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Von der Selbstversorgung zum Weltmarkt | Unternehmen und Produktion | bpb.de

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Von der Selbstversorgung zum Weltmarkt

Birgit Weber

/ 14 Minuten zu lesen

Während des Krieges arbeiteten Frauen in der Fabrik. (© Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel.)

Einleitung

Vor mehr als 10 000 Jahren sorgten die Menschen als Sammler und Jäger umherziehend selbst für ihren eigenen Lebensunterhalt, indem sie sich von Wild, Fischen, Körnern, Kräutern und Früchten nach dem Rhythmus der Natur ernährten. Waren die Bestände der Natur an ihrem Aufenthaltsort erschöpft, mussten sie weiterziehen. Durch die "Erfindung" des Ackerbaus in der Jungsteinzeit - die Neolithische oder erste wirtschaftliche Revolution vor 10 000 Jahren zunächst in Kleinasien, dann in China und Mexiko - konnten die Menschen sich niederlassen, ihre Äcker bestellen und Haustiere halten. Damit begann das geplante und organisierte Wirtschaften, die Menschen spezialisierten sich, und die ersten Berufe entstanden. Da sich durch die Spezialisierung von einzelnen Gütern mehr herstellen ließ als zum Leben nötig war, aber nicht alle Menschen die Güter herstellten, die sie benötigten, entwickelte sich der Handel zwischen verschiedenen Gruppen und schließlich auch zwischen unterschiedlichen Ländern und Regionen. Mit der Entwicklung neuer Verarbeitungsmethoden in der Bronzezeit (Ende des 3. Jahrtausends vor bis Beginn des 1. Jahrtausends nach Chr.) konnten Metalle geschmolzen und Lebensmittel haltbar gemacht werden. So wurde auch ein längerer Transport der Produkte möglich, und die Menschen mussten sich nicht mehr dort niederlassen, wo sie direkt die natürlichen Rohstoffe vorfanden. 4000 v. Chr. entstanden die ersten befestigten Städte - ebenfalls in Kleinasien.

Geldwirtschaft

Wenn aber nun immer mehr Menschen immer mehr Waren tauschten, hätte jeder immer genau den finden müssen, der das Produkt anbot, das er selbst brauchte, während er selbst wiederum das Produkt anbot, das der andere benötigte - und das selbstverständlich in der Menge, über die sich beide einig werden konnten. Statt eines solchen umständlichen Prinzips Ware gegen Ware wählten die Menschen Umwege. Sie verständigten sich auf Waren, die gegen alle anderen getauscht werden konnten. So dienten in der Vergangenheit Salz, Rinder, Kaurimuscheln, Felle oder auch Gold und Silber als Geld. Mit der Erfindung der Münzprägung circa 700 v. Chr. wurde der Handel erheblich erleichtert. Münzen hatten den Vorteil, dass sie nicht verdarben, leicht transportierbar und vor allem auch teilbar waren. Die Erfindung der Schrift 4000 v. Chr. durch die Sumerer ermöglichte es den Kaufleuten, die Vereinbarungen über zu liefernde Leistungen und die dafür erforderlichen Gegenleistungen als Verträge festzuhalten, aber erst die Römer regelten ab 450 v. Chr. die Beziehungen der Menschen durch das Privatrecht und ahndeten Vergehen durch das Strafrecht.

Die erwirtschafteten Überschüsse schufen Freiräume, um sich kulturellen, musischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten zu widmen, die bis dahin zum Überleben nicht dringend erforderlich waren. Zugleich stellte sich aber auch die Frage, wer der rechtmäßige Eigentümer der Überschüsse war. Der griechische Philosoph Aristoteles (384-322 v. Chr.) vermutete, dass die Gesellschaft besser vorankäme, wenn jeder für das seinige sorge. Das Privateigentum galt ihm als Basis der Freiheit. Seine Hoffnung, dassdas Privateigentum Konflikte mindern könnte, trogallerdings. Denn mit denunterschiedlichen Erträgen gingen nicht nur Neid und Missgunst einher. Auch Diebstahl, Betrug, Plündereien und Krieg gedeihen bei ungleichen Lebensbedingungen, die vielfach als ungerecht erlebt werden, ebenso wie bei existenziellen Nöten.

Das Ende des römischen Weltreichs führte auch zu einem starken Rückgang des florierenden Handels zwischen den Ländern. Im frühen Mittelalter entwickelten sich zahllose autarke Einzelwirtschaften, die den Güterbedarf auf den Marktplätzen regelten. Hier trafen sich die Handwerker, die sich in den Städten des Hochmittelalters zu Zünften zusammenschlossen. Sie legten nicht nur Preise und Mengen unabhängig von der Nachfrage fest, sondern bestimmten auch darüber, wer das Handwerk ausüben durfte. So sicherten sie zwar ihre eigene Existenz, standen aber auch Neuerungen eher kritisch gegenüber.

