäer danach, ihre alten Kolonialreiche wieder zu übernehmen. Doch als Franzosen, Briten und Niederländer nach Indochina, Malaysia und Indonesien zurückkehrten, waren sie nicht willkommen. Mit großer Härte versuchten die alten Kolonialherren die Freiheitsbewegungen zu unterdrücken. Dabei ist gerade die Rolle der Franzosen und Niederländer interessant, die – eben noch von der Wehrmacht besetzt – nun selbst als gewalttätige Okkupationsmächte auftraten. Indonesien erhielt nach einem blutigen Kampf 1949 seine Unabhängigkeit, Malaysia folgte 1957, und aus dem ehemals französischen Indochina bildeten sich 1954 – nach acht Jahren Krieg – die unabhängigen Staaten Kambodscha, Laos und Vietnam, das allerdings in einen kommunistischen Norden und demokratischen Süden geteilt war: Sprengstoff für den nächsten Krieg.

QuellentextKriegsminister Shimomura rechtfertigt in einer Ansprache an Armee und Bevölkerung Japans Kapitulation

Since 9th August we have been confronted with a sudden great change in the situation, as a result of which we have come face to face with many grievous circumstances, and the most grievous of all is that a shadow has been cast, though it be but temporarily, upon the sovereignty of his Majesty the Emperor. The path we, his Majesty’s soldiers, should follow in this unprecedented state of affairs has been made clear in the Imperial Rescript. But we have not consolidated our determination. I regret to say I have the impression that there are still some who have not fully understood. In the Homeland, in particular, the confusion of ideas seems greater than among the troops at the front. For instance, there are those who say:
"For greater Japan to surrender at this time is inexcusable, both in view of the Empire’s 3,000 years’ history and before the Loyal souls of these, our comrades, who have fallen in battle. Either I must carry on the fight, at least myself, or I must show the sincereity of my patriotism by manfully committing suicide." […]
When, as C-in-C (Commander-in-Chief) in North China, I first learnt of the acceptance of the Potsdam Declaration, I shed tears of bitter sorrow as I turned the matter over in my mind all night. But by next morning my mind had become clear, and I at once took up my writing-brush to draft my instructions communicating to all the Forces under my Command the broadcast of His Majesty the Emperor. The substance of my instructions was as follows:

"This, my Command, comes to you with bitter tears. Based upon the decision of the Emperor, it represents a far-sighted national policy and is to be received with reverence. Let no one dare to go against or conflict with the spirit of the Imperial Rescript, even though his conduct spring from the true spirit of the Bushido".
Whence was it that I received this clear impulse? It was in a sentence in the Rescript to the Armed Forces, which I have read every morning since my childhood days – "should the glory of the Imperial Throne fall low, bear ye your part of grief with me." For many a year I had never thought that such a thing might come to pass in our country and consequently I was ill-prepared in spirit to comply with these gracious words. However, faced with the present unexpected situation, I have been filled with a deep understanding and, thinking also of the words which follow “guard ye all your posts and unite with me" – the only way has been shown to me, and my resolve hardens. I, too, have been assailed by the doubt – "is this enough to safeguard the state?" – and have for a time shared the same feelings. But today, since there is a way open to us, be it small and narrow, it is the duty of loyal subjects that we should defend it. We must defend it in the face of all difficulties. To make it yet narrower ourselves, or to turn our backs upon, it would be suicide. […]
We must not allow ourselves to be carried away by our feelings and resort to such temporising measures as to conceal or destroy weapons which we are required to hand over. It is most necessary to make the foreigner realise the beauty of the Japanese spirit and our sublime moral sense by giving up what we are required to give up honourably, without great regret, and in an orderly manner. But this does not mean that we should submit to anything and everything. Should new and unreasonable demands, or demands outside the scope of the existing treaties, be made by the other party, needless to say the Government would endeavour to secure their revision by lawful means, and in such a case, it is my intention to make every effort myself. I want you, calmly, to place your confidence in the authorities, and to be careful at all times not to be carried away, even for a moment, by your passions and indulge in acts of violence, even individually.

[…] [A]t this time the concentration of the total power of the people is more necessary than ever. If, at this time, there emerges from the nation one transgressor, by so much will the revival of the country be delayed. The Post War Victory will certainly not be accomplished in a short space of time. Long-lasting patience is necessary. Only by enduring indescribable hardships, even into the second and third generation, and by concentrating every effort upon the sole object of Post-War reconstruction, will it be possible to comply with the Emperor’s wishes and to fulfil the Imperial desire expressed in the rescript to the Army and Navy, to be sure to leave a permanent foundation for the State. […]
The excellence of the Imperial forces has already been proved in war, and now, in the post-war period, as peaceful civilians, we should show our sublime sense of responsibility and the other fruits of our spiritual training, both at home and abroad, in a natural and dignified manner – without pride and without extravagance.

The National Archives, London [TNA, WO 203/1113]
In Englisch wiedergegeben, weil eine verlässliche deutsche Übersetzung nicht auffindbar war.

Geschärftes Bewusstsein für Friedenswahrung

Die Kapitulation Deutschlands und Japans 1945 markierte nicht das Ende aller Kriege. Grausamkeiten, Konflikte, Kriege gingen weiter. Und dennoch: Auf den Zweiten Weltkrieg folgte kein Dritter. Die Angst vor der nuklearen Katastrophe machte die Welt sicherer, brachte die seit den Revolutionskriegen 1792 bis 1815 stetig ansteigende Tendenz zur Totalisierung der Kriegführung zum Stehen. Die neue bipolare Weltordnung erwies sich als erstaunlich stabil, und neue internationale Organisationen entstanden: die UNO, die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, die Weltgesundheitsorganisation, das Kinderhilfswerk UNICEF und die UNESCO. Nach zwei Weltkriegen war Deutschen und Franzosen klargeworden, dass endlich eine Lösung für ein erträgliches Miteinander geschaffen werden musste. Aus dieser Erkenntnis erwuchs im Verlauf der Zeit das vielleicht bemerkenswerteste Ergebnis des Zeitalters der Weltkriege: die Europäische Union.

Sönke Neitzel ist Professor für International History an der London School of Economics and Political Science (LSE). Er studierte in Mainz Geschichte, Publizistik und Politikwissenschaft, wurde dort 1994 promoviert und 1998 habilitiert. Anschließend lehrte er an den Universitäten Mainz, Karlsruhe, Bern und Saarbrücken, bevor er 2011 auf den Lehrstuhl für Modern History an der University of Glasgow berufen wurde. Seit September 2012 lehrt und forscht er an der LSE.
Einem breiteren Publikum wurde er durch sein Buch "Abgehört. Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft, 1942-1945" bekannt, das 2005 erschien.
Seine Forschungsschwerpunkte sind Militärgeschichte und die Geschichte der Internationalen Beziehungen des 19. und 20. Jahrhunderts.
Kontakt: E-Mail Link: s.neitzel@lse.ac.uk