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Olympia 1972: Geiselnahme der israelischen Olympia-Mannschaft | Hintergrund aktuell | bpb.de

Olympia 1972: Geiselnahme der israelischen Olympia-Mannschaft

Redaktion

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Die 20. Olympischen Spiele 1972 in München sollten als "Fest des Friedens" in die Geschichte eingehen. Doch es kommt anders: Am 5. September 1972 überfallen palästinensische Terroristen Sportler der israelischen Olympiamannschaft und nehmen sie als Geiseln. Die Befreiungsaktion scheitert. Das Gedenken an die tragischen Ereignisse gestaltet sich bis heute schwierig.

In der Nacht des 6. Septembers 1972 kommen auf dem Militärflughafen in Fürstenfeldbruck neun Mitglieder der israelischen Olympia-Mannschaft ums Leben. Sie waren von der Gruppe "Schwarzer September" am Tag zuvor bei einem Überfall auf ihr Quartier im Olympischen Dorf in München als Geiseln genommen worden. (© dpa, picture alliance/Heinz-Jürgen Göttert)

5. September 1972: Gegen 4.35 Uhr früh stürmen acht Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe "Schwarzer September" das Quartier der israelischen Olympiamannschaft im Olympischen Dorf. Zwei israelische Sportler können flüchten, der Ringer Mosche Weinberg und der Gewichtheber Jossef Romano werden erschossen. Insgesamt gelingt es den Terroristen, neun israelische Sportler in ihre Gewalt zu bringen.

Die Geiselnehmer fordern die Freilassung von über 200 in Interner Link: Israel inhaftierten Interner Link: Palästinensern sowie der beiden Interner Link: RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof, die in Stuttgart-Stammheim in Haft sitzen. Die deutschen Verhandlungsführer tendieren dazu, den Terroristen nachzugeben. Israel hingegen lehnt dies strikt ab: "Wenn wir nachgeben, wird sich kein Israeli irgendwo auf der Welt noch seines Lebens sicher fühlen", erklärt Premierministerin Golda Meir die Haltung der Interner Link: israelischen Regierung . Es folgen Stunden der Verhandlung und des Ringens um eine Strategie zur Überwältigung des palästinensischen Terrorkommandos. Deutsche Medien berichten live aus dem Olympischen Dorf, wodurch die Geiselnehmer die Aktionen der Sicherheitskräfte im Fernsehen mitverfolgen können. Die Terroristen ändern ihre Strategie und fordern nun, ungehindert mit den Geiseln in die ägyptische Hauptstadt Kairo auszufliegen.

Die Befreiungsaktion misslingt

Die Interner Link: Olympischen Spiele laufen derweil weiter. Erst am Nachmittag des 5. September unterbricht IOC-Präsident Avery Brundage die Sportveranstaltung. Am Abend eskalieren die Ereignisse. Gegen 21.00 Uhr verlassen die Terroristen samt der Geiseln das Olympische Dorf. In zwei Helikoptern fliegen sie zum Münchner Militärflughafen Fürstenfeldbruck, wo die geforderte Maschine zum Abflug nach Kairo bereitsteht. Kurz vor Eintreffen der Geiselnehmer flüchten mehrere als Besatzungsmitglieder getarnte Polizisten aus dem Flugzeug. Eigentlich sollten sie die Attentäter nach dem Betreten des Flugzeugs überwältigen. Doch ihr Einsatz wird abgebrochen, weil die Situation zu gefährlich erscheint. Fünf Scharfschützen sind in Stellung, sie sind allerdings schlecht ausgerüstet und haben keinen Kontakt über Sprechfunk. Es kommt zum Schusswechsel. Ein Terrorist wirft eine Handgranate in einen Hubschrauber, ein weiterer Terrorist schießt in den zweiten Hubschrauber. Alle neun israelischen Sportler werden dabei getötet sowie fünf der acht palästinensischen Terroristen und ein Polizist im Kontrollturm. Drei Geiselnehmer werden anschließend festgenommen. Sie werden aber wenige Wochen später durch die Interner Link: Entführung der Lufthansa-Maschine "Kiel" freigepresst.

"The games must go on!"

Nach der gescheiterten Befreiungsaktion werden Vorwürfe laut, dass der Polizeieinsatz schlecht organisiert gewesen sei. Der Münchner Polizeipräsident Manfred Schreiber räumt später ein, dass die Polizisten "für solche Einsätze überhaupt keine Ausrüstung hatten". Die Olympischen Spiele 1972 sollten als "Fest des Friedens" bewusst Offenheit und eine friedliche Atmosphäre transportieren, um die Erinnerung an die Interner Link: Spiele im Jahr 1936 im nationalsozialistischen Deutschland positiv zu überlagern. Nach der eintägigen Unterbrechung und einer Trauerfeier lässt der damalige IOC-Präsident Avery Brundage die Olympischen Spiele mit dem Satz "The games must go on!" fortführen.