Merkantilismus

Seit dem 16. Jahrhundert griffen die Staatslenker einiger europäischer Mächte massiv in den Wirtschaftsprozess ihrer Länder ein, um die Steuereinnahmen und Goldreserven zu erhöhen. So förderte Jean Baptiste Colbert (1619-1683), Finanzminister König Ludwigs XIV. von Frankreich, die Entstehung von Manufakturen, in denen die Handwerker in großer Zahl zusammengefasst wurden. Sie konnten so wesentlich mehr Produkte erstellen, als jeder für sich alleine erarbeitet hätte, auch wenn sie letztlich nur auf ihre Muskelkraft angewiesen waren. Preise, Mengen und Qualitäten wurden durch die staatliche Wirtschaftspolitik vorgegeben. Vermehrte Steuereinnahmen versetzten die absolutistischen Herrscher in die Lage, stehende Heere aufzubauen und teure Kriege zu führen, und dienten außerdem dazu, einen wachsenden Verwaltungsapparat zu bezahlen sowie das verschwenderische Leben an den Fürstenhöfen zu finanzieren. Da Staatseinnahmen Vorrang hatten vor der Güterversorgung des Landes, wurde der Export gefördert, der Import aber massiv behindert. Dieses Wirtschaftssystem, bekannt als Merkantilismus (von lat. mercari, Handel treiben), war in Europa bis ins 18. Jahrhundert vorherrschend. Für den Wirtschaftshistoriker und Nobelpreisträger Douglass C. North bewirkten vor allem die Fortschritte in der Militärtechnik die Ausdehnung der Staaten, die nun gezwungen waren, Eigentumsrechte zu vergeben und politische Zugeständnisse zu machen, um sich ein funktionstüchtiges Militärwesen zu schaffen.

Industrielle Revolution

Mit der Erfindung der Dampfmaschine durch den Schotten James Watt 1765 konnten Fabriken entstehen, in denen durch Dampfkraft angetriebene Produktionsmaschinen ein Vielfaches dessen erzeugten, was zuvor durch Handarbeit möglich gewesen war. Mit dem aufziehenden Industriezeitalter, das sich in Europa und den USA im Verlauf des 19. Jahrhunderts vollends durchsetzte, entstand ein immenser Bedarf an Kapital, aber gleichzeitig wurde auch ein großes Kapitalangebot geschaffen. Daher rührt auch der Begriff des Kapitalismus, der im deutschsprachigen Raum erstmals in den Schriften von Karl Marx belegt ist und eine arbeitsteilige Produktion mit bürgerlichem Privateigentum an den Produktionsmitteln bezeichnet. Die meisten Unternehmer, die neue Produkte oder neue Maschinen auf den Markt bringen wollten - wie etwa Glühbirnen und Elektrogeräte (Thomas Alva Edison), optische Geräte (Carl Zeiss), Motoren (Gottlieb Daimler, Karl Benz), die Massenfertigung von Autos (Henry Ford), konnten den immensen Kapitalbedarf weder allein durch ihr Eigenkapital noch durch Fremdkapital bewältigen. Sie gründeten Aktiengesellschaften, die den Vorteil hatten, das Eigenkapital zu erhöhen, da sich viele Menschen als Aktionäre bei geringem Risiko am industriellen Wachstum beteiligen konnten, während der ursprüngliche Privateigentümer im Falle des Ruins auch mit seinem gesamten Privatvermögen haften musste. So schufen die neuen Unternehmen im Industriezeitalter neue, aber auch wesentlich günstigere Produkte, die handwerkliche Produktionen verdrängten und den ehemaligen Produzenten die Existenzgrundlage nahmen. Dies ging jeweils so lange gut, bis sie durch eine andere Innovation bei Produkten oder Produktionsprozessen selbst zerstört wurden. Mit den neuen Kapitalgesellschaften entwickelte sich während der Industrialisierung die Trennung von Eigentum und Führung: Die Aktionäre wurden die Eigentümer des Unternehmens, während angestellte Manager dessen Führung übernahmen.

Die Gewinne aus der Spezialisierung nach der industriellen Revolution führten zu einem beispiellos hohen Lebensstandard der westlichen Welt, gleichzeitig wuchsen aber auch die Folgekosten der Spezialisierung. Diese Spannung zwischen den Spezialisierungsgewinnen und ihren Folgekosten bezeichnet Douglass C. North als Ursache für die Herausbildung wirtschaftlicher Strukturen und ihres Wandels, aber gleichzeitig auch als Kern der modernen Probleme politischer und wirtschaftlicher Leistung. Heute existieren Zweifel, ob sich das bisherige Wirtschaftswachstum, das zu beispiellosen Innovationen und einer noch vor 100 Jahren unvorstellbaren Güterversorgung geführt hat, fortsetzen lässt. Der harte internationale Standortwettbewerb erzwingt technologische und arbeitsorganisatorische Produktivitätsfortschritte, die vor allem einfache Tätigkeiten überflüssig werden lassen, derweil ein angemessenes, Beschäftigung sicherndes Wachstum kaum in Sicht ist und auch an ökologische Grenzen stößt. Doch betrachten wir zunächst die Funktion und die Auswirkungen eines Grundphänomens aller wirtschaftenden Gesellschaften: Arbeitsteilung und Spezialisierung.

Arbeitsteilung und Spezialisierung

Arbeitsteilung ist eine grundlegende Voraussetzung für das Wirtschaften in fast allen Gesellschaften, sie gilt aber ebenso als Basis für das beispiellose Wachstum der Güterversorgung. Man stelle sich vor, jeder Mensch müsse das, was er zum Leben braucht, selbst herstellen. Berücksichtigt man lediglich die Befriedigung überlebensnotwendiger Grundbedürfnisse, müsste jeder selbst in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen für Nahrungsmittel, Kleidung und ein Dach über dem Kopf sorgen. Eine Lebensform nach dem Motto "Selbstversorgung aus dem Garten" war in den 1980er Jahren für einige gesellschaftliche Gruppen eine interessante Option einer gesundheits- und umweltfreundlicheren Lebensweise. Die Selbstversorgung bezog sich aber letztlich nur auf einen relativ kleinen Bereich: Schon zur Verarbeitung der Nahrungsmittel bedurfte es nicht nur Messer, sondern auch Öfen, zur Reinigung der Kleidung wurden keine Waschbretter, sondern Waschmaschinen genutzt, zur Reise in die unberührte Natur waren Verkehrsmittel erforderlich, zu deren Herstellung dem Einzelnen sowohl die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten als auch die Mittel fehlten. Wenn schon allein die Befriedigung von Grundbedürfnissen mit solchen Schwierigkeiten verbunden war, wie sollte das bei der Aufzucht und der Bildung des Nachwuchses, der Minderung von Krankheiten, der Vorsorge im Alter gelingen, ganz zu schweigen von der Befriedigung kultureller Bedürfnisse.

Adam Smith (1723-1790), der Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre, hat am Beispiel einer Stecknadel deutlich gemacht, wiedurch arbeitsteilige Produktion in kurzer Zeit eine wesentlich größere Menge dergleichen Güter erzeugt werden kann.

QuellentextAnstatt einer entstehen 4 800 Stecknadeln

Ein Arbeiter, der noch niemals Stecknadeln gemacht hat und auch nicht dazu angelernt ist [...], könnte, selbst wenn er sehr fleißig ist, täglich höchstens eine, sicherlich aber keine zwanzig Nadeln herstellen. Aber so, wie die Herstellung von Stecknadeln heute betrieben wird, ist sie nicht nur als Ganzes ein selbständiges Gewerbe. Sie zerfällt vielmehr in eine Reihe getrennter Arbeitsgänge, die zumeist zur fachlichen Spezialisierung geführt haben. Der eine Arbeiter zieht den Draht, der andere streckt ihn, ein dritter schneidet ihn, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift das obere Ende, damit der Kopf aufgesetzt werden kann. Auch die Herstellung des Kopfes erfordert zwei oder drei getrennte Arbeitsgänge. Das Ansetzen des Kopfes ist eine eigene Tätigkeit, ebenso das Weißglühen der Nadel, ja, selbst das Verpacken der Nadeln ist eine Arbeit für sich. Um eine Stecknadel anzufertigen, sind somit etwa 18 verschiedene Arbeitsgänge notwendig, die in einigen Fabriken jeweils verschiedene Arbeiter besorgen, während in anderen ein einzelner zwei oder drei davon ausführt. Ich selbst habe eine kleine Manufaktur dieser Art gesehen, in der nur 10 Leute beschäftigt waren, so dass einige von ihnen zwei oder drei solcher Arbeiten übernehmen mussten. Obwohl sie nun sehr arm und nur recht und schlecht mit dem nötigen Werkzeug ausgerüstet waren, konnten sie zusammen am Tage doch etwa 12 Pfund Stecknadeln anfertigen, wenn sie sich einigermaßen anstrengten. Rechnet man für ein Pfund über 4000 Stecknadeln mittlerer Größe, so waren die 10 Arbeiter imstande, täglich etwa 48 000 Nadeln herzustellen, jeder also ungefähr 4800 Stück. Hätten sie indes alle einzeln und unabhängig voneinander gearbeitet, noch dazu ohne besondere Ausbildung, so hätte der einzelne gewiss nicht einmal 20, vielleicht sogar keine einzige Nadel am Tag zustande gebracht. Mit anderen Worten, sie hätten mit Sicherheit nicht den zweihundertvierzigsten, vielleicht nicht einmal den viertausendachthundertsten Teil von dem produziert, was sie nunmehr infolge einer sinnvollen Teilung und Verknüpfung der einzelnen Arbeitsgänge zu erzeugen imstande waren.

Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen (1776), München 1978, S. 11f.