Innen- und außenpolitische Konsequenzen

Als Konsequenz der gescheiterten Befreiungsaktion von München wird am 26. September 1972 die Grenzschutzgruppe 9 (heute: GSG 9 der Bundespolizei) ins Leben gerufen, eine polizeiliche Spezialeinheit der Bundespolizei (damals: Bundesgrenzschutz) zur Bekämpfung von Interner Link: Terrorismus und schwerster Gewaltkriminalität. Auch Israel reagiert auf das Attentat. In der Folgezeit geht der Interner Link: israelische Geheimdienst Mossad mit gezielten Tötungsaktionen im Rahmen der "Operation Zorn Gottes" gegen die Mitglieder des "Schwarzen September" vor, bei denen auch Unschuldige sterben. Ausgelöst durch das Attentat 1972 und ein erneutes Attentat bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta, bei dem es zwei Tote und 111 Verletzte gibt, sind die Sicherheitsvorkehrungen bei Olympia immens gestiegen. Die Olympischen Sommerspiele in London 2012 werden zur größten britischen Militäroperation seit dem Koreakrieg.

Das Attentat und die Olympiade

Auch sportpolitisch ist der 5. September 1972 noch immer von Bedeutung. Die Angehörigen der ermordeten israelischen Sportler fordern seither vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eine angemessene Erinnerung, etwa in Form einer Schweigeminute. Lange kommt das IOC dieser Forderung nicht nach. Bei den Olympischen Spielen in London im Juli 2012 lehnt IOC-Präsident Jacques Rogge eine offizielle Schweigeminute während der Eröffnungsfeier ab - mit der Begründung, dass dies nicht der richtige Rahmen sei. Stattdessen wird den Opfern in einer separaten Zeremonie im olympischen Dorf von London gedacht. Das israelische IOC-Mitglied Alex Gilady begründet die ablehnende Haltung des Olympischen Komitees laut Medienberichten damit, dass eine Trauerminute "den Boykott einiger Länder begründen" - und damit der olympischen Einheit schaden könne. Erst mit den olympischen Spielen 2016 in Brasilien – 44 Jahre nach dem Attentat – wird mit einer Schweigeminute ein Ort der Trauer im Olympischen Dorf eingeweiht. Weltweit wird mit Erinnerungsorten und Denkmälern dem Attentat von Olympia 1972 heute gedacht. Die Bedeutung des Attentates für Israel und die Verankerung im kulturellen Gedächtnis des Landes wird durch die Vielzahl der Erinnerungsorte in Israel sichtbar. Neben Denkmälern und Mahnmalen sind mehrere Straßen nach verstorbenen Spielern benannt. Erinnerungsorte finden sich nicht nur in Israel und München, sondern auch in den USA, Australien und Großbritannien.

Bildergalerie: Erinnerungsorte weltweit

Erinnerung an Olympia 1972 - In München und weltweit

In München wird am 6. September 2017 ein weiterer Erinnerungsort geschaffen, der umfassend auch den Hintergrund und Verlauf des Attentats für Besucher darstellen soll. Der Ort der Erinnerung auf dem Lindenhügel im Olympiapark trägt den Namen "Einschnitt" und soll für den traumatischen Bruch stehen, den der Terrorakt während der friedlichen Atmosphäre der Olympischen Spiele 1972 in München ausgelöst hat. Dieser Bruch spiegelt sich auch in der Architektur des Raums wieder - er soll durch einen 2,5 Meter hohen Einschnitt in den Hügel entstehen, der mit Gras überdeckt wird. In dem Raum können Besucher auf einer elf Meter breiten Medienwand zehnminütige Filme zum Verlauf und zu Hintergründen des Attentats anschauen. Dabei geht es nicht nur um das Attentat an sich, sondern auch um die Geschichte Israels und Deutschlands und die Beziehungen zwischen beiden Ländern. Eine von innen heraus leuchtende Dokumentationswand erzählt außerdem die Biografien der zwölf Opfer des Attentats.

Diese Computersimulation zeigt den Ort der Erinnerung auf dem Lindenhügel im Olympiapark in München. Er trägt den Namen "Einschnitt" und wird am 6. September 2017 eröffnet. (© Brückner & Brückner Architekten Tirschenreuth | Würzburg)

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