Die Vorteile der Arbeitsteilung für die Güterversorgung einer Wirtschaft beruhen zunächst auf zwei grundlegenden Gegebenheiten. Zum einen wird ein Arbeitsvorgang in mehrere Schritte zerlegt und ein einzelner Mensch führt nur noch jeweils einen dieser Schritte aus, so dass er durch Lernerfahrungen in diesem Bereich immer schneller und besser wird. Der amerikanische Ingenieur Frederick Winslow Taylor (1856-1915) perfektionierte dieses System mit dem Ziel, die Produktivität menschlicher Arbeit zu steigern. Die Minderung unnötiger Leerläufe durch Zeit- und Bewegungsstudien sowie Anreize durch ein auf Leistungssteigerung ausgerichtetes Lohnsystem ermöglichten zunächst einen erheblichen Produktivitätsanstieg menschlicher Arbeit. Die immer wiederkehrenden gleichen körperlichen Anstrengungen bei minimaler geistiger Beanspruchung wurden jedoch bald zum Inbegriff inhumaner Arbeitsgestaltung. Seine praktische Anwendung fand der Taylorismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst in den Fabriken der Ford-Automobil-Werke in Detroit.

QuellentextAutos für jeden - zu welchem Preis?

Als um die Jahrhundertwende der amerikanische Ingenieur Frederick Winslow Taylor - nach Untersuchungen in den Schlachthöfen von Chicago und Cincinnati - darauf hinwies, dass Serienprodukte am billigsten hergestellt werden können, wenn die Arbeit in möglichst kleine Teilaufgaben zerlegt wird, fand dies nicht zuletzt bei Henry Ford I. großen Anklang. Tatsächlich gab ihm die mit der Fließbandfertigung einhergehende Produktionssteigerung mit sinkenden Stückkosten recht: Erforderte die handwerkliche Montage eines Ford "Modell T" (Tin Lizzy) zunächst 728 Minuten, so war die Angelegenheit am (gut zwei Kilometer langen) Fließband nach 93 Minuten erledigt. Zwischen 1909 und 1926 konnte daraufhin der Preis des Autos von 950 Dollar auf 290 Dollar gesenkt werden, obwohl die Arbeiter zeitweise mehr als doppelt soviel verdienten als bei der Konkurrenz. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Verfahren der Fließbandfertigung immer weiter perfektioniert: Arbeiten, bei denen am Tag 2000- bis 5000-mal der gleiche Handgriff getan werden musste, waren schließlich keine Seltenheit mehr. Gleichzeitig wurden alle dispositiven Arbeiten vom Band weg auf eine Angestellten-Hierarchie verlagert. In der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg zeigten sich jedoch zunehmend die Grenzen dieses Verfahrens: Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, Nervosität, Schlafstörungen und Herzbeschwerden wurden immer häufiger Symptome, unter denen die Arbeitnehmer am Fließband litten. Dies wiederum führte zu steigendem Krankenstand, zunehmender Fluktuation der Mitarbeiter und wachsendem Ausschuss in der Produktion.

Helmut Schmalen / Hans Pechtl, Grundlagen und Probleme der Betriebswirtschaft, 13., überarb. Aufl., Stuttgart 2006, S.226

Aufgrund der Kritik an diesen Auswüchsen inhumaner Arbeit wird Arbeitsteilung oft allein mit Fließbandarbeit assoziiert. Dabei wird aber übersehen, dass Arbeitsteilung nicht allein auf die industrielle Produktion begrenzt ist. Auch die "Bildung" eines Menschen, wird durch arbeitsteilige Institutionen gefördert - zunächst die Eltern, dann die Kindergärtnerinnen, schließlich die Lehrkräfte, die spezialisiert sind auf die Förderung von Kindern in den Grund- oder Sekundarschulen sowie auf den Unterricht in den unterschiedlichen Fächern. Immer werden von den professionell für einen Bereich ausgebildeten Personen auch besondere Eigenschaften, Fähigkeiten und Kenntnisse für ihren spezifischen Tätigkeitsbereich erwartet, so dass die Nutznießer der Güter und Dienstleistungen aufgrund der Spezialisierung auf eine besondere Qualität vertrauen. Somit kann das grundlegende Prinzip der Arbeitsteilung in allen menschlichen Gesellschaften zunächst als Beitrag zur Wohlstandsverbesserung begriffen werden, da sie erlaubt, Menge und Qualität der produzierten Güter zu erhöhen. Wenn der Einzelne sich auf die Produktion dessen spezialisiert, was er am besten kann, kann er seine Überschüsse gegen gewünschte Güter mit jenen tauschen bzw. handeln, die in anderen Bereichen produktiver sind.

Abgesehen von unterschiedlichen Talenten sind Arbeitsteilung, Tausch und Handel schon allein deshalb notwendig, weil keine unendliche Zeit zur Verfügung steht, um sich als Einzelner für die Herstellung aller benötigten Güter zu qualifizieren. Ohne Arbeitsteilung wäre nicht einmal ein Prozentsatz des gegenwärtig erreichten Ausmaßes an Güterversorgung denkbar. Die mit der Spezialisierung einhergehenden Lernerfahrungen ermöglichen Kostensenkung aufgrund höherer Produktionsgeschwindigkeit, sie führen zu sinkender Fehlerhäufigkeit und zur Verbesserung der Produktionsprozesse. Arbeitsteilung ist aus modernen Gesellschaften nicht wegzudenken.

Dennoch mag es für den Einzelnen vielleicht gar nicht erstrebenswert sein, nur eine begrenzte Anzahl von Fähigkeiten - im Extremfall einen Handgriff - zulasten aller anderen Befähigungen zu perfektionieren. Bei extremer Einseitigkeit drohen Entfremdung, Monotonie und Gesundheitsbelastungen für das Individuum. Dies beschrieb Karl Marx bereits 1848 im "Manifest der Kommunistischen Partei": "Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Charakter und damit allen Reiz für die Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird. Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich daher fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Rasse bedarf. Der Preis einer Ware, als auch der Arbeit ist aber gleich ihren Produktionskosten. In demselben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit wächst, nimmt daher der Lohn ab."

Arbeitsteilung ist grundsätzlich eine Voraussetzung zur Steigerung des Wohlstands, indem sie eine höhere Produktivität ermöglicht, mit steigenden Gewinnen und Arbeitseinkommen, niedrigeren Produktpreisen und geringeren Arbeitszeiten.

Vor- und Nachteile der Arbeitsteilung

Sie ermöglicht über die Lerneffekte der Spezialisierung eine höhere Produktqualität und höhere Qualifizierungsmöglichkeiten für den Einzelnen. Lassen sich aber trotz höherer Produktivität die zusätzlich produzierten Waren nicht absetzen, kannes auch zum Verlust von Arbeitsplätzen kommen. Ist das Ausmaß der Spezialisierung zu eintönig, kann sie sich sowohl negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken als auchdas Interesse an der Arbeit durch geringere Möglichkeiten der Selbstverwirklichungerheblich beeinträchtigen.

Arbeitsteilung ist zwangsläufig mit gegenseitigen Abhängigkeiten verbunden. So sind die weiterverarbeitenden Gewerbe auf die Rohstofflieferanten, die Produzenten von Vorprodukten sowie auf die Transportunternehmen angewiesen, die Händler benötigen die Produkte der produzierenden Gewerbe. Am Beispiel der Produktion des Gutes "Bildung" werden ebenfalls die wechselseitigen Abhängigkeiten durch die spezialisierte berufliche Arbeitsteilung, aber auch durch die Vielzahl der Produzenten deutlich. So ist der Unterricht in der Mittelstufe darauf angewiesen, dass bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse in der Grundschule erworben wurden, die Oberstufe baut auf den Ergebnissen der Mittelstufe auf. In den einzelnen Fächern wird ein grundlegendes Verständnis für Texte und Zahlen in Deutsch und Mathematik vorausgesetzt. Erforderlich für die Produktion des Gutes Bildung ist auch die Mitwirkung der Schüler und Schülerinnen als Koproduzenten. Doch damit nicht genug: Die Bildungsproduzenten inder Schule erwarten bestimmte Fähigkeiten im Sozialverhalten, wozu die Familie ihren Beitrag leisten soll, während die Ausbildung im Unternehmen oder an der Universität auf die in der Schule erworbenen Fähigkeiten vertrauen müsste, derweil die Schule aber wiederum darauf angewiesen ist, dass die Lehrer und Lehrerinnen in der Lehrerausbildung an Universitäten und Schulen die Fähigkeiten erwerben, angemessene Lernbedingungen zu schaffen. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen und verweist auf die gegenseitigen Abhängigkeiten bei der Produktion eines komplexen Gutes. Dieses Netz gegenseitiger Tauschabhängigkeit nennt man Interdependenz. Sie erfordert ein System, das die wirtschaftlichen Prozesse koordiniert.

Lohnkaufkraft - damals und heute

Arbeitsteilung ist aus modernen Gesellschaften nicht wegzudenken. Sie fördert sowohl Produktivitätsentwicklung als auch Kostensenkung, sie erhöht sowohl die Menge als auch die Qualität der verfügbaren Güter. Sie ermöglicht die Automatisierung -und damit auch den Wegfall - einfacher Tätigkeiten. Durch Spezialisierung werden stärker ausführende und stärker leitende Tätigkeiten getrennt mit Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit. Die Spezialisierung bedingt gegenseitige Abhängigkeiten, wobei die Erträge nicht zwangsläufig allen Beteiligten zu gleichen Teilen zufließen - wie die Spezialisierung auf Produzenten von Rohstoffen, Fertigwaren bzw. Dienstleistungen im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung zeigt. Arbeitsteilung existiert in unterschiedlichen Formen als

  • familiäre Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, zwischen Großeltern, Eltern und Kindern,

  • berufliche Arbeitsteilung zwischen unterschiedlichen Berufen,

  • betriebliche (technische) Arbeitsteilung bei der Erzeugung von Produkten als Arbeitszerlegung im Betrieb oder Produktionsteilung zwischen Betrieben,

  • volkswirtschaftliche Arbeitsteilung zwischen den unterschiedlicher Produktionsstufen der Urproduktion, des industriellen Sektors und des Dienstleistungssektors,

  • internationale Arbeitsteilung zwischen Ländern, die sich auf Produktionen spezialisieren, die sie im Vergleich zu anderen günstiger herstellen können.

Betriebe, Firmen, Unternehmen

Betriebe bzw. Unternehmen sind die professionellen Akteure, die in modernen Gesellschaften für die Produktion und Bereitstellung von Gütern sorgen. Natürlich sind auch die privaten Haushalte nicht allein Konsumenten, sondern auch sie produzieren Güter und Dienstleistungen. Dies erfolgt aber in der Regel für den Eigenbedarf, wobei sie in hohem Maße auf die Gebrauchs- und weiterzuverarbeitenden Verbrauchsgüter aus Unternehmen angewiesen sind. Betriebe sind hingegen fremdbedarfsdeckende Wirtschaftseinheiten, die in jedem Wirtschaftssystem existieren. Sie kombinieren Produktionsfaktoren (Arbeit, Rohstoffe, Technik, Kapital), agieren nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und des finanziellen Gleichgewichts. Im normalen Sprachgebrauch werden die Begriffe Betrieb und Unternehmen, aber auch Firma und Fabrik und manchmal sogar völlig undifferenziert "die Wirtschaft" oft mit gleicher Bedeutung verwendet. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch wird eher Wert gelegt auf klar definierte Begrifflichkeiten. Aber auch hier existiert über manche Definitionen keine Einigkeit. Sind Unternehmungen durch die Merkmale Autonomie und Privateigentum definiert, die dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip folgen, sind sie zentral mit dem marktwirtschaftlichen System verbunden. Nach dieser Definition kann es zwar öffentliche Betriebe, nicht aber öffentliche Unternehmen geben. Wird lediglich die Autonomie, nicht aber die Gewinnmaximierung und das Privateigentum zu den konstitutiven Merkmalen gerechnet, gibt es auch öffentliche Unternehmen. Laut Handelsgesetzbuch gilt als Firma der Name, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt. Damit kennzeichnet die Firma vor allem die kaufmännische Betriebsführung, während eine Fabrik letztlich nur das Gebäude ist, in dem die industrielle Produktion erfolgt.

Unternehmen nach Branchen

Unternehmen produzieren im Gegensatz zu den Haushalten für einen Markt, auf dem anonyme Dritte die Leistung der Unternehmen durch Käufe belohnen oder durch Nicht-Käufe bestrafen. Da die Konkurrenz ebenfalls um die Gunst der Nachfragenden wirbt, müssen Unternehmen deren Bedürfnisse berücksichtigen, da sie sonst auf ihrem Angebot sitzen bleiben. In der Annahme, dass die Konsumenten sich bei eigenen begrenzten Mitteln und einer Vielfalt von zu befriedigenden Bedürfnissen bei gleich guten Produkten zumeist für das günstigere Angebot entscheiden oder bei gleichem Preis das Produkt mit dem höheren Nutzen bevorzugen, müssen sich Unternehmen in der Konkurrenz mit anderen permanent um die Gunst der Kunden bemühen.

Die Rechtsform der Unternehmen

Der Wettbewerb treibt sie an, nach Möglichkeiten zur Kostensenkung zu suchen, etwa durch sparsamen Umgang mit Ressourcen, günstigen Einkauf und effiziente Organisation der Produktion. Außerdem suchen die Unternehmen den Kunden zu verdeutlichen, dass das eigene Produkt ausgezeichnet - und aus der eigenen Sicht selbstverständlich besser als vergleichbare andere - deren Bedürfnisse befriedigen könne und deshalb auch seinen Preis wert sei. Nach Adam Smith trägt das eigennützige Gewinnstreben unter Wettbewerbsbedingungen - wie von unsichtbarer Hand gesteuert - zum Gesamtinteresse bei: Die professionelle Erstellung von Gütern und Dienstleistungen unter Wettbewerbsbedingungen führt knappe Ressourcen Verwendungen zu, die von den Nachfragenden durch die Zuführung von Kaufkraft belohnt werden. So leisten die Unternehmen einen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Güterversorgung sowie zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen und erbringen Steuern für öffentliche Leistungen.

QuellentextWarum gibt es überhaupt Unternehmen?

Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften von 1991, Ronald Coase, fragte sich, warum es überhaupt sinnvoll ist, Unternehmen zu gründen, wenn doch eigentlich die ganze Wirtschaftstätigkeit kurzfristig über den Markt organisiert werden könnte. Dies hört sich zunächst etwas abwegig an. Man stelle sich nun vor, die Beschaffung der benötigten Produktionsfaktoren, die Erstellung der einzelnen Teile eines Gutes, das Controlling und der Vertrieb würden je nach Auftragslage kurzfristig am Markt besorgt. Jede einzelne Leistung und jeder einzelne Arbeitnehmer mit seinen spezifischen Qualifikationen müsste je nach Bedarf nachgefragt werden. Erforderlich wären also viele kurzfristige Verträge für die Beschaffung der notwendigen Ressourcen, den Absatz der Produkte, die Beschaffung des Kapitals, die Kontrolle des Ergebnisses mit vielen weiteren Personen. Dadurch entstehen sowohl Suchkosten für die Ermittlung der günstigsten Preise sowie Kosten für den Vertragsabschluss durch Verhandlungen, die Coase Transaktionskosten nennt. Müssen die Vertragsparteien beispielsweise noch spezifische Investitionen vornehmen, sind sie nach Abschluss der Verträge leicht ausbeutbar. Solche Investitionen, die nicht leicht auf die Produktion anderer Güter übertragen werden können, begünstigen die Einbeziehung in ein einheitliches Unternehmen und erschweren die Koordination über den Markt. Auf diese Weise können Unternehmensgründungen die Zahl der abzuschließenden Verträge mindern, da nicht jeder Besitzer eines Produktionsfaktors mit anderen Faktoreignern kurzfristige Verträge abschließen muss. Auf diese Weise werden Unsicherheiten und Transaktionskosten gemindert. Ein Unternehmen werde demnach das Ausmaß der Arbeitsteilung solange in der eigenen Organisation bewältigen wie die Such- und Vertragsabschlusskosten größer sind als die Kosten für die Aufrechterhaltung der Organisation.

Nach Ronald Coase, The nature of the firm, in: Economica, Vol. 4, No. 16 (1937), S. 386-405

Unterscheidungskriterien

Betriebsgröße und Beschäftigte

Unternehmen können unterschieden werden nach folgenden Kriterien:

  • Branchenzugehörigkeit, zum Beispiel grob nach Sachleistungs- oder Dienstleistungsbetrieben oder feiner nach Land- und Forstwirtschaft, Energie- und Wasserversorgung, Verarbeitendem Gewerbe, Baugewerbe, Handel, Verkehr und Nachrichten-übermittlung, Kreditinstituten und Versicherungsgewerbe, Dienstleistungen durch Unternehmen und freie Berufe;

  • Rechtsformen als Personen- oder Kapitalgesellschaften: Während bei den Personengesellschaften der Eigentümer gleichzeitig die Verfügungsgewalt hat und unbeschränkt haftbar ist, sind bei den Kapitalgesellschaften, den GmbHs und Aktiengesellschaften, die Eigentümer und diejenigen, die die Verfügungsgewalt ausüben, unterschiedliche Personen;

  • Größe gewichtet nach Zahl der Beschäftigten, Umsatz, Bilanzsumme oder Börsenwert. Als Kleinunternehmen gelten nach dem Handelsgesetzbuch solche mit weniger als 50 Beschäftigten, einer Bilanzsumme unter 3,44 Millionen Euro und einem Jahresumsatz unter 6,88 Millionen Euro, zu Großunternehmen rechnen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, einer Bilanzsumme über 13,75 Millionen Euro und mehr als 27,5 Millionen Euro Jahresumsatz;

  • Standort bzw. geographischer Ausbreitung als nationale, internationale oder multinationale Unternehmen;

  • Formalziel als Profit-Organisationen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung oder als Non-Profit-Organisationen mit dem Ziel der Kostendeckung;

  • Unternehmensverbindungen nach dem Grad der Kooperation und Konzentration, wobei Arbeitsgemeinschaften ein gemeinsames Ziel realisieren wollen, etwa ein industrielles Großprojekt, Interessengemeinschaften langfristige Ziele verfolgen etwa als Einkaufskooperationen oder Werbegemeinschaften; Joint Ventures fungieren als Gemeinschaftsunternehmen mehrerer selbstständiger Unternehmen, während Kartelle Absprachen rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Unternehmen mit dem Ziel der Wettbewerbsbeschränkung sind. Von Unternehmenszusammenschlüssen, etwa als verbundene Unternehmen, spricht man, wenn ein Unternehmen über mehr als 50 Prozent der Stimmrechte oder Kapitalanteile an einem anderen Unternehmen verfügt, wenn zwei oder mehr Unternehmen unter der einheitlichen Leitung eines Konzerns stehen oder zwei Unternehmen zu einem neuen rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen fusionieren. Schließlich sind Unternehmensverbände Interessengemeinschaften oder wirtschaftliche Verbünde.

QuellentextAnsätze der Betriebswirtschaftslehre

Die Wissenschaft, die sich mit dem ökonomischen Handeln im Unternehmen und den Umweltbeziehungen von Unternehmen befasst, ist die Betriebswirtschaftslehre (kurz BWL). Als erkenntnis-orientierte Wissenschaft soll sie beobachtbare Sachverhalte beschreiben und erklären. Als anwendungsorientierte Wissenschaft wird von ihr Hilfestellung für eine effiziente Unternehmensführung erwartet. Uneinigkeit besteht bei ihren Vertretern darüber, ob die BWL als Sozialwissenschaft verstanden werden soll, wenngleich die meisten kaum abstreiten, dass in der unternehmerischen Praxis die Ergebnisse der Sozialwissenschaften berücksichtigt werden müssen. Der Betriebswirt Günter Wöhe geht davon aus, dass die Betriebswirtschaftslehre durch die Kunstfigur des homo oeconomicus die Analyse wirtschaftlicher Abläufe vereinfacht und damit die Konflikte zwischen Individuen ausklammert, mit denen sich die Sozialwissenschaften befassen. Nach diesem vorherrschenden Ansatz bezieht sich die BWL vor allem auf die durch Erträge und Kosten gesteuerte Unternehmensführung, deren Hauptaufgabe eine nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip organisierte Kombination der Produktionsfaktoren ist, wie sie der Nestor der deutschen Betriebswirtschaftslehre, Erich Gutenberg, als faktortheoretischen Ansatz begründet hat. Da eine solche BWL die menschliche Arbeit technologisch allein als "Produktionsfaktor" begreift, begründete der deutsche Ökonom Edmund Heinen eine entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre, die den ökonomischen Ansatz zwar nicht ersetzen, aber doch zumindest um die Berücksichtigung der wirtschaftlich entscheidenden und handelnden Individuen erweitern sollte. Der Ansatz ist auf die ökonomischen Zielsetzungen ausgerichtet, indem Entscheidungsprämissen für optimale Lösungen ermittelt werden. Dabei werden verschiedene sozialwissenschaftliche Ansätze zur Erklärung des menschlichen Verhaltens berücksichtigt. Gleichwohl stehen bei der Suche nach optimalen Lösungen betriebswirtschaftliche Ziele im Vordergrund, soziale Konflikte werden kaum berücksichtigt. Eng damit verflochten ist der institutionenökonomische Ansatz in der BWL. Dieser Ansatz nach Werner Neus untersucht vor allem die auf die Einkommenserzielung aller beteiligten Individuen bezogenen Entscheidungen und die Voraussetzungen ihrer Koordination. Dabei werden die institutionell vertraglichen Regelungen auf ihre Erfolgsbedingungen zur Realisierung von Kooperationsvorteilen untersucht. Angenommen wird, dass sich die Akteure eigennützig verhalten und dass ihre Informationen asymmetrisch verteilt sind.
Weil die vorherrschenden Konzeptionen die Entfaltungsinteressen der erwerbstätigen Menschen im Unternehmen eher vernachlässigten, strebte eine Projektgruppe im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes eine arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre an. Diese sollte die Interessen der erwerbsabhängig Beschäftigten an der Sicherung von Arbeitsplätzen und Einkommen sowie an der demokratischen und humanen Gestaltung der Arbeitsbedingungen stärker berücksichtigen. Kritisch erkenntnistheoretisch wurde zwar die einseitige Ausrichtung der herkömmlichen BWL auf die Kapitalinteressen aufgedeckt, der Ansatz fand aber keine praktische Anwendung, da die Selbstentfaltungsinteressen der Beschäftigten tendenziell über die Effizienz des Produktionsprozesses gestellt wurden ohne Berücksichtigung möglicher Leistungseinbußen. Die Einseitigkeiten der bisherigen Entwicklungen im Blick wurde in der jüngeren Vergangenheit vor allem in St. Gallen vonHans Ulrich eine systemorientierte Unternehmensführungslehre entwickelt, die sich als Managementlehre auf das Gestalten, Lenken und Entwickeln komplexer sozialer und auch ökologischer Systeme bezieht, die in enger Verbindung mit ihrer Umwelt und ihren Bezugsgruppen bestehen.
Das Unternehmen gilt dabei als offenes, lernfähiges, komplexes, zielgerichtetes, produktives, soziales und kybernetisches System mehrdimensionalen Charakters in Wechselwirkung mit seiner Umwelt. Ähnlich sozialwissenschaftlich ausgerichtet stellt Günter Schanz mit dem verhaltensorientierten Ansatz den Menschen als wirtschaftendes Individuum in den Mittelpunkt. Statt den durchgängig rational handelnden Menschen anzunehmen, werden sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zum menschlichen Verhalten unter Berücksichtigung soziokultureller Einflüsse einbezogen und vor allem für die Funktionsbereiche Organisation und Absatz fruchtbar gemacht. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings bei der Integration der wenig quantifizierbaren verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse in betriebswirtschaftliche Entscheidungsmodelle. Die ausgewählten betriebswirtschaftlichen Ansätze zeigen, dass die Betriebswirtschaftslehre kein funktionalistisches, einheitliches Gebäude ist. Inwiefern die BWL allein als eigenständige Wirtschaftswissenschaft zu begreifen ist oder als Bestandteil der Sozialwissenschaft, ist zumindest umstritten, während die Bedeutung der Integration betriebswirtschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse zumindest in der praktischen Umsetzung als erforderlich betrachtet wird.

Birgit Weber

Dr. phil., Jahrgang 1959, vertritt gegenwärtig die Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Universität Bielefeld. Sie war von 1989 bis 2006 tätig im Bereich Wirtschaftswissenschaft und Didaktik der Wirtschaftslehre an der Universität Siegen.Dort leitete sie ein Projekt zur Förderung der unternehmerischen Selbstständigkeit in der Lehrerausbildung (2000 - 2002) als Geschäftsführerin im Zentrum für Lehrerbildung. Als stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung hat sie die Entwicklung von Bildungsstandards für die ökonomische Bildung mit vorangetrieben. Ihre fachlichen Schwerpunkte sind neben grundsätzlichen Fragen der Didaktik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vor allem Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit, Umweltökonomie sowie Fragen des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft.

Kontakt:birgit.weber@uni-bielefeld.de ;birgit.weber@uni-siegen.